06.08.2006


Theodor Ickler

Duden lesen

Wo man aufschlägt, wird man fündig

Zum Beispiel ist die Trennung "europä-isch" durch Rotdruck als neu markiert, es ist aber die alte. Erst bei den gebeugten Formen gibt es etwas Neues gegenüber 1991, und zwar liegt die Reform hier ausnahmsweise mal richtig.

Schon oft ist auf das Mißverständnis hingewiesen worden, das neuen Trennungen wie "Menschen verachtend" zugrunde liegt. Man muß aber auch bedenken, daß die teilweise vom Duden nicht empfohlenen Getrenntschreibungen auch in anderen Wörterbüchern stecken. So erklärt der neue Muret-Sanders "Ghoul" als "Leichen fressenden Dämon", während es vor der Reform natürlich ein "leichenfressender" war. Das muß demnächst alles korrigiert werden. Kein Wunder, daß dem Brockhaus/Langenscheidt-Konzern allmählich vor der Rechtschreibreform graust.

Da "Rythmus" für die Neuregelung 1996 keine Option mehr war, stand es den Reformern auch nicht frei, "Eurythmie" als zulässige Variante von Eurhythmie zu etablieren. Dieser Eintrag im amtlichen Wörterverzeichnis, damals noch mit einem Sternchen als Neuschreibung markiert, war ein objektiver Fehler (ebenso wie "Onestep", was man später stillschweigend in "Onestepp" änderte). Trotzdem wird auch im neuesten Wörterverzeichnis "Eurythmie" ohne den Vermerk angeführt, daß es sich um eine für Rudolf Steiner und manche seiner Anhänger kennzeichnende, wie ein Warenzeichen zu behandelnde Sonderschreibweise handelt. Im Wahrig ist der Sachverhalt korrekt dargestellt, während der neue Duden die anthroposophische Schreibweise sogar ausdrücklich empfiehlt, ohne jeden Hinweis auf die Steiner-Schule.

Als Fernsehmuffel kenne ich RTL und Spiegel TV nur vom Hörensagen, aber ich glaube, heute abend gibt es da was mit Dudenchef Scholze-Stubenrecht und mir.


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