04.06.2005


Theodor Ickler

Aus dem „Narrenhaus“

Wie lange brauchte Herkules, um den Augiasstall auszumisten?
Ich weiß es nicht mehr, aber es ist kein Wunder, daß wir in genau 3 Stunden nicht über den Paragraphen 34 hinausgekommen, sind, denselben, der auch schon die vorige Ratssitzung in Anspruch nahm. Bis auf noch zu leistende redaktionelle Überarbeitung (für die allerdings keinerlei Mittel bereitstehen) ist nun alles wieder so wie vor der Reform. Lästig ist die Auflage, die äußere Hülle der verkorksten Neuregelung beizubehalten, während wir den Inhalt völlig austauschen. Peter Eisenberg hat es nicht schlecht gemacht.
Ich hatte vorab angekündigt, daß ich trotz mancher Einwände (die ich per Rundschreiben schon allen zur Kenntnis gebracht hatte - natürlich außer Sitta, der keine Post von mir lesen will) dem Gesamtpaket GZS zustimmen würde (auch § 36), weil die Beschlußfassung die zwei wichtigsten Forderungen erfüllt: Es werden keine grammatisch falschen Schreibweisen zur Pflicht gemacht, und es werden keine richtigen und üblichen Schreibweisen zu "Fehlern" erklärt.
Insgesamt ist die Vorlage noch nicht ausgereift, sie hat was von Bastelei, muß auch noch entschlackt werden. Aber das wird sich finden. (Meine eigene Fassung in "Normale deutsche Rechtschreibung" gefällt mir immer noch besser, und an die Schüler ist dort auch schon gedacht. Sogar die alte Dudenfassung war besser. Aber leider ist es nicht möglich, solche ausgereifteren Texte zur Grundlage der Diskussion zu machen.)
Die ersten 75 Minuten gingen mit hitzigen Debatten über alles mögliche drauf, vor allem auch mit offenen und versteckten Angriffen auf mich. Ein Verlagsvertreter warf mir vor, daß ich ausgerechnet an diesem Tag einen Aufsatz über die GKS in der FAZ veröffentlicht habe. Genauer konnte er nicht sagen, worin das Skandalöse eigentlich bestehen sollte. Ich hielt ihm mit angemessener Schärfe meinen Anspruch entgegen, jederzeit an einem mir genehmen Ort Beiträge zu orthographischen und anderen Themen zu veröffentlichen. Die GKS stand und steht ja nicht einmal auf der Tagesordnung des Rates. Aber was diesen Herren und andere Blockierer zur Weißglut bringt, ist gerade die Sachlichkeit und Richtigkeit meiner Darstellung. Ich habe eben einen dringenden Korrekturbedarf aufgezeigt, und wenn die Leute das lesen, dann klappt es mit der lukrativen Durchsetzung der Reform nicht mehr so gut, aber das durfte der Herr natürlich nicht so klar sagen.
Ein Lehrerverbandsfunktionär klopfte auf die vor ihm liegende Seite Zwei der "Süddeutschen Zeitung" und fand das alles ganz unerträglich: alles voll Ickler. Tja, so ist das eben. Wenn er nicht bei jeder Gelegenheit dieselben hohlen Phrasen drösche (eigentlich dräsche, aber so klingt es schöner), dann würde man ihm auch mal eine Seite zur Verfügung stellen wie Herrn Markner oder Herrn Munske oder dem Ickler.
Wirklich skandalöse Zeitungsartikel wie das Interview mit Hoberg gehen unbeanstandet durch.
Die mit vielen Leuten und Kameras angereisten Medien haben auch manchen nicht gefallen. Herr Zehetmair meinte jedoch, daß dieses Interesse verständlich sei und er die Leute nicht einfach wegschicken könne. Das von den Geschäftemachern gewünschte Ende der Rechtschreibdiskussion läßt sich eben nicht verordnen. Tatsächlich waren die Journalisten schon vor der Sitzung reichlich erschienen, manche harrten die ganze Zeit aus, und hinterher war's erst recht voll.
Es wurde auch vorgeschlagen, auf die Pressekonferenzen nach jeder Sitzung zu verzichten. Auch diese Zumutung schlug der Vorsitzende überzeugend zurück.
Der Vorsitzende betonte wieder und wieder die Unabhängigkeit des Rates von Weisungen der KMK. Wir haben verstanden.


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