03.07.2012


Theodor Ickler

Kindesmißhandlung

Frühkindliche Unbildung

Die Diskussion um angebliche Traumatisierung durch Beschneidung ruft Erinnerungen an Formen der Kinderquälerei wach, die man selten oder nie zur Sprache bringt.
Unsere Töchter konnten selbstverständlich lesen und schreiben, bevor sie in die Schule kamen, denn das entspricht dem eigenen Wunsch der Kinder und auch ihren natürlichen Fähigkeiten, zumal wenn sie die Eltern ständig lesen sehen – und offenbar mit großem Vergnügen. Auch das Vorlesen holt ja unglaubliche Schätze aus dem Gedruckten heraus.
Ich habe noch Blätter mit gemalten Buchstaben von meiner damals dreijährigen Tochter und sehe sie vor mir, wie sie bäuchlings auf dem Dach unseres Bungalows in Neu-Delhi lag und "schrieb", während sie sich mindestens viersprachig mit dem alten Schneider unterhielt, der im Schatten daneben saß und mit seiner handgetriebenen alten Singer für uns nähte. (Beide verstanden wohl kein Wort vom anderen, was aber ihre Freundschaft nicht beeinträchtigte.)
Im Krabbelalter durften unsere Kinder die ihnen erreichbaren unteren Buchreihen aus den Regalen ziehen und die Bände auch ein wenig unsanft behandeln, wir hatten ja eine entsprechende Auswahl dort untergebracht. Ich glaube, daß wir das richtig gemacht haben.
In Deutschland besuchten die Kinder den Kindergarten. Dort wurde großer Wert darauf gelegt, daß die Kinder NICHT lesen und schreiben lernten, in Absprache mit der Grundschule, wo man es ihnen erst auf die "richtige" Art beizubringen gedachte.
Unsere Töchter erinnern sich an die "frühkindliche Bildung" so: Die Erzieherinnen saßen eigentlich immer beim Kaffee und unterhielten sich. Ab und zu sprang eine auf, um den kleinen Freund unserer Tochter aus der Puppenecke zu scheuchen, in die er sich unerwünschterweise verzogen hatte, um mit unserer Tochter zu spielen, statt brav in der Bau-Ecke zu bleiben, wo die Jungen hingehörten. Diese Gewalttat hat unsere Tochter bis heute weder vergessen noch verziehen.


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