02.07.2005


Theodor Ickler

Aus dem Rat

Dem Gesamtpaket GZS habe ich zugestimmt

Aber nur weil die Richtung stimmt, im einzelnen ist noch vieles unzulänglich. Widersprochen habe ich (als einziger) dem Wunsch, §§ 38 und 39 fast unverändert zu übernehmen. In einigen Fällen habe ich mich der Stimme enthalten, weil die neuformulierten Texte zu unklar sind. Es wird also auch hier wieder ein Sondervotum fällig.
Immerhin ist zugesichert worden, daß „Handvoll“ usw. in einem allfälligen Wörterverzeichnis wiederhergestellt werden, da ihnen die neuformulierten Regeln nicht entgegenstehen. Aber das will ich erst einmal mit eigenen Augen sehen.

Bei der Silbentrennung wird es keine Einigung geben. Zu viele Ratsmitglieder wollen entweder aus wirtschaftlichen Interessen oder aus ideologischer Verbohrtheit so viele Trennstellen wie möglich „erlauben“ – mit dem fadenscheinigen Grund, jedem stehe es ja frei, darauf zu verzichten. Es würde ihnen genügen, die allgemeine Warnung vor sinnstörenden Trennungen voranzustellen. (Daher auch die traditionsreiche Albernheit mit dem „Urin-stinkt“, vor der ich gewarnt hatte.) Aber die bisherige Trennung war gerade dazu da, sinnstörende Trennungen fast automatisch zu verhindern.

Die Qualitätsminderung der Texte kümmert sie überhaupt nicht, ganz zu schweigen von den bildungspolitischen Konsequenzen des Dummdeutsch in der Schule.

Auch an die Groß- und Kleinschreibung wollen viele überhaupt nicht ran, weil damit die ganze Reform gefährdet sei, wie ein Ratsmitglied nicht untreffend bemerkte. Zum Glück ist der Vorsitzende anderer Meinung und wurde gerüffelt, weil er im Spiegel-Interview die Behandlung der GKS noch für dieses Jahr angekündigt hatte – das sei nicht die Meinung des Rates. Auch bestehe kein Zeitdruck, dieses Thema aufzugreifen. Ich wies aber darauf hin, daß durch den KMK-Beschluß zur Verbindlichmachung der grotesken Großschreibungen usw. ein enormer Zeitdruck entstanden sei, weil dieser Unsinn keinesfalls zum 1. August über die Schulen verhängt werden dürfe. Dazu verlas ich ein paar Beispiele aus der Liste, die Frau Schmoll teilweise veröffentlicht hat.

Ein besonders angesehenes Mitglied nahm allerdings kein Blatt vor den Mund und warf die Frage auf, was wir sechs Jahre lang mit dieser Placebo-Veranstaltung zur Reparatur sprachwissenschaftlich unhaltbaren Unsinns eigentlich erreichen wollten.

Nun sollen wir auch noch Verbände vorschlagen, denen laut Statut unsere Beschlüsse vorgelegt werden müssen. Der Vorsitzende konnte den Hinweis nicht unterdrücken, daß diese Verbände ja schon reichlich im Rat vertreten seinen. Wahrscheinlich weiß er, daß die KMK eine Reservearmee vorhält, die „Verbändeallianz“ der Schulbuchverleger nämlich, die schlauerweise nicht gleich in den Rat selbst geschickt worden ist, damit sie als Geheimwaffe immer noch auf den Weg der Tugend zurückführen kann, was zu entgleiten droht. Wetten, daß der Bundeselternrat, der Philologenverband und der längst auf VdS-Kurs gebrachte Bundesschülervertreter (hat schon, welche Ehre, neben Ahnen und Wolff an einer entsprechenden Inszenierung mitwirken dürfen!) sich mit ihren voraussagbaren Voten melden werden?


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