15.05.2013


Theodor Ickler

Prädikativum

Vorläufige Zusammenfassung

Das Prädikativum ist eine Ergänzung, die mit dem Kopulaverb sein oder dessen inchoativer (werden) bzw. kausativer (machen zu) Variante sowie deren zahlreichen Synonymen und Troponymen angeschlossen wird. Man unterscheidet Subjekts- und Objektsprädikative: warm laufen (von Motoren) vs. kaputt machen.

Das Prädikativum dient der Einordnung in ein Begriffssystem oder der Zuordnung zu einem Bestandssystem.

Das Prädikativum kann grammatisch unterschiedliche Formen annehmen:

Die Tochter war herrschsüchtig, harten Sinns, von frecher Zunge, meinem Rate stets zuwider. (J. G. Herder: Sämtl. Werke 16, Berlin 1887:15)
An der Stelle des Prädikativums stehen eine Reihe von Wörtern, die man als defektive Adjektive auffassen kann. In der Literatur ist auch von Kopulapartikel (Engel) oder Adkopula (IDS) die Rede: allein, quitt, umsonst, unterwegs, zuwider u. a. Einige davon können nur mit sein oder bleiben verbunden werden. Die Gruppe der Adkopulae ist allerdings schlecht definiert und wird nicht allgemein anerkannt.

Mit Blatz kann man ein reines und ein unreines Prädikativ unterscheiden. Das unreine Prädikativ wird mit der Partikel als oder mit Präpositionen (für, zu) angeschlossen, das reine Prädikativ kommt ohne solche Hilfsmittel aus, ist aber heute auf wenige Konstruktionen beschränkt.

Eine Lockerung der Kündigungsregeln gilt als des Teufels. (SZ 26.2.07)

Das reine Objektsprädikativ geht in die Verbzusatzkonstruktion über:

sich satt essen, sich müde arbeiten, sich tot lachen; er hält ihn warm, er schreibt ihn krank.
(Getrennt- und Zusammenschreibung sind in der Schulorthographie unterschiedlich geregelt und waren aus Anlaß der Rechtschreibreform Gegenstand einer Diskussion.)

Das Prädikativ kann nach Flämig im Stellenplan des Verbs vorgesehen sein („valenznotwendig“):

Man findet den Lärm unerträglich. (Objektsprädikativ, valenznotwendig)
oder frei hinzugefügt werden („prädikative Attribute“, „depiktiv“ nach Rosengren und IDS):
Der Hund verschlingt das Futter roh.

Diese Unterscheidung führt jedoch dazu, daß bei überwertigem Gebrauch das ebenfalls nicht weglaßbare Prädikativum zur Verbvalenz gerechnet werden müßte:

Sie putzt die Scheiben blank. Sie weint das Kissen naß.

Aber blank bzw. naß gehören gewiß nicht zu den vorgesehenen Ergänzungen der Verben.

Bei den heute unflektierten „prädikativen Attributen“ (Paul) kann deren Orientierung zweifelhaft sein:

Die Freunde trugen den Mann betrunken fort.

Der gemeinte Bezug läßt sich durch Appositivsätze oder auch Konditionalsätze klären: betrunken wie sie waren/betrunken wie er war.

Es ergeben sich folgende Fälle:

Sie nennt ihn dumm. Der Arzt schreibt ihn krank. (reines Objektsprädikativ, notwendig)
Sie hält ihn für dumm. Sie erkennt ihn als Schuldigen. Man ernennt ihn zum Vorsitzenden. (unreines Objektsprädikativ, notwendig)
Sie putzt die Scheiben blank. (reines Objektsprädikativ = Resultativer VZ, fakultativ)
Sie ißt den Kuchen auf. (Resultativer VZ, fakultativ)
Sie ißt den Teller leer. (reines Objektsprädikativ = Resultativer VZ, Aktantentausch)
Sie weint das Kissen naß. (reines Objektsprädikativ = Resultativer VZ, überwertig)
Sie trinkt den Kaffee schwarz. („Depiktiv“, „prädikatives Attribut“, objektbezogen)
Sie trinkt den Kaffee nüchtern. („prädikatives Attribut“, subjektbezogen)

Es ist zu beachten, daß die traditionelle Darstellung des überwertigen Gebrauchs als „Valenzerhöhung“ nicht zutrifft. Zuerst wird ein neuer Verbkomplex erzeugt (leer essen), der dann seinerseits eine Leerstelle für ein Objekt eröffnet, die das Verb allein nicht hat.


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