16.10.2005


Theodor Ickler

Intelligenz

Gute Rechtschreibleistung soll kein Zeichen von Intelligenz sein

Das gehört zu den alten Hüten der Reformbegründung. Augst weist noch 2004 (HSK 3.1) auf die vierzig Jahre zurückliegende Untersuchung von Lilly Kemmler hin. 80 Prozent der Sitzenbleiber nach der vierten Klasse sollen ihr Schicksal Rechtschreibfehlern verdanken.
Ich weiß nicht, ob das damals richtig war, kann mir auch nicht vorstellen, daß gute Schüler wegen schwacher Rechtschreibung sitzenblieben. Vielleicht war es das Zünglein an der Waage.
Was mir schon bei B. Weisgerber und anderen Vätern der hessischen Rahmenrichtlinien Deutsch auffiel: Geht es denn nur um Intelligenz, ist der gesamte Schulunterricht ein endloser Intelligenztest? Man vergleiche die Kongreßpapiere "vernünftiger schreiben" von 1973. Ich finde, daß man Leistung und damit Eignung auch durch andere Tugenden erzielen kann, durch Fleiß, Anstrengung z. B. - eigentlich sehr demokratisch. Die Schule auf Intelligenzmessung festzulegen scheint mir den sonstigen Ansichten der Weisgerber, Ivo usw. klar zu widersprechen.
Im übrigen ist es nicht abwegig, gerade in der Grundschule die elementaren Kulturtechniken in den Mittelpunkt zu stellen. 1973 gehörte es zum guten Ton, "verwertbares" Wissen, auf das die Industrie- und Handelskammern unverändert großen Wert legen, zu verdammen. Besonders B. Weisgerber hat nur zähneknirschend zugestehen wollen, daß unter den gegebenen kapitalistischen Herrschaftsverhältnissen das richtige Schreiben wohl noch ein Weilchen vermittelt werden müsse, auch wenn man damit nur das disponible Industrieproletariat vermehre (dem aus denselben Gründen bisher das Herrschaftswissen Schreibfähigkeit vorenthalten worden sei - dieser Widerspruch geht auf die Mär zurück, das Lesen und Schreiben sei früher ein Privileg der Reichen und Mächtigen gewesen, während es in Wirklichkeit eine untergeordnete Sklavenarbeit war).


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