20.05.2007


Theodor Ickler

Staat und Sprache

Das seltsame Obrigkeitsdenken der Rechtschreibreformer

Jürgen Baurmann schreibt in den Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes Sept. 1989:
„Auf dieser grundlage“ (sc. der Regelung von 1901 und der seither hinzugekommenen Dudenregeln) „haben der Bundesminister des Innern und die Ständige Konferenz der Kultusminister einen auftrag erteilt, dem sich die kommission sachkundig, engagiert und stets gesprächsbereit gestellt hat.“

Gemeint ist der Auftrag vom 19. 2. 1987 an die Kommission für Rechtschreibfragen des IdS. In Wirklichkeit hatten die politischen Instanzen kein genuines Interesse an einer Rechtschreibänderung, sondern es war so, wie Zabel es geschildert hat: Eine seit langem existierende Reformergruppe um Gerhard Augst „holte sich den Auftrag“ von den Politikern, die schwer genug davon zu überzeugen gewesen waren.

Baurmann fährt fort:

„Auf der grundlage dieser beauftragung durch politisch legitimierte institutionen und einer hohen bereitschaft der kommissionsmitglieder, die vorschläge zur neuregelung mit sprachteilhabern praktisch und theoretisch ausgiebig zu erörtern, ist die vorwurfsvoll gestellte frage nach der politischen legitimation wenig sinnvoll. Frag-würdig ist eher der tatbestand, daß für die orthographie in der Bundesrepublik die veröffentlichung eines marktwirtschaftlich organisierten verlags bindend ist; oder daß einige sehr ambitionierte journalisten die vielfältige, mehrstimmige diskussion in der öffentlichkeit lediglich stromlinienförmig in ihrem sinne wahrnehmen.“

Erstaunlich ist die Bereitschaft, dem Staat ohne weiteres die Legitimation zur Veränderung der Schriftsprache zuzugestehen. Übrigens entbehrt die Polemik gegen den Duden jeder Berechtigung, denn dessen bindende Wirkung beruhte ja auch nur auf der politischen Ermächtigung durch die KMK. Der Vorwurf an die Journalisten gilt sicher in erster Linie dem als Gast in Bad Homburg anwesenden Kurt Reumann.

Der „Studiengruppe Geschriebene Sprache“, von deren Sitzung Baurmann berichtet, gehörten an: Claus Wallesch, Eckart Scheerer, Peter Rück, Bernd Pompino-Marschall, Otto Ludwig, Ulrich Knoop, Klaus-B. Günther, Hartmut Günther, Helmut Glück, Heinz W. Giese, Peter Eisenberg, Konrad Ehlich, Florian Coulmas, Jürgen Baurmann.


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