05.07.2007 Theodor Ickler Kreativ und innovativAnmerkungen zu einer Schüler-GrammatikGestern fiel mir das folgende Buch in die Hände:Schüler-Wahrig: Deutsche Grammatik, von Lutz Götze unter Mitarbeit von Gabriele Pommerin und Anna-Ulrike Mayer. Bertelsmann Lexikon Institut 2002. Die Rechtschreibung ist natürlich die überholte von 1996, aber wahrscheinlich ist inzwischen schon wieder eine Überarbeitung erschienen, mit der sich neues Geld machen läßt. Hier liest man jedenfalls: Tut mir echt Leid. (46) An verschiedenen Stellen wird das „Kreative“ der Götzeschen und Pommerinschen Grammatik und der dazugehörigen Übungen hervorgehoben, ebenso ein gewisser Neuheitsanspruch, obwohl alles sehr konventionell und bieder ist. „In Wortfamilien werden Wörter gleicher Herkunft zusammengefasst und seit der Rechtschreibreform, dem Stammprinzip entsprechend, konsequent gleich geschrieben.“ (355) Davon kann keine Rede sein, und gleich die einzige angeführte Familie (fahren) ist unvollständig, weil sie die keineswegs „konsequent“ geschriebenen Wörter fertig und Hoffart nicht enthält. Die Bedeutung der Modalpartikeln ist in sehr naiver Weise aus dem jeweiligen Kontext herausgesponnen. So soll das ja in Das ist ja die Höhe! „Empörung“ ausdrücken. Das ist aber die Bedeutung des Satzes, nicht der Partikel. In Wie alt bist du denn? soll das denn „Interesse“ anzeigen; das ist geradezu falsch. Ähnlich verfehlt die gesamte Übersicht S. 342f. Komplexe Sätze werden zunächst unter „Text“ behandelt, Konjunktionen als Textverknüpfungsmittel: 18f. Das erinnert an die letzte Dudengrammatik mit ihrer schon dargestellten Fehldisposition. Korrelativa werden als Kataphern verstanden (19). Ein ziemlich verbreiteter Irrtum. Zu den „Metaphern“ Bund für's Leben, Stimme des Gewissens, Arm des Gesetzes heißt es: „Sie sollten in Texten aufgegriffen und produktiv in den eigenen sprachlichen Ausdruck des Lesenden integriert werden.“ (73) Als Lehrer müßte man solche Klischees als Ausdrucksfehler anstreichen. Götze lehnt zwar die Einteilung in Aussagesätze, Aufforderungssätze, Fragesätze und Wunschsätze ab, stellt aber seine an der Verbstellung orientierte, angeblich „formale“ Einteilung unter die Titel Deklarativ-, Interrogativ- und Imperativsätze, mischt also ebenfalls Funktionales bei. Das muß den Schüler verwirren. (74) Die vermeintlichen Verdienste der Valenzgrammatik werden übertrieben dargestellt – als ob die bisherige Grammatik außerstande gewesen wäre, Genitiv-, Dativ- und Präpositionalobjekte zu unterscheiden und Fakultativität darzustellen. (79) Ungenau ausgedrückt: Substantive als Subjekt (126) statt Substantivphrasen o. ä. Klaus wiederholt den Satz – hier wird zur Erklärung angeführt „noch einmal“. (158) Das scheint aus der Rechtschreibreform zu stammen, wo dem Verbpräfix wieder diese Bedeutung zugeschrieben wird, aber es ist schief ausgedrückt, denn Klaus holt ja den Satz nicht noch einmal. „Reflexive Verben (rückbezügliche Verben) sind Verben, bei denen die Person, die mit der Ergänzung bezeichnet wird, identisch ist mit der Person des Subjekts: Er schämt sich.“ (178) Aber die Ergänzung bezeichnet gar nichts. (Ähnlich falsch schon in der Wahrig-Grammatik vom selben Verfasser.) Normativ streng: die objektivste Methode sei falsch, weil solche Adjektive nicht steigerbar seien. (241) „Diese Formen, die täglich vorkommen [!], sind Ausdruck einer um sich greifenden Übertreibungsmanie. Sie sollten nicht verwendet werden.“ Ebenso rigide: „Falsch, obwohl gebräuchlich [!]: *Um was geht es? *Für was setzt ihr euch ein?“ (297) „Eine wachsende Zahl von Verben der deutschen Sprache geht relativ feste Verbindungen mit Substantiven ein und verliert dabei fast völlig seine (!) ursprüngliche Bedeutung.“ (170) „Funktionsverbgefüge können weder direkt erfragt noch durch ein Attribut erweitert werden.“ (170) In der folgenden Liste findet man jedoch Verbindungen wie eine Enttäuschung, Freude, Sorgen bereiten – wo Attribute durchaus möglich sind (herbe Enttäuschung, große Freude usw.). „Komparativa (Verben des Vergleichs): büffeln, dienen [vielleicht ist dienern gemeint?], gärtnern (...) kellnern“ (366) Wie soll man diese Deutung verstehen? Ebenso unplausibel sind die „effizierenden Verben (Verben des Hervorbringens): gliedern, keimen, atomisieren, versalzen“ Zu den „Privativa (Verben des Wegnehmens)“ sollen gehören: bestehlen, entwenden. Das hat aber nichts mit der Wortbildung zu tun, sondern ist die lexikalische Bedeutung des Stammes. Dann könnte man gleich wegnehmen als Verb des Wegnehmens klassifizieren usw. Druckfehler: vorangestelt (130)
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