zurück zur Startseite Schrift & Rede, Forschungsgruppe dt. Sprache    FDS - In eigener Sache
Diskussionsforum Archiv Bücher & Aufsätze Verschiedenes Impressum      

Blüthen der Thorheit

Die neuesten Kommentare


Zur vorherigen / nächsten Thorheit

Zu den Kommentaren zu dieser Thorheit | einen Kommentar dazu schreiben

05.10.2011
 

Das tut in den Augen weh:
Nichts als Ärger mit dem ß!

Seit der Rechtschreibreform gilt eine einfache Regel: Wir schreiben Fuß, aber Fass. Bei Fuß wird der Vokal lang ausgesprochen, daher ß. Bei Fass kurz, daher ss.

Ich könnte nun mehrere Seiten über die Geschichte des scharfen S schreiben, aber das führt zu nichts. Ein Faktum ist, dass viele mit der s-Schreibung ihre liebe Not haben. Dabei wollten es die Reformer ja nicht nur den Schülern, sondern uns allen leichter machen.

Der Leipziger Lernpsychologe Harald Marx hat die Rechtschreibleistungen von Grundschulkindern vor und nach der Reform verglichen - Grundschule, das entspricht unserer Volksschule. Harald Marx konstatiert, dass die Fehler im Bereich s-Laut-Schreibung seit der Reform deutlich zugenommen haben. Dies könne aber auch daran liegen, dass die Schüler außerhalb der Schule oft in Kontakt mit der inzwischen überholten Rechtschreibung kommen.

Es ist in der Tat ein Ärgernis. Zwar wird man von den Verantwortlichen der Gemeinde Wien nicht verlangen, dass sie von heute auf morgen um viel Geld all jene Straßenschilder erneuern, auf denen ein altes ß steht und wo ein neues ss hingehört. So lese ich zwangsläufig Tag für Tag auf dem Nachhauseweg "Schönbrunner Schloßstraße", obwohl doch schon längst aus dem Schloß ein Schloss geworden ist. Nur die Straße ist weiterhin eine Straße.

Von dieser Straße ist es nicht weit zum Schloss Schönbrunn. Hier verhalten sich die republikanischen Nachlassverwalter der Habsburgerpracht wie trotzige kleine Kinder. Sie beharren auf der nicht mehr gültigen Schreibung "Schloß Schönbrunn" - nicht nur auf Tafeln, bei jeder Namensnennung: auf Foldern, im Internet, überall. Sozusagen als Markenzeichen für ihr Schloss.

Mir tut inzwischen die Schreibung Schloß in den Augen weh. Das ß legt ja nahe, dass es sich um ein langes, ein gedehntes o handelt. Wer spricht das Wort so aus? Nur in einigen Mundarten geht das . ..

Auf der Website von Schloss Schönbrunn kann man unter der Überschrift "Historisches zum Schloß Schönbrunn" lesen: "Die imperiale Schlossanlage Schönbrunn mit ihren Nebengebäuden und dem weitläufigen Park zählt aufgrund ihrer langen und recht bewegten Geschichte zu den bedeutendsten Kulturdenkmälern Österreichs." Und in einer Presseaussendung von "Schloß Schönbrunn" erfahren wir, was im "Schönbrunner Schlosstheater" gespielt wird.

Das muss man zweimal lesen: "Schloß Schönbrunn hat eine imperiale Schlossanlage." Und: "In Schloß Schönbrunn gibt es das Schönbrunner Schlosstheater." Einmal so, einmal so - wie ein schlechter Schüler, der in Deutsch einen Fünfer schreibt.

Andere Schlösser innerhalb des deutschen Sprachraums haben ihre Schreibung längst von Schloß auf Schloss umgestellt - wie eine Internetrecherche zeigt. Nur die Herren von Schönbrunn beharren ganz bewusst auf der alten Schreibung. Ob deswegen nur ein einziger zusätzlicher Besucher sein Eintrittsgeld ablegt?

Meine inständige Bitte: Hört auf mit diesem Unfug!


Quelle: Wiener Zeitung
Link: http://www.wienerzeitung.at/meinungen/glossen/401784_Nichts-als-Aerger-mit-dem-ss.html

Diesen Beitrag drucken.


Kommentare zu »Nichts als Ärger mit dem ß!«
Kommentar schreiben | neueste Kommentare zuoberst anzeigen | nach oben

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.10.2011 um 16.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=179#834

Der Verfasser dieses Beitrags sollte nicht ungenannt bleiben: Robert Sedlaczek. Er ist vor Jahren dadurch aufgefallen, daß er zur Rechtschreibreform die ungeheuer mutige Parole ausgab: "Augen zu und durch!"

Übrigens: Was liest eigentlich ein Mann, dem Schloß in den Augen wehtut?

 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 05.10.2011 um 18.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=179#835

Auch in Bonn werden übrigens weiterhin jedes Jahr die "Poppelsdorfer Schloßkonzerte" annonciert.

 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 05.10.2011 um 23.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=179#836

Inzwischen sind wir ja Thorheiten aus dem Land gewöhnt, das den Text der Nationalhymne geschlechtergerecht geändert hat. Somit ist hier ein würdiger Platz gefunden.

Die Bitte Sedlaczeks, mit diesem Unfug aufzuhören, kann ich aber trotzdem aufgreifen. Nur hat meine Bitte andere Adressaten.

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.10.2011 um 09.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=179#837

Das Beibehalten der bewährten Rechtschreibung bringt sicher keine neuen Besucher, das Umschwenken zur reformierten aber auch nicht. Wozu also die kostspielige, von der Bevölkerung abgelehnte Reform?
Zeitungen haben durch die Umstellung nachweislich Abonnenten verloren, z. B. mich, Buchverlage auch Käufer, z. B. mich.

 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 06.10.2011 um 16.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=179#838

Bei Schloß Schönbrunn ist die Rechtslage klar: Es ist ein Name, denn Schönnbrunn ist eine Katastralgemeinde (Katasteramtsgemeinde) im Wiener Stadtbezirk Hietzing. Ich kenne die Österreichische Rechtslage nicht, jedenfalls in Deutschland dürfen Namen nicht einfach von Amts wegen geändert werden.

 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 06.10.2011 um 18.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=179#839

Das erinnert mich daran, daß schon seit einiger Zeit nachfragen wollte, seit wann und warum sich "Dürrröhrsdorf" (unweit östlich von Dresden gelegen; vergemeindet mit Dittersbach) mit "rrr" schreibt.

 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 11.10.2011 um 18.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=179#841

Ich hatte das sächsische Dürrröhrsdorf schon mal erwähnt (s. hier), aber genauer als daß es jedenfalls schon lange vor der "Reform" mit 3 r geschrieben wurde, weiß ich es im Moment auch nicht. Ich werde mal sehen, ob ich noch was dazu finde.

 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 11.10.2011 um 19.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=179#842

Die Gemeinde ist sich der Besonderheit der Schreibweise bewußt, liefert auf ihrer Website aber keine nähere Erklärung:

»Die erste urkundliche Erwähnung von Dürrröhrsdorf erfolgte als Rudgersdorf 1247 zusammen mit den Orten Dobra und Helmsdorf in der Urkunde des Königs Wenzel von Böhmen. Der Name Dürrröhrsdorf entwickelte sich aus Rüdigerstorff 1417, Rorßdorff 1545 zu Dhur Rurßdorff 1571 bis zur heutigen, wohl einmaligen Schreibweise.«

Quelle: www.duerrroehrsdorf-dittersbach.de/Hauptseite/index.htm (im Menü oben links den Ortsteil D.-D. wählen)

 

Kommentar von Alexander Glück, verfaßt am 14.10.2011 um 16.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=179#843

Lieber Herr Riemer, ich komme auf fünf r, nicht auf 3.

 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 14.10.2011 um 23.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=179#844

Ich bezweifle, daß die Schreibung Dürrröhrsdorf so einmalig ist. Jedenfalls gab es bei der Entstehung dieser Schreibung ja noch nicht die Dudensche Dreikonsonantenregel, die ihrerseits ja nie wirklich "amtlich" war.

 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 15.10.2011 um 20.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=179#845

Zu "Sie beharren auf der nicht mehr gültigen Schreibung 'Schloß Schönbrunn'": Wer sagt denn, daß diese Schreibung nicht mehr gültig ist? Nur in den Schulen gelehrt wird sie nicht. Da liegt doch der Hase im Pfeffer. "Das ß legt ja nahe, dass es sich um ein langes, ein gedehntes o handelt. Wer spricht das Wort so aus?": Als ob die Leser nicht wüßten, wie man ein Wort ihrer Muttersprache ausspricht! Das Problem ist nicht die Aussprache, sondern wie Leute das Wort auf einmal und dazu eben recht sinnlos schreiben sollen. Das ist das Ärgernis!

Was tut eigentlich ein Zeitungsartikelschreiber, dem *Schloß* in den Augen wehtut? Herumreden! Bei der Sache bleiben und ihr auf den Grund zu gehen wäre bei ihm ja auch zu viel verlangt. Immerhin ist nämlich die Interferenz der Schreibung der Leute, die "Schloß" schreiben, a. durchaus sinnvoll und b. gesetzlich geschützt. Das zu diskutieren, wäre eines anständigen Artikelschreibers würdig. Den Schlußsatz "Meine inständige Bitte: Hört auf mit diesem Unfug!" brauchte er nicht neu zu finden, den hätte er dann sogar schon.

 

Kommentar von Wiener Zeitung, verfaßt am 17.10.2011 um 11.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=179#846

Zu #834:
„Augen zu und durch“ schrieb Hr. Sedlaczek 2006 zur fiktiven Frage, soll Österreich die Änderungen des Regelwerks 2006 übernehmen oder nicht: www.wienerzeitung.at.

 

Kommentar von Leser, verfaßt am 19.10.2011 um 06.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=179#847

Herr Sedlaczek schreibt jetzt:

"Wahrscheinlich hat er im Duden nachgesehen. Dort wird in der Standardsprache die Schreibung mit ß vermerkt: eine Maß Bier.

Das verleitet zur Aussprache mit Langvokal."

Sein Verhältnis zum ß erscheint so seltsam wie der ganze Mann.

 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 19.10.2011 um 17.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=179#848

Apropos Maß: wird die Maß Bier in Bayern wirklich wie reformiert Mass ausgesprochen? Ich bilde mir ein, immer eine Aussprache ähnlich „Mos“ gehört zu haben, also kaum ein scharfes s und ein a, das eher einem o ähnelt. Jedenfalls keine Aussprache, die man mit reformiert Hass vergleichen könnte.

 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 20.10.2011 um 13.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=179#855

Bei Maß Bier versagt die Mehrzahlprobe, denn sie ist undeklinierbar, jedenfalls in Bayern.

 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 20.10.2011 um 17.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=179#856

Fast überall spricht man außer mehr oder weniger gut Hochdeutsch auch noch seinen Dialekt. Die Schriftsprache ist (bis auf ausgewiesene Mundartbücher) so gut wie immer Hochdeutsch. Also sollen die Bayern schriftlich gefälligst auch nach den hochdeutschen Regeln ihre Maß halten, und wenn sie denn durchaus mal im Dialekt schreiben müssen und dabei auch noch so deppert sind und meinen, daß die Rechtschreibreform sogar fürs Bairische gilt, dann sollen sie halt in Gottes Namen a Mass un no a Mass schreiben, so oft sie wollen. Aber eben nur in Mundartbüchern!

 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 21.10.2011 um 12.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=179#857

Richtig bairisch spricht man nur noch in Niederbayern. Hier gilt ähnliches wie für das Hocharabisch: Hochdeutsch ist die Schriftsprache, gesprochen wird Dialekt. Wer nach der Schule eine Lehre macht, muß das als erstes lernen.

 

Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 21.10.2011 um 18.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=179#858

Auch Leser, die mit der Rechtschreibreform aufgewachsen sind, verleitet nichts dazu, "Schloß" mit langem O zu sprechen.

Quellen werden im Geschichtsunterricht natürlich im Original, mithin incl. Adelung-S-Regel, durchgenommen. Auch Siebtkläßler, die erst nach Einführung der Reform geboren wurden, lesen die problemlos und sauber ohne das geringste Stutzen oder Zögern.

Welches Interesse verfolgen Leute wie Sedlaczek, wenn sie solchen Unsinn verbreiten? Gibt es noch jemanden, den man von der Reform überzeugen kann? Müssen sich die Befürworter der Reform immerzu auf's neue – und sei es mit Gewalt – einreden, daß die Reform sinnvoll ist?
Oder gibt es noch immer Einnahmequellen, die man nicht versiegen lassen will?

 

Kommentar von Ballistol, verfaßt am 24.10.2011 um 08.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=179#859

Ein Autor geht zu einem Verlag und bietet neue Bücher an. Nach einigem Hin und Her stellt der Verleger ihm frei, die klassische Rechtschreibung zu benutzen.

Als das eine Buch aus dem Lektorat kommt, steht dabei: "...Ich habe wie im (xxx) üblich nach Dudenempfehlung der aktuell gültigen Rechtschreibung korrigiert..." (sic ohne Kommata)

Der Autor schreibt: "Laut Vertrag obliegt die Entscheidung für oder gegen die Reformschreibweisen bei beiden Büchern mir. Ich habe mich für die klassische Rechtschreibung entschieden und bitte Sie, mir bitte Dateien zu mailen, die das berücksichtigen."

Kommt als Antwort: "...Wir mögen vieles an der neuen Rechtschreibung auch nicht, sind aber der Meinung, das die Regeln nun mal gelten, ja auch in der (deutschen) Schule unterrichtet werden - und wenn da keine Einheitlichkeit reinkommt, wird der Anarchie noch mehr Tür und Tor geöffnet sein, denn es schreibt ja heute sowieso schon jeder, wie er will und begründet das mit dem Dudenchaos nach der Reform oder dass die Lehrer selbst nicht wissen, die Zeitungen nicht, die Bücher ... So halten wir uns an die Dudenempfehlung, so blöd das manchmal gerade für Ältere auch aussieht. Wenn jeder entscheidet, was er wie schreiben will, kann das auch sehr uneinheitlich sein. (Fotografie schreibt kaum mehr einer mit ph, Biografie auch nicht, aber Lithographie und Graphik schon - sehr schwierig, auch für den Lektor, der dann dankbar ist, wenn der Duden was empfiehlt.)"

Dem Autor pochen jetzt die Schläfen, er schreibt zurück: "...es geht mir eigentlich mehr um den Respekt vor mir als Verfasser als um ein humanistisches ph hier oder dort (da könnten Sie übrigens auch mal schauen, wieviele Treffer Google für meine ph-Schreibungen liefert...). Ich halte als Autor meinen Namen hin und dieses Buch soll so erscheinen, wie ich als Autor es geschrieben habe. Und daß mit ß ist ja nun wirklich nichts, wofür man sich als Verlag schämen müßte.

Ich habe ALLE seriösen Untersuchungen auf meiner Seite, die Mehrheit der Leser, alle deutschen Literaturnobelpreisträger und eigentlich jeden, der dafür öffentlich einsteht, daß er in orthographischen Fragen und sprachrichtiger Grammatik noch bei Sinnen ist. Ich lasse mir von niemandem ein nicht nur vertraglich garantiertes, sondern vollkommen selbstverständliches Recht auf kulturelle Selbstentfaltung beschneiden, und das Argument mit den Schulen zählt schon deshalb nicht, weil sich in diesem ministerialbürokratischen Gängelungsakt die ganze Widerwärtigkeit dieses brutalistischen Obrigkeitsgetues offenbart. (...)

Wenn Sie als Verlag vieles an der neuen Rechtschreibung nicht mögen, sollte es für Sie selbstverständlich sein, denjenigen Autoren, die hierzu klar Position beziehen wollen, dabei die Entscheidung freizustellen. Wie man hört, kommt das bei den besten Verlagen vor. Wenn eines Tages dieser Reformschwachsinn beiseitegeräumt sein wird, haben die dann sowieso die bessere Position.

Übrigens können Sie gerne die Reformschreibung pflegen, mir geht es lediglich darum, daß man auch mich schreiben läßt, wie ich es für richtig halte."

Antwort: "Lieber Herr (xxx), ich ändere das dann zurück, wenn ich Ihre Fassung bekomme."

FIN

Und wieder wurde Zeit mit diesem Mist verplempert...

 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 25.10.2011 um 15.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=179#860

Lieber Herr xxx,

wenn dieser Satz Wir mögen vieles an der neuen Rechtschreibung auch nicht, sind aber der Meinung, das die Regeln nun mal gelten, ja auch in der (deutschen) Schule unterrichtet werden - und wenn da keine Einheitlichkeit reinkommt, wird der Anarchie noch mehr Tür und Tor geöffnet sein, denn es schreibt ja heute sowieso schon jeder, wie er will und begründet das mit dem Dudenchaos nach der Reform oder dass die Lehrer selbst nicht wissen, die Zeitungen nicht, die Bücher ... tatsächlich genau so vom Verlag gekommen ist, zeigt es doch darüber hinaus, daß auch das reformhörige Lektorat keine Einheitlichkeit gewähren kann. Wer die vermeintlich geltenden Regeln selbst nicht beherrscht, darf anderen auch keine rechthaberischen Vorschriften machen.

 

Kommentar von Ballistol, verfaßt am 26.10.2011 um 12.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=179#861

Die Sache wird jetzt noch unerfreulicher, denn es hat sich inzwischen herausgestellt, daß der Verleger die beiden Verlagsverträge, in denen dem Autor die Entscheidung über die Rechtschreibung zugesprochen wird, gar nicht gelesen hat. Er schrieb nun, daß er die Änderung durch den Autor als kriminelle grobe Täuschung ansieht.

Ich frage mich da, wer eigentlich täuscht: Derjenige, der ein selbstverständliches Recht unter § 1 gut sichtbar und vorschlagsweise anbringt und zu keinem Zeitpunkt auch nur den Hauch einer Vermutung zugelassen hätte, daß er mit Büchern in Reformschreibung einverstanden wäre? Oder derjenige, der mit seiner eigenhändigen Unterschrift sein Einverständnis mit den vertraglichen Regelungen rechtsgültig bezeugt – schlimmerenfalls aber doch nur vortäuscht?

Nun wurde zwei Monate lang gearbeitet, es ist also eine Schädigung entstanden, und diese hat dem Verlag einen handfesten Vorteil gebracht, nämlich zwei durchrecherchierte und ausformulierte Bücher nebst mehreren hundert Photos. Cui bono, das müßten sich da auch Staatsanwälte fragen, und zum Tatbestand der "Täuschung über Tatsachen" und gewerbsmäßigen Betrug braucht es nicht mehr viel...

Ich suche übrigens rechtsfreundlichen und weiterreichenden medialen Beistand in dieser Angelegenheit. Bitte machen Sie hier im Forum keine Namen öffentlich.

 

Kommentar von R. M., verfaßt am 26.10.2011 um 16.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=179#863

Ein Vertrag wird nicht dadurch ungültig, daß einer der Unterzeichner im nachhinein behauptet, ihn nicht gelesen zu haben. Im übrigen ist der Schaden nur dadurch entstanden, daß der Verleger just die vom Autor nicht erwünschten Änderungen veranlaßt hat. Er ist aber nicht vom Autor und den von diesem vorgenommenen Änderungen im Vertrag dazu verleitet worden, so daß eine Anwendung von § 108 ÖStGB schwerlich in Betracht kommt.

 

Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 26.10.2011 um 17.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=179#864

Das ist wirklich ein starkes Stück: ein Verleger liest den Vertrag nicht, den er unterschreibt, und beklagt sich hinterher darüber, was drinsteht. Ich wünsche dem Autor Langmut und Kraft zum Durchhalten.
Juristisch mag der Vertrag durchsetzbar sein und das Buch unreformiert erscheinen, aber wahrscheinlich war es dann das letzte, das dieser Autor für diesen Verlag geschrieben hat. Der Autor kann dann also auf's neue nach einem Verlag suchen, muß hier womöglich abermals um die Orthographie kämpfen etc. pp.

Sarrazin hat auch keiner gelesen, und trotzdem wußte jeder, was er schreibt. Daß man Schriftstücke lesen muß, bevor man sie beurteilen kann, scheint aus der Mode gekommen zu sein.

 

Kommentar von Ballistol, verfaßt am 26.10.2011 um 17.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=179#865

Danke, Herr Markner. Um meine Exculpierung mache ich mir nicht die geringsten Sorgen. Ich versuche bereits die Verlagseigentümer zu erreichen, um ihnen dieses Beispiel durchgedrehten Geschäftsführertums zu schildern. Mir wäre dafür kompetente Schützenhilfe willkommen, wahlweise von einem guten Kenner des Verlagsrechts oder von einem solchen der Rechtschreibung.

Der Verlag befindet sich übrigens in Neufünfland.

 

Kommentar von Ballistol, verfaßt am 26.10.2011 um 17.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=179#866

Lieber Herr Mahlmann,

so sehr ich mich im Innern danach sehne, einmal als Hausautor irgendeines Verlages von einem Pappschild in die Besucherströme lächeln zu können, so sehr bin ich mir bewußt, daß man nicht ewig in einem Haus sitzen kann. Meine Bücher sind deshalb schon vorher in verschiedenen Verlagen erschienen und ich hatte bisher auch keine größeren Probleme mit der Verlagssuche oder der Durchsetzung klassischer Rechtschreibung.

Inzwischen habe ich den Fall einem befreundeten Redakteur in einem Nachrichtenmagazin sowie zwei großen Branchenzeitschriften vorgetragen und ich hoffe, daß man sie dort nicht als neue Episode der Rechtschreibquerelen ansieht, sondern als ein Gaunerstück, mit dem geltendes Recht und individuelle Bürgerfreiheit beschädigt werden. Ein Inkassounternehmen hat die Sache bereits zur sachlichen Prüfung an den Hausanwalt gegeben und vielleicht kann ich eine Sprachpflegezeitung zu einer Leseraktion bewegen.

Man macht viele Kompromisse, aber das hier ist eine Sache, die ich durch alle Instanzen peitschen würde.

 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 05.11.2011 um 14.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=179#867

Ich schlage vor, die Jahre ab 1996 als "die Dunklen Jahre der deutschen Rechtschreibung" in die Geschichte eingehen zu lassen.

 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 05.11.2011 um 18.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=179#868

Ich schlage vor, "Indian Summer" mit "summender Inder" zu übersetzen.

 

Kommentar von Tobias Bluhme, verfaßt am 07.11.2011 um 15.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=179#869

Harald Marx konstatiert, dass die Fehler im Bereich s-Laut-Schreibung seit der Reform deutlich zugenommen haben. Dies könne aber auch daran liegen, dass die Schüler außerhalb der Schule oft in Kontakt mit der inzwischen überholten Rechtschreibung kommen.

Müßten die Fehler dann nicht darin bestehen, daß "versehentlich" die klassischen Schreibweisen reproduziert bzw. mit den reformierten vermischt werden?

Das mittlerweile häufig anzutreffende "Ergebniss" wurde vor den Reformen "Ergebnis" geschrieben, und auch durch die Heyse-Regel ändert sich daran nichts. Es fällt mir sehr schwer, eine Erklärung dafür zu finden, die auf einen Einfluß der klassischen Schreibweise zurückgeht. Die Erklärung "Übergeneralisierung wegen 'kurzes i => ss'" finde ich dagegen durchaus einfach und einleuchtend.

 

Kommentar von Ballistol, verfaßt am 08.11.2011 um 12.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=179#870

"In Kontakt kommen" hört sich sehr nach Ansteckungsgefahr an. Wie wäre es mit einer Red-Ribbon-Aktion an den Schulen zugunsten einer Safer-SS-Kampagne?

Aber vielleicht interessiert Sie auch noch der Ausgang der Buchprojekt-Angelegenheit. Ich hatte ein sehr freundliches Telephonat mit einem der Verlagsinhaber, und der hat danach offenbar seinen Geschäftsführer auf Usancen im Vertragsrecht hingewiesen. Von meinen ersten Tantiemen kaufe ich dem jungen Mann mit der Primanerattitüde vielleicht ein Messingkettchen mit den Buchstaben "Pacta sunt servanda".

Wenn's unter 5 Euro bleibt.

 

Kommentar von Globnik, verfaßt am 29.03.2012 um 13.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=179#917

Ich habe ein ähnlich geartetes Problem wie Ballistol, versuche es aber gleich bei Vertragsschließung mit einvernehmlichen Lösungen. Ich kann mir wohl das Recht sichern, über die Rechtschreibung eines kleinen Ratgebers (nicht Belletristik) begründet und unter Berücksichtigung der Einwände des Verlags zu entscheiden.

Die Einwände des Verlags sind (sinnentsprechend wiedergegeben):

1. "Wir wollen Einheitlichkeit, alle unsere Bücher erscheinen reformiert."

2. "Wir im Lektorat sind so auf die neuen Regeln eingestellt, daß wir uns erst wieder umstellen müßten."

3. "Alte Rechtschreibung erweckt bei Interessenten den Anschein, es handele sich um ein inhaltlich nicht aktuelles Buch."

4. "Da wir alle Lesergruppen erreichen wollen, ist reformierte Rechtschreibung wegen der Schüler wichtig."

Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mir zu dem einen oder anderen Punkt gute Entkräftungsargumente geben könnten. Vor allem Punkt 3 scheint eine etwas tiefergehende Würdigung zu provozieren.

Leider muß ich anonym arbeiten, da ich größere Schwierigkeiten vermeiden will. Danke für Ihre Hilfe!

 

Kommentar von Pt, verfaßt am 29.03.2012 um 17.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=179#919

1. "Wir wollen Einheitlichkeit, alle unsere Bücher erscheinen reformiert."

Die Reform ist selbst alles andere als einheitlich. Nach mehreren Reformen der Reform weiß keiner mehr so richtig, wie etwas ''reformiert'' geschrieben werden soll. Zumindest zu Beginn der Reform wurden weitere Änderungen ''in zwanzig bis dreißig Jahren'' angekündigt. Mitlerweile sind sechzehn davon vergangen. Belletristik wird – der Lesbarkeit wegen – in »gemäßigter neuer Rechtschreibung« veröffentlicht, die Schüler lernen offenbar die ''ungemäßigte'' Variante. Die Regeln sind teilweise mißverständlich, so daß es schon deshalb keine Einheitlichkeit der reformierten Bücher geben wird. Es fragt sich auch, inwieweit Schüler die reformierten Regeln beherrschen / verinnerlicht haben und nicht doch wieder zumindest teilweise oder auch unwissentlich zu klassischen Schreibungen zurückkehren, wenn sie einmal außerhalb der Schule auf die von der Reform verursachten Probleme stoßen.

Warum dem Leser Reisbrei mit Reißnägeln servieren?

2. "Wir im Lektorat sind so auf die neuen Regeln eingestellt, daß wir uns erst wieder umstellen müßten."

Kein Mensch kann sich einfach so auf neue Regeln einstellen, insbesondere, wenn diese qualitativ minderwertig sind. Es deshalb fraglich, ob sich die Lektoren, die teils jahrzehntelang die klassische Rechtschreibung praktiziert haben, tatsächlich auf die ''neuen'' Regeln eingestellt haben. Vielleicht warten sie insgeheim nur darauf, endlich wieder ''normal'' schreiben / korrigieren zu dürfen. ''Umlernen'' geht nicht, es wird nur etwas zerstört bzw. es entsteht eine ''Mischorthographie''. Da ist es besser, konsequent bei der klassischen Rechtschreibung zu bleiben.

3. "Alte Rechtschreibung erweckt bei Interessenten den Anschein, es handele sich um ein inhaltlich nicht aktuelles Buch."

Die klassische Rechtschreibung ist nicht ''alt'', sondern moderner als der Reformschrieb, der oft auf veraltete oder bereits einmal verworfene (Heysesche s-Schreibung) Schreibungen zurückgreift.

Wie aktuell ein Buch ist, sollte man im Impressum nachschauen.

Es könnte aber auch sein, daß der potentielle Käufer sich auf ein Wiedersehen mit der klassischen Rechtschreibung freut und ein Buch gerade deswegen kauft.

Klassische Rechtschreibung steht für Lesbarkeit, Verständlichkeit und Qualität. Reformierte Schreibung läßt eher an ''alten Wein in neuen Schläuchen'' denken, insbesondere, da sich so viel bei Ratgebern auch nicht ändern kann. Sie steht eher für unüberlegte ''Änderungswut'' von Linksideologen, was mich an der Qualität eines Ratgebers prinzipiell zweifeln ließe.

4. "Da wir alle Lesergruppen erreichen wollen, ist reformierte Rechtschreibung wegen der Schüler wichtig."

Seit wann stehen Schüler für alle Lesergruppen? Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir!

Schüler werden sich wohl kaum Ratgeber kaufen. An den Schulen wird auch auf anderen Gebieten viel Blödsinn gemacht, mit den Schülern experimentiert. Warum nehmen Sie sich nicht die Freiheit, offensichtlichen Blödsinn abzulehnen und beim Bewährten zu bleiben. Haben wir aus unserer Geschichte so wenig gelernt?

Außerhalb der Schule gibt es keinen Zwang für eine bestimmte Rechtschreibung, so daß man hier auch auf Bewährtes zurückgreifen kann und sollte. Laut Bundesverfassungsgericht ist Rechtschreibung eine Frage der Akzeptanz. Diese steht aber gemäß Umfragen immer noch aus. So gesehen ist der Reformschrieb verfassungswidrig.


Frage: Gilt immer noch, daß alle reformierten Wörterbücher benutzt werden dürfen?

 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 14.12.2012 um 07.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=179#1000

Schreibt man eigentlich hineingeheimnißt bzw. reformiert hineingeheimnisst – oder doch hineingeheimnist? Das scheint eine echte Falle zu sein: Laut Google werden beide Formen ungefähr gleich häufig verwendet. (An der Schwierigkeit hat die Reform nichts geändert.)

 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 14.12.2012 um 11.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=179#1001

PS:

Theoretisch denkbar ist die Schreibweise weil du etwas hineingemniss'st, die sich aus hineingemnissest herleiten läßt und die, etwas abseits der Regeln, zu hineingemnissst zusammengezogen werden könnte.

 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 14.12.2012 um 11.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=179#1002

Meinen Sie die zweite Person Singular oder das Partizip II? Für die zweite Person Singular hat zumindest der Duden sich festgelegt, und zwar auf du geheimnißt/geheimnissest (unreformiert) bzw. du geheimnisst (reformiert).

Die Frage ist wohl, was man als Verbstamm ansieht. Offenbar geht der Duden von geheimniss aus, denn bei geheimnis würde das zweite s nach § 26 ja wegfallen (du reist usw.) und er hätte du geheimnist verzeichnen müssen.

 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 14.12.2012 um 12.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=179#1003

Ich meinte zunächst allgemein die Form hineingeheimnißt bzw. reformiert hineingeheimnisst, die unter anderem das Partizip II sein kann. In meinem PS habe ich dann noch einen Kalauer nachgeschoben, der nur bei der 2. Person Singular funktioniert.

Der genannte Paragraph 26 besagt nur, daß in der zweiten Person Singular nicht mit drei s geschrieben wird, also zum Beispiel auch du hasst und nicht du hassst. Dasselbe galt auch schon vor der Reform: du haßt und nicht du haßst. Oder du bremst und nicht du bremsst.

Wie der Stamm von (hinein)geheimnissen lautet, ist dennoch eine berechtigte Frage. Man kann den Eindruck haben, daß das s in erster Linie deshalb verdoppelt wurde, um die Stimmlosigkeit des s-Lauts auch zwischen Vokalen abzubilden. So gesehen würde sich die Verdoppelung erübrigen, wenn ein Konsonant folgt, und hineingeheimnist wäre eine vertretbare Schreibweise.

 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 14.12.2012 um 13.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=179#1004

Nach § 26 fällt das s der Endung -st der zweiten Person Singular weg, wenn der Verbstamm auf s, ss, ß, x oder z endet. Deshalb schreibt man hasst und nicht hassst, aber auch reist und nicht reisst (das ist ja gleich das erste Beispiel). Es geht also nicht nur um die Vermeidung von drei aufeinanderfolgenden s. Demnach hätte der Duden, wenn er mit einem Verbstamm (hinein)geheimnis operiert hätte, du geheimnist hinein schreiben müssen (geheimnis|st > geheimnis|t). Da er aber du geheimnisst hinein schreibt, geht er wohl von (hinein)geheimniss als Verbstamm aus (geheimniss|st > geheimniss|t). Das Partizip II müßte in diesem Sinne ebenfalls (hinein)geheimnisst lauten, da in diesem Fall, ganz regulär, nur das t an den Verbstamm angehängt wird.

 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 14.12.2012 um 14.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=179#1005

Ja, natürlich. Die Einschätzung, hineingeheimnist habe durchaus etwas für sich, würde grammatisch bedeuten, daß es zwei Stämme geben könnte: (hinein)geheimniss bei anschließendem Vokal e und (hinein)geheimnis, wenn der Konsonant t folgt. Der Stamm (hinein)geheimniss wäre dann aus dem Stamm (hinein)geheimnis hervorgegangen als Schreibvariante, die eine konstante Aussprache mit stimmlosem s-Laut bei Bedarf sicherstellt. Warum eigentlich nicht? Bei den unregelmäßigen Verben weisen die verschiedenen Stämme wesentlich größere Unterschiede auf.

Das steht natürlich nicht so im Duden. Es wäre aber eine Möglichkeit, die häufige Schreibweise hineingeheimnist zu deuten. Es ist kein Naturgesetz, daß laufen verschiedene Stämme haben kann und (hinein)geheimnissen nur einen. Man hat sich bisher dafür entschieden, dem Verb nur einen Stamm zuzugestehen und diesen aus dem Infinitiv abzulesen. Der Preis ist, daß womöglich nur eine Minderheit die Schreibweise der Wortes sicher beherrscht.

 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 14.12.2012 um 14.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=179#1006

Ich selbst wäre offen gestanden nicht so schnell auf den Gedanken gekommen, geheimnißt/geheimnisst zu schreiben, und bin erst durch Ihren Beitrag auf diese Frage aufmerksam geworden. In meinem Kopf ist Geheimnis nun mal viel stärker präsent als geheimniss. t dran – fertig.

 

Kommentar von Roger Herter, verfaßt am 17.12.2012 um 18.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=179#1007

Ob ich je spontan hineingeheimnist schriebe oder geschrieben habe, weiß ich nicht; höchstwahrscheinlich aber hab ich es schon öfter und ohne zu zögern so gelesen. Eher nämlich als hier dürfte der Leser beim ungewohnten Wortbild -geheimnißt kurz stocken, aus den von Herrn Metz genannten Gründen.

Die an sich falsche (aber ästhetisch gefälligere) Form hat also, wie Herr Wrase sagt, durchaus etwas für sich. Und erst recht trifft wohl seine Vermutung zu, daß die Mehrheit der Leute die eigentlich richtige Form gar nicht kennt.

In einem andern, vergleichbaren Fall bin ich mir sicher, eine solche Schreibung ohne das mindeste Stolpern gelesen zu haben, sozusagen als fraglos richtig. In Selma Lagerlöfs Nils Holgersson etwa heißt es von einem (geschnitzten) Almosensammler: "Er war überdies frisch gestrichen und gefirnist." Offenbar hat das seit der Erstausgabe der Übersetzung noch nie jemand beanstandet. Und dieses Partizip kommt gewiß an unzähligen Orten ganz ebenso vor.

Hier empfinde ich diese Form noch deutlicher als unproblematisch, denn es steht mir nicht – wie bei hineingeheimnissen – ein vertrauter Infinitiv vor Augen. Ich orientiere mich vielmehr unmittelbar an Firnis; ein Verb firnissen ist mir fremd (auch wenn ich es natürlich erschließen kann).

Eine Google-Suche (mit sorgfältigem Ausschlußverfahren) ergibt für gefirnißt bzw. gefirnisst 11.400 und 34.000 Treffer, für gefirnist dagegen 105.000!

Dies ist tatsächlich eine Rechtschreibfalle (und zwar eine ziemlich tückische), da kann ich Herrn Wrase nur recht geben.

 

nach oben


Als Schutz gegen automatisch erzeugte Einträge ist die Kommentareingabe auf dieser Seite nicht möglich. Gehen Sie bitte statt dessen auf folgende Seite:
www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheitenB&id=179#kommentareingabe
Kopieren Sie dazu bitte diese Angabe in das Adressenfeld Ihres Browsers. (Daß Sie diese Adresse von Hand kopieren müssen, ist ein wichtiger Teil des Spamschutzes.)


Zurück zur vorherigen Seite | zur Startseite


© 2004–2018: Forschungsgruppe Deutsche Sprache e.V.

Vorstand: Reinhard Markner, Walter Lachenmann, Jan-Martin Wagner
Mitglieder des Beirats: Herbert E. Brekle, Dieter Borchmeyer, Friedrich Forssman, Theodor Ickler, Michael Klett, Werner von Koppenfels, Hans Krieger, Burkhart Kroeber, Reiner Kunze, Horst H. Munske, Adolf Muschg, Sten Nadolny, Bernd Rüthers, Albert von Schirnding, Christian Stetter.

Webhosting: ALL-INKL.COM