04.02.2006 Theodor Ickler „Schweren Herzens“„Valerio“ soll sich dem Thema Rechtschreibreform widmenDie DASD (= Peter Eisenberg) will das Ende der Rechtschreibdiskussion herbeiführen und sich selbst feiern.Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung hat einen ausgewählten Kreis zur Mitarbeit an einem Heft ihrer Schriftenreihe „Valerio“ eingeladen, das sich dem Thema Rechtschreibreform widmen soll. Das Konzept stammt von Peter Eisenberg. Hier der vollständige Text: Eisenberg, 25.12.2005 Mögliche Beiträge zu einem Heft von Valerio zum Ende der Orthographiedebatte Das Heft sollte zur Frühjahrstagung vorliegen, also Anfang Mai 2006 fertig sein. Es erscheint unter der Voraussetzung, daß die KMK am 6. März 2006 den Vorschlägen des Rates für deutsche Rechtschreibung zustimmt. Bisher liegen Vorschläge des Rates zur Getrennt- und Zusammenschreibung, zur Silbentrennung und zur Zeichensetzung vor. Der Rat möchte aber auch einen Vorschlag zur Groß- und Kleinschreibung in das Paket aufnehmen. Dieser wird, wenn es dazu kommt, spätestens am 24. Februar, möglicherweise schon am 3. Februar verabschiedet. Stimmt die KMK den Vorschlägen des Rates nicht zu, wird das Heft nicht erscheinen. 1. Es wäre sehr gut, wenn mindestens zwei Schriftsteller etwas zum Thema Orthographie und Sprache schreiben würden. Dabei könnte deutlich werden, wie wichtig unterschiedliche Standpunkte in der Akademie sind und daß die Akademie sich schweren Herzens zum Kompromiß verstanden hat. In der Öffentlichkeit wird immer wieder die Frage gestellt, welches besondere Interesse viele, aber eben nicht alle Schriftsteller an diesem Thema haben. Man kann sich eine ganze Reihe interessanter Kombinationen von Personen vorstellen, die sich dazu äußern. Man kann sich auch gut vorstellen, daß ein längeres Gespräch mit zwei oder drei Schriftstellern beispielsweise unter der Leitung eines kundigen Journalisten in dem Heft abgedruckt wird. 2. Der Präsident erklärt, wie die Akademie es mit der Neuregelung gehalten hat und hält. Auch hier ginge es nicht um die Rechtfertigung des Kompromisses, sondern um die Darlegung der Schwierigkeiten, sich unter den je gegebenen Umständen verantwortungsvoll mit dem Thema zu befassen. Die Akademie muß ja alles tun, was verhindern kann, daß nach dem Ende der Debatte ein Gefühl der Gespaltenheit oder Uneinigkeit zurückbleibt. Es würde deutlich werden, daß der erreichte Kompromiß im wesentlichen auf die Akademie zurückgeht und es wäre zu erklären, welchen Einfluß die Akademie auf die Arbeit des Rates (auch auf die Arbeitsgruppen, vor allem mit der Idee der kleinen und arbeitsfähigen Arbeitsgruppen) genommen hat. 3. Aus erziehungswissenschaftlicher Sicht wäre darzulegen, inwiefern die Neuregelung keine Vereinfachung für das Schreibenlernen mit sich bringt und warum man eine derartige Vereinfachung aus prinzipiellen Gründen weder anstreben sollte noch erreichen kann. Wichtig wäre, den gutgemeinten aber fehllaufenden Bemühungen vieler Pädagogen und Didaktiker eine mögliche andere Richtung zu zeigen. Für die Akademie ist das auch deshalb wichtig, weil ihr oft genug ein elitäres Gebaren unterstellt wird, das kein Interesse an der Schule hat und ohne Rücksicht auf sie verfährt. Nach Verabschiedung des Kompromisses sollte man auch deutlich machen, daß die erreichten Änderungen von Vorteil und nicht von Nachteil für den Unterricht sind. 4. Einer Ausleuchtung des Hintergrundes aller Orthographiedebatten dient ein Beitrag, der zeigt, wie wichtig die Schrift für die Entwicklung einer Sprache und die Sprachbefindlichkeit ihrer literalen Sprecher ist und daß die Literalisierung sich historisch als ein Prozeß verstehen läßt, der alles andere als ein reiner Normierungsprozeß ist (Stichwörter: Ding der dritten Art, unsichtbare Hand). Es gibt innerhalb der Germanistik zwei oder drei Autoren, die zu diesem Thema exzellent schreiben können. Man hätte auch Gelegenheit, darauf einzugehen, warum es von einem derartigen Standpunkt aus eigentlich erwartbar war, daß die Neuregelung letztlich nicht durchgesetzt werden konnte. 5. Ein Beitrag sollte sich mit der Frage befassen, was ein Eingriff in die Orthographie für das Ansehen und den Status des Deutschen im nichtdeutschsprachigen Ausland bedeutet. Deutsch ist eine weltweit gelehrte und gelernte Sprache, deren Status als zweite oder dritte Fremdsprache derzeit und unter ständiger Konkurrenz zu einer Handvoll anderer Sprachen neu verhandelt wird. Es fällt auf, daß die Notwendigkeit einer besseren Vertretung des Deutschen in der öffentlichen Diskussion der vergangenen Jahre eine wichtige Rolle spielt, daß der durch die Neuregelung angerichtete Schaden dabei aber meist keine oder eine ganz untergeordnete Rolle spielt. 6. Aus Sicht der Sprachwissenschaft wäre darzulegen, daß man die Orthographie einer altverschrifteten Sprache nicht beliebig verändern und nicht einmal beliebig beschreiben kann. Im Streit um die Neuregelung haben deren Verfechter ja immer wieder erklärt, ‚ihre’ Regeln seien auch nicht schlechter als die ihrer Kritiker. Man sollte auf verständliche Art und Weise verdeutlichen, daß ein Begriff wie ‚orthographische Regel’ sehr wohl und zuerst auf sprachliche (und nicht beispielsweise didaktische) Gegebenheiten zu beziehen ist. Wenn möglich wäre auch zu verdeutlichen, dass die Schrift einigen Einfluß auf andere Teile des Sprachsystems hat und beispielsweise unter den für das Deutsche gegebenen Bedingungen für einen Begriff wie ,Standardlautung’ Pate stand. 7. Was bedeutet es, wenn und daß sich die Politik als zuständig für die Regelung eines Teils der deutschen Sprache erklärt, wo doch im einfachsten demokratischen Grundverständnis davon, was zu den Aufgaben des Staates gehört und was nicht, dies unbedingt ausgeschlossen sein müßte? Warum wird dieses Grundverständnis bei der Schrift suspendiert? Welcher Art sind die politischen Fragen gewesen, die in diesem Zusammenhang diskutiert wurden? Das kann von der Begründung des Verfassungsgerichtsurteils bis zur Auseinandersetzung über den Vergleich der Neuregelung von 1996 mit der 1941 geplanten gehen, es kann aber auch um das Selbstverständnis eines Gremiums wie der KMK gehen. 8. Der Rat für deutsche Rechtschreibung wird, wenn das geplante Heft erscheint, die erste Phase seiner Arbeit abgeschlossen haben. Es ging im wesentlichen um die Reformulierung eines Teils des amtlichen Regelwerks mit dem Ziel des teilweisen Rückbaus, d.h. der Wiederherstellung der alten Orthographie. Die nun folgende zweite Phase wird derzeit meist mit ‚normale Arbeit’, ‚ruhiges Fahrwasser’ und ähnlich charakterisiert. Es ist aber weder klar, wie ein Rat für Rechtschreibung mittelfristig unter staatlicher Aufsicht zu Entscheidungen kommen kann, noch steht dem Rat der technische Apparat zur Verfügung, der notwendig ist, um den Schreibusus und seine Entwicklung zu erheben. Dieses wichtige Thema wurde bisher so gut wie gar nicht behandelt. 9. Schließlich sollte sich ein Beitrag mit der Geschichte der Neureglung befassen, schon weil immer uneinsichtiger wird, wie es zu dem Unglück hat kommen können. Die Geschichte sollte in aller Kürze und so dargestellt werden, daß die unterschiedliche Rolle und die eigenartige Form der Kooperation zwischen den deutschsprachigen Ländern, vor allem auch die Rolle der DDR, deutlich wird. Es wird die These vertreten, daß gerade die staatliche Gliederung des deutschen Sprachgebietes Voraussetzung für die Verselbständigung und schließliche Umsetzung der Reformdiskussion gewesen ist. Motivation und Umsetzungschancen waren in den vier Staaten grundverschieden.
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