18.06.2007 Theodor Ickler Der Rechtschreibrat dämmert dahinBemerkungen zur zehnten Sitzung am 22. 6. 2007Tagesordnung und Unterlagen zur zehnten Sitzung zeigen, daß keine weiteren Änderungen vorgesehen sind. Die bisher von der Revision ausgenommenen Teile des Regelwerks sollen nicht angetastet werden.Inzwischen verweigern große Zeitungen wie die FAZ und die NZZ, mehr und mehr aber auch die „Süddeutsche Zeitung“, gerade im Bereich der Laut-Buchstaben-Beziehungen die Gefolgschaft. Die Schulen mit ihrer gewaltsam veränderten, ab 1. August notenwirksam verbindlichen Schreibweise geraten immer mehr in die Isolation. Man will trotzdem nur über Organisatorisches reden und ein bißchen über die „Beobachtung“ der Fremdwortschreibung, die niemanden interessiert. Weitere Änderungen sind auch in diesem Bereich auf absehbare Zeit nicht geplant. Daß der Rat trotzdem satzungsgemäß zweimal jährlich tagen will, ist seltsam und dürfte kaum durchführbar sein. Immerhin hat er jetzt ein Logo auf dem Briefkopf und will sich vor der zehnten Sitzung noch einmal fotografieren lassen. Bei der neunten Sitzung wäre es kaum möglich gewesen, da 15 Mitglieder gar nicht erst erschienen waren. Das wird bei der zehnten Sitzung nicht anders sein. Eine Tischvorlage der Bertelsmann-Vertreterin sieht vor, daß der aktive Teil des Rates auf eine arbeitsfähige Kerngruppe reduziert werden soll, im wesentlichen die Wörterbuchverlage. Die übrigen Ratsmitglieder werden dann noch weniger Grund sehen, zweimal im Jahr nach Mannheim zu reisen, um sich die Berichte der Kerngruppe zur „Sprachbeobachtung“ anzuhören und abzunicken, zumal ihnen ja implizit die fachliche Kompetenz abgesprochen wird. Besonders der Vorsitzende wird von Frau Krome ziemlich harsch abgefertigt; sie spricht von der „übergreifenden Perspektive des Vorsitzenden, der nicht aus dem sprachwissenschaftlichen Umfeld stammt“. (Es ist damit zu rechnen, daß der Siebzigjährige sein Amt bald in andere Hände legt, Eisenberg bietet sich an). Bezeichnenderweise sieht Frau Krome die Interessen der Schule durch den VdS Bildungsmedien, also die Schulbuchverlage vertreten und nicht durch Herrn Eckinger. Die Schulbuchverlage vertreten allerdings ausschließlich ihre eigenen, wirtschaftlichen Interessen. Herr Banse hat daraus auch nie ein Hehl gemacht. Vom Österreichischen Wörterbuch gibt es eine Schulausgabe, aber die Redakteurin Ulrike Steiner wird dadurch nicht zu einer Vertreterin des österreichischen Schulwesens. Der Vorschlag, die weitere Arbeit weitestgehend den Wörterbuchverlagen zu überlassen, wird dazu führen, daß die Revision inhaltlich nicht mehr von der Stelle kommt. Der Dudenverlag zum Beispiel warb 2006 mit dem Spruch: „Unsere neue Rechtschreibung, wie sie ist – und bleibt!“ (Hervorhebung im Original) Dauerhaftigkeit des jetzigen Zustandes wird aber von sämtlichen Ratsmitgliedern angestrebt und natürlich erst recht von den Kultusministerien. Schon jetzt steht ohne weitere „Beobachtung“ fest, was dringend behandelt werden müßte: 1. Der erst 2004 eingeführte Begriff des „adjektivisch gebrauchten“ Partizips muß geklärt werden. Als ich während einer Ratssitzung um Klärung dieses erst im Zuge der Revision 2004 eingeführten, höchst folgenreichen (Duden K 58!) Begriffs bat, sah sich niemand in der Lage, die gewünschte Definition zu liefern. 2. Die Getrennt- und Zusammenschreibung von Verben mit ihren Zusätzen ist unklarer als je zuvor. In einer mit den „Empfehlungen“ von 2006 zusammen veröffentlichten, vom Rat aber nicht besprochenen und daher auch nicht beschlossenen „Handreichung“ experimentieren die Verfasser mit Begriffen wie „Subjekts- und Objektsprädikativ“, die im Regelwerk keine Grundlage haben und alsbald wieder aufgegeben wurden. Von den Wörterbuchredaktionen wurden sie dennoch angewandt und haben zu zahllosen nicht nachvollziehbaren Unterscheidungen in den Wörterbüchern geführt. 3. Die Laut-Buchstaben-Beziehungen, insbesondere die bisher tabuisierten Augstschen „Etymogeleien“, müssen revidiert werden. Sonst müssen die Lehrer ab 1. August 2007 etwas als Fehler anstreichen, was in der seriösen Literatur und in großen Zeitungen tagtäglich zu lesen ist: rauh usw. 4. Es geht nicht an, völlig alltägliche Wörter wie jedesmal notenwirksam unter Strafe zu stellen. Das gesamte Reformwerk muß unter diesem Gesichtspunkt durchgesehen werden.
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