02.07.2014


Theodor Ickler

Anonym, pseudonym

Vermummung im Internet

Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs kann man zwar die Löschung falscher Behauptungen verlangen, nicht aber die Aufdeckung der Identität des Urhebers. Die FAZ (2.7.14) kritisiert das mit Recht.

Gerade hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das Verbot der Totalvermummuung für rechtens erklärt. Die Heilige Inquisition bot dem Denunzianten den Schutz der Anonymität; so sollten Racheakte verhindert werden. Das hat unzählige auf den Scheiterhaufen gebracht. (Sachliche Information z. B. bei Peter Godman)

Wenn man liest, wie ein Anonymus ein Buch, ein Hotel, einen Lehrer oder einen Arzt bewertet, wird man durchaus davon beeinflußt, ob man will oder nicht. Bei Institutionen wie der Stiftung Warentest weiß man, an wen man sich zu halten hat, aber bei den Millionen Schreibern im Internet weiß man es nicht. So ist die Gesetzeslage, sie sollte geändert werden.

Zeitungen drucken keine anonymen Leserbriefe - warum dulden manche es auf ihren Internetseiten? Es gibt Ausnahmen, etwa bei einer Zuschrift aus einem diktatorisch regierten Staat; dann teilt die Redaktion mit, der wirkliche Name sei ihr bekannt. Aber sonst gilt: Meinungen, zu denen man nicht mit seinem Namen steht, sind es nicht wert, geäußert zu werden.

Kinder schreiben an Wände: Eva ist doof. Erwachsene tun so etwas nicht, oder? Mich wundert es, daß der Sinn für Gemeinheiten (auf Wehrlosen herumtrampeln, denunzieren) so massenhaft verloren gehen konnte. In Büchern und Filmen wird immer noch das anständige, "ritterliche" Verhalten verherrlicht. Da könnte man anknüpfen.


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