18.05.2006 Theodor Ickler Böse BubenEin Akademiepräsident zieht die frechen Mitglieder am OhrDeutsche Akademie für Sprache und Dichtung„Niemand hat das letzte Wort: Sprache – Schrift – Orthographie“. Herausgegeben von Peter Eisenberg. Göttingen: Wallstein 2006 (Valerio Heft 3) Wie der Herausgeber Peter Eisenberg im Vorwort mitteilt, schreibt jeder Beiträger so, wie er will. „Korrekturen wurden nicht vorgenommen.“ (Gemeint ist: Änderungen, denn Korrekturen setzen ja eine Norm voraus; nach welcher Norm könnten wohl Beiträge zu einem solchen Sammelband „korrigiert“ werden?) Reformiert (z. T. nur Heyse) schreiben: Joachim Helfer/Gustav Seibt, Hartmut von Hentig, Harald Weinrich, Clemens Knobloch. Nichtreformiert: Michael Maar/Joachim Kalka, (Ernst Jandl und alle zitierten Schriftsteller), Christian Meier, Klaus Reichert, Manfred Bierwisch, Christian Stetter, Hans Martin Gauger, Gustav Korlén, Horst Haider Munske, Peter Eisenberg. Gustav Seibt schreibt zwar reformiert (wie die SZ, für die er arbeitet, trennt sogar „Kons-trukt“!), bekennt sich aber „als leidenschaftlicher Feind dieser sinnlosen Reform“. Bemerkenswert ist auch, daß die Akademiemitglieder Reichert, Eisenberg, Gauger und Meier nicht die von ihnen vorschlagene und hier wieder einmal gepriesene Kompromißschreibung verwenden, auf deren praktische Vorführung man seit Jahren wartet und weiter warten muß. Inhaltlich ist der Beitrag des Präsidenten interessant. Reichert verspricht eine „Chronik“ zum Thema „Rechtschreibreform und Akademie“. Dabei verschweigt er, was die Akademie unternommen und einmütig beschlossen hatte, bevor sie unter dem Einfluß ihres neuen Mitglieds Eisenberg auf Kompromißkurs ging. In meinem „Sackgassen“-Buch kann man es nachlesen. Reichert schreibt: „Wir gingen bei unserer Kompromißsuche davon aus, daß eine völlige Zurücknahme der Reform politisch nicht machbar wäre – sind politische Entscheidungen erst einmal gefallen, wie unsinnig sie auch sind, ist ihre pragmatische Umsetzung nicht aufzuhalten (...)“ Das ist an sich schon eine erstaunliche These. Was er nicht sagt und vielleicht wirklich nicht weiß, ist, daß Eisenberg die DASD damit für seine seit Jahren verfolgten Ziele benutzte. Nun verleugnete die Akademie ihre Reformgegnerschaft und verkündete Jahre vor dem Verbindlichwerden, „angesichts der Machtverhältnisse“ sei eine Rücknahme nicht mehr möglich. Reichert arbeitet sehr gut die engen Kontakte mit den Kultusministern heraus und bildet sich wohl wirklich ein, Schavan und Reiche hätten erst durch die Gespräche mit der Akademie verstanden, „worum es bei der Kontroverse eigentlich ging“. Besonders gut war und ist die Zusammenarbeit mit Zehetmair, den Reichert heftig lobt. Ein dramatischer Höhepunkt ist die Abrechnung mit den eigenen Mitgliedern. Als die Akademie im Sommer 2004 gerade im schönsten Zuge war, ihren Kompromiß aufs neue vorzustellen, traf sie der Dolchstoß: „Hinter unserem Rücken hatte sich aber eine Gruppe von Leuten zusammengetan, die die nicht mehr zu kippende Reform dennoch zu kippen planten und in einer Nacht-und-Nebel-Aktion Mitglieder der Akademie mit der Suggestivfrage angerufen hatten, ob sie nicht auch dafür wären, zur alten Rechtschreibung zurückzukehren. Eine Reihe unserer Autoren bejahte die Frage, ohne die Zusammenhänge zu durchschauen. So wurden wir mitten in der Pressekonferenz mit einer Liste zahlreicher Mitglieder überrascht, die gegen die Vorschläge ihrer eigenen Akademie, denen sie doch zugestimmt hatten, votierten. ,In wessen Namen argumentieren Sie hier eigentlich?‘, wurden wir gefragt, ‚wenn nicht einmal Ihre eigene Akademie hinter Ihnen steht.‘ (In späteren Gesprächen mit diesen Mitgliedern stellte sich heraus, daß sie nicht wußten, auf welches Spiel sie sich eingelassen hatten.) Ich erwähne das so ausführlich, um zu zeigen, welchem Zwei-Fronten-Krieg die Akademie ausgesetzt war: Da waren die Reformer, mit Rückendeckung durch die Ministerien, die keinen Deut von ihren unsinnigen Entscheidungen abzuweichen bereit waren, und da waren die Rückkehrer, die die alte Rechtschreibung fetischisierten und vor keinem Mittel der Agitation zurückscheuten und dabei auch Schriftsteller und Journalisten auf ihre Seite brachten, die mangels Kenntnissen nicht wissen konnten, wie kompliziert die Sache der deutschen Rechtschreibung in Wirklichkeit war.“ Wenn die Abweichler um Wulf Kirsten (die damals wie Schuljungen zur Rede gestellt worden sein sollen) dies lesen, müßten sie eigentlich entweder austreten oder die Abwahl des Präsidenten verlangen. Übrigens hatte Reichert zuvor berichtet, daß alle Akademiemitglieder die Reform ablehnten. So unerwartet und unerhört kann also die Rückkehrforderung nicht gewesen sein. Entgegen der Wahrheit behauptet Reichert auch, die Arbeit des Rechtschreibrates sei „im Rahmen des Mandats“ abgeschlossen. Ein solches begrenztes Mandat hat es nie gegeben, nur den Wunsch der KMK, es mit einer halben Revision bewenden zu lassen. Das hat sogar Zehetmair zugegeben.
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