27.09.2014


Theodor Ickler

Kitsch

Die Wonnen der Gewöhnlichkeit sind nicht jedem vergönnt

In Warenhäusern, Taxis und auch sonst wird ohne weiteres vorausgesetzt, daß jedermann Schlager und Popmusik mag, auch wenn die Geschmäcker sonst verschieden sind.

Die Augen kann man zumachen, aber die Ohren haben keine Deckel, und so bleibt nur Fremdschämen. Ich bin nicht besonders musikalisch, allerdings schon mehr ein Ohren- als ein Augenmensch; Musik bedeutet mir mehr als Malerei zum Beispiel. Wahrscheinlich ist es ein Defizit, aber ich kann einfach nicht anders als die meiste Popmusik unerträglich finden, ohne Hoffnung, mich daran zu gewöhnen. Das fiel mir wieder mal ein, als ich mich jetzt mit dem Wortfeld "Dank" beschäftigte (wozu demnächst mehr) und auf jenen unsäglichen Kirchenschlager stieß, der auch einen Wikipediaeintrag hat. Das ist also auch schon wieder über 50 Jahre her, daß man dem fürchterlichen Song nirgendwo entgehen konnte. Der Text ist eine indiskutable Fassung von Theodizee, aber das Allerschrecklichste ist die Musik mit ihrer sich von Strophe zu Strophe höherquälenden Chromatik. Und das Ganze wird man als wahren Ohrwurm überhaupt nicht wieder los; schon packt es mich wieder, und ich muß irgend etwas tun, damit mir nicht der ganze schöne Samstag verdorben wird. (Ich empfinde musikalisch den Schluß jeder Strophe als besonders peinlich; ob ein Musikwissenschaftler das erklären könnte?)


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