04.02.2006


Theodor Ickler

Operation gelungen

Was wird aus dem Patienten?

Erst heute kann ich das Zerstörungswerk des Rates für deutsche Rechtschreibung besichtigen, denn gestern war ich außer Haus. Allerdings hätte ich die Beschlüsse weder beeinflussen noch verhindern können. Die Bereitschaft, sich dem Wunsch der KMK zu fügen, war ja von vornherein auch der Wille der überwältigenden Ratsmehrheit.
In meinem Überblick "Was ist vom Rat für deutsche Rechtschreibung zu erwarten?" hatte ich vorab alles aufgeschrieben, was man zum Verständnis der ganzen Entwicklung braucht. Insofern wäre jede Überraschung unangebracht.

Ich hatte dem Vorsitzenden noch eine letzte Warnung übermittelt, die auch ein wenig ihre Spuren hinterlassen zu haben scheint. Aber sein Wunsch, nun doch noch mit irgendeinem "Erfolg" an die Öffentlichkeit treten zu können, war wohl stärker, sonst hätte er das nicht mit sich machen lassen. Mir klingen noch seine im Rat oft wiederholten Beteuerungen im Ohr, der Rat sei unabhängig und nicht weisungsgebunden. Angesichts der Konstellation hätte er wissen müssen, daß es keiner Weisungen bedurfte. Die schlaue Rechnung von Karin Wolff und Annette Schavan scheint also aufzugehen. Der Rat, entsprechend besetzt, hat sich als willfähriges Instrument der Reformer bewährt, und man kann der Bevölkerung vorgaukeln, ihre Bedenken seien - sogar unter Mitwirkung der Kritiker - berücksichtigt worden.
Nun kommt es darauf an, ob die widerspenstigen Medien FAZ, Axel Springer Verlag und auch der SPIEGEL, alle drei im Rat unwidersprochen als "Krawallmacher" beschimpft, auf den Trick hereinfallen.

Es kann übrigens sein, daß die KMK nicht einmal alle Änderungsvorschläge akzeptiert. Zum Beispiel könnten die ja nicht ganz so dummen Ministerialbeamten bei "pleitegehen" usw. doch lieber nicht mitmachen.
Der Beschluß, die Laut-Buchstaben-Entsprechungen nicht mehr zu bearbeiten (und zwar definitiv, alles andere ist ja bloß Wortgeklingel - nach dem Sommer 2006 läuft nichts mehr!), ist die Kapitulationserklärung des Rates und insbesondere des Vorsitzenden, der dies mit sich machen läßt. In seinen Äußerungen spürt man, daß er es weiß.

Das einzige, was im Rat erreicht werden konnte, ist ein munterer Tritt gegen das Schienbein der KMK: die unstrittigen Teile erwiesen sich als nicht so unstrittig, daß sie nicht eine Sitzung wert gewesen wären. Es wird also im Sommer neue Wörterbücher und neue Schulbücher geben müssen. Die Geschäftsführerin soll ja schon länger zusammen mit den Wörterbuchverlagen, zu denen sie bekanntlich eine besonders enge Beziehung unterhält, an einem neuen Wörterverzeichnis arbeiten.
Man wird nun abwarten müssen, wie die endgültige Fassung aussieht.

Der Vorteil der neuen Situation besteht darin, daß wieder klarer zu erkennen ist, wogegen man eigentlich kämpft. In den letzten Monaten und Jahren war alles im Wirrwarr der Wanderbaustelle verschwommen.


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