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Blüthen der Thorheit

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06.03.2006
 

Endlich wieder Meldungen aus Österreich!

Bedeutende Germanisten melden sich zu Wort: Franz Viktor Spechtler und Robert Sedlaczek.

Germanist kritisiert Rechtschreibreform
http://salzburg.orf.at/stories/93618/

Als "unsinnig und lachhaft" kritisiert jetzt der Salzburger Universitätsprofessor und Germanist Franz Viktor Spechtler die geplante neuerliche Reform der jüngsten Rechtschreibreform.

Der Rat für deutsche Rechtschreibung fordert ja eine Teilrückkehr zu den alten Rechtschreibregeln. Österreich will sich laut Auskunft des Unterrichtsministeriums anschließen und die neue Reform so schnell wie möglich umsetzen.

Er verstehe die Welt nicht mehr, denn es gebe weitaus wichtigere Dinge, als erneut einige Wörter umzuschreiben: so reagiert Franz Viktor Spechtler, Professor am Institut für Germanistik der Universität Salzburg, auf die neuerliche Reform der Rechtschreibung.

Spechtler war selbst mehrere Jahre lang Mitglied in jener Expertenkommission, die die seit August 2005 gültige Rechtschreibreform ausgearbeitet hatte.

Die geplanten Änderungen seien lachhaft und vor allem für Schüler oder für all jene, die Deutsch als Fremdsprache lernen, eine Zumutung, kritisiert Spechtler jetzt:

"Es zahlt sich nicht aus und ist es nicht wert, dass sich da wieder 15 Kultusminister und zehn irgendwelche Möchtegern-Philologen zusammen setzen. Man fühlt sich völlig gefrotzelt.

Die armen Kinder hören nur mehr 'Rechtschreibung' und man vergisst dann in der Schule, dass sie ja schreiben, sprechen und lesen lernen sollen und nicht Fehler Suchen."

Die neuerliche Reform sieht vor, dass wieder mehr zusammengeschrieben werden soll - etwa die Wörter "abwärtsfahren" oder "querlesen". Außerdem sollen bei der Beistrichsetzung wieder die alten, verbindlichen Regeln gelten.

Sprache lasse sich aber nicht in ein Schema pressen. Die neue Reform sei völlig überflüssig, ärgert sich Spechtler: "Ein Hauptwort wird groß und ein Zeitwort klein geschrieben und Punkt. Man muss eine Linie vor geben [!], denn sonst fürchten sich die Menschen doch vor dem Schreiben.

Und dann gibt´s in Büros und Firmen Sprüche wie: Der oder Die kann ja nicht einmal Rechtschreiben. Und das ist außerordentlich gefährlich, denn da werden Leute dann einfach abqualifiziert, nur weil sie vielleicht zwei Rechtschreibfehler machen."

Die abschließende Entscheidung über die "Reform der Reform" soll in Deutschland Ende März fallen. Die Schweiz will die neuen Regeln noch nicht übernehmen. Das wäre auch Österreich dringend anzuraten, ergänzt Spechtler.

Rechtschreibreform: Augen zu und durch!
http://www.wienerzeitung.at/DesktopDefault.aspx?TabID=4445&Alias=wzo&cob=222303

Über die verunglückte Rechtschreibreform von 1996 und die nicht viel bessere Reform der Reform kann man sich entweder ärgern oder wundern. Es ist verständlich, dass es sowohl in der Schweiz als auch in Österreich Stimmen gibt, die sagen: Koppeln wir uns ab! Machen wir uns unsere eigenen Rechtschreibregeln!

Aber was wäre, wenn Österreich bei der Reform der Reform nicht mitzieht und bei der bereits umgesetzten Reform von 1996 verharrt? Dann würde man im "Spiegel" lesen: "Die Schüler können einem leidtun!", während das "Profil" schreibt: "Die Schüler können einem Leid tun!" Dann würden bundesdeutsche Lektoren den Satz "Mir wird angst und bange!" als korrekt klassifizieren, während die österreichischen nur "Mir wird Angst und Bang!" gelten lassen.

Jetzt muss man aber auch noch in Betracht ziehen, dass sich die meisten Schriftsteller der Rechtschreibreform von 1996 ohnedies verweigern und nur den Status Quo Ante gelten lassen. Sie würden also schreiben: "Das alles ist für jung und alt eine Zumutung", während die zweimal reformierten Deutschen und die einmal reformierten Österreicher in diesem Fall einer Meinung wären: "Das ist eine Zumutung für Jung und Alt."

Es gibt also für Österreich nur eine vernünftige Haltung zur "Reform der Reform": Augen zu und durch! Was aber nicht heißt, dass man damit zur Tagesordnung übergehen sollte. Die deutsche Sprache existiert in verschiedenen Ausformungen, das österreichische Deutsch unterscheidet sich in einigen wesentlichen Punkten vom deutschen Deutsch. In Österreich essen wir "Marillen", in Deutschland "Aprikosen". In Österreich sagen wir: "Als du mich angerufen hast, bin (!) ich noch im Bett gelegen." In Deutschland kann man hören: "Als du mich angerufen hast, habe (!) ich noch im Bett gelegen." Oder vielleicht gar in der für uns ungewohnten Präteritum-Form: "Als du mich anriefst, lag ich noch im Bett."

Diese Unterschiede finden auch in der Schriftform einen Niederschlag. Der Duden listet inzwischen die österreichischen Eigenheit als regionale Varianten gewissenhaft auf. Es wäre schön, wenn das Österreichische Wörterbuch bei der nächsten Auflage spiegelbildlich vorgeht.

Außerdem sollte bei künftigen Lehrplanreformen sichergestellt werden, dass die Unterschiede auch in der Schule unterrichtet werden. Angesichts einer Flut norddeutscher Filmsynchronisationen und Buchübersetzungen laufen wir ja manchmal Gefahr, das deutsche Deutsch als die "bessere Norm" anzusehen.

Kellner aus den neuen EU-Ländern sollten wissen, dass ein Wiener das Wort "Sahne" als Pflanz empfindet, der Hamburger mit "Schlagobers" nichts anfangen kann und der Tiroler einen "süßen Rahm" verlangt. Ob man "näher kommen" und "richtig stellen" zusammen schreibt, ist eigentlich Wurst. Oder wurst?

Robert Sedlaczek ist Autor des Buches "Das österreichische Deutsch."




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Kommentare zu »Endlich wieder Meldungen aus Österreich!«
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 06.03.2006 um 23.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=102#268

Für eine gute Idee halte ich es, im Österreichischen Wörterbuch das "deutsche Deutsch" als "regionale Varianten" zu führen. Der Nichtgebrauch des Präteritums und der Gebrauch von "sein" beim Perfekt von "liegen, sitzen, stehen" gilt auch für Süddeutschland. Dort gilt nur für einen Straftäter: "Er hat gesessen, nachdem er gestanden hat." Ansonsten ist der Artikel ein Schmarrn mit Schlag.

 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 07.03.2006 um 00.10 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=102#269

Angesichts der Tatsache, daß die deutsche Einheitsorthographie ohnehin aufgegeben wurde, stellt sich ernsthaft die Frage, ob verschiedene Schreibweisen in den einzelnen Ländern nicht hinzunehmen wären, jedenfalls eine Zeitlang.

Die Schweiz ist in mancherlei Hinsicht schon vor der Reform eigene Wege gegangen, die Österreicher ebenso, wenn auch in sehr geringem Maße. Während die Schweiz ähnlich zerrissen ist wie Deutschland, scheint in Österreich der Konsens vergleichsweise groß zu sein.

Vielleicht lassen sich die Probleme auf nationaler Ebene leichter lösen als im Verbund. Das Englische oder das Niederländische scheinen damit ja auch recht gut zurechtzukommen. Außerdem wäre der Politik damit auch das Scheinargument der internationalen Verpflichtungen aus der Hand geschlagen, und der Rechtschreibrat wäre um einige Blockierer ärmer.

Nicht ideal, aber vielleicht nachdenkenswert.

 

Kommentar von Martin Gerdes, verfaßt am 07.03.2006 um 14.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=102#271

Vor einigen Tagen habe ich mir den ersten Kommissionsbericht wieder vorgekramt, in dem die Kommission Ungereimtheiten der überraschend abgenickten, aus ihrer Sicht noch überhaupt nicht fertigen Rechtschreibreform glätten wollte. Damals hat die Kumiko das Ansinnen brüsk abgelehnt.

Wenn ich mir nun den "Rechtschreibfrieden" anschaue, muß ich feststellen, daß er sich nicht so sehr wesentlich vom dem unterscheidet, was wir bekommen hätten, wenn die Kumiko damals die Reformer ihr eigenes Werk hätte reparieren lassen.

Unter den Unterzeichnern des ersten Kommissionsberichts findet sich auch der Name Spechtler.

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.07.2017 um 15.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=102#1955

In der Wiener Zeitung kritisiert Sedlacek jemanden, der rein schauen geschrieben hat.

Der eine hat den Duden vor sich, der andere nicht, und nun belehrt der mit dem Duden den ohne den Duden, was er im Duden gefunden hat.

 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.08.2017 um 17.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=102#1957

(Zur Vernachlässigung der Orthographie:)
In diesen Punkten stimme ich mit Stefan Winterstein überein. Er sieht allerdings in der Rechtschreibreform den Hauptschuldigen. Die Reformer seien zu liberal gewesen, strenge Regeln seien besser als Variantenschreibungen.
Dem kann ich nicht folgen. Es war das erklärte Ziel der Reformer, die Regeln zu vereinfachen und Unstimmigkeiten auszubügeln. Warum brauchen wir die Sonderregel "etwas anderes ist anders". Es heißt "etwas Schönes" und "etwas Besonderes". Warum nicht auch "etwas Anderes"? Heute kann man beides schreiben: "etwas anderes" und "etwas Anderes". Das ist doch vernünftig, oder?
Das System einer Sprache sollte im Idealfall in sich logisch sein. In vielen Bereichen ist es unlogisch genug. Und das ewige Herumdoktern bei einzelnen Wörtern und Wendungen - Stichwort: Reform der Reform - hat zweifellos Verwirrung gestiftet.
Aber wer möglichst komplizierte Rechtschreibregeln haben will, müsste sich auch extrem komplizierte Verkehrsregeln, Lohnsteuergesetze etc. wünschen. Damit sie ja keiner versteht.

(Sedlacek, Wiener Zeitung 1.8.17)

Er weiß es wohl wirklich nicht besser. Dazu paßt der oberflächliche Schluß.

 

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