06.02.2007 Theodor Ickler BevormundungDer Staat weiß alles besser – im Dienste der LobbyIn Baden-Württemberg protestieren immer mehr Eltern gegen den Zwang zu Französisch als erster Schulfremdsprache im Grenzgebiet zu Frankreich. Ein Mitarbeiter des Deutsch-Französischen Instituts sagt dazu, manchmal müsse man die Menschen zu ihrem Glück zwingen.Die Eltern sehen aber nicht ein, warum die Beschäftigungsmöglichkeiten ihrer Kinder auf den engen Bereich des deutsch-französischen Grenzgebietes beschränkt sein sollen. Das widerspricht in der Tat der Globalisierung und verstößt gegen die Mitspracherechte der Eltern. Das Projekt „Nachbarschaftssprachen“ erweist sich, wie vorausgesagt, als Bevormundung. Vor einiger Zeit hatte ich kommentiert: Neues vom deutschen Wesen „Zur Erhaltung der europäischen Sprachenvielfalt wie mittelbar zum Verständnis der eigenen Sprache trägt auch der Fremdsprachenunterricht bei. Dieser soll in der Grundschule einsetzen. Ziel ist die mündliche und schriftliche Handlungsfähigkeit möglichst vieler Deutscher in zwei europäischen Fremdsprachen sowie Lesekompetenz und Hörverständnis in weiteren Sprachen. Eine der Fremdsprachen sollte Englisch sein, möglichst aber nicht die erste. Generell sollten Nachbarschaftssprachen im schulischen Sprachenangebot Vorrang haben.“ (aus Gerhard Stickels Memorandum: Politik für die deutsche Sprache) Die wohlklingende Rede von den „Nachbarsprachen” verschleiert, daß es keineswegs um Tschechisch oder Dänisch, sondern ausschließlich um das Französische geht. Romanisten haben diese Idee aufgebracht, und dahinter steht handfeste Verbandspolitik, natürlich auch der Kampf um die Stundentafel der Schulen. Das Englische aus dem Rang einer ersten Fremdsprache hinausdrängen zu wollen, dazu haben auch die Politiker, an die sich dieser Appell ja nur richten kann, kein Recht. Die betroffenen Schüler und deren Eltern werden nicht gefragt. Auch die „Tutzinger Thesen“ von 1999 wollten das Englische zugunsten der „Nachbarsprachen“ zurückdrängen: „5. SPRACHNACHBARSCHAFTEN. In den Grenz- und Übergangszonen zweier Sprachräume hat schon immer die jeweilige Nachbarsprache den privilegierten Status der wichtigsten, weil nächstgelegenen Fremdsprache gehabt. Es wäre wahrscheinlich weder für die Menschen noch für ihre Kultur gut, wollte man etwa im Oberrheingraben die Deutsch- und die Französischsprachigen dazu konditionieren, künftig vorrangig oder gar ausschließlich auf Englisch miteinander zu kommunizieren. Eine Option wäre die Erlernung der Nachbarsprache als erste und des Englischen als zweite Fremdsprache.“ Wiederum werden die Schüler und Eltern nicht gefragt. Englisch ist dank der Nordsee keine "Nachbarsprache" für Deutsche, hat daher keine Chance, auf den ersten Platz zu gelangen. Nach Stickels Idealvorstellung wäre Deutschland ein Land, in dem Englisch an keiner Schule als erste Fremdsprache unterrichtet wird: Deutschland gegen den Rest der Welt. Eine weltfremde Konstruktion, aber nach unseren Erfahrungen mit der Rechtschreibreform darf man nichts für unmöglich halten.
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