04.08.2013


Theodor Ickler

Blumen und Bienen

Zeichen in der Natur

Form, Farbe und Duft der Blüten sind Zeichen, weil sie sich unter dem Einfluß der bestäubenden Insekten (manchmal auch Kolibris) so entwickelt haben. Diese "empfängerseitige Semantisierung" ist das Merkmal wirklicher Zeichen. (Dazu mein Text "Wirkliche Zeichen".)

Ich habe mich oft gewundert, warum wir Menschen den Duft von Blüten ebenfalls meistens als angenehm empfinden, denn von uns haben die Pflanzen ja nichts, im Gegenteil, wir ernten sie oft vor der Frucht. Aber sogar Elefanten pflücken sich Blumensträuße, um daran zu riechen.

Die Lösung dieses evolutionären Rätsels dürfte darin liegen, daß wir eigentlich nicht an den Duft der Blüten, sondern an den der Früchte angepaßt sind. Wie andere Tiere wählen wir die Nahrung mit der Nase aus, und was gut und appetitlich riecht und schmeckt, ist auch meistens zum Essen geeignet. Die Pflanzen erzeugen für die Bienen auch einen Duft, und weil die Riechstoffe in Blüten und Früchten im großen und ganzen dieselben sind, spricht unsere angepaßte Geruchswahrnehmung eben auch auf Blüten an. Diese Anpassung ist aber einseitig, daher nicht zeichenhaft. Die Pflanzen erzeugen die wohlschmeckenden Früchte und Blätter nicht, damit (evolutionär: weil) wir sie essen. Viele Aromen in Blättern und Wurzeln gehen sogar auf Abwehrstoffe gegen Freßfeinde zurück, aber wir haben "gelernt", sie trotzdem zu essen, vor allem, wenn die Freßfeinde weit von uns entfernt sind (Raupen, aber keine Säugetiere).


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