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Blüthen der Thorheit

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14.03.2005
 

Toter Briefkasten

»Im Dezember 2004 hat der Rat für deutsche Rechtschreibung seine Arbeit
aufgenommen.

Er tritt an die Stelle der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung. Aus diesem Grunde werden die hier angebotenen Seiten nicht mehr aktualisiert. Demnächst finden Sie an dieser Stelle einen Link auf die im Aufbau befindliche Website des Rats für deutsche Rechtschreibung.«

(Gefunden heute auf der Homepage der Rechtschreibkommission)

Theodor Ickler




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Kommentare zu »Toter Briefkasten«
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Kommentar von Helmut Jochems, verfaßt am 16.03.2005 um 22.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=43#31

Die Situation nach der Ablösung der Zwischenstaatlichen Kommission und der Einsetzung eines Rats für deutsche Rechtschreibung erinnert an Januar 1998, als die Reformer "unumgänglich notwendige" Korrekturen an ihrem Regelwerk vornehmen wollten. Zwei Meldungen von damals:

9. Januar 1998 (dpa) Bonn (dpa) - Die Konferenz der Kultusminister der deutschen Bundesländer (KMK) hat die neuen Vorschläge der Rechtschreib- Kommission begrüßt. Die neue Präsidentin der Konferenz, Wissenschaftsministerin Anke Brunn aus Nordrhein-Westfalen sagte, der Bericht der Kommission werde wie verabredet auf der nächsten Kultusministerkonferenz Ende Februar in Bonn behandelt. Sie wolle zu einer Versachlichung der Diskussion beitragen und den Prozeß durch vorschnelle Äußerungen belasten. Die neuen Vorschläge der Kommission sehen vor, für eine Übergangszeit einen Teil der alten Rechtschreibregeln wieder für zulässig zu erklären, um zu sehen, welche Schreibweise sich durchsetzt.

Die zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung hat für den 23. Januar 30 Institionen nach Mannheim (Rheinland-Pfalz) eingeladen, um über die vorgeschlagenen Änderungen zu beraten.

Nach Ansicht des Germanistik-Professors Theodor Ickler aus Erlangen (Bayern) werden zehn Millionen neuer Wörterbücher, die bereits verkauft seien, "größtenteils Altpapier", falls die Vorschläge umgesetzt werden. Lexika, die nicht alle richtigen Schreibweisen enthielten, seien für Korrekturleser, zum Beispiel für Lehrer unbrauchbar, meinte Ickler in einer der dpa übermittelten Analyse des Kommissions-Bericht.

24.01.98 Mannheim (dpa) – Im Streit um die Rechtschreibreform ist auch nach der Experten-Anhörung über die jüngsten Änderungsvorschläge keine Einigung in Sicht. Gegner und Befürworter der Reform beharrten am Freitag in Mannheim auch nach der Vorstellung der von der Zwischenstaatlichen Rechtschreib-Kommission ausgearbeiteten Kompromisse auf ihren Positionen. Das Gremium schlägt vor, daß in besonders umstrittenen Fällen neue und alte Schreibweisen nebeneinander gelten sollen. Bei der nichtöffentlichen Anhörung von rund 30 Verbänden aus dem deutschsprachigen Raum gab es nach Darstellung der Kommission mehr Zustimmung als Ablehnung. Ihr Geschäftsführer Klaus Heller sagte, die Anhörung sei sachlich verlaufen. Die Kommission hoffe nun trotz allem auf gemeinsame Positionen zur Rechtschreibreform. Sie will ihre Vorschläge nochmals überdenken und eine überarbeitete Fassung den Kultusministern zur Entscheidung vorlegen.

Der Sprecher der Initiative „Wir gegen die Rechtschreibreform", Professor Theodor Ickler, forderte erneut den sofortigen Stop der zum 1. August 1998 geplanten Reform. Sie sei durch die Vorschläge der Kommission gegenstandslos geworden. Die Änderungen zeugten von Kopflosigkeit angesichts der Kritik an der Reform, die damit halb zurückgenommen werde. Dies werde auf ein völliges Zurückweichen hinauslaufen.

Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung plädiert in ihrer vorab veröffentlichten Stellungnahme ebenfalls, dafür, die Reform auszusetzen. Die Vorschläge der Kommission gefährdeten die Einheitlichkeit der Rechtschreibung. Auch der Leiter der Duden-Redaktion, Matthias Wermke, äußerte angesichts der drohenden Regelvielfalt die Sorge um eine einheitliche Orthographie. Die von der Kommission empfohlenen Schreibvarianten sollten nicht voll verwirklicht werden.

Der Verband der Schulbuchverlage erklärte sich dagegen bereit, die Änderungen mitzutragen. Dann aber müsse Schluß sein und den Verlagen eine berechenbare Basis geboten werden. Mehrere Verbände plädierten dafür, mit der Umsetzung der Kommissionsvorschläge bis zum Ende des festgesetzen Beobachtungszeitraums für die Reform im Jahr 2005 zu warten. Der Verband Deutscher Schriftsteller (VS) nannte die Rechtschreibreform „zunehmend widersprüchlich". Eine Zulassung von Variantenschreibungen sei aber zu begrüßen, sagte Wolfgang Bittner vom VS-Vorstand. Viele Autoren wünschten sich eine weitergehende Reform, vor allem eine gemäßigte Kleinschreibung.

Der Börsenverein für den Deutschen Buchhandel nannte die Sorge vor einer Gefährdung der einheitlichen Rechtschreibung abwegig. Mit den Vorschlägen werde die 1996 von den deutschsprachigen Ländern verabschiedete Rechtschreibreform nicht aufgeweicht. Auch die Gesellschaft für deutsche Sprache begrüßte die Vorschläge.

Der Philologenverband und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft begrüßten die Vorschläge. Der Philologenverband sah darin das Bemühen um eine höhere Akzeptanz der Rechtschreibreform. Mehr Verunsicherung von Schülern und Korrekturarbeit der Lehrer sei damit nicht verbunden. Schon jetzt müßten in fast allen Ländern Lehrer die alte und neue Schreibweise in der Übergangszeit als richtig anerkennen. Die GEW begrüßte die größeren Freiheiten für die Schule als hilfreich. Sie erleichtere das Erlernen der Rechtschreibung.

 

Kommentar von Helmut Jochems, verfaßt am 17.03.2005 um 15.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=43#32

Noch ein nostalgischer Rückblick:

Berliner Zeitung, 20.04.1998
Robin Detje

Schlagt die Reform, wo ihr sie trefft

Neben den die Krönung des SPD-Kanzlerkandidaten zu Leipzig begleitenden Liedern ("Ready to go") ist das Dauergrummeln gegen die Rechtschreibreform eine der lustigsten Musiken im Lande. Sie wird beständig weitergesungen von Dichtern zwischen 60 und 80, Schullehrern im Klagewahn und Eltern, die finden, ihre Kinder sollten es in der Schule nicht leichter haben als sie selber. Es ist schon komisch: Seit Jahrzehnten schwitzen wir ergeben unter dem Joch des Duden, im Westen zumindest, jetzt aber heißt es, die Erlaubnis, s und t im Wort zu trennen und "passé" auch "passee" zu schreiben, sei ein obrigkeitsstaatlicher Akt, gegen den es so anarchistische Widerstandsformen wie die Verfassungsbeschwerde und die Bürgerinitiative mit Kassenwart einzusetzen gelte. Die Lage ist ja auch wirklich dramatisch: Bald werden unsere Kinder weniger Kommata setzen als wir. Seit Monaten schon droht Günter Grass den deutschen Schulbüchern mit Günter-Grass-Entzug, Günter-Grass-Cold-Turkey sozusagen. Gemeinsam mit Hans-Magnus Enzensberger halten fünfzig scharfe "S" Mahnwache vor dem Bundeskanzleramt. Foltern die Kultusminister unsere Sprache? Warum schläft die Rote Hilfe? Der Deutsche hat ein Menschenrecht darauf, daß alle Regeln bleiben, wie sie immer waren, und wird es verletzt, geht er sich in Genf beschweren, falls er s findet. Sprache soll nicht leben und sich ändern, sondern Heimat sein mit Mauern aus Beton. Und an Mauern darf man erfahrungsgemäß nicht kratzen, von der mauerlosen Freiheit kriegt man sowieso nur einen Kater. War's nicht so, jüngst? Die reine neurotische Energie hinter diesem Protest gegen die Veränderung ist wirklich beeindruckend. Wobei das Hauptproblem zu sein scheint, daß es sich bei der Rechtschreibreform um die Reste eines anti-elitären 68er-Reformprojekts handelt, das nun nach Jahren der Ausdünnung über die Ziellinie zu kriechen droht und das man vorher noch ein bißchen verprügeln möchte - die letzte Chance, ein 68er-Projekt zu verprügeln, die sexuelle Revolution ist ja durch, zur Freude der Nachtprogrammdirektoren von Sat 1.Der Geist aber hat zum Ausgleich beschlossen, wieder in Auerbachs Keller zu wohnen, und jeder, der dort lüften will, beweist seltsamerweise die "Arroganz der Macht" (Reiner Kunze). Wie will das Land überhaupt einen neuen Bundeskanzler aushalten? Will es sich Helmut Kohl nicht sicherheitshalber doch in Kunstharz eingießen? Obwohl böse Zungen ja behaupten, damit sei das Projekt der Nominierung Gerhard Schröders perfekt beschrieben.

 

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