28.06.2006


Theodor Ickler

Gedankenspiel

Was wäre eigentlich, wenn die Wörterbuchmacher noch ein Stückchen weitergingen?

Der Duden könnte zum Beispiel "empfehlen", auch wieder "diät leben" und "greulich" zu schreiben. Würden die Kultusminister ihm daraufhin in die Parade fahren? Ich glaube es nicht.
Die Politiker wollen mit der peinlichen Geschichte nichts mehr zu tun haben und würden vielleicht sagen, die Sprachgemeinschaft habe einige wenige Punkte der erfolgreichen Reform nicht akzeptiert und deshalb gebe man nach.
Freilich bedürfte es dazu beim Dudenverlag einer Persönlichkeit, und die ist nicht in Sicht.
Erheiternd wird immer bleiben, wie die Altreformer nun die bis zur Unkenntlichkeit veränderte Reform als wiederum ganz vortrefflich gelungen preisen - und verkaufen werden.

Ja, das Geschäft. Nicht nur die amtliche Revision, vor allem das Wörterverzeichnis, sondern auch die "Handreichung" wurde unter Mitarbeit der drei beteiligten Wörterbuchverlage ausgearbeitet, die sich dadurch einen rechtswidrigen Wettbewerbsvorteil verschafften. Von Zehetmair als Werbefuzzi sehe ich dabei erst einmal ab.
Wie verbindlich ist die "Handreichung" eigentlich, die der Rechtschreibrat weder gesehen noch gar beschlossen hat, obwohl darin gegenüber dem amtlichen Regelwerk völlig neue Begriffe und Bestimmungen (z. B. zu Subjekts- und Objektsprädikativen sowie zu einer Sondergruppe mit fest-, tot- und voll-) vorkommen? Es handelt sich um einen Text, der "in Zusammenarbeit mit den Wörterbuchverlagen und der Arbeitsgruppe Getrennt- und Zusammenschreibung des Rats erstellt wurde, um den Anwendern Entscheidungshilfen bei nicht eindeutigen Fällen an die Hand zu geben." Laut Einleitung ist die Handreichung "komplementär zur Empfehlung des Rats für deutsche Rechtschreibung" - was eine gewisse Gleichgewichtigkeit einschließt. Die "Erläuterungen und Materialien" insgesamt können aber wohl nicht als amtliche Texte mit verbindlichem Charakter angesehen werden.

Übrigens wird gar nicht gesagt, wer "mit den Wörterbuchverlagen und der Arbeitsgruppe Getrennt- und Zusammenschreibung des Rats" zusammengearbeitet hat. War es nur die Geschäftsführerin? Welche Mitglieder der Arbeitsgruppe waren beteiligt? Wer sind "die" Wörterbuchverlage, mit denen zusammengearbeitet wurde? Wir wissen es, aber es wird nicht ausdrücklich erwähnt, vielleicht um das Rechtswidrige des ganzen ungeheuerlichen Geschehens zu vertuschen.
Haben Ratsmitglieder oder -mitarbeiter ein Honorar für ihre Beratungstätigkeit von den Wörterbuchunternehmen bekommen?


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