30.07.2006 Theodor Ickler UnversöhnlichesBemerkungen über den Duden und den RechtschreibratWenn in den Zeitungen ebenso geschrieben werden soll wie in den Schulen – und das ist die einzige Begründung, die für die Umstellung der Zeitungen gegeben wird – und wenn die Zeitungen sich vorab für die Duden-Empfehlungen entschieden haben, dann müssen die Schulen ebenfalls die Duden-Empfehlungen übernehmen.Hier wird also durch das Sonderabkommen des Dudenverlags mit den Nachrichtenagenturen und Zeitungsunternehmen Druck ausgeübt. Da die Schulbehörden auch keinen anderen Weg sehen, wie sie der Variantenflut vernünftige Grenzen setzen könnten, werden sie die Dudenrechtschreibung übernehmen. Auf das angekündigte Informationsmaterial für Lehrer braucht man nicht zu warten, es ist längst gedruckt: die Sonderausgabe des "Sprachreport" vom Institut für deutsche Sprache. Man darf nie vergessen, daß der Rat für deutsche Rechtschreibung ein Werkzeug ist, das die Kultusminister (besonders Schavan, Wolff und Reiche) ersonnen haben, um die Rechtschreibreform auf eine besonders raffinierte, scheindemokratische und daher unangreifbare Weise doch noch durchzusetzen. Die Geschäftsführung liegt sicherheitshalber beim Institut für deutsche Sprache, der Brutstätte der Reform. Die Geschäftsführerin ist eine erfahrene Kämpferin für die Reform; sie ging bereits dem Geschäftsführer der Zwischenstaatlichen Kommission und Altreformer Klaus Heller zur Hand, auch bei seinem betrügerischen Unternehmen, die Abweichungen zwischen den ersten reformierten Wörterbüchern kleinzurechnen. Das IDS hat jahrelang in äußerst aggressiver Weise die Reform vorangetrieben, weit über seinen offiziellen Auftrag hinaus. Zehetmair spielt die Rolle des Maskottchens, das man sich in Mannheim hält, um dem Unternehmen einen seriösen Anstrich zu geben. Wolfgang Frühwald ("Videant consules ...") hatte abgewinkt, weil er sich für diese Rolle zu schade war. Zehetmair hatte wohl das Gefühl, etwas wiedergutmachen zu müssen; dadurch war er leicht zu manipulieren. Im Rat und während der anschließenden Pressekonferenzen machten sich die Geschäftsführung und andere Ratsmitglieder über den Vorsitzenden lustig; sein gutgemeintes Versöhnungsgerede kam ihnen gerade recht, und er erleichterte ihnen die Geringschätzung durch seine ausgeprägte Unlust, sich wirklich mit den Details der Neuregelung zu beschäftigen. Sein nachträgliches Eingeständnis, nur die Vorsehung habe ihn davor bewahrt, auch zum neuen Duden ein rühmendes Vorwort zu schreiben, ohne ihn gesehen zu haben, wirft ein Schlaglicht auf die schiefen Verhältnisse. Der Dudenverlag schaffte es sogar, Zehetmair auf Werbetour für die (ihm damals noch ganz unbekannten) Duden-Empfehlungen bei den Zeitungsunternehmen zu schicken. Man kann sich das Feixen vorstellen, mit dem seine Bemühungen vom Dudenverlag und vom benachbarten IDS beobachtet wurden. Manche Aktivitäten der Geschäftsführung sind wohl nicht einmal dem Vorsitzenden, geschweige denn den anderen Ratsmitgliedern bekannt geworden. Die Schweizer EDK, die aufgrund von Interventionen der Schweizer Altreformer (und Dudenautoren) das Dudenprivileg für die Schweiz bestätigt statt aufgehoben hat, kündigte für den Herbst 2006 einen Schülerduden an, der die Duden-Empfehlungen praktisch zur offiziellen Schweizer Schulorthographie erheben wird, auch wenn andere Schreibweisen einstweilen noch nicht als Fehler geahndet werden dürften. In Deutschland meldete sich die "Verbändeallianz" der Schulbuchverlage in der gewohnten Weise zu Wort und begrüßte den neuen "Rechtschreibfrieden", wie sie alle vorigen Beschlüsse begrüßt hatte: Ludwig Eckinger, Marianne Demmer und Hans-Peter Meidinger sprachen angeblich für die Lehrer. Im Dienste der Reformvermarkter sind sie weiterhin bemüht, jede öffentliche Diskussion über die Rechtschreibreform zu ersticken: der Stand sei nun endgültig, man wolle endlich Ruhe an den Schulen, es gebe Wichtigeres usw. Aus dem großen Geschäft kann dennoch nichts werden, weil die Sprache sich auf die Dauer nicht gefallen läßt, von "Interessenvertretern" (Güthert) verbogen zu werden. Dem Dudenverlag steht das Wasser bis zum Hals, kleine Erfolge in der Schweiz können ihn nicht retten. Wenn das spezialisierte Unternehmen dieses Jahr nicht aus den roten Zahlen herauskommt, werden zweifellos Köpfe rollen. Die Entscheidung, die Redaktion zu verkleinern und wichtige Arbeiten an Externe wie Ulrich Püschel oder gar Laien wie Christian Stang zu vergeben, dürfte sich langfristig schädlich auswirken, weil die schlechte Qualität ihrer Produkte sich auf die Dauer nicht verbergen läßt. Außerdem kann auch die restriktivste Auslegung der Revision nicht verhindern, daß die gesamte Produktion von Brockhaus-Langenscheidt-BI-Duden umgestellt werden muß; nunmehr wieder Falsches wie zu Eigen machen oder jenes törichte Leid tun steht schließlich überall, auch im renommierten Muret-Sanders. Zuerst werden die Schulen mit neuer, leichtverderblicher Ware versorgt, aber die Riesenmasse der anderen Nachschlagewerke wird nicht lange warten können, ohne daß die düpierten Käufer stutzig werden. Beim Dudenverlag hält man sich nicht nur Kläffer, die Reformgegner verbellen (Markwort usw.), sondern auch Schoßhunde wie den Deutschen Sprachrat (Limbach), die durch ihre possierlichen Spiele von der Reform ablenken. Unwort-Jury und Trendbüro sind auch nicht faul.
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