22.02.2013


Theodor Ickler

Witze

Aufschlußreich auch für Sprachwissenschaftler

Manche Witze funktionieren wie die Auflösung eines Rätsels. Die plötzlich eintretende Lösung bewirkt eine lustvolle Erleichterung, und wir lachen (oder schmunzeln wenigstens).
Kleine Kinder lachen erleichtert, wenn man so tut, als wolle man sie fressen, und dann erkennen, daß es nicht ernst gemeint war.

Ein Kaberettist schreibt in der WELT:

Neulich erst saß ich nach einer TV-Aufzeichnung mit einem Kollegen zusammen und habe ihn gefragt: "Was würdest du eigentlich tun, wenn du im Jahr eine Million zur Verfügung hättest?" Und er antwortete mir: "Ich müsste mich sehr einschränken …"

Das ist eine alte Anekdote, die über Hermann Josef Abs erzählt wurde. Die Pointentechnik ist dieselbe wie in vielen Einfällen Oscar Wildes.

Man könnte die Konversationsmaximen von Grice heranziehen (hier "Quantität"), aber davon halte ich nichts.

Man geht an der Frage nach dem Einkommen entlang mit der Erwartung "so viel?" und sieht dann blitzartig ein, daß sie im Sinne von "so wenig?" verstanden wurde und werden konnte.

Linguistisch interessant: Wenn mich jemand fragt, wie viele Kinder ich habe, könnte ich "zwei" antworten. Das wäre logisch korrekt, denn da ich drei habe, habe ich auch zwei. Pragmatisch wäre es falsch. In den meisten Fällen wird erwartet, die höchste zutreffende Zahl anzugeben. Das liegt aber nicht an einer mysteriösen Maxime, sondern daran, daß im normalen Leben gerade die Höchstzahl, also die vollständige Offenlegung der Familiengröße, relevant ist. Es gibt aber Ausnahmen. Wenn zum Beispiel eine Vergünstigung (freier Eintritt ab zwei Kindern) gewährt wird, könnte ich auf die Frage "Haben Sie denn zwei Kinder?" wahrheitsgemäß und unanstößig mit "ja" antworten. Man kann sich also der Zahl von unten oder von oben nähern, wie es der Kabarettist berichtet.


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