28.11.2008 Theodor Ickler Junge Schweizer SchreibendeSonderweg mit Lindauer und SchmellentinLindauer, Thomas/Claudia Schmellentin: Die wichtigen Rechtschreibregeln. Handbuch für den Unterricht. 2. Aufl. Zürich 2008.Feministisch korrekt, dadurch sehr schwerfällig: Schüler und Schülerinnen, Anregungen von Studierenden und Kursteilnehmenden, Schreibende, Lehrperson... (bis auf eine einzige Ausnahme lückenlos durchgehalten, gelegentlich sogar RechtschreiberInnen, obwohl dies nicht der amtlichen Regelung entspricht). Einmal wird ein generisches Femininum versucht: Grammatikerin (111). Auch das Schreiben lernen von Buchstabenkombinationen wird geboten. (36) Die Verfasser haben bei Horst Sitta als Assistierende gearbeitet. Dazu Grammatikfehler: Die Schreibung eines Wortes kann man abhorchen bzw. folgt der Sprechweise. (12) Der Rechtschreibreformer August (66) heißt in Wirklichkeit Augst. Sogenannte und so genannte wechseln ab. Die Verfasser schreiben erwartungsgemäß Recht haben, wie sie denn überhaupt möglichst viel von der ursprünglichen Reform retten wollen. Die Verfasser legen wie die anderen Reformer (besonders Nerius) die sonderbare Auffassung zugrunde, daß der Schreibende am liebsten so schreiben würde, „wie ihm der Schnabel gewachsen ist“ (51), und daher seine Interessen denen des Lesers entgegengesetzt sind. Aber man schreibt doch für Leser und nicht um des Aufzeichnens willen? Da die Verfasser ständig von „Lauten“ sprechen, die mit den Buchstaben wiederzugeben seien, übergehen sie die keineswegs triviale Abstraktion vom Laut zum Phonem, die ja von den Schülern zunächst zu leisten ist. Man könnte meinen, das Deutsche werde in einer phonetischen Schrift geschrieben; das ist keine zulässige Vereinfachung. Die Verfasser stellen das Schreiben ausdrücklich als regelgeleitet dar. Das Lesen als wichtigste Grundlage von Rechtschreibkenntnissen wird mit keinem Wort erwähnt, dafür aber eine große Zahl mehr oder weniger kniffliger Regeln, auf die sich die Schüler ständig besinnen müßten und mit derer Einführung und Festigung der Deutschunterricht über weite Strecken beschäftigt wäre. Schon das Absuchen des Wortschatzes nach stammverwandten Wörtern, um die Umlautschreibung zu beherrschen, wäre ein mächtiges Stück Arbeit. Wieso können knu-sprig, schlü-pfrig einer silbischen Trennung näher sein? (91) Wieso ist Entde-ckung silbisch getrennt? (92) „Schreibe das Wort, das direkt links neben dem Genitiv 'des' steht, gross.“ Warum ist in dieser Regelformulierung nur die Form des erwähnt? Im ersten Teil von irregehen und leidtun entdecken die Verfasser (wie die anderen Reformer) Substantive. Die offiziellen EDK-Empfehlungen (von denselben Verfassern) weichen teilweise von den amtlichen Regeln ab, wie sie der Rat für deutsche Rechtschreibung und damit auch die Schweizer Reformer (auch die Verfasser des vorliegenden Buches sind Ratsmitglieder) mitbeschlossen haben, teilweise enthalten sie den Schweizer Schülern die vielgerühmten Spielräume der revidierten Neuregelung vor. So sollen Verbindungen von Verben mit Verben nur getrennt geschrieben werden (120); der Rechtschreibrat hat hier vergeblich gearbeitet: „In gewissen Fällen ist zwar auch Zusammenschreibung möglich, für die Schweizer Schulen gilt jedoch generell die Getrenntschreibung.“ (161) Nach S. 122 kann man in der Schweizer Schule auch Herz erweichend, Schnee bedeckt schreiben, gemäß der EDK-Richtlinie (dort B 6), die von denselben Verfassern stammt: „Es handelt sich um einen Bereich, der nicht volksschulrelevant ist – die Schreibung ist daher für die Schule freigegeben: Entsprechend sollen hierzu keine Regeln vermittelt werden. In oberen Klassen des Gymnasiums kann dieser Bereich Gegenstand der Reflexion sein (etwa in Verbindung mit der Probe der Steigerbarkeit und Erweiterbarkeit).“ Die Verfasser halten – wie in ihren EDK-Richtlinien – an der Regel von 1996 (nun als „Faustregel“ bezeichnet) fest, daß Adjektive auf -isch und -lich vom nachfolgenden Wort getrennt geschrieben werden; Beispiele sind wie damals: kritisch denken, spöttisch reden, freundlich grüssen. (164) Die amtliche Regelung weiß davon nichts mehr. Erstglieder auf -einander und -wärts werden nach der revidierten Neuregelung mit Verben zusammengeschrieben; nach dem vorliegenden Buch jedoch sind sie getrennt zu schreiben (164). Man soll schreiben können das 10fache oder das 10-fache; das amtliche Regelwerk sieht bei Bindestrich Großschreibung vor: das 10-Fache. Warum außerdem die Neuregelung der Bindestrichschreibung bei Ziffern konsequenter sein soll als früher, entzieht sich gerade hier dem Verständnis. Das Komma soll, wo immer zulässig, von Schweizer Schülern weggelassen werden, das ist die Grundregel. Das enklitische verkürzte Pronomen es soll ohne Apostroph angehängt werden können: Trinks aus; wenns zu kalt ist (163). Das hat im amtlichen Regelwerk keine Entsprechung. Auf S. 186 steht versehentlich zweimal dieselbe Regel. Die volksetymologischen Schreibweisen der Neuregelung sind vollkommen ausgespart, was ebenfalls zur Schönung des mißlungenen Reformwerkes beiträgt.
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