28.01.2006 Theodor Ickler Wanka und WowereitDrei aufschlußreiche TexteWie die Politiker mit dem „unabhängigen“ Rat umspringen und „die Menschen in Deutschland“ für dumm verkaufen. (Die folgenden Texte sind schon bekannt, ich stelle sie nur noch einmal neu zuammen.)Der Berliner Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit schrieb am 24.6.2005 an die KMK-Präsidentin Johanna Wanka: »Die Ministerpräsidentenkonferenz hat das Thema Rechtschreibreform ohne erneute Beschlussfassung beraten. Damit bleibt es bei dem Inkrafttreten der Rechtschreibreform am 1. August 2005 entsprechend der bisherigen Beschlusslage (MPK-Beschluss vom 06./08. Oktober 2004 und KMK-Beschluss vom 2. Juni 2005). Ein Teil der Länder hatte vorgeschlagen, das Inkrafttreten der Reform auf den 1. August 2006 zu verschieben und die Verlängerung der Übergangsfrist dazu zu nutzen, in Zusammenarbeit mit dem Rat für deutsche Rechtschreibung das vorliegende Regelwerk so zu überarbeiten, dass es zum 1. August 2006 ohne Ausnahme für die schulische Korrekturpraxis in Kraft treten kann. Dem ist die Ministerpräsidentenkonferenz nicht gefolgt, weil der Rat für deutsche Rechtschreibung bereits die bisherige Erwartung der MPK (vgl. MPK-Beschluss vom 06./08. Oktober 2004, Ziff. 1, zweiter Anstrich), Änderungen so rechtzeitig vorzuschlagen, dass sie ebenfalls am 1. August 2005 in Kraft treten können, nicht erfüllt hat und keine Gewähr dafür besteht, dass dies bis zum 1. August 2006 gelingt und nicht eine erneute Verschiebungsdiskussion entsteht. Aus meiner Sicht muss erwartet werden, dass eventuelle Änderungen des Regelwerks vor allem so erfolgen, dass sich daraus keine Nachteile für die Schülerinnen und Schüler ergeben und die Kultusministerkonferenz dafür – wie bereits mit ihrem Beschluss vom 2. Juni 2005 – weiter in geeigneter Weise Sorge trägt. Ich bitte, die Ministerpräsidentenkonferenz zu gegebener Zeit über eventuelle Ergebnisse des Rats für deutsche Rechtschreibung zu unterrichten.« Wowereit sieht im Rat offenbar einen Handlanger, der endlich die Reformdurchsetzung zu einem zügigen Abschluß führen soll. Nachteilig für die Schülerinnen und Schüler ist in seinen Augen nicht, daß sie seit Jahren etwas Falsches und Schlechtes lernen, sondern daß sie vielleicht noch einmal umlernen müssen, um endlich das Richtige und Bessere zu lernen. Wie sonst ist es zu verstehen, daß die Korrekturen des Regelwerks ohne Nachteile für die Schüler erfolgen sollen? Auf Wowereits Schreiben bezog sich KMK-Präsidentin Wanka in einer Pressemitteilung vom 16.6.2005: »KMK erstaunt über neue Erklärungen zur Rechtschreibreform Die Ankündigung der Ministerpräsidenten Bayerns und Nordrhein-Westfalens, das Inkrafttreten der Rechtschreibreform in ihren Ländern auf den 1. August 2006 zu verschieben, hat bei der Kultusministerkonferenz völliges Unverständnis hervorgerufen. Dieses Vorgehen ist kaum nachvollziehbar. Die Kultusministerkonferenz hat jeden Schritt bezüglich der Rechtschreibreform mit der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) abgestimmt. Die KMK-Präsidentin, Brandenburgs Kulturministerin Prof. Dr. Johanna Wanka, verwies in diesem Zusammenhang auf einen einstimmig gefällten Beschluss der Ministerpräsidenten aller Bundesländer, die Reform am 1. August 2005 einzuführen. Dem war auch die KMK einstimmig gefolgt. Die MPK hatte erst am 23. Juni über das Thema beraten und Überlegungen einiger Länder, das Inkrafttreten der Reform um ein Jahr zu verschieben, abgelehnt. "Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz und Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, hat mir erst vor drei Wochen in einem Begleitschreiben zu der Entscheidung der MPK versichert, dass die Ministerpräsidenten am Inkrafttreten der Reform am 1. August 2005 festhalten", betonte Wanka. "Dies wurde auch vom Vorsitzenden des Rates für deutsche Rechtschreibung empfohlen", unterstrich die Präsidentin. "Die Menschen in Deutschland aber auch in Österreich und der Schweiz wollen endlich Klarheit. Ein Ausscheren einzelner Bundesländer aus der Vereinbarung führt nicht nur bei Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern zu neuer Verunsicherung", so Wanka weiter. Nach bisheriger Beschlusslage werden ab dem 1. August 2005 Fehler im Zusammenhang mit der Neuregelung der Rechtschreibung nicht nur markiert, sondern auch bewertet. Davon ausgenommen sind vorerst die Bereiche, in denen der von der KMK eingesetzte Rat für deutsche Rechtschreibung für die nächste Zukunft Vorschläge angekündigt hat, nämlich die Getrennt- und Zusammenschreibung, die Worttrennung am Zeilenende und die Interpunktion. Den entsprechenden Vorschlägen will die KMK folgen. Auch bisher hat sie ihr Vorgehen mit dem Vorsitzenden des Rates, Herrn Staatsminister a.D. Dr. Zehetmair, abgestimmt.« Daß auch der Ratsvorsitzende Zehetmair ein Inkrafttreten (gemeint ist: Verbindlichwerden) der Reform zum 1.8.2005 empfohlen habe, kann nicht zutreffen. Zehetmair wußte, daß ein solcher Termin nicht einzuhalten sein würde, und betrieb selbst die Behandlung auch der für „unstrittig“ erklärten Bereiche, wobei er immer wieder die Unabhängigkeit des Rates bei der Wahl seiner Themen betonte. Entweder hat Wanka hier etwas mißverstanden, oder sie sagt nicht die Wahrheit. Ungefähr zur gleichen Zeit führte der SPIEGEL ein Gespäch mit ihr. Erst am 2.1.2006 erschien der Bericht darüber: »Wanka sitzt in einer Ecke des Restaurants Borchardt in Berlin und stochert in ihrem Essen. Sie redet über die Pisa-Studie, über das Problem mit der Hochschulfinanzierung. Sie macht eine kleine Pause. 'Die Kultusminister wissen längst, dass die Rechtschreibreform falsch war', sagt sie. Sie sieht auf ihren Teller: 'Aus Gründen der Staatsräson ist sie nicht zurückgenommen worden.'«
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