06.07.2006


Theodor Ickler

kaputt

Kleine Studie über Erleichterungen

Vor der Rechtschreibreform wurde kaputt laut Duden mit Verben – außer mit sein – zusammengeschrieben, also kaputtgehen, kaputtmachen, kaputtsparen.
Die Sprachwirklichkeit sah so aus, daß überwiegend Zusammenschreibung, daneben aber auch Getrenntschreibung vorkam, genau wie bei anderen Ergebniszusätzen. Die Rechtschreibreform von 1996 beließ es bei der Dudenfestlegung. Erst die Revision von 2006 brachte einen Komplizierungsschub: Ist kaputt ein Subjektsprädikativ, so wird es mit dem Verb zusammengeschrieben: kaputtgehen. Ist es ein Objektsprädikativ, dann kann wahlweise getrennt oder zusammengeschrieben werden: kaputt machen/kaputtmachen. (Diese Unterscheidung steht nicht im amtlichen Regelwerk, sondern in einer inoffiziellen „Handreichung“, die eine selbsternannte Wörterbuchgruppe im Rechtschreibrat nachträglich ausgearbeitet hat.) Ist die Gesamtbedeutung jedoch idiomatisch, d. h. nicht aus den Bestandteilen konstruierbar, so wird auch das Objektsprädikativ zusammengeschrieben: kaputtreden, kaputtsparen. Reflexive Verwendungen wie sich kaputtlachen sind eigentlich objektsprädikativ, werden aber von der Wörterbuchgruppe irrigerweise als subjektsprädikativ aufgefaßt und daher zusammengeschrieben; außerdem gelten sie – offenbar weil der Täter nicht buchstäblich in Scherben fällt – als eo ipso idiomatisch. Wenn man aber nicht sicher ist, ob idiomatische oder wörtliche Bedeutung vorliegt, kann man getrennt oder zusammenschreiben. Der WAHRIG gibt ausdrücklich eine Empfehlung zu kaputtmachen: »Es empfiehlt sich, die Verbindung in konkreter Bedeutung getrennt zu schreiben, um sie von der idiomatisierten Bedeutung abzuheben: ein Fenster kaputt machen, aber: jmdn., sich kaputtmachen

Zum vermeintlichen Subjektsprädikativ in reflexiven Konstruktionen hatte ich kürzlich eine Korrespondenz mit der Wahrig-Chefredakteurin. Anlaß war sich sattessen/sich sattsehen.

Dazu vgl. Deutsches Wörterbuch s. v. satt: „besondere beachtung verdient die sehr gebräuchliche verbindung sich satt essen, wobei satt als prädicativer accusativ zu sich gesetzt ist, um den erfolg des essens zu bezeichnen“ [ff. auch zu sich satt sehen]. So sieht es auch das heutige Ratsmitglied Peter Eisenberg in einem Papier vom 7.5.2004 für die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung: „Eine verwandte Form des Objektsprädikativs kommt mit Verben vor, die überwiegend oder ausschließlich reflexiv gebraucht werden; z.B. sich müde arbeiten, sich dick essen, sich blutig kratzen, sich wach trinken.“ Vgl. auch die IDS-Grammatik S. 1115.


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