11.10.2006


Theodor Ickler

Was ändert?

Marginalisierung der Ratstätigkeit

Unter dem Titel „Was ändert für die Schule?“ gibt die EDK eine Kurz-Information.
(Der Titel ist ein Helvetismus, das soll uns nicht stören.)

Die Schweizer Reformer versuchen, die Arbeit des Rechtschreibrates herunterzuspielen:

»- Die vom Rat bearbeiteten Bereiche betreffen mit wenigen Ausnahmen sehr spezifische Bereiche, die weder
bei der Vermittlung noch bei der Korrektur für die Volksschule relevant sind.
- Die Reform der Reform betrifft im Wesentlichen einen Bereich: die Getrennt- und Zusammenschreibung.
- Die hauptsächlichste Veränderung: es gibt mehr Variantenschreibungen (das heisst: zwei Schreibweisen sind
korrekt, z.B. „Halt machen“ oder „haltmachen“).
- Wo immer möglich soll in diesen Fällen die bisher in der Schule gelernte Regel weiter vermittelt werden. Das ist in vielen Fällen möglich.
Daraus folgt als vorläufige Feststellung:
- Vermittlung der Regeln in der Primarschule: keine Veränderung.
- Vermittlung der Regeln auf der Sekundarstufe I: eine Veränderung bei der Zeichensetzung (Komma bei
Infinitivgruppen).«

Besonders eindrucksvoll auch dies:

»6 Worttrennung am Zeilenende (Bereich F)
Im Vergleich zu 1996/2004 darf lediglich bei der Trennung ein Einzelvokal nicht abgetrennt werden (E-sel). Dies wurde in der Praxis wohl ohnehin nicht gemacht. Es ergeben sich deshalb für die Vermittlung keine Änderungen gegenüber der Neuregelung 1996/2004.«


Was also hat der Rat eigentlich die ganze Zeit getan?


Warum soll die Abtrennung einzelner Buchstaben „ohnehin nicht gemacht“ worden sein? In Schulbüchern wurde gelehrt: „Vokale stehen auch allein, das finden sie besonders fein.“ Und es wurde abgetrennt, in Schulbüchern, in Texten der Reformer und anderswo. Dieselben Reformer, die mit großem Getöse die Abtrennbarkeit einzelner Buchstaben eingeführt und als Erleichterung für die Schüler gepriesen haben, setzen nun darauf, daß diese Regel ohnehin nicht angewendet worden sei (wohl weil sie zu blöd war, oder?), um sagen zu können, es gebe keine Veränderungen.

Die Übersicht behauptet unter GKS:

»Keine Änderungen gegenüber der Neuregelung 1996/2004. Seit dem 1.8.2005 gelten abweichende Schreibungen als Fehler. In zwei Fällen gibt es 'neue' Varianten, die beim Korrigieren nicht als falsch bewertet werden:
- Neben dem 'du' in Briefen (weiterhin vermittelte Regel in Schule) ist auch 'Du' möglich.
- Neben der Kleinschreibung des Adjektivs in festen Begriffen (weiterhin vermittelte Regel in der Schule) ist die Grossschreibung des Adjektivs ('das Schwarze Brett') möglich.«

Hier werden die Fälle Recht haben und jenseits von gut und böse verschwiegen, die beide gegenüber 2004 geändert worden sind; außerdem hätten die mit der GZS zusammenhängenden Fälle Leid tun, Not tun usw. nochmals erwähnt werden müssen. recht haben und leid tun sind sehr häufig auch im Volksschulbereich. Außerdem wird deutlich, daß die vom Rat mit guten Gründen wiedereingeführten Großschreibungen der Briefanrede und der festen Begriffe den Schweizer Schülern vorenthalten werden sollen. Auch damit wird der Rechtschreibrat der Lächerlichkeit preisgegeben.

»Auf den 31. Juli 2009 wird in den Schweizer Schulen die Korrekturtoleranz auch für die Bereiche Getrennt- und Zusammenschreibung, Worttrennung und Zeichensetzung aufgehoben. Diese Bereiche waren bisher von einer Verbindlichkeit ausgenommen gewesen (weil der Rat für Rechtschreibung hier seine Änderungen angekündigt hatte).« (Mitteilung der EDK, Bern, 22. Juni 2006)

Der Rat hatte keineswegs angekündigt, seine Änderungsvorschläge auf diese drei Bereiche zu beschränken. Die Verstimmung in der Schweiz wird immerhin deutlich:
»Im März 2006 hatte die Kultusministerkonferenz in Deutschland den Vorschlägen des Rates zugestimmt. Dies erfolgte ohne vorgängige Rücksprache mit den deutschsprachigen Partnern in Österreich, in der Schweiz und in Liechtenstein.«

Die Schweizer Reformer selbst (Sitta und seine Schüler Gallmann, Lindauer und Looser) waren freilich mit dem gewaltsamen Abbruch der Ratsarbeit mehr als einverstanden, da sie ohnehin jegliche Änderung an der Reform von 1996 ablehnten.


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