12.03.2006


Theodor Ickler

Die Macher

Ein Dokument zur Beleuchtung des Hintergrundes,

auch zum „Fall Güthert“:

Protokollnotiz
zu dem Gespräch der im Rat für deutsche Rechtschreibung vertretenen Wörterbuchverlage
[Mit den ursprünglichen Kommentaren von Th. Ickler in eckigen Klammern]

Ort: Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, Mannheim
Zeit: 20. Mai 2005, 9.00 bis 16.15 Uhr
Anwesende:
a) für die Wörterbuchverlage: Matthias Wermke, Werner Scholze-Stubenrecht, Ralf Osterwinter (alle: Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG); Ulrike Steiner (öbv & hpt Verlag GmbH & Co. KG); Sabine Krome (Wissen Media Verlag GmbH)
b) für die Geschäftsstelle: Kerstin Güthert

[Als die Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung noch existierte (sie wurde Ende 2004 wegen Unfähigkeit entlassen und durch den „Rat für deutsche Rechtschreibung“ ersetzt), pflegte sie folgenden Brauch: Ungefähr zwei dutzendmal traf sie sich mit den privilegierten Wörterbuchredaktionen (Duden, Bertelsmann, ÖWB) zu meist zweitägigen Beratungen. Dort wurden ohne Kenntnis der Öffentlichkeit (nur Innenminister Schily wies im Bundestag einmal darauf hin, daß es solche Treffen gegeben habe) die inoffiziellen und dennoch durchgreifenden Änderungen des mißratenen Reformwerks beschlossen, Änderungen, die zu einer erheblichen Umgestaltung der reformierten Wörterbücher seit 1996 führten, bis die amtliche Revision des Jahres 2004 sowieso alles zu Makulatur machte. Letzten Endes war diese konspirative Praxis aber der Anfang vom Ende, denn die ständigen Änderungen der Wörterbücher veranlaßten zuerst die FAZ und dann auch den Axel Springer Verlag und andere Unternehmen, sich vom wachsenden Wirrwarr völlig zu verabschieden und zur normalen Erwachsenenorthographie zurückzukehren.

Nun scheint sich im „Rat“ das alte Verfahren nahtlos fortsetzen zu sollen. Neben den ausdrücklich eingesetzten Arbeitsgruppen, die Vorlagen für die Revision des Regelwerks erarbeiten, hat sich in aller Stille eine Arbeitsgruppe „der im Rat für deutsche Rechtschreibung vertretenen Wörterbuchverlage“ gebildet. Sie besteht aus Redakteuren von Duden, Bertelsmann-Wahrig und dem Österreichischen Wörterbuch, trifft sich ganztägig und erarbeitet Gegenentwürfe – und zwar unter Mitwirkung der Geschäftsführerin des Rates, ohne daß der Rat als ganzer davon etwas weiß, geschweige denn, daß er sie dazu beauftragt hätte. (Schon die Ausschreibung der Geschäftsführerstelle und ihre Besetzung fand ohne den Rat statt; das „Institut für Deutsche Sprache“, die eigentliche Brutstätte und Propagandazentrale der Rechtschreibreform, macht so etwas ganz allein.)

So fanden die Ratsmitglieder eine Woche vor dem nächsten Sitzungstermin nicht nur die förmliche Beschlußvorlage zur Getrennt- und Zusammenschreibung in ihrer Post, sondern auch gleich noch den Gegenentwurf der parallel beratenden „Verlagsgruppe“. Die auf der 3. Ratssitzung vereinbarte Überprüfung von Auswirkungen der Revision auf den Wortschatz war bereits in einem am 19.5.2005 versandten Papier geleistet. Bei der neuen Vorlage handelt es sich streckenweise um einen veritablen Gegenentwurf zur Beschlußvorlage der vom Rat eingesetzten Arbeitgruppe.

Der Verfasser dieser „Protokollnotiz“ ist nicht angegeben, die professionelle Gestaltung läßt auf die Dudenredaktion schließen. Um so dringender stellt sich die Frage, was die Geschäftsführerin dort zu suchen hatte. Übrigens ist nur Wermke Mitglied im Rat, die anderen beiden Herren aus der Dudenredaktion sind es nicht. Wenn ich selbst mich mit Freunden zusammensetzen wollte, um einen Gegenentwurf dieser Art auszuarbeiten, käme es mir nicht in den Sinn, die Geschäftsführerin des Rates für deutsche Rechtschreibung dazuzubitten. Oder war sie die Einladende?
Diese Bedenken bestehen unabhängig von der Tatsache, daß einzelne Einwände der Verlagsgruppe durchaus berechtigt sind. Die Beschlußvorlage ist in der Tat nicht abstimmungsreif, wie ich in einem gesonderten, bereits versandten Kommentar gezeigt habe.]


Die drei Wörterbuchverlage haben nach der Aprilsitzung des Rats für deutsche Rechtschreibung eine umfassende Überprüfung der Neufassung von § 34 auf den Wortschatz vorgenommen. Sie treffen sich zu diesem Gespräch mit dem Ziel, zu einer gemeinsamen Einschätzung über die Anwendbarkeit der neuen Regeln zu gelangen. Dazu gehen die Teilnehmer die von den Verlagen vorbereiteten Listen durch und legen dabei die neue, erst am Vortag per E-Mail-Attachment verschickte "Beschlussvorlage über den Gesamtkomplex der Getrennt- und Zusammenschreibung" zu Grunde.
Die bei der Diskussion gemachten Beobachtungen – die auf der Überprüfung der Buchstabenstrecke A–F basieren – und die sich daraus notwendigerweise ergebenden Klarstellungen sind angehängt. Die Teilnehmer verständigen sich darauf, Protokollnotiz und Anhang allen Ratsmitgliedern ergänzend zur Kenntnis zu geben. Weiterhin ist vorgesehen, nach entsprechendem Beschluss durch den Rat die begonnene Arbeit fortzusetzen und die Buchstabenstrecke G-Z zu überprüfen. Diese Überprüfung soll möglichst bis zum 15. Juli abgeschlossen sein. Die Ergebnisse sind auf das amtliche Wörterverzeichnis zu übertragen und sollen dann – im Sinne der größtmöglichen Transparenz – unverzüglich auf die Homepage des Rats eingestellt werden.

Anhang

Anhang 1: Bei Anwendung der in der Beschlussvorlage vom 19.05.05 vorgesehenen Regeln auf das Wörterverzeichnis wurde Folgendes festgestellt:
1) Anwendbarkeit der Regeln: Unter Berücksichtigung der in der Anlage genannten Klarstellungen ist zu erwarten, dass sich die Regeln mit Ausnahme von § 34(4) umsetzen lassen.
2) Einstufung der Regeln: Die Regeln entsprechen weder der alten noch der neuen Rechtschreibregelung. Sie produzieren – hauptsächlich im Anwendungsbereich von §34(2.1) – bisher nicht vorkommende Zusammenschreibungen, zum Beispiel:
• abwärtsgehen (= nach unten gehen), auseinandersetzen (= voneinander getrennt setzen), daheimbleiben, abseitsstehen (= nicht dazugehören) nach § 34(1.2)
• abhandenkommen, zunichtemachen, zupasskommen nach § 34(1.3)
• armwerden (neben arm werden), feinmahlen (neben fein mahlen), violettfärben (neben violett färben) nach § 34(2.1)

[Diese Zusammenschreibungen sind mit ganz wenigen Ausnahmen (armwerden) schon bisher durchaus üblich gewesen, so daß man keinesfalls behaupten kann, sie seien „nicht vorgekommen“ – mögen sie nun im Duden gestanden haben oder nicht. Der Duden hatte in einigen Fällen festgesetzt, daß in wörtlicher Bedeutung getrennt, in übertragener zusammengeschrieben werden solle, z.B. bei abwärtsgehen. Das war jedoch völlig unrealistisch. Die Wörterbuchverlage untersuchen insofern nicht, wie vereinbart, die Auswirkungen der Revision auf den Wortschatz, sondern den Änderungsbedarf in ihren Verlagsprodukten. Das interessiert die betroffene Sprachgemeinschaft nicht.

Die Orientierung an den Wörterbüchern statt am Sprachgebrauch selbst war schon in der Ausarbeitung „Zu den quantitativen Auswirkungen der Neufassung von § 34 auf den Wortschatz“ erkennbar. Sie gab vor, „auf der Basis umfangreicherer Korpora“ zu ermitteln, es waren aber offenbar keine Textkorpora gemeint, sondern Wörterbücher.

Mit dieser Fehlentscheidung geht zusammen, daß allgemein die Annahme zugrunde gelegt wird, die Schreibweise der einzelnen Wörter sei aus den Regeln abzuleiten und gegebenenfalls auch zu ändern. Eigentlich sollte aber die Regel den tatsächlichen Schreibbrauch zu beschreiben versuchen.

Man erkennt: Die neue Orientierung des Rates für Rechtschreibung am tatsächlichen Sprachgebrauch spricht dagegen, ausgerechnet die Wörterbuchverlage mit der Aufgabe zu betrauen, die Auswirkungen der Reform auf den Wortschatz zu untersuchen. Die Verlage haben schon durch die bisherige Umsetzung der „alten“ Reform beweisen, daß ihnen der tatsächliche Sprachgebrauch gleichgültig ist. Wie Frau Wahrig-Burfeind einmal treffend bemerkte, verzeichnen die Wörterbücher erstmals nicht mehr den Sprachgebrauch, wie er ist, sondern so, wie er nach den Vorstellungen der Kultusminister sein sollte. Damit entfällt die Bezeichnung „Korpus“.]


3) Konsequenzen der Regelung:
a) Es gibt auch bei dieser Regelung Grenzfälle, die festgelegt werden müssen. Dies betrifft insbesondere § 34(2.1) und § 34(2.2). Zum Beispiel ist schwer zu entscheiden, ob klein in klein?schreiben (= in kleiner Schrift schreiben) modal oder resultativ ist und dementsprechend nach § 34(2.1) (klein schreiben/kleinschreiben) oder § 34(2.3) (klein schreiben) gehört. Ein anderes Problem stellt das Kriterium der Idiomatisierung dar, zum Beispiel ist fraglich, ob in den Verbindungen (mit einem Argument) allein?stehen (= isoliert sein) und (einer Sache) fern?stehen (= keine Beziehung zu einer Sache haben) eine hinreichende Idiomatisierung vorliegt. Hier empfehlen die Wörterbuchverlage dringend, folgende Toleranzklausel einzufügen, die bei nicht ausreichend vorhandener Idiomatisierung beide Schreibungen zulässt:
E7: Lässt sich in einzelnen Fällen keine klare Entscheidung darüber treffen, ob eine idiomatisierte Gesamtbedeutung vorliegt, so bleibt es dem Schreibenden überlassen, getrennt oder zusammenzuschreiben.
Diese Erläuterung ist – in Abhängigkeit von dem Beschluss zu § 34(4) – entweder im Anschluss zu § 34(2.2) oder (entsprechend abgewandelt) am Ende von § 34 anzuführen.

[Dieser Einwand ist ebenso berechtigt wie die vorgeschlagene Toleranzregel. Allerdings ist die Begründung zurückzuweisen: Nicht wegen Abgrenzungsschwierigkeiten im Sinn der angenommenen Kriterien ist Fakultativität der Zusammenschreibung anzusetzen, sondern weil die Schreibwirklichkeit entsprechend variabel ist. Dies und nur dies darf Richtschnur einer orthographischen Empfehlung sein. Der Sinn der Orthographienorm besteht darin, Ratsuchende über die in hochwertigen Texten übliche Schreibweise zu informieren.]

b) Die Regelung in § 34(2.1) erzeugt eine große Anzahl von Variantenschreibungen und führt in Verbund mit den anderen Bestimmungen zu einer lexikografisch unbefriedigenden Darstellungspraxis, vgl.:
blind blindfliegen (§ 34(2.2)), blindmachen/blind machen (§ 34(2.1)), blindschreiben (§ 34(2.2)), blind verstehen (§ 34(2.3)), blind vertrauen (§ 34(2.3)).
Ähnlich verhält es sich mit den in § 34E1 genannten Proben. Die Anführung der beiden Proben erzwingt – wie bereits das modifizierte Regelwerk 2004 – die Aufnahme auch jeweils der Wortgruppe in den Artikel, vgl.: dabei dabeisitzen, aber dabei sitzen

[Die Beispiele unter § 34 (2.3) sind in der Tat irritierend unterschiedlich, wie ich selbst bereits kritisiert habe. Diese und andere Schwierigkeiten würden verschwinden, wenn der Rat sich darauf beschränkte, den tatsächlichen Schreibbrauch empirisch zu ermitteln, statt Normen von irgendwelchen theoretischen Annahmen abzuleiten. Daran sind schon viele gescheitert – warum sollte es heute einer Arbeitsgruppe in wenigen Stunden gelingen?

Entgegen den Vorstellungen der aufgelösten Zwischenstaatlichen Kommission und insbesondere ihres Geschäftsführers, die leider in der vorgeschlagenen Revision ihre Fortsetzung finden, geht es bei näher kommen und freundlich grüßen überhaupt nicht um „Verbindungen“ – wie es in schlechter Kontinuität auch diesmal wieder heißt –, die in irgendeiner sinnvollen Weise vergleichbar wären. Leider kann sich auch die Beschlußvorlage nicht dazu aufraffen, hier deutlich zu sagen, worum es grammatisch geht. Ursache mag sein, daß immer noch keine Bezugsgrammatik erarbeitet ist, die mit dem Phänomen der Verbzusätze im umfassenden Sinn zurande kommt. Solange das so ist, orientiert man sich zweckmäßigerweise am Usus. (Dazu würde übrigens auch gehören, eine seit Jahrhunderten übliche Schreibweise wie leid tun nicht deshalb ausrotten zu wollen, weil sie sich „keiner grammatischen Analyse fügt“!)]


c) Die Erläuterung E5 zu § 34(2.1) ist in der jetzigen Formulierung unbefriedigend, da sie die Wörterbuchverlage dazu zwingen würde, jeweils auch die Getrenntschreibung anzuführen – bei , und ist jedoch allein die Zusammenschreibung üblich. Die Wörterbuchverlage setzen sich daher für die Streichung von „normalerweise“ ein; E5 lautet dann:
E5: Bei den reihenbildenden Bestandteilen fest-, tot- und voll- wird zusammengeschrieben, zum Beispiel:
festbinden, -drehen, -nageln …, totschlagen, -stechen, -treten …, vollgießen, -stopfen, -tanken …

[Die Behauptung, bei diesen Objektsprädikativen (darum handelt es sich) sei „allein die Zusammenschreibung üblich“, ist schlicht falsch. Zum Beispiel wird den Mund (zu) voll nehmen meistens getrennt geschrieben: Die Musterknaben haben das Maul zu voll genommen (SZ 18.1.1996). Zwischen halbtot schlagen, halb tot schlagen und halb totschlagen bestehen feine Unterschiede, alle drei Schreibweisen sind berechtigt.]

d) Die Regelungsalternativen in § 34(4) sind höchst problematisch, da das Kriterium der übertragenen Bedeutung oftmals nicht greift. Unklar ist z.B. die Schreibung von (auf dem Sofa) kleben?bleiben, (etw.) bleiben?lassen, (etw.) bewenden?lassen. Andererseits ist in Einzelfällen – trotz übertragener Bedeutung – Zusammenschreibung nicht vorgesehen, vgl. (etw.) kommen sehen. Die Wörterbuchverlage sprechen sich infolgedessen dafür aus, von der ohne Ausnahme funktionierenden Regel Verb + Verb = Getrenntschreibung nicht abzugehen.

[Der Einwand trifft zwar zu, aber die radikale Lösung im Sinne der überholten Reform von 1996 entfernt sich weit vom Schreibbrauch und versucht auch gar nicht erst, sich darauf einen Reim zu machen. Warum werden wohl gerade die Positionsverben seit langem und immer konsequenter mit bleiben und lassen zusammengeschrieben? In der revidierten Fassung vom November 2004 findet man bereits kennengelernt und sitzengeblieben – die Rückkehr zur landesüblichen Zusammenschreibung war also bereits angebahnt. Hier gegen eine unwiderstehliche Tendenz der Sprachgemeinschaft anzukämpfen und mit Schaederscher Unempfindlichkeit den gordischen Knoten durchzuhauen wird in der Sprachgemeinschaft auf wenig Beifall stoßen. Es kann doch nicht die Folge einer von den Wörterbuchverlagen vorgenommenen Untersuchung zu den Auswirkungen der Regeln sein, daß ganz erhebliche Teile der üblichen deutschen Schreibweise aus dem Verkehr gezogen werden.]

Anhang 2: Klarstellungen
Klarstellungen betreffen die Paragrafen 34(2.2) und 34(2.3). Sie haben sich bei der Überprüfung als unabdingbar herausgestellt, da ansonsten bestimmte Fallgruppen nicht geregelt sind. Darüber hinaus werden die Formulierungen der Paragrafen 33E, 34(1.2) und 37E3 und E4 an die Befundlage angepasst. Die gegenüber der Beschlussvorlage geänderten Stellen sind grau unterlegt.
§ 33 E In manchen Fällen stehen Zusammensetzung und Wortgruppe nebeneinander, zum Beispiel: danksagen/Dank sagen (er sagt Dank), gewährleisten/ Gewähr leisten (sie leistet Gewähr), staubsaugen/Staub saugen (er saugt Staub); brustschwimmen/Brust schwimmen (er schwimmt Brust), delfinschwimmen/ Delfin schwimmen (sie schwimmt Delfin), marathonlaufen/Marathon laufen (sie läuft Marathon); staubsaugen/Staub saugen (er saugt Staub).

§ 34E1 E1: Zur Unterscheidung von Verbpartikel und selbstständigem Adverb: Bei Zusammensetzungen liegt der Hauptakzent normalerweise auf der Verbpartikel (vgl. wiedersehen, zusammensitzen), während bei Wortgruppen das selbstständige Adverb auch unbetont sein kann (vgl. wieder sehen, zusammen sitzen). Wenn das Betonungskriterium nicht zu einem eindeutigen Ergebnis führt, hilft in vielen manchen Fällen eine der folgenden Proben weiter: (1) Das Adverb kann im Aussagesatz vor dem finiten Verb an erster Stelle stehen, die Verbpartikel hingegen nicht, vgl.: Dabei wollte sie nicht immer sitzen, sondern auch ab und zu mal stehen (Adverb dabei), aber Dabeisitzen wollte sie nicht immer (Verbpartikel dabei-). (2) Zwischen Adverb und Infinitiv können ein oder mehrere Satzglieder eingeschoben werden, zwischen Verbpartikel und verbalem Bestandteil hingegen nicht, vgl.: Sie wollte dabei nicht immer sitzen, sondern auch ab und zu mal stehen (Adverb dabei), aber Sie wollte nicht immer dabeisitzen (Verbpartikel dabei-).

§ 34(2.2) Es wird zusammengeschrieben, wenn der adjektivische Bestandteil zusammen mit dem verbalen Bestandteil eine neue, idiomatisierte Gesamtbedeutung bildet, die nicht auf der Basis der Bedeutungen der einzelnen Teile bestimmt werden kann, zum Beispiel:krankschreiben, freisprechen, (sich) kranklachen, vollquatschen; besserstellen (= jmds. finanzielle Situation verbessern), festnageln (= festlegen), heimlichtun (= etw. verbergen wollen), kaltstellen (= (politisch) ausschalten), fertigmachen (= massiv zusetzen), übrigbleiben (= keine andere Wahl haben), heiligsprechen, verlorengehen

[All dies ist weit von der Sprachwirklichkeit entfernt, wiederum scheint nur das Wörterverzeichnis der eigenen lexikographischen Produkte zugrunde gelegt worden zu sein. Es liegt auf der Hand und läßt sich jederzeit nachweisen, daß z. B. übrig+bleiben in jeder Bedeutung sowohl getrennt als auch zusammengeschrieben wird. Auch krank+schreiben wird teils getrennt, teils zusammengeschrieben.
besserstellen ist nicht unbedingt auf die finanzielle Situation bezogen – und warum soll gerade hier die Gesamtbedeutung nicht aus den Bestandteilen ableitbar sein (falls dies überhaupt irgendwo bei der Lexembildung der Fall sein sollte)?]


§ 34(2.3) In den anderen Fällen wird getrennt geschrieben. Dazu zählen insbesondere Verbindungen mit morphologisch komplexen, erweiterten oder gesteigerten Adjektiven, zum Beispiel:bewusstlos schlagen, ultramarinblau streichen, ganz nahe kommen, näher kommen, bereit erklären, klein beigeben, herzlich danken, kritisch denken, freundlich grüßen

[Natürlich ist bei bereiterklären auch die Zusammenschreibung längst üblich. Was soll mit dem Beispiel klein beigeben eigentlich verhindert werden? Daß jemand schreibt kleinbeizugeben oder weil er kleinbeigab? Das Beispiel gehört eher in die Rubrik freundlich grüßen; d. h. es ist eigentlich überflüssig.]

§ 37E3 E3: Dieser Regel folgen auch lexikalisierte, ursprünglich aus dem Englischen stammende bzw. aus englischen Einheiten gebildete Komposita: Bandleader, Cheerleader, Chewinggum, Mountainbike, Bluejeans, Hardware, Swimmingpool. Zu den verschiedenen Fällen von Bindestrichschreibung vgl. § 45.

§ 37E4 E4: Aus dem Englischen stammende Bildungen aus Adjektiv + Substantiv können zusammengeschrieben werden, wenn sie den Hauptakzent auf dem ersten Bestandteil nur einen Hauptakzent tragen, also Hotdog oder Hot Dog, Softdrink oder Soft Drink, aber nur High Society, New Age Electronic Banking oder Joint Venture. Zu den verschiedenen Fällen von Bindestrichschreibung vgl. § 45.

[Der Zusammenhang von Betonung und Schreibung ist nicht so klar. Zum Beispiel wird im neuesten Duden-Fremdwörterbuch für Jointventure/Joint Venture unabhängig von der Schreibweise nur Hauptakzent auf dem zweiten Teil angesetzt. Hier liegen viele Probleme verborgen, die nicht in aller Eile gelöst werden können. Die Fremdwortschreibung soll ja auch Gegenstand künftiger Beratungen sein.]



Nachbemerkung 2006: Nachdem ich mich über die unzulässige Beteiligung "unserer" Geschäftsführerin an den Geschäften der Wörterbuchverlage beschwert hatte, rief der Vorsitzende mich an und bat mich, mit der angeblich unerfahrenen Geschäftsführerin nachsichtig zu sein und weiter mitzumachen.


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