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06.03.2006
 

Endlich wieder Kommentare aus Österreich!

Im Standard schreibt Thomas Mayer.

"Recht haben" und "recht haben"
Die neue "Rechtschreibung neu" ist besser, als publizistische Scharfmacher behaupten

Zugegeben: In einer absolutistischen Monarchie wäre es leichter, dem Volk eine einheitliche Ausdrucks- und Schreibweise zu verordnen. Da müsste dann nicht quer durch alle Länder, Schulen und Verlage gestritten werden über das "richtige Deutsch" - wie jetzt wieder bei der Korrektur der 2004 nur vorläufig fixierten "neuen Rechtschreibung" durch die deutsche Kultusministerkonferenz.

Das haben die Franzosen allen Deutschsprachigen in Österreich, Südtirol, Belgien, Deutschland oder der Schweiz seit 1635, wenn man so will, "voraus". Damals hat Kardinal Richelieu die wegen ihrer Strenge bis heute berühmt- berüchtigte "Académie fran¸caise" gegründet. Sie sollte im Auftrag von Ludwig XIII. dafür sorgen, dass eine "reine und für alle verstehbare Sprache" geschaffen werde, die "dem Ausdruck von Kunst und Wissenschaft" dient.

Ein vordergründig edles Unterfangen, aber auch eines mit einem klaren (macht)politischen Ziel: "der Einheit des Königreiches eine Sprache geben, von der Politik geschmiedet, die es in gleicher Weise symbolisiert und festigt". Bis dahin waren die Franzosen aus Herrschersicht wohl etwas "zu deutsch", sprich: Sie redeten (seltener schrieben sie) in wildem dialektalem Durcheinander.

Im Jahr 2006 sorgt sich "die Akademie" sehr um das Eindringen von "hässlichen" Anglizismen ins Französische. Ist es ein Zufall, dass es für Paris-Besucher heute kaum Schwierigeres gibt, als zu versuchen, beim mitgebrachten Notebook eine Wireless-LAN-Verbindung herzustellen?

Was lässt sich beim Blick über die Sprach-Grenze also ableiten für die aufgeflammte Debatte über die neue Rechtschreibung?

Erstens: Den Königsweg zur Ausprägung einer idealen deutschen Rechtschreibung gibt es nicht - nicht nur aus historischen Gründen. Die "alte" Rechtschreibung war wegen vieler Einzelfallregelungen längst nicht so gut, wie behauptet wird. Wir sollten uns daher nicht in die Irre führen lassen von jenen Scharfmachern, die mehr als zwanzig Jahre nach dem Start der Reform (in Wien) nun wieder ihre publizistischen Sturmgeschütze in Stellung bringen.

Von der "dürren Weisheit derjenigen, die nicht mehr wissen wollen, was falsch und was richtig ist", jammert Hubert Spiegel in der Frankfurter Allgemeinen. Sie hat im Verbund mit anderen großen Medienkonzernen die neue Rechtschreibung verweigert - und einiges zur Sprachverwirrung beigetragen. So weit soll es nicht kommen, dass mächtige Medienhäuser verbindlich für alle definieren, "was richtig oder falsch ist".

Zweitens: Die Debatte um Konventionen (und Sanktionen in der Schule) hat natürlich nicht nur mit Sprachmacht, sondern mit politischer Macht und Einflussnahme, mit kulturellen Prägungen und erzieherischen Vorstellungen zu tun. Forderungen wie jene von Hermann Unterstöger in der SZ, der Staat möge in Zukunft die Finger von Rechtschreibreformen lassen, erscheinen geradezu naiv. Wer sonst, wenn nicht die Politik, soll die Verantwortung übernehmen?

Drittens: Der Kompromiss, der sich nun abzeichnet, ist so übel nicht wie behauptet: Einige bewährte Ausdrucksweisen der alten Rechtschreibung werden wieder in Kraft gesetzt, weil sie für mehr Klarheit sorgen als die neue Schreibung. Aber die Systematisierungen und Vereinfachungen der neuen Regeln bleiben erhalten.

Dass nach diesem Ausgleich zwischen zwei grundsätzlichen Positionen die eine oder andere neue Unsicherheit entstanden ist beziehungsweise es zwei gleichberechtigte Schreibweisen geben kann, lässt sich verkraften. Wir werden lernen, damit umzugehen. Ist das schlecht? Keineswegs. So sind wir, wir neuen Deutschsprachigen, fröhliche Anarchisten. Man kann eben recht haben und Recht haben. Es sollte nicht vergessen werden, was bei der Leistungsbeurteilung mindestens so wichtig ist wie korrekte Rechtschreibung: "sprachliche Ausdrucksfähigkeit und kreativer Inhalt", laut Erlass des Bildungsministeriums.




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Kommentare zu »Endlich wieder Kommentare aus Österreich!«
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Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 07.03.2006 um 20.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=103#273

Am lustigsten ist es doch immer wieder, wenn einer, dessen Beruf das Schreiben ist, sich freut, daß der Staat ihm sagt, wo´s langgeht. Setze für "fröhlicher Anarchist" "ahnungsloser Kasper" ein, dann stimmt alles wieder.

 

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