08.03.2005


Theodor Ickler

Menschen verachtend

Irgend jemand soll die Rechtschreibreform als „menschenverachtendes Massenexperiment“ bezeichnet haben.
Dagegen haben die Reformer scharf protestiert: es müsse „ein Menschen verachtendes Massenexperiment“ heißen – oder so ähnlich, vielleicht habe ich es nicht richtig verstanden.
In den „Stellungnahmen“ der Ratsmitglieder findet man folgende Auslassung eines der schärfsten Reformdurchsetzer:
„Sollte sich herausstellen, dass die neuen Getrennt- und Zusammenschreibungen auch nach endgültiger allein verbindlicher Einführung keine breite öffentliche Akzeptanz finden, müsste langfristig über einen neuen, grundlegend anderen Ansatz in diesem Bereich nachgedacht werden. Nach dem 1.8.2005 hat der Rat genügend Zeit, ggf. notwendige grundsätzlichere Korrekturen/Umarbeitungen vorzunehmen, die detailliert und ausgewogen mit aller ggf. hinzuziehbaren Sachkenntnis erarbeitet und überprüft werden sollten. Dies könnte auf der Basis von empirischer Beobachtung der Sprachentwicklung (...) geschehen. Auf diese Weise könnten auch langfristig tragbare und konsensstärkende Konzepte entwickelt werden.“
Das heißt: Während 12 Mill. Schüler noten- sowie versetzungsrelevant die „endgültig allein verbindlichen“ Neuschreibungen lernen müssen, wissen wir Reformer natürlich die ganze Zeit, daß das Ganze ein Humbug ist. Aber damit das Geschäft weitergeht (der Text ist von einem Wörterbuchverlag), setzen wir es erst einmal durch und besichtigen erst hinterher die Schäden. Dann könnten wir ggf. auch Sachkenntnis einsetzen. WIR haben ja viel Zeit!



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