07.10.2006 Theodor Ickler Spießer-SPIEGEL"Rettet dem Deutsch"Wohl zur Ablenkung nörgelt der SPIEGEL auf Sick-Niveau an der deutschen Sprache herum.Die lange und dünne Titelgeschichte "Rettet dem Deutsch" braucht man nicht zu kommentieren, sie ist wertlos. Am 6.10.2006 zieht die FAZ nach mit einem Interview mit der Opernsängerin Edda Moser, die ein "Festspiel der Deutschen Sprache" "initiiert" (!) hat. Sie mischt ebenso wie Mathias Schreiber im SPIEGEL alles durcheinander, z. T. dieselben Beispiele – etwa Verona Feldbuschs "Da werden Sie geholfen". Was hat ein Werbespruch mit dem Zustand der deutschen Sprache zu tun? Es gibt keine Anzeichen dafür, daß "helfen" zu den transitiven Verben übergeht, und wenn es geschähe, wäre es gleichgültig. Die Konstruktion des Titels "Rettet dem Deutsch" ist vollends unsinnig, wie Herr Markner bereits gesagt hat; sie dient offenbar nur dazu, dem Leser ein "Unerhört!" zu entlocken – nach herkömmlicher Manier mancher Stilratgeber, mit möglichst absurden Beispielen zu arbeiten. Wer wirklich etwas zu sagen hat, drückt sich im heutigen Deutsch so mühelos und verständlich aus wie seit je. Was lesen diese Apokalyptiker eigentlich? Aber sie meinen es ja gar nicht wirklich, sie schreiben bloß so, als ob. Auch über "Sinn" machen ereifert man sich wieder. Sogar im Duden Universalwörterbuch steht: "etw. macht keinen/wenig S. (ugs.; hat keinen/wenig Sinn; nach engl. it doesn't make [any] sense)". Das ist längst nicht mehr zutreffend, und die englische Vorlage tut nichts zur Sache. Im SPIEGEL 2.10.2006 außerdem ein Gespräch mit Bundestagspräsident Lammert "Apokalyptische Erfahrungen" - laut Untertitel über den Stellenwert des Deutschen in Europa usw., aber das Zitat des Titels stammt aus einer ganz anderen Bemerkung Lammerts: "Die apokalyptischen Erfahrungen, die wir mit der Rechtschreibreform gemacht haben ..." Der SPIEGEL vermeidet das Thema und verfälscht den Bezug. Ein wirklich durchgreifende Entstellung erfahren die Texte durch die teils staatlich verordnete politische Korrektheit, besonders die feministische Komplizierung, aus der man zur Zeit mehr oder weniger klägliche Auswege (Vermeidungs- und Umschreibungsverfahren) sucht. Davon schreibt der SPIEGEL nichts. Ende April 2005 war der SPIEGEL unglaublich mutig und druckte "rauh" aufs Titelblatt. Inzwischen ist davon nichts mehr übrig, man kuscht und schweigt, wie Zehetmair es will. "Völlig berechtigt ist die Kritik am zopfigen Kathedergelehrten, der sich schon in früheren Jahrhunderten als Fremdwortkiller lächerlich gemacht hat mit Eindeutschungsideen wie 'Zeugemutter' (für 'Natur') oder Jungfernzwinger (für 'Kloster')." (Spiegel 2.10.2006) Nein, diese Kritik ist nicht berechtigt, denn die Sprachreiniger von damals haben über 1000 erfolgreiche Eindeutschungen erzielt, über die heute niemand mehr lacht; nur die aus irgendwelchen Gründen erfolglosen werden belächelt – ein Zeichen der Borniertheit. Der beispiellose Erfolg der Puristen von Zesen bis Campe beweist, daß sie einen wirklichen Bedarf deckten und daß sie ihre Sache sehr gut gemacht haben. Natürlich wurde damals viel gelacht über so komische Erfindungen wie "Gesichtskreis" (Horizont), "Bürgersteig" (Trottoir) oder "Lebensmittel" (Viktualien); aber wer lacht heute noch darüber? Aber damit genug, es ist schon zuviel der Ehre für diesen Quark.
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