19.04.2009


Theodor Ickler

„Prozess läuft ...“

Die KMK über sich selbst

Bei der KMK kann man sich ein Stück ihrer eigenen Geschichte herunterladen:

„Zur Geschichte der Kultusministerkonferenz 1948–1998“
Auszug aus: Einheit in der Vielfalt. 50 Jahre Kultusministerkonferenz 1948–1998. Herausgegeben vom Sekretariat der Kultusministerkonferenz. Neuwied u.a.: Luchterhand 1998 (S. 177–227)
(In Reformschreibung, auch Dokumente und Zitate sind umgestellt. Aber viele „Fehler“: im einzelnen, im übrigen [nur so], Ausschuß, 50jährig u.a.)

Darin heißt es: „Schließlich wurde 1984/85 auch die Frage der Rechtschreibreform wieder aufgegriffen Auf einen Antrag von Rheinland-Pfalz, dem sich Nordrhein-Westfalen anschloss, kam die Kultusministerkonferenz überein, in solchen Bereichen, in denen ein im deutschen Sprachraum abgestimmter Konsens möglich schien, eine Neuregelung der Rechtschreibung anzustreben, und beauftragte 1987 gemeinsam mit dem Bundesminister des Innern das Institut für deutsche Sprache (Mannheim), entsprechende Vorschläge zu erarbeiten. Die Neuregelung sollte eine begrenzte Bereinigung nach rund 100 Jahren sein, mit dem Ziel leichterer Erlernbarkeit und Handhabbarkeit in den Schulen.“

„Ein Thema besonderer Art brachte die Kultusministerkonferenz schließlich in den letzten Jahren in die Schlagzeilen: die Rechtschreibreform oder in der Terminologie der Konferenz: die (begrenzte) Neuregelung der deutschen Rechtschreibung. Die 1984/85 aufgenommenen Beratungen über eine Neuregelung der deutschen Rechtschreibung waren nach zwei Vorschlägen durch das Institut für deutsche Sprache (der erste Vorschlag 1988 wurde wegen zu weitgehender Eingriffe in das Regelwerk und das Schriftbild nicht weiter verfolgt) in den 90er Jahren in Abstimmung mit den internationalen Fachgesprächen in den Gremien der KMK fortgesetzt und 1995 zum Abschluss gebracht worden. Dabei führte die Konferenz eine zunächst schriftliche und dann auch mündliche Anhörung der einschlägigen Verbände und Institutionen durch. Auf der 274. Plenarsitzung am 30.11./1.12.1995 stimmte die Kultusministerkonferenz den auf der 3. Wiener (Rechtschreib-)Konferenz im November 1994 auf fachlicher Ebene zwischen den deutschsprachigen Ländern abgestimmten Vorschlägen für eine Neuregelung der Rechtschreibung unter geringfügigen Modifizierungen zu. Auf dieser Grundlage wurde dann am 1. Juli 1996 von Vertretern der deutschsprachigen Staaten und Gemeinschaften (darunter für Deutschland von einem Vertreter des Bundesminister des Innern und vom Präsidenten der KMK) eine Gemeinsame Absichtserklärung zur Einführung der Reform zum 1.8.1998 mit einer Übergangszeit bis 2005 unterzeichnet. Nachdem es zunächst ungeachtet einer Reihe von Gegenstimmen insgesamt nach einer allgemeinen Akzeptanz aussah, ist die Neuregelung danach in eine breite und heftige Kritik geraten. Sie wird in einer Reihe von Ländern von Volksinitiativen angegriffen und ist Gegenstand von Gerichtsverfahren. Dabei wird den Kultusministern auch die Kompetenz zur Regelung bestritten und nach Tätigwerden des Gesetzgebers gerufen. Dieser Prozess läuft ...“

„An der Schwelle zum 50jährigen KMK-Jubiläum steht wiederum eine Föderalismusdiskussion. Es ist dies die vierte größere Föderalismusdebatte in der KMK-Geschichte, nach der Rollenfindung der KMK im föderativen System bei ihrer Gründung, der Grundsatzdiskussion bei der Einführung der Gemeinschaftsaufgaben im Jahre 1969 und dem sogen. Mängelbericht des Jahres 1978. Ausgelöst wurde diese neue Diskussion – soweit sie die KMK betrifft – insbesondere durch die leidenschaftliche Auseinandersetzung um die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung, aber auch durch die Debatte um Deregulierung im Bildungssystem. Die Diskussion läuft und wird zu einem späteren Zeitpunkt zu bilanzieren sein.“


An ihrem erklärten Ziel gemessen, ist die Rechtschreibreform gescheitert. Darüber hinaus hat sie die KMK auch nach eigener Einschätzung in eine Existenzkrise geführt. Das ist bei einem so randständigen Thema bemerkenswert. Natürlich ist die KMK nicht abgeschafft worden, dazu braucht man sie, wie andere verfassungsfremde Gremien, zu dringend (auch um die Verantwortung für bildungspolitische Maßnahmen abzuwälzen, so daß die Frage, wer an Fehlentscheidungen schuld ist, auf jeden Fall ins Leere läuft – wir haben es erlebt).


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