16.12.2008


Theodor Ickler

Verfehlt

Weitere Beobachtungen zur Textverhunzung

Als die Süddeutsche Zeitung ihre Reihe preiswerter Romane begann, war – mancher wird sich erinnern – die orthographische Verhunzung der Texte im Sinne der seither schon wieder zweimal überholten Reform zu beklagen. Zu den ersten Opfern gehörte Thomas Bernhard.
Auf unsere Proteste hin wurde der Unfug wenigstens bei deutschsprachigen Autoren eingestellt. Bei den Übersetzungen waren wir weniger erfolgreich. Es ist natürlich gar nicht zu verstehen, warum die Feuilletonredaktion der SZ sich auf so etwas eingelassen hat. Ich habe gerade noch einmal Bernhards "Untergeher" von 2003 zur Hand genommen. Der Band ist offenbar eingescannt und dann von einer Hilfskraft bearbeitet – mit typischen Setzfehlern (er war ja schon selbst mordreif, Zweckmissbraucht, Arnerikaner, Urnwelt, Komma statt Bindestrich usw.)
Darin weiter: Atlanti-kluft, beo-bachten, Manus-kript, Newyor-knähe, Wi-en, so genannt (und vieles andere), ein ungenießbarer und ja auch im philologischen Sinne vollkommen unzuverlässiger Text. Der verstorbene "Übertreibungskünstler" (B. über B.) hätte hier Gelegenheit gehabt, eine Schimpfkanonade von unerhörtem Ausmaß abzufeuern.

In der SZ las ich: hat erst Recht niemand Interesse (SZ 9.12.08) Kluft zwischen arm und reich (SZ 15.12.08)

Die Elternzeitschrift des bayerischen Kultusministeriums kommt weiterhin mit der Reformschreibung nicht zurecht: lei-sten, Lei-stung, exi-stieren, Kan-äle, Ba-yerisches Fernsehen, all' diese Fragen, Freitag Nachmittag. hi-naus und ähnliche Trennungen sehen so unschön aus wie aufwändig. Anderseits heißt es durchweg wieder selbständig, auch die feministische Korrektheit (Schülerinnen und Schüler) ist nur teilweise eingehalten. (Heft 3/2008)


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