01.08.2006


Theodor Ickler

Duden und anders

Wie sich die Szenen gleichen!

In der schönen Zitatsammlung unserer Freunde Gabriele und Carsten Ahrens stoße ich wieder auf diese Sätze:

Hartmut Holzapfel, hessischer Kultusminister, auf die Frage, welches Regelwerk er den Lehrern empfiehlt (Der Spiegel 41/1996): "Jedenfalls nicht den Duden in seiner neuesten Fassung. Der vermischt die neuen amtlichen Regeln mit eigenen Empfehlungen in einer Weise, die für den Benutzer schwer durchschaubar ist. (...) Der Redaktion fällt es wohl schwer, Abschied zu nehmen von der Zeit, in der sie die oberste Instanz für die Rechtschreibung war. Deswegen setzt sie die Neuregelung teilweise nach Belieben, teilweise sogar falsch um."
(Holzapfel nutzte die Gelegenheit, für den Bertelsmann zu werben, ein völlig mißratenes Wörterbuch, das Holzapfels Parteifreund Lutz Götze herausgegeben hatte. Seine Informationen bezog er von Götzes Busenfreund Hermann Zabel, der seinerseits bei Bertelsmann unterschlüpfen wollte und es auch schaffte, allerdings keinen Bestseller landete ...)

Hans Zehetmair, bayerischer Kultusminister, nach dem Urteil von Karlsruhe (Die Welt, 15.7.98):
"Nun gibt es eindeutige Rechtssicherheit. Die Verunsicherung in Schulen und Verlagen hat endlich ein Ende."
Die Rechtschreibreform wurde danach noch dreimal durchgreifend geändert, nichtamtlich im Jahre 2000, amtlich in den Jahren 2004 und 2006. All diese Wendungen machen aber den Schülern gar nichts aus, sie lernen "problemlos", wie Doris Ahnen plappert (auch schon 2004f., immer mit denselben Worten).

Der Duden hat übrigens 2006 neben den neuschreiblichen potemkinschen und Potemkin'schen Dörfern auch die klassischen Potemkinschen wiederhergestellt. Wahrig weiß davon nichts, und man kann auch nur Vermutungen anstellen, warum aus denselben Regeln plötzlich andere Folgerungen gezogen werden. Da es sich nicht um Eigennamen handelt, wird es wohl einer der festen Begriffe sein, so daß wir es nicht mit alternativer Großschreibung (und folglich Apostroph), sondern mit der Großschreibung der Kleinschreibung zu tun haben, gewissermaßen, im Ergebnis also gleich den Eigennamen wie Halleyscher Komet.

Hier ist noch ein Beispiel für den – aus sprachwissenschaftlicher Sicht – vielleicht schwersten Fehler des Duden: der Eintrag zueinanderpassen/zueinander passen. Das erste, rotgedruckt, soll nur einen Hauptakzent auf dem Zusatz haben, das andere einen zweiten Akzent auf dem Verb. Bei zueinanderfinden/zueinander finden ist es gerade umgekehrt. Der Rotdruck ist in beiden Fällen unberechtigt, da der Duden von 1991 die verschieden gebildeten und daher auch verschieden betonten Formen sorgfältig differenziert und unter einander als offene Reihen dargestellt hatte. Wiederum muß aber hauptsächlich kritisiert werden, daß der neue Duden eine orthographische Empfehlung ausspricht (hier für Zusammenschreibung), als ob das überhaupt die Frage wäre.


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