31.03.2009


Theodor Ickler

Alles klar?

Bemerkungen über logizistischen Nebel

In einer Einführung in die germanistische Linguistik, die ich schon mal zitiert habe, heißt es:

"Die Bedeutung von Elke lacht ist die Menge aller Situationen s, für die gilt, dass Elke in s lacht." (200)
Was bedeutet für die gilt? – Solche Bestandteile nimmt man einfach hin. Oder man tut so, als sei die Sache in der Logik klar, und man könne sich seitens der Linguistik darauf berufen. Übrigens kommt Elke lacht in der Definition ein zweites Mal vor, muß also schon verstanden sein. Daß Elke in s lacht, ist ja nicht leichter zu verstehen, als daß Elke lacht. Das Ganze soll wohl an Tarski erinnern. Daher auch das folgende.

„Ein Satz wie Alle Kinder schlafen ist genau dann wahr, wenn die Menge der Kinder eine Teilmenge der Menge der schlafenden Individuen ist, und der Satz Ein Kind schläft ist genau dann wahr, wenn die Schnittmenge dieser beiden Mengen nicht leer ist.“ (204)

Das Gelten bzw. Wahrsein von Sätzen wird als undefinierbare Urgegebenheit hingenommen. Das Ganze kann rein formal verstanden werden, ohne Bezug auf das konkrete Sprachverhalten von Mensch in der Welt. Die Darstellung sieht dann sehr mathematisch aus, aber ist das in der Sache gerechtfertigt?
Für die Sprecher und Hörer spielt die Menge der schlafenden Individuen sicher keine Rolle. Was bedeutet dieser Ausdruck überhaupt? Der Sprecher oder Hörer bildet auch keine Schnittmengen mit der Menge der Kinder.

Auch die Logik ist zunächst einmal ein Sprachverhalten; sie erklärt dieses nicht, sondern ist ihrerseits linguistisch aufzuklären, vgl.: "Der gesamte linguistische Hintergrund der logischen und mathematischen Darstellung wird im allgemeinen von den Philosophen und Logikern ignoriert." (Leonard Bloomfield gegen Rudolf Carnap)

Der Logizismus durchzieht die heutige Sprachwissenschaft fast so sehr wie der Psychologismus (heute: "Kognitive Linguistik" - es ist aber der alte Psychologismus!), macht die Schriften unlesbar und bringt zwar Prestige, aber keine Einsicht.


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