17.11.2013


Theodor Ickler

Triage

Gedanken über den Gewitterfurzer

Ein seltener Fisch könnte den Bau eines Gewerbeparks im Süden Hamburgs verhindern. Wie der NDR und mehrere Hamburger Tageszeitungen übereinstimmend berichten, wurde in einem Abwasserkanal der Europäische Schlammpeitzger gefunden.
Der Biologen auch als „Gewitterfurzer“ oder „Darmatmer“ bekannte aalartige Fisch steht auf der Liste der bedrohten Arten. (...) Gefährdete Tierarten verhinderten schon mehrfach Gewerbeansiedlungen im Hamburger Umland, etwa der Wachtelkönig in Neugraben oder die Zierliche Tellerschnecke in Bergedorf. (Meldung 17.11.13)

Meine große Liebe zur Natur einmal zurückgestellt: Kann es sein, daß eine gefährdete Tier- oder Pflanzenart gewissermaßen einen unendlichen Wert hat, so daß alle (!) menschlichen Interessen dahinter zurücktreten müssen?

Auch sterben ja täglich Arten aus, oft bevor wir erfahren, daß es sie überhaupt gibt, und zwar auch durch menschliche Tätigkeiten. (Übrigens: Wer hat denn die Abwässergräben angelegt, in denen der Fisch lebt?)

Das erinnert mich an Sprachen, die aussterben und ebenfalls einen unendlichen Wert haben, weil sie eben wie das Genom eines Lebewesens einzigartig sind. Müßte man sie nicht mit ebensolcher Entschiedenheit zu erhalten versuchen? Andererseits: Wen interessiert oder bedrückt es, daß niemand mehr Tocharisch oder Etruskisch oder Blackfoot spricht? Was liegt an der Zierlichen Tellerschnecke? Sollten wir nicht die Schnecke und den Furzer aufgeben und lieber etwas gegen das Bienensterben tun, um uns selbst zu helfen? Ist es nicht dekadent, ein Gewerbegebiet aufzugeben wegen eines Furzers?


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