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Nachrichten rund um die Rechtschreibreform

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11.09.2012
 

Eine Roßkur für den Duden

Unter dieser Überschrift berichtet die Frankfurter Allgemeine über den Duden-Umzug und die Probleme mit gedruckten Rechtschreibwörterbüchern, ohne die Rechtschreibreform zu erwähnen.

Nun ja – zumindest nicht explizit: "Wann die nächste Auflage kommt, sei noch nicht sicher. Eigentlich alle drei bis fünf Jahre; je nachdem wie schnell sich die Sprache verändere, werde der Duden neu aufgelegt."

Siehe hier.


Quelle: F.A.Z.
Link: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/umzug-nach-berlin-eine-rosskur-fuer-den-duden-11885571.html


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Kommentare zu »Eine Roßkur für den Duden«
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Kommentar von verschoben, verfaßt am 12.09.2012 um 02.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9095

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 11.09.2012 um 22.41 Uhr

Bei Duden online hatte ich bisher die Erfahrung gemacht, daß es mehr Stichwörter gibt als im gedruckten Duden. Jetzt sehe ich erstmals eine Lücke im Vergleich zur aktuellen 25. Auflage des gedruckten Werks: die Gruppe Eskamotage, Eskamoteur, eskamotieren. Ob diese Begriffe auch in der 26. gedruckten Auflage gestrichen sein werden? Im Internet wäre genug Platz da für jede Menge Stichwörter, auch seltene und veraltete Begriffe. Möglicherweise will man dem Eindruck vorbeugen, daß es im Internet sowieso das bessere Angebot gibt.


Kommentar von verschoben, verfaßt am 12.09.2012 um 02.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9096

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 12.09.2012 um 00.52 Uhr

Zumindest den Eskamoteur gibt es bei Duden online. Man gelangt aber nur auf einem Umweg dorthin. Wenn man im Suchfeld »Eskamoteur« eingibt, landet man bei den Einträgen »Zaubrer« und »Zauberer«. Dort kann man unter »Synonyme« das gesuchte Stichwort anklicken: www.duden.de/rechtschreibung/Eskamoteur.


Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 12.09.2012 um 07.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9097

Zufällig habe ich noch ein Beispiel gefunden: Im gedruckten Duden steht Espan, das gibt es bei Duden online nicht, auch nicht über einen Umweg. Bei Duden online scheinen einige entlegene und veraltete Stichwörter abgestoßen zu werden. Ob es sich um genau denselben Bereinigungsprozeß handelt wie beim gedruckten Duden, wird die nächste Ausgabe zeigen.


Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 12.09.2012 um 07.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9098

Manche offenbar sanierte Einträge findet man noch durch manuelle Eingabe des betreffenden Wortes in die URL-Adresse. Das gilt auch für »Espan«: http://www.duden.de/rechtschreibung/Espan. Aber das nur am Rande, vielleicht kann es mal nützlich sein, wenn man die Druckausgabe gerade nicht zur Hand hat.


Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 12.09.2012 um 09.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9099

Vielen Dank! Ich hatte dasselbe probiert, aber übersehen, daß man anders als bei Wikipedia auf die Großschreibung achten muß.


Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 12.09.2012 um 22.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9100

Heute abend sind alle bisher besprochenen Stichwörter plötzlich wieder normal abrufbar. Es scheint da einiges im Fluß zu sein.


Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 13.09.2012 um 03.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9101

Interessant. Im Moment befindet sich etiolieren "vergeilen" in der Versenkung, aber man kann es wiederum über www.duden.de/rechtschreibung/etiolieren abrufen.

Duden online gibt zur Etymologie an: französisch étioler, zu éteule "Stoppel" < altfranzösisch estuble < spätlateinisch stupula "Stoppel". Ich finde wie gesagt, daß Duden online allein schon mit solchen etymologischen Angaben den gedruckten Rechtschreibduden aussticht. Nicht jeder interessiert sich für die Etymologie von etiolieren, aber beispielsweise der eine oder andere Sprachenstudent dürfte die Etymologien gern "mitnehmen", wenn er Duden online nutzt. Es ergeben sich interessante Brücken zu anderen Wörtern (hier zu Stoppel) und zu anderen Sprachen.

Ein Manko besteht darin, daß man manchmal Ableitungsreihen geboten bekommt, manchmal wird nur eine Ursprungssprache genannt (z. B. "lateinisch"), manchmal steht gar nichts da – was dann nicht bedeutet, daß die Herkunft unbekannt wäre, denn oft erfährt man auch zur Herkunft ausdrücklich: "unbekannt". Vielleicht werden die Angaben zur Herkunft mit der Zeit vollständiger.

So ganz befriedigend sind auch die Ableitungsreihen nicht. Beispielsweise wäre hier die Fortsetzung interessant gewesen: spätlat. stupula < lateinisch stipula "Halm, Stoppel, Stroh". Dies ist verwandt mit stipes "Pfahl" und weiteren lateinischen Wörtern, mit denen Stipendium und Stipulation zusammenhängen (wobei hier die Bedeutungsentwicklung zwischen lat. stipes "Pfahl", stipula "Halm, Stroh" und lat. stips "Geld, Spende", stipulari "sich ausbedingen" nicht geklärt ist).


Kommentar von Hans-Jürgen Martin, verfaßt am 13.09.2012 um 10.11 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9102

... "je nachdem wie schnell sich die Sprache verändere [...]"

"sich"?

Wir erinnern uns an die scheinheilige Argumentation vor Jahren, eine Sprache verändere "sich" nun mal, dem müsse man doch mit der RSR Rechnung tragen. Tatsächlich aber lief die vermeintliche Getrennt- und Großschreibung im realen Schreibgebrauch in genau die andere Richtung.

Die F.A.Z. hält es nicht für nötig, diesen Blödsinn wenigstens zu kommentieren. Wir können uns denken, warum.


Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 13.09.2012 um 16.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9103

Eine Roßkur hätte der Duden auch bei seiner Kernkompetenz nötig, der Rechtschreibung. Kurioses Beispiel: Ein sehr feines, schmales Metallplättchen kann man auch ein Metallblättchen nennen. Während Duden nun lediglich ein Fallplättchen kennt, ist sich die Schachwelt weitgehend einig, daß es sich um ein Fallblättchen handelt. Siehe Google sowie Wikipedia im Artikel Schachuhr, dort gibt es auch ein Bild einer Schachuhr mit Fallblättchen.


Kommentar von Christian Dörner, verfaßt am 13.09.2012 um 23.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9104

Interessanterweise verschwand exakt am Tage der Urteilsverkündung des Bundesverfassungsgerichts auch der Eintrag ESM (Abkürzung für Europäischer Stabilitätsmechanismus) aus der On-line-Version des Dudens (vermutlich ein Zufall, aber dennoch erwähnenswert).

Bezüglich der Feststellung von Herrn Wrase, daß diese umfangreicher als die gedruckte Fassung des Rechtschreibdudens sei, ist zu ergänzen, daß es sich im Internet um ein Mischprodukt aus Band 1 und dem wesentlich voluminöseren Universalwörterbuch handelt. Des weiteren wurden (wie beispielsweise beim ESM) einige für die Aufnahme in die nächste Auflage des Dudens vorgesehene Neologismen und Einträge ergänzt, welche in den aktuellen Ausgaben von Rechtschreibduden und Universalwörterbuch noch nicht vorhanden sind.


Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 14.09.2012 um 01.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9105

Gestern las ich in der FAZ "Nussnougatcreme", eines jener Wörter, bei denen sich die Wörtberücher vor und nach der Reform um die Beantwortung der Frage nach der "richtigen" Schreibweise herumgedrückt haben und ein aus inhaltlichen Gründen etwas vertracktes Problem dazu.

Wikipedia hat den Eintrag "Nuss-Nougat-Creme", kennt aber auch "Nussnougatcreme", von dem aus auf die Bindestrichvarinate weitergeleitet wird. www.chefkoch.de und andere Rezeptseiten zeigen "Nuss/Nuß-Nougat-", "Nussnougat-/Nußnougat-" und "Nussnougat~/Nußnougat~" (d.h. die Zusammensetzung ohne Bindestrich). Dr. Oetker zieht sich mit "Nuss Nougat" aus der Affäre ("Ausgesuchte Zutaten machen unser Nuss Nougat zu einer begehrten Backzutat..."), aber diese Variante müßte man wohl als Produktnamen klassifizieren.

Nun sind Nüsse unverzichtbarer Bestandteil von Nougat, und das Wort bedeutet ja auch "Nuß", so daß es sich bei "Nußnougat" um einen Fall wie "Maulbeere" handeln könnte. Oder gibt es noch andere Nougatsorten, die nicht als "Nußnougat" bezeichnet werden können?

Bei "Nuß-Nougat-Creme" denkt man hingegen eher an eine Nebenordnung von Nougat und Nüssen, etwa in dem Sinne, daß der Creme vielleicht noch geraspelte Nüsse begemengt sind, aber gerade das ist m.W. bei den gängigen "Nuss-Nougat-Cremes" nicht der Fall... Ziemlich knifflig. Man müßte wohl alle Varianten aufführen.


Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 14.09.2012 um 06.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9106

Wenn ein Stichwort nicht vorhanden ist oder man sich vertippt hat, bietet Duden online ein ähnlich geschriebenes Wort an. Ob das dem Nutzer etwas bringt, ist fraglich. Gerade las ich:

Leider haben wir zu Ihrer Suche nach 'Saudade' keine Treffer gefunden.
Oder meinten Sie: sauladen ?


Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 14.09.2012 um 06.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9107

Das gilt aber doch gleichermaßen für Tippfehler bei Google. Irgendwie muß man Wissen und Intuition in Algorithmen abbilden, aber letztere können erstere nicht ersetzen. Außerdem ist die Google-Technik weitaus besser als die von Duden/Cornelsen.


Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 14.09.2012 um 07.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9108

Nochmals zur "nux"-Creme: Könnte es sein, daß die Bindestrichschreibung auf der Betonung (Nuß-Nóugat-Creme) beruht, analog zu Eltern-Kínd-Beziehung oder Ursache-Wírkung-Prinzip?


Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 14.09.2012 um 11.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9109

Genau: Duden hat viel weniger Stichwortbestand als Google und viel weniger Suchanfragen, vermutlich auch keine intelligenten Algorithmen. Deshalb kommen unsinnige Vorschläge öfter vor als bei Google.


Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 14.09.2012 um 11.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9110

Bei Nuss-Nougat-Creme vs. Nussnougatcreme oder mit Bindestrich Nussnougat-Creme gibt es verschiedene Interpretationsmöglichkeiten und Aspekte. Es ist schon nicht eindeutig, ob es sich bei Nuss-Nougat um ein normales Kompositum handelt (= Nussnougat, Nugat mit hohem Anteil von Nüssen und deutlichem Nußgeschmack) oder ob Nuss und Nougat als zwei separate "Zutaten" präsentiert werden sollen (unabhängig davon, ob sie es tatsächlich sind). Der Hersteller läßt es sich nicht entgehen, diese beiden leckeren "Zutaten" der Creme bzw. die beiden schönen Bestandteile des Wortes gleichrangig abzubilden, und wählt deshalb die Durchkoppelung. Die Betonung unterstützt diese Schreibweise. Die Logik, um welche Zutat(en) es sich handelt, ist nicht immer das entscheidende Kriterium, spielt aber auch eine Rolle. Deshalb gibt es keine eindeutige Lösung.

Das ist aber kein dudenspezifisches Problem. Die allgemeine Frage in bezug auf Lexika ist, welche von mehreren vorhandenen und mehr oder weniger gut begründbaren Varianten ins Wörterbuch kommen sollen und welche man der Übersichtlichkeit halber weglassen sollte. Ein bekanntes Beispiel für dieses Problem ist Art Director.


Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 15.09.2012 um 07.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9111

Sie haben natürlich recht, wenn Sie sagen, es sei kein dudenspezifisches Problem, aber mein Eindruck ist, daß andere Wörterbücher, zumindest solche, die für den Massenmarkt produziert wurden, wie etwa Wahrigs "Deutsches Wörterbuch", vor der "Reform" darauf geachtet haben, nicht in Widerspruch zum Duden zu geraten und deshalb auch dieselben Lücken aufweisen. Das müßte man im einzelnen mal überprüfen.

Was nun die Creme angeht, so ist die Sache ja noch komplizierter, denn Duden gibt und gab die eingedeutsche Version "Nugat" als Hauptvariante an, womit sich anhand der bisher erwähnten Schreibweisen sechs Varianten ergäben. Dann enthielt der Rechtschreibduden auch noch "Krem" als Nebenvariante!

Es kommt außerdem noch die denkbare und semantisch anders zu deutende "Nuß-Nougatcreme" (Nougatcreme mit starkem Nußaroma oder Nußanteilen) hinzu!

Angesichts der vielen Möglichkeiten und unterschiedlichen Begründungen kann einem schon schwindlig werden, und man kann sich vorstellen, daß ein entsprechendes Lemma einigermaßen unübersichtlich geraten wäre. Insofern ist die Lücke verständlich, aber unbefriedigend ist sie doch.

Was letzeres angeht, scheint mir auch ein prinzipieller Denkfehler der Rechtschreibreformer deutlich vor Augen zu treten, die meinten, die Rettung läge in einer Reduzierung der Anzahl der Regeln (nicht einmal das haben sie geschafft). Dies setzt voraus, daß man die Regeln als (generative) Quelle der Schreibung ansieht. Wenn man Regeln hingegen als Versuch zur bestmöglichen Beschreibung der Wirklichkeit betrachtet, dann bedeutet eine Verminderung der Regelzahl v.a. eine Auskunftsverweigerung – Man denke in diesem Zusammenhang etwa an den ersten Bericht der ZK, in dem die neue Dreikonsonantenregelung in überheblichem Stolz als "Nichtregel" bezeichnet wurde, obwohl ein unbedarfter Leser (in Ermangelung eines Stichwortverzeichnisses) im "amtlichen" Regeltext keine Auskunft findet, es sei denn, er arbeitet es von vorne bis hinten durch und lernt es auswendig, was aber angesichts der Kompliziertheit auch nichts nützen dürfte. Insofern liegen die vorreformatorische Duden-Praxis und das Vorgehen der Reformer durchaus auf einer Linie, indem schwierige Fälle ausgeblendet oder vernebelt wurden.


Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 15.09.2012 um 08.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9112

Google beschäftigt ganze Armeen von KI-Experten und Computerlinguisten, während bei der Duden-Suche wohl nur primitive Algorithmen zu arbeiten scheinen, die auf String-Abgleichungen und (wenn überhaupt) Häufigkeitsstatistiken beruhen.


Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 15.09.2012 um 15.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9113

Dann ist die Nußnougatcreme vielleicht das beste Beispiel für theoretisch mögliche Varianten.

Wir haben:
4 Bindestrich-Möglichkeiten (zwei, nur hinten, nur vorne, keiner)
2 Möglichkeiten bei Nuß, Nuss
2 Möglichkeiten bei Nougat, Nugat
2 Möglichkeiten bei Creme, Krem

Das ergibt 32 Varianten.


Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 15.09.2012 um 16.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9114

Apropos theoretisch: zusammen mit Kreme kommt man sogar auf 48 Varianten.


Kommentar von Friedhelm Klein, verfaßt am 15.09.2012 um 16.54 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9115

Was für ein Faß wird hier wegen des leckeren Brotaufstrichs aufgemacht! Natürlich läßt sich anhand der Anzahl von Schreibvarianten der Niedergang der Rechtschreibsicherheit unserer Muttersprache aufzeigen, nur wird - wie so oft - übersehen, daß Geschriebenes meistens dem Lesen dient und kaum einer von uns im Alltag diesem Begriff selbst schreibt.

Übrigens steht auf dem Einkaufszettel meiner Frau "Nutella", auch wenn das Glas vom Discounter stammt.

Mein Vorschlag: Die Lesesicheren schreiben "Nußnougatcreme", die Wackeligen "Nuss-Nougat-Creme" und die Werbefuzzis "nut nougat cream". "NNC" -Yo, man!


Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 15.09.2012 um 22.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9116

Nachem Herr Metz Kreme beigesteuert hat, revanchiere ich mich mit Crème. Macht 64 Varianten. Wer bietet mehr?


Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 16.09.2012 um 00.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9117

Wie wär's damit?

http://www.suess-versand.de/en/Chocolate/I-love-Milka-Nuss-Nougat-Cream.html


Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 16.09.2012 um 06.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9118

Im Moment findet man bei Duden online Tampen nur über die Browser-Eingabe www.duden.de/rechtschreibung/Tampen. Dieses wichtige Wort aus der Seemannssprache ist bestimmt nicht zur Tilgung vorgesehen. Eskamoteur war zwischenzeitlich direkt mit dem Suchfeld auffindbar und ist jetzt wieder nur über die Browser-Zeile zu erreichen. Das vorübergehende Versagen der Suchfunktion ist merkwürdig. Vielleicht spinnt die Software?

(Ich finde keinen Original-Eintrag zum Thema Duden online, sonst hätte ich diesbezügliche Kommentare dort untergebracht.)


Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 16.09.2012 um 07.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9119

Anlaß zum Öffnen des Fasses war für mich Herrn Wrases (berechtigte ) Forderung nach einer Roßkur des Rechtschreibdudens, und die war schon vor der Reform überfällig. Mir kamen schon die letzten unreformierten Duden-1-Ausgaben unzeitgemäß vor, irgendwie altbacken und nicht in Übereinstimmung mit meiner Lese-Erfahrung. Nur um ein paar bekannte oder weniger bekannte Beispiele zu nennen: "zuguterletzt" wurde nicht akzeptiert, obwohl doch nur noch Burgenforscher und Mediävisten wissen dürften, was eine Letzt ist; "Grislybären" gab es in freier Wildbahn (d.h. in realen Texten) so gut wie nie; "Büro" wird meist als ein Paradebeispiel für Fremdwortintegration genannt, aber daß es daneben auch "Bureau" (Schreibmöbel, Schreibschrank) gibt, kann jeder Antiquitätenhändler bestätigen (oder ist das zu fachsprachlich für Duden 1?); die Darstellung der Fremdwortintegration bzw. -desintegration war m.E. generell unrealistisch usw.

Nun läßt sich aber leicht meckern, und deswegen ist das Beispiel "Nußnougatcreme" ganz aufschlußreich. Soll das Lemma überhaupt aufgenommen werden? Die Kniffligkeit des Falls spricht dafür, aber dann muß eine Redaktion sich fragen, ob sie wirklich alle Möglichkeiten nennt, und dagegen spricht wiederum der begrenzte Umfang eines einbändigen Wörterbuches, denn es ist ja nur ein Beispiel von vielen. Man könnte also eine Auswahl aufführen und, in der Tradition Konrad Dudens, im Vorwort festhalten, daß die im Wörterbuch enthaltenen Schreibweisen nicht die einzigen richtigen sind, sondern daß man damit sozusagen immer auf der richtigen Seite ist – der West-Duden hat diesen Aspekt im Laufe der Zeit immer mehr verschleiert. Außerdem darf man ja die deutsche Mentalität nicht vergessen, den Genuß, mit dem sprachliche Kleingärtner und Blockwarte ihre Mitmenschen piesacken (vgl. auch Bastian Sick). Betreten verboten, Vorschrift ist Vorschrift, Duden ist Duden usw. Dem könnte man durch den Verweis auf entsprechend flexibel gefaßte Regeln vielleicht einen Riegel vorschieben, aber wer liest schon Regeln? Außerdem hatte der Duden es ja übernommen, seine eigenen Richtlinien für die Anwender auszulegen, und nur so kam es zum vielzitierten Unsinn, nur "radfahren" und nur "Auto fahren" zuzulassen, obwohl die Regelformulierung auch "Rad fahren" und "autofahren" ermöglicht.

Die Reform hat hier so gut wie nichts verbessert, dafür aber der Duden-Redaktion die Einführung gänzlich neuer Schikanen ermöglicht: "muh/Muh[empfohlen] machen", aber nur "miau machen"; "Ja und Amen[empfohlen]/ja und amen sagen", aber nur "hosianna rufen" usw. Man will ja unentbehrlich bleiben ...

Hinzu kommen dann noch Probleme der Disambiguierung, die beispielsweise im aktuellen amtlichen Wörtverzeichnis (übrigens auch in schlechter Duden-Tradition) recht prinzipienlos durchgeführt ist.

Der langen Rede kurzer Sinn: Die Forderung nach einer Roßkur ist berechtigt, aber das Beispiel des Brotaufstrichs zeigt, wie schwierig sie sein könnte.


Kommentar von Friedhelm Klein, verfaßt am 16.09.2012 um 13.18 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9120

Eine "Letzt" ist ein Abschiedsessen – die Wendung kann also nur "zu guter Letzt" heißen; m.E. ist sie nicht so populär, um sich wie "zugrunde" oder "zupaß" als Umstandswort verselbständigen zu können.

"Grizzlybären" kennt jeder, die Variante "Grisly" (eh ein Sprachmischmasch, konsequent wäre "Grisli") ist überflüssig.

Und die Kuh? Die Frage ist nicht: WAS macht die Kuh, sondern WIE? Sie macht muh!

Obwohl – der Bauer weiß: Eine Kuh macht muh, viele Kühe machen Mühe...


Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 17.09.2012 um 07.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9123

Eine "Letzt" ist nicht nur ein Abschiedsessen, aber dieses scheint in der Tat dem Ausdruck zugrundezuliegen (also nicht die Letzt der mittelalterlichen Burg). Aber was ist mit "zuletzt"? Vgl. das DWB (s.v. zuletzt):
"nur zu guter letzt hat sich gehalten, wird aber heute nicht mehr als 'zum abschied', sondern einfach als steigerung von zuletzt empfunden. man vergleiche: über der thür aber lieszen sie sich selbst von der rückseite darstellen, wie sie zu guterletzt, die hüte unter dem arm, würdevoll bei einem markstein über die grenze der herrschaft schreiten G. Keller 6, 163, und: zu guterletzt wurde er auch noch von einer jungen dame, um deren hand er anhielt, abgewiesen W. v. Polenz Grabenhäger 2, 143. umgekehrt hat auch einmal zuletzt die bedeutung von zur letze"

Den "Grislibär" hat die Reform übrigens eingeführt, obwohl m.E., wenn schon, "Grisslibär" konsequent gewesen wäre, denn -ly/-li ist ein Suffix.

Zum Duden-Scherz "muh/Muh machen" noch folgendes: Auch "wau" soll es nach Duden 1 (2006) nur klein geschrieben geben (dürfen). Vielleicht spielt die Größe des Tieres eine Rolle ...

Man stößt immer mal wieder auf ein interessantes stilistisches, grammatisches oder orthographisches (in meinem Fall auch typographisches) Problem. Wenn man dann im Duden (oder Wahrig) nachschaut, fand und findet man dazu manchmal gar nichts oder etwas, das der Lese-Erfahrung widerspricht. Um einfach mal ein weiteres Beispiel zu nennen: Eine von mir wegen ihrer klaren Sprache sehr geschätzte Althistorikerin schreibt "von staatswegen", was sowohl vor als auch nach der Reform als "falsch" gilt. Warum denn eigentlich? Ist das irritierend für Leser? Mir ist die Abweichung von der Duden-Norm erst kürzlich aufgefallen, und siehe da: das DWB enthält unter "Staat" und "wegen" tatsächlich Belege für "von staatswegen". Die Frage ist eben, was ein wirklich modernes Rechtschreibwörterbuch enthalten soll und wo die Grenzen zwischen Orthographie, Graphostilistik und Typographie gezogen werden sollen bzw. aus pragmatischen Gründen (z.B. Schulnoten) gezogen werden müssen.
Was den Brotaufstrich angeht, decken Prof. Icklers "Hauptregeln" übrigens alle unten diskutierten Fälle ab, und sein Bindestrichkapitel betrachte ich als ein absolutes Glanzstück der "Normalen deutschen Rechtschreibung". Doch ein kommerzielles Produkt, das den Nachschlagenden entgegenkommt, benötigt ganz einfach mehr Einträge, ganz egal ob es in gedruckter oder digitaler Form vorliegt.


Kommentar von Germanist, verfaßt am 17.09.2012 um 11.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9124

grisly bedeutet gräßlich, schrecklich, umgangssprachig grauslich;
grizzly bedeutet grauhaarig; grizzly bear bedeutet Graubär.

Man merkt immer wieder, daß im Deutschen ein Buchstabe für das stimmhafte [s] fehlt. Er würde auch das Fremdsprachen-Lernen sehr erleichtern.


Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 17.09.2012 um 17.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9125

#9123: "Eine von mir wegen ihrer klaren Sprache sehr geschätzte Althistorikerin schreibt "von staatswegen", was sowohl vor als auch nach der Reform als "falsch" gilt. Warum denn eigentlich?" — Warum? Weil der Duden nicht als Ratgeber, sondern als Regler verstanden wurde und wird. Letzteres ist durchaus auch Teil seiner Geschichte (einheitliche Schreibung im deutschen Sprachraum); aber wenn Leute es kleingeistig übertreiben, dann bekommt man eben Vorschriften wie die von den kultusministerlichen Rechtschreibreformlern und neue roßkurierte Dudenauflagen in sogar weniger als "alle drei bis fünf Jahre" für niemanden als die armen Schullehrer. Ob ich "statt dessen" oder "stattdessen" schreibe, dazu brauche ich keine Vorschrift als Hilfe. Und selbst wenn jemand "zu guter Letzt" schreibt, sage ich nicht, das ist falsch, sondern "Mann, kennt der seine Sprachgeschichte noch sehr gut!" Und wenn wer "sodaß" schreibt, denke ich mir, wie anders das doch ist als das "dergestalt, daß" in *Michael Kohlhaas*, aber weiter verschwende ich keine Gedanken darum, nicht mal den, daß mein Gedanke hierzu doch nicht ganz passend ist.

"Man merkt immer wieder, daß im Deutschen ein Buchstabe für das stimmhafte [s] fehlt. Er würde auch das Fremdsprachen-Lernen sehr erleichtern." (#9124) Ich glaube das nicht. Es würde nur die Schreibung phonetischer machen und so vielleicht bei Schuldiktaten zu besserer Note verhelfen, aber es ist nicht im geringsten Garantie für besseres Verständnis und bessere Handhabe des Deutschen. Ums Phonemische kommen wir bei der Schreibung sowieso nicht herum. Natürlich fühle auch ich eine gewissen Dankbarkeit, daß es im Deutschen nach der Erfindung des Buchdrucks keine großen Lautverschiebungen mehr gab, jedenfalls nicht so große wie im Englischen. Aber solange meine Austauschstudenten in München ein Salvator mit ihrem stimmhaften "s" bekommen, obwohl die Leute da in ihrem Dialekt gar kein solches haben, ist alles auch ohne einen weiteren Buchstaben in unserm Alphabet ganz akzeptabel.


Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 17.09.2012 um 19.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9126

Das herkömmliche z bräuchten wir ja nicht unbedingt, dann wäre es frei für das stimmhafte s: Tseizig.
Genauso könnte man das x für das ch verwenden: Heksenküxe.


Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 17.09.2012 um 20.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9128

Wieso fehlt der Buchstabe für das stimmhafte s? ſ gibt es doch.


Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 18.09.2012 um 07.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9130

Zu Herrn Ludwig:

Wir sind uns ja einig, denn auch ich finde "zu guter Letzt" nicht falsch. Falsch finde ich, daß "zuguterletzt" nicht "zugelassen" ist. Auch an "stattdessen" und "sodaß" störe ich mich nicht – das ist alles hinreichend belegbar und sollte eigentlich unproblematisch sein. Hingegen stolpere ich manchmal über "zurecht", wenn "zu Recht" gemeint ist, aber die Verwechslung ist so häufig, daß man sie wohl hinnehmen muß.

Die Regelungswut des Dudens und erst recht der Reformer und ihren "Reinlichkeitswahn" hat Christian Stetter übrigens schon 1991 mit schönen Beispielen in einem Aufsatz kommentiert: Was ist eine orthographische Regel? In: Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie 44 (1991), S. 40–67.

Letztendlich geht es um die Einstellung zur Orthographie, und hier sind die Lehrer wohl das größte Problem. Wie oft habe ich aus Lehrermund gehört: "Mich interessiert nicht, was sinnvoll ist. Ich will wissen, was ich als falsch zu bewerten habe"! Und weil einem die Lehrer in der Schule beibringen, daß es (nicht nur in der Orthographie, siehe Sick) nur richtig und falsch gibt, womit ja nicht zuletzt die eigene Bequemlichkeit Teil des Curriculums wird, glauben viele auch nach der Schulzeit, es gäbe immer eine eindeutige Lösung, die man irgendwo nachschlagen könne. Wo schlägt man nach? Natürlich im Duden! Und wenn dort etwas anderes steht, als das, was der sprachlichen Intuition entspricht, dann gibt man eher sich selbst die Schuld, denn die Autorität wird es wohl besser wissen.

Die Reformer glaubten wohl, das Problem lösen zu können, indem sie für jedes noch so marginale Problem eine Regel formulierten, aus der sich die "richtige" Schreibweise ableiten ließe, ohne zu bedenken, daß sie damit die Angelegenheit noch komplizierter machten, denn wer kann sich schon all die Regeln merken? Für viele Lehrer war dieser Ansatz hingegen attraktiv, denn es bestand die Aussicht, die Schülerleistungen anhand der erfolgreichen Regelanwendung zu messen, ähnlich wie im Mathematikunterricht. Aber daraus ist ja bekanntlich nichts geworden.

Es ist wohl alles eine Erziehungssache (auch der Lehrer), und einen entspannteren Umgang mit Fragen, die außerhalb des Kernbereichs liegen (vgl. den Aufsatz von Stetter), wie sie etwa für das Englische mit dem "Chicago Manual of Style", d.h. als Empfehlungen, vorliegen, wird man auf absehbare Zeit wohl nicht erwarten dürfen, zumal mit der Reform endgültig die Spießer und Kleingeister das Kommando übernommen zu haben scheinen (Wie hält Prof. Eisenberg das eigentlich im RfdR aus?).


Kommentar von Germanist, verfaßt am 18.09.2012 um 09.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9131

Ich glaube, daß Mathematik ab der Sekundarstufe (ab Klasse 5) das einzige Schulfach ist, in dem kreative Lösungswege erlaubt sind, wenn das Ergebnis stimmt (außer Abschreiben). Nur in der Baustatik sind die Berechnungsmethoden vorgeschrieben, damit sie prüfbar sind.


Kommentar von Friedhelm Klein, verfaßt am 18.09.2012 um 19.33 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9132

An Herrn Riemer:

"Tseizig" und "Heksenküxe" waren hoffentlich ironisch gemeint? Nicht, daß demnächst unendlich viele launige Vorschläge für witzige Andersschreibungen irgendwelcher Wörter zu lesen sind – die Nußnougatcreme war schon sehr ergiebig.

Wage mal zu fragen: Wem nützten andere Lautzuordnungen für s, ß, x und z? Uns Muttersprachlern wohl kaum. Jedenfalls bin ich nie von einem mir unbekannten deutschen Wort überfallen worden, so daß ich dagestanden und nicht gewußt hätte, wie man es ausspricht.

Und Fremdsprachen? Wessen Orthographie wollen Sie verbesseren?


Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 19.09.2012 um 11.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9133

Ja, klar, ich wollte damit sagen, so schön es wäre, wenn wir ein Zeichen für das stimmhafte s hätten, und auch weitere "Verbesserungen" wären denkbar, aber sie würden unser gewohntes Schriftbild sehr verändern, sind also nicht realisierbar.


Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 24.09.2012 um 09.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9134

Noch eine Beobachtung zu Vor- und Nachteilen von Duden online. Dort scheinen durchweg Angaben zur regionalen und stilistischen Verwendung zu fehlen. Im gedruckten Duden findet man etwa:

Graffel bayr., österr. ugs. für Gerümpel
Grammel bayr., österr. für Griebe
Grand nordd. für Kies
Grand bayr. für Wasserbehälter

Die oben kursiv zitierten Angaben fehlen bei Duden online. Das ist ein bedeutender Vorteil für die gedruckte Version. Im Duden kommen viele tausend Regionalismen vor, und man möchte doch erfahren, ob ein Wort im ganzen Sprachgebiet verbreitet ist oder nur in einem Dialektgebiet.


Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 07.10.2012 um 16.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9138

Duden und Duden online behaupten, daß Herculaneum auf dem a betont werde. Es müßte zumindest die in Deutschland meines Erachtens übliche Betonung auf dem e mit angegeben werden. (Ich habe im Internet drei professionelle Sprecher angehört, keiner betont so wie im Duden angegeben, alle betonen das e).

Die Betonung auf a mag einleuchten, wenn man die Variante Herculanum (siehe Duden) und eine Ableitung aus italienisch Ercolano in Betracht zieht. Andererseits wurde die Stadt als griechisches Herakleion gegründet. Das würden wir heute auf ei betonen (auch wenn die Griechen die Betonung auf dem a gewählt hätten). Aber das spielt alles keine Rolle. Entscheidend ist: Wie sieht die Betonung heute im Deutschen aus? Mich würde interessieren, welche Betonung bei Herculaneum die anderen Leser kennen.


Kommentar von R. M., verfaßt am 07.10.2012 um 17.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9139

Gemäß der Duden-Praxis, von zwei Varianten möglichst die schlechtere zu empfehlen, sollte in der Tat die unterschlagene Betonungsvariante nicht nur mit angegeben, sondern auch noch gelb markiert werden.


Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 07.10.2012 um 19.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9140

Wieso schlechter? Bei meiner Recherche unter professionellen Sprechern steht es inzwischen 5:1 für die Betonung auf e.

Beispiel:
www.veoh.com/watch/v15523708KDkTx24A?h1=Die+letzten+Tage+von+Herkulaneum
(zu hören unter anderem bei 0:34 und 0:51)


Kommentar von R. M., verfaßt am 07.10.2012 um 22.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9141

Das mag sein und ist ein schönes Beispiel dafür, daß in Wörterbüchern selten nachgeschlagen wird, aber unter professionellen Latinisten und Althistorikern dürfte das Ergebnis andersherum ausfallen.


Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 08.10.2012 um 03.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9142

R. M. hat recht.

Endlich habe ich eine Person vom Fach im Internet gefunden, eine Koryphäe: Prof. Dr. Friederike Fless, Präsidentin des Deutschen Archäologischen Instituts, bei der diesjährigen Präsentation des Jahresberichts ihrer Institution – ein interessanter Querschnitt durch die Projekte heutiger Archäologen. Sie betont Herculaneum auf dem a (zu hören bei 31:47).

www.archaeologie-online.de/mediathek/videos/jahresbericht-des-deutschen-archaeologischen-instituts-2012-23238

Merkwürdig, daß die korrekte Aussprache im Volk keine Chance hat; aber auch kein Wunder, wenn nicht einmal die Sprecher im Fernsehen oder im Radio Bescheid wissen. Eigentlich müßte doch irgendwann eine Liste von solchen Wörtern und Namen mit zweifelhafter Aussprache entstanden sein, die bei der Ausbildung der Sprecher standardmäßig durchgegangen wird.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.10.2012 um 06.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9143

Was heißt "korrekt"? Im Deutschen betont man die letzte schwere Silbe, das ist hier ne – jedenfalls wenn man die "Gespanntheit" als wesentlich ansieht, sonst müßte es als Murmelvokal gesprochen werden. Das a wäre auf die Dauer nur Betonungsträger, wenn man das e zum Halbvokal herabdrückte, also etwa Herkulanjum ausspräche.

Der Grundsatz, fremdsprachiges Material stets so wie in der Herkunftssprache zu sprechen (und zu schreiben), stößt bald an seine Grenzen. Um ein gewisses Maß an Integration kommt man nicht herum, auch wenn, wie wir schon oft erörtert haben, heutzutage nicht mehr so umstandslos eingedeutscht wird wie früher.

Gerade lese ich in deutschen Zeitungen, der Nobelpreisanwärter Ngugi wa Thiong'o schreibe in seiner Muttersprache Gikuyu. Das ist eine jener beflissenen, aber keineswegs gelungenen Anpassungen an die Eigenbezeichnung. Jeder kennt das Sprachen-Präfix ki- der Bantusprachen, und es gibt keinen Grund, dies nun plötzlich so zu verfremden. Als ich vor längerer Zeit Ngugi wa Thiong'o las, war davon auch noch gar nichts zu sehen. Es gehört wohl ins Kapitel Politische Superkorrektheit.


Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 08.10.2012 um 11.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9144

Ein hilfreicher Duden-Eintrag, der sich an der Sprachwirklichkeit orientiert, müßte wohl lauten:

Herculaneum, auch (fachsprachlich) Herculaneum

Mit "korrekt" meinte ich in diesem Fall die bei Fachleuten übliche Aussprache, nach der sich professionelle Sprecher wohl richten würden, wenn sie ihnen bekannt wäre. Ansonsten ist für mich die Üblichkeit der Maßstab der Richtigkeit. Deshalb wäre ein solcher Wörterbucheintrag, der den Leser informiert und ihm dann die Entscheidung überläßt, viel besser als das Unterschlagen einer hier oder dort üblichen Variante – und viel besser als die verfälschenden, willkürlichen, manipulierenden gelben Dudenempfehlungen.

Das Argument mit "schweren" oder "gespannten" Silben kann ich nicht nachvollziehen, weil wir als Sprecher davon nichts wissen. Wir ahmen nach, was wir hören, und/oder wir machen uns einen Reim auf das Buchstabenbild im Text. Kürzlich hörte ich im Fernsehen jemand aus dem Volk Remis sagen ("unentschieden") – mit s-Laut am Ende. Die Frau hatte das Wort offenbar gelesen, aber zu selten oder nie gehört.

Der Anblick von Herculaneum erinnert den Leser überwiegend an Museum, Lyzeum, Kolosseum und anderes. Dieses Betonungsmuster überwiegt einfach. Außerdem wird hier möglicherweise ein Muster Eigenname + Endung eum oder äum gefühlt, vgl. Athenäum. Ansonsten würden wir als Sprecher auch die andere Betonung realisieren können und wollen, wenn wir sie so hören würden, vgl. Bandoneon oder Elysium (Wörter mit ...eum fallen mir gerade keine ein). Daß dabei der vorletzte Vokal zu einem Halbvokal oder Murmelvokal reduziert wird, ist kein Hinderungsgrund.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.10.2012 um 12.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9145

Mustern folgen wir ständig, auch wenn wir nichts von ihnen "wissen".

Bei der "Fachsprachlichkeit" müssen wir uns vorsehen, daß wir nicht in Augstscher Manier (Wortfamilienwörterbuch) einfach bildungssprachliche oder durch schlichte Fremdsprachenkenntnis motivierte Varianten gleich den "Fachleuten" zuweisen. Ohne sprachsoziologische Ermittlungen geht das schief, und deshalb habe ich auch in meinem Wörterbuch darauf verzichtet, solche Zuordnungen vorzunehmen, und lieber die Varianten einfach nebeneinandergestellt. (Nicht jeder hat das gebilligt.)

Ein gutes Beispiel ist das Genus von Zölibat u. ä. Wer würde sich anmaßen, hier Zuweisungen zu Sprechergruppen vorzunehmen (die ja immer auch Stigmatisierungen wären)? Ich nehme alles hin, wie es kommt.


Kommentar von Germanist, verfaßt am 08.10.2012 um 16.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9146

Wir sind selber schuld an unseren Ausspracheproblemen, solange wir für nicht-normale Aussprachen und Betonungen kein Trema und keine Akzente verwenden. Es ist kein Mitleid angebracht, weil es Vorbilder gibt.

Wie soll man slawische Wörter und Namen eindeutschen, wenn dort das c auch vor dunklen Vokalen als [ts] gesprochen wird?

Wenn man beim Eindeutschen von serbokroatischen Wörtern den accent aigu über dem c einfach wegläßt, müßte man ausspracherichtig tj oder t' schreiben.


Kommentar von R. M., verfaßt am 08.10.2012 um 16.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9147

Solche Angaben (fachsprachl. usw.) können ja immer nur Annäherungen sein (im vorliegenden Fall wäre sie ziemlich genau), ebenso wie österr. u. dgl. – was für Wien stimmt, muß auf Bregenz noch lange nicht zutreffen.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.10.2012 um 04.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9148

Man darf auch nie vergessen, welche Rolle die Vorkommenshäufigkeit spielt (darauf hat Witold Manzcak besonders nachdrücklich hingewiesen – als Kritik am strukturalistischen Systemgedanken). Wenn man ein Wort nur alle drei Jahre mal irgendwo liest, wird es gar nicht erst dazu kommen, daß die einheimischen Betonungsregeln (oder andere Integrationsmechanismen) darauf angewandt werden.


Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 16.10.2012 um 03.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9153

Während der gedruckte Duden bei Mineraliennamen auf -it angibt, das Suffix sei mit langem i auszusprechen, gibt Duden online mit dem Kommentar auch eine zweite Aussprache mit kurzem i an (die wohl die üblichere ist). Beispiele: Grafit, Wolframit, Sphalerit. Manchmal ist auch in Duden online nur die Aussprache mit langem i angegeben, z. B. bei Ophit. Manchmal ist keine Aussprache angegeben, so bei Dravit. Das scheint ein Übergangsstadium zu sein. Vermutlich sollen irgendwann die beiden Aussprachevarianten überall dabeistehen (wobei die Voranstellung der üblicheren Aussprache natürlich sinnvoller wäre).

Schon jetzt ist Duden online in diesem Punkt besser als der Print-Duden. Das ist kein unbedeutendes Detail, denn es gibt Tausende von solchen Mineralienbezeichnungen, siehe de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Minerale. In Duden online sind immerhin einige Dutzend vertreten.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.10.2012 um 05.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9154

Wikipedia weiß bemerkenswerterweise nichts von Grafit, und auch Google unterringelt diese reformierte Schreibweise. Kurios war ja auch, daß Augst in seinem Wortfamilienwörterbuch Graphit als Neutrum verzeichnet, einfach deshalb, weil er es aus dem "Handwörterbuch" so abgeschrieben hat. (Augst ist nie vor ein Plagiariatstribunal gezerrt worden, obwohl er es verdient hätte.)


Kommentar von Germanist, verfaßt am 16.10.2012 um 13.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9155

Die Frage ist, ob es zu -it-Wörtern Pluralformen gibt oder ob es Stoffbezeichnungen als Singularetantum sind. Die Mehrzahlprobe würde ein einzelnes t und langes i ergeben.


Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 16.10.2012 um 15.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9156

Diese Pluralprobe ist bestimmt nicht für die Aussprache ausschlaggebend.


Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 17.10.2012 um 13.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9157

Wenn ich in der Dudenredaktion säße, würde ich dafür plädieren, Citroën zu verzeichnen, denn sowohl die Schreibung als auch die Aussprache sind relevant. Man müßte den Namen ja nicht als Automobilmarke darstellen und könnte stattdessen angeben: (franz. Automobilkonstrukteur).


Kommentar von R. M., verfaßt am 17.10.2012 um 15.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9158

Zitrön, das wär schön. – Die gängigen Automarken gehören im Grunde alle in Wörterbücher, weil sie als Wörter gebraucht werden, mein Ford usw. Wir hatten das Thema schon einmal. Der Einwand, daß man dann ja auch alle möglichen anderen Markennamen verzeichnen müsse, ist im Prinzip zwar richtig, aber eben auch nur im Prinzip, denn wann sagt schon mal jemand mein Bauknecht zu seinem Kühlschrank? Automobile sind keine Ware wie jede andere.


Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 24.10.2012 um 21.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9174

Bei Duden online kann man sehen, welches die 100 meistgelesenen Artikel sind. Die ersten zehn Begriffe werden direkt angezeigt:

1 Vati
2 deutsch
3 des Weiteren
4 soziokulturell
5 zum einen … zum anderen
6 sodass
7 unter anderem
8 selbstständig
9 Zuhause
10 kennenlernen

Die meisten der mit den 100 Begriffen zusammenhängenden Schreibweisen sind durch die Rechtschreibreform problematischer geworden als zuvor, das ist interessant und einleuchtend. Ich verstehe allerdings nicht, warum Vati auftaucht, und das an erster Stelle. Kann jemand das erklären?


Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 24.10.2012 um 23.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9176

Im Moment wird ja darüber diskutiert, ob Steinbrück das Zeug zum Vati hat. Ich kann mir aber kaum vorstellen, daß die Leute deswegen massenhaft bei Duden online nachschlagen. Ist »Vati« orthographisch überdurchschnittlich interessant?


Kommentar von Argonaftis, verfaßt am 25.10.2012 um 13.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9180

Ich habe mal in einem alten Duden, 14. Auflage 1957, nachgesehen. Zu BMW, Daimler, Mercedes und VW enthält er Einträge.
Gebe ich bei Duden online Toyota ein, werde ich gefragt: meinten Sie robota?
Das ist ja schon fast unlauterer Wettbewerb.


Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 09.11.2012 um 09.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9197

Wie schwer sich der Duden mit der Aktualisierung der Stichwortauswahl tut, zeigt das kuriose Beispiel Tyras. Man erfährt, daß es sich um einen Hundenamen handelt. Die Ehre, im Duden zu erscheinen, haben sonst nur noch die Hundenamen Bello und Karo.

Warum Tyras? Der Hunde-Fan Fürst Bismarck hatte mehrere Doggen, darunter zwei mit dem Namen Tyras, die sogar eine gewisse individuelle Bedeutung erlangt haben, wie man im Wikipedia-Artikel Reichshund nachlesen kann: Tyras I zerriß beim Berliner Kongreß (1878) dem russischen Außenminister die Hose, und Tyras II war auf dem Leipziger Bismarck-Denkmal bis zu dessen Demontage in Bronze zu bewundern.

Die Erläuterung, daß es sich bei Tyras somit um den Namen zweier Hunde des Reichskanzlers Bismarck handelt, verkneift sich der Duden. Entweder weil er sich nicht den Anschein geben möchte, reichsdeutsches Wort- und Namengut zu bevorzugen, oder weil die historische Erläuterung die Überholtheit des Eintrags greifbar gemacht hätte. In jedem Fall hat der Eintrag Tyras seinen Sinn verloren und sollte in dieser Form ("ein Hundename") getilgt werden. Es gibt schließlich noch mehr berühmte Hunde – oder allgemein Tiere. Wie wäre es mit Knut ("ein Eisbärname")?


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.11.2012 um 10.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9198

Oder Rico. Dieser Köter ist zwar schon vier Jahre tot, und de mortuis ... Aber ich konnte ihn schon zu Lebzeiten nicht leiden:
www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401

Nur der Papagei Alex war mir noch unangenehmer.


Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 09.11.2012 um 12.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9200

Wenn wir schon bei Knut sind, hier noch ein Beleg für mangelhafte Angaben verschiedenster Art im Duden.

Zwar nicht im gedruckten Rechtschreibduden, aber bei Duden online gibt es einen Knut, Plural Knute, und als Variante: Kanut, Plural Kanute. Das soll ein "isländischer Strandläufer (eine Schnepfenart)" sein, die Herkunft der Bezeichnung ist angeblich "lateinisch".

Laut Wikipedia ist das alles falsch oder zumindest irreführend. Dort schreibt man das Tier Knutt, Plural Knutts. Von einer zweisilbigen Variante erfährt man dort nichts (außer beim wissenschaftlichen Namen Calidris canutus), eine solche scheint also keine Rolle zu spielen. Der Knutt "wurde nach dem dänischen König Knut dem Großen benannt". Und anstelle von "isländisch" heißt es: "Der Knutt brütet überwiegend in Grönland, Kanada, Alaska und Sibirien in der Tundra. Er ist ein extremer Langstreckenzieher und macht im Frühjahr und im Herbst am Wattenmeer an der Nordseeküste Zwischenstation. Sein Überwinterungsgebiet liegt in Süd-West-Afrika."

Offenbar greift Duden der Einfachheit halber eine von sechs Unterarten heraus: Calidris canutus islandica. Aber auch diese ist nicht einfach "isländisch" (Duden), sondern "brütet in Nordgrönland und fliegt, mit einem Stopp in Island und möglicherweise auch in Norwegen, nach Großbritannien und Nordwesteuropa, wo diese Art im Wattenmeer auf den weiträumigen Schlammflächen überwintert" (Wikipedia).

Immerhin, die Angabe "Strandläufer" stimmt im Duden. Die Angabe "Schnepfenart" ist aber schon wieder schief, weil die Gattung der Strandläufer zwar zur Familie der sogenannten Schnepfenvögel gehört, aber nicht zur Gattung der (Eigentlichen) Schnepfen, neben der sie als gleichrangiges Schwestertaxon steht.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.11.2012 um 17.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9201

Der Knutt selbst ist mir als ständigem Gast auf Juist bestens bekannt, aber seinen Namen habe ich noch nie in einem Text unterbringen können – bis vor einigen Wochen in einem der aus dem Koreanischen übersetzten Gedichte, auf die ihr alle so gespannt seid.
Zuerst hatte ich Hemmungen, diesen nordischen Vogel im Watt von Korea herumstochern zu lassen, aber dann habe ich mich anhand desselben Wiki-Artikels beruhigen lassen, den Herr Wrase nun heranzieht. So ein Zufall!


Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 09.11.2012 um 18.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9202

Eine Familie der Watvögel sind die Schnepfenvögel (Scolopacidae).
Eine Unterfamilie der Schnepfenvögel sind die Strandläufer (Calidridinae), zu denen neben anderen Arten auch der Knutt gehört (engl. Knot).
Ebenfalls zu den Schnepfenvögeln gehören die Waldschnepfen (Scolopacinae), die Bekassinen und Schlammläufer (Gallinagininae), die Wasserläufer mit Verwandten (Tringinae), die Steinwälzer (Arenariinae) und die Wassertreter (Phalaropodinae).


Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 10.11.2012 um 01.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9203

Eine flüchtige Internet-Suche ergibt eine Vielfalt von Bezeichnungen für den fraglichen Vogel: Knutt, Knut, Kanut, Knot; engl. (Red) Knot, ndl. Kanoet.

Ferner: Isländischer Strandläufer, Roststrandläufer oder Kanutsvogel (Meyers 1909, Brockhaus 1911), Felsen-Strandläufer, Kanut-Strandläufer.

Eine Unterart von Calidris canutus ist nach Linné C. c. islandica.

All das ist nicht einmal erschöpfend.

Ein schönes Bild des Vogels unter der Bezeichnung „Calidris canutus - Knut - Isländischer Strandläufer“ ist zu finden in NAUMANN, NATURGESCHICHTE DER VÖGEL MITTELEUROPAS: Band VIII, Tafel 20 - Gera, 1902 (http://www.biologie.uni-hamburg.de/b-online/birds/1617_87.htm).

Die deutsche Wikipedia gibt keine Quelle für ihre Behauptung an, daß der Knutt nach Knut dem Großen benannt sei. Nach der englischen Wikipedia wird der Name auch lautmalerisch auf einen Ruf des Vogels zurückgeführt.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.11.2012 um 04.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9204

Der Hinweis auf den lautnachahmenden Charakter des Namens ist interessant, weil die Sprachwissenschaft sich schon lange dafür interessiert, wie Naturlaute von den einzelnen Sprachgemeinschaften wahrgenommen werden, nämlich sehr verschieden und teilweise abhängig von der jeweiligen Sprache. Bekannt sind ja die Imitationen des Hahnenschreis und des Schweinegrunzens, wo man sich als naiver Mensch ja an den Kopf greift angesichts der total verkehrten Wahrnehmung der Engländer usw. ...
Mir geht es leider bei Vogelbestimmungsbüchern immer so, daß ich die angegebenen Vogelrufe in der Wirklichkeit nicht wiedererkenne. Gerettet haben mich die schönen Tonaufnahmen, heute auf CD, die fast jedem dieser Bücher inzwischen beigelegt sind. "Knutt" als Ruf dieses Vogels kommt mir wirklich abwegig vor, aber das besagt unter den genannten Umständen nicht viel, es wäre nicht unwahrscheinlicher als die Herleitung vom König Knut.


Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 10.11.2012 um 09.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9205

Das Thema ist, ob der Duden eine Roßkur nötig hätte, etwa im Blick auf Aktualität und Ausgewogenheit der Stichwortauswahl (mein Beispiel war Tyras) oder die Gültigkeit seiner Angaben betreffend (das letzte Beispiel war Knut).

Wenn nun Herr Achenbach alle möglichen Varianten der Bezeichnung Knutt im Internet auffindet, was soll daraus folgen? Allein daß Duden online Knut und Kanut enthält, hat zur Folge, daß diese Einträge im Internet zigfach kopiert werden. Das ist kein Beleg für die Aktualität der Bezeichnung oder der Schreibweise, für die sich ein Wörterbuchnutzer interessiert. Und wozu schon wieder der Rückgriff auf Uralt-Lexika? Vor hundert Jahren waren auch die beiden Tyras im Bewußtsein des Volkes präsent und wären ein würdiger Duden-Eintrag gewesen.

Es geht ja darum, daß ein Wörterbuch kein veraltetes oder beliebiges Zeug schreibt, sondern aktuell und präzise ist. Welches ist heute die übliche Bezeichnung und Schreibweise für diesen Vogel? Mit Sicherheit ist Knutt die Hauptvariante. Der Wikipedia-Artikel wurde vor fast acht Jahren erstellt, er hat über 100 Bearbeitungsstufen und täglich rund 30 Leser. Eine Nebenvariante hätte sich dort niemals als einzige Schreibweise halten können. Schon eher rührt der Duden seine eigenen Einträge jahrzehntelang nicht an, auch wenn sie längst veraltet sind.

Daß es eine Unterart Calidris canutus islandica gibt, hatte ich ja selbst schon geschrieben. Das ändert nichts daran, daß die Aussage "Der Knutt ist ein isländischer Vogel" falsch ist. Nicht einmal die Unterart islandica kann man als "isländischen" Vogel bezeichnen, während dies bei Duden online über die ganze Art behauptet wird. Übrigens ist islandica aus taxonomischer Sicht eine gute Wahl, denn nur diese Unterart macht in Island Zwischenrast.

Ich hatte übrigens auch in der englischen Wikipedia die Sache mit der möglichen lautmalerischen Herkunft gesehen, aber der Übersicht halber verzichtet, es zu erwähnen. Es ändert nichts daran, daß die Duden-Angabe, die Herkunft sei "lateinisch", ebenfalls falsch ist – jedenfalls dann, wenn der Vogel entweder nach Knut dem Großen oder lautnachahmend nach seinem Ruf benannt worden ist. Mit beidem hatten die Römer nichts zu tun.

In bezug auf die Frage, ob der Duden oder speziell die Einträge Kanut und Knut korrekturbedürftig sind, ergeben sich aus Herrn Achenbachs Beitrag keine neuen Erkenntnisse.

Ich schlage Herrn Achenbach vor, die von ihm im Internet gefundenen Varianten von Knutt im Wikipedia-Artikel als alternative Schreibweisen anzugeben. Man kann voraussagen, daß sie nach kürzester Zeit wieder entfernt werden. Bei Wikipedia arbeiten Leute mit, die sich auskennen.


Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 10.11.2012 um 10.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9206

Knutte haben ein ganzes Repertoire an Rufen: Flugruf ist ein gedämpftes „nut“ oder ein pfeifendes „wit-wit“. Gesang im Brutgebiet ein melodisch flötendes „kur-li“, das beim Landen in einem tiefen „kuit-kuit“ ausklingt. Das könnte ggfs. namengebend sein. Alarmruf am Brutplatz: „kwe-kwe-kwe-kwe“.

Kommt an mitteleuropäischen Küsten im Zug durch oder überwintert hier (bis Spanien), brütet er in arktischen Gebieten. Die Unterart C. c. islandica brütet in der nordkanadichen Arktis, auf der Axel- Heiberg- und Ellesmere-Insel und in Nordgrönland. Andere Unterarten auf der Taimyr-Halbinsel und auf Servenaya Semlja.


Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 10.11.2012 um 11.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9207

Wie der Bildverweis von Hrn. Achenbach zeigt, sind sich verschiedene Strandläufer im Ruhekleid sehr ähnlich, spezifischer wäre beim Knutt das Brutkleid, welches eine unverwechselbare zimtrote Unterseite zeigt.


Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 10.11.2012 um 13.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9208

Wo steht denn die Behauptung "Der Knutt ist ein isländischer Vogel"?


Kommentar von R. M., verfaßt am 10.11.2012 um 14.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9209

»Bei Wikipedia arbeiten Leute mit, die sich auskennen.«

Und die schreiben dann sowas:

»[Der Knutt] wurde nach dem dänischen König Knut dem Großen benannt, dem Herrscher über die Nordseeländer, der versuchte, die Wellen zu bändigen.«


Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 10.11.2012 um 15.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9210

@ Klaus Achenbach:
Duden online.

@ Reinhard Markner:
Das ist kein inhaltlicher Fehler, sondern ein Mangel an stilistischer Meisterschaft. Habe es gerade verbessert.


Kommentar von R. M., verfaßt am 10.11.2012 um 15.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9211

Daß diese Etymologie ein Humbug ist, riecht man doch drei Meilen gegen die Nordseebrise.


Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 10.11.2012 um 18.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9212

Bei mir liefert Duden online:
Leider haben wir zu Ihrer Suche nach 'Knutt' keine Treffer gefunden. Oder meinten Sie: knute ?

Bei der Suche nach „Knut“ oder „Kanut“ erscheint: isländischer Strandläufer (eine Schnepfenart)

Duden online kennt also die in ornithologischen Fachwerken eigentlich ausschließlich verwendete Nominalbezeichnung „Knutt“ nicht.


Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 10.11.2012 um 18.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9213

Es muß sich ja nicht um den historischen Knut handeln, sondern um jenen sagenhaften Herrscher über die Nordseeländer, "der versuchte, die Wellen zu bändigen". Die englische Wikipedia verweist in ihrem Knutt-Artikel auf den Ursprung dieses Mythos:
http://en.wikipedia.org/wiki/Cnut_the_Great#Ruler_of_the_waves

Es ist mir zu mühsam, die Glaubwürdigkeit dieser Etymologie weiter zu prüfen. Es gibt verschiedenste Tierarten, die nach Herrschern benannt wurden, das ist nicht ungewöhnlich. Viel ungewöhnlicher wäre es, wenn irgend jemand an prominenter Stelle einen totalen Mist in die englische und die deutsche Wikipedia schreibt und niemand merkt es. Es gibt überall leidenschaftliche Vogelfreunde. Daß die sich alle jahrelang von einem Gerücht an der Nase herumführen lassen, glaube ich nicht.

Aber das ist in diesem Strang doch auch gar nicht interessant. Es ging mir um den Duden, der online unter anderem angibt, der Name sei ursprünglich lateinisch. Das würde bedeuten, daß Linné das Tier canutus genannt hat, während die volkstümlichen Namen des Tieres zu seiner Zeit anders gelautet haben – und daß die lateinische Wortschöpfung der Zoologen sich schließlich im Volk gegen die angestammten Bezeichnungen durchgesetzt hat. Das kommt mir viel verrückter vor.


Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 10.11.2012 um 18.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9214

Lieber Herr Strasser,

vielen Dank für diese Klarstellung. Genau darum ging es mir (neben anderen mißlungenen Details bei Duden online). Ich dachte eigentlich, daß das aus meinem ersten Beitrag zum Thema Knutt schon herauszulesen war: Die Hauptvariante fehlt bei Duden online.

Mir fiel übrigens auf, daß Sie selbst den Plural Knutte verwendet haben, während Wikipedia von Knutts redet. Ich kann mir gut vorstellen, daß beide Formen vorkommen. Haben Sie zufällig einen Eindruck davon, welche Pluralform in der Fachliteratur üblicher ist? Wenn Knutte genauso üblich ist, könnte man das bei Wikipedia nachtragen.


Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 10.11.2012 um 19.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9215

Lieber Herr Wrase,

so steht es natürlich nicht auf Duden.de. Dort steht vielmehr „isländischer Strandläufer (eine Schnepfenart)“. Natürlich müßte „isländischer“ hier groß geschrieben werden. Allerdings wäre ich nie auf die Idee gekommen, daß der Duden damit etwas über die geographische Verbreitung dieser Vogelart aussagen wollte. Für mich ergibt sich aus dem Zusammenhang, daß hier eine Artenbezeichnung gemeint ist.

Genauer wäre zweifellos auch „Schnepfenvogelart“. Die Herkunftsangabe „lateinisch“ ist auch fraglich. Besser wäre es sicherlich auch, wenn der Duden die Variante Knutt angegeben hätte. Wer es genau wissen will, schaut aber sowieso im Lexikon oder in Fachbüchern nach.

Andererseits vermisse ich in dem ausführlichen Beitrag in der Wikipedia eine Erwähnung abweichender, auch heute noch benutzter Bezeichnungen.

Übrigens ist die offenbar gängige Bezeichnung dieses Vogels im Dänischen „islandsk ryle“. Auf einer dänischen Internetseite wird der Flugruf des Vogels als „knot“ wiedergegeben. Der Dänische Ornithologische Verein erwähnt auch die Meinung, daß „der wissenschaftliche Name“ auf Knut den Großen zurückzuführen sei, ohne sich allerdings diese Meinung zu eigen zu machen.


Kommentar von stefan strasser zu #9214, verfaßt am 10.11.2012 um 19.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9216

Ich hab "Knutte" geschrieben, weil es mir im Moment des Schreibens plausibel erschien. Nach Kontrolle stelle ich fest, meine eigene Literatur enthält keine Mehrzahlhinweise und im Netz finden sich Belege für die Schreibweise "Knutts", was mir auch plausibel erscheint. Kontrolle in Word: beide Schreibweisen werden unterkrigelt.
"Knutts" dürfte jedoch die Mehrzahlregelform sein.


Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 10.11.2012 um 20.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9217

Lieber Herr Achenbach,

es ist schon erstaunlich, welche Verrenkungen Sie sich antun, um Ihre Widerreden fortzuführen. Sie behaupten, Duden hätte "natürlich" isländisch groß schreiben müssen – eine unerhörte Ohrfeige für die Redaktion. Mit der Unterstellung, Duden hätte irrtümlich die Kleinschreibung isländisch gewählt, rechtfertigen Sie Ihre Darstellung, Sie wären "nie auf die Idee gekommen, daß der Duden damit etwas über die geographische Verbreitung dieser Vogelart aussagen wollte". Eine ungewöhnliche Interpretation. Und mir werfen Sie vor: "so steht es natürlich nicht auf Duden.de", nur weil ich aus der Angabe "isländischer Strandläufer" die Aussage "isländischer Vogel" abstrahiert hatte. Ich habe nicht zitiert, sondern ich wollte den Fokus auf isländisch richten und habe deshalb den Strandläufer absichtlich eliminiert.

Ich bin diese destruktiven Pseudo-Diskussionen leid.

Wenn Sie bei Wikipedia – anders als die bisherigen Bearbeiter des Artikels – weitere Bezeichnungen für den Knutt vermissen, von denen Sie vermuten, daß Sie gebräuchlich sind, dann tragen Sie sie doch einfach dort ein.

Hier geht es um das Thema Duden. Ich sehe auch nach Ihren Einwendungen keine Veränderung des Befundes. Egal in welcher Weise das Wort isländischer inhaltlich falsch und/oder falsch geschrieben ist, die beiden Einträge bei Duden online sind, gemessen am heutigen Gebrauch und Kenntnisstand, in jeder (!) der fünf gelben Rubriken mißlungen:

1. Rechtschreibung und verwandte Form
2. Bedeutung: isländisch
2. Bedeutung: Schnepfenart
3. Aussprache: langes u
4. Herkunft: lateinisch
5. Grammatik: Pluralbildung nur auf -e

Darüber sind wir uns offenbar einig, es hätte somit keiner Auseinandersetzung bedurft.


Kommentar von R. M., verfaßt am 10.11.2012 um 22.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9218

Vorschlag zur Güte: Daß der Duden, insbesondere Bd. 1, ein untaugliches Wörterbuch ist, dürfte hinlänglich erwiesen sein. Statt sich weiter an einzelnen Einträgen (oder gar an den »Mitforisten«) abzuarbeiten, wäre es produktiver, den Ickler oder erst recht den Mackensen fortzuschreiben, damit die zuletzt (nach)gedruckten Ausgaben nicht als die letzten in die Geschichte eingehen, die noch die normale deutsche Rechtschreibung abbildeten. Das könnte auch in Form eines Wiki geschehen.


Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 11.11.2012 um 02.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9219

Alles klar, mach ich doch gleich.

Im Ernst: Entweder man macht so etwas alleine. Das wäre zuviel verlangt.

Oder man macht es nach dem Wiki-Prinzip. Das ist auch einfacher gesagt als getan. Es gibt Leute, die immer etwas am Beitrag der anderen zu meckern finden. So wie Herr Achenbach, der dem Duden zuletzt einen Schreibfehler unterstellt hat, um die geographische Duden-Erläuterung isländischer Strandläufer als biologische Artbezeichnung interpretieren und damit eine argumentative Gegenposition behaupten zu können. Mit solchen Mitarbeitern vergeht einem sehr schnell die Lust an der Arbeit.

Und wen interessiert das Projekt? Was die Leute interessiert, ist Wikipedia. Da bin ich schon mit von der Partie.


Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 11.11.2012 um 03.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9220

Der Eintrag auf Duden online für Knut ist „isländischer Strandläufer (eine Schnepfenart)“.

Diese Angabe ist natürlich verwirrend. Man könnte entweder interpretieren, „isländischer Strandläufer“ sei eine andere Bezeichnung für Knutt, dann wäre allerdings Großschreibung angebracht und es wäre gleichzeitig ein integrierter Hinweis auf die Vogelheimat. Die andere mögliche Interpretation wäre, es handelt sich um einen Vogel der Familie Strandläufer, welcher aus Island stammt.

Beides ist jedoch falsch. Bei Zugvögeln gibt es das Brutgebiet (beim Knutt die arktischen Gebiete) und das Überwinterungsgebiet (beim Knutt vorrangig Süd- und Westafrika). Dazwischen liegen zwei Zugperionden, in denen Knutts ggfs. Pausen einlegen. In solchen Zugpausen kommen sie an deutsche Küsten und auch nach Island.

Ein halbwegs vernünftiger Eintrag wäre „Knutt“: Watvogel aus der Familie Schnepfenvögel.


Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 11.11.2012 um 06.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9221

Hier noch ein weiteres Beispiel, bei dem man zufällig genau angeben kann, wie sehr die Duden-Angabe veraltet ist. Duden verzeichnet die Ilm einmal als linken Nebenfluß der Saale und einmal als rechten Nebenfluß der Donau. Die letztere Ilm ist jedoch aufgrund von Regulierungsmaßnahmen seit Mitte der 1920er Jahre kein Nebenfluß der Donau mehr. Sie ist ein Nebenfluß der Abens.

Der Duden-Eintrag ist also seit rund 90 Jahren veraltet. Ungefähr seit derselben Zeit hätten auch die Einträge Kanut, Knut und Tyras bereinigt werden können.

Das muß man auch bedenken, wenn man ein Lexikon (egal ob Duden, Wikipedia, Ickler oder Mackensen) fortschreiben will: Die sorgfältige Pflege ist fast noch anstrengender als die Erstellung. Wer kümmert sich schon über Jahrzehnte mit Leidenschaft um jedes Detail?


Kommentar von R. M., verfaßt am 11.11.2012 um 11.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9222

Für die Duden-Roßkur interessiert sich auch niemand, da sie nicht durchgeführt werden wird. Und bei WP kommen für jeden verbesserten Rechtschreibfehler an anderer Stelle zwei hinzu. (Im Vergleich zu den wüsten Keilereien auf den Diskussionsseiten dort erscheinen die Neckereien zwischen Achenbach und Wrase im übrigen ausgesprochen harmlos.)


Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 12.11.2012 um 10.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9223

Daß bei Wikipedia pro Korrektur zwei neue Fehler entstehen, wage ich zu bezweifeln. Es wurde schon immer mehr korrigiert als geschrieben, bezogen auf die Menge des geprüften Ausgangstextes bzw. des geschriebenen neuen Textes. Entscheidend ist, daß früher oder später die meisten Fehler korrigiert werden. Professor Ickler hat an anderer Stelle kürzlich die Beobachtung mitgeteilt, daß die Qualiät insgesamt zunimmt.

Ich weiß auch nicht, ob das Hauen und Stechen auf den Diskussionsseiten der Normalfall ist. Ich halte mich da raus. Ich korrigiere ohne Anmeldung, und meine Verbesserungen werden dann zu 99 Prozent übernommen (so wie kürzlich auch bei Knutt im ersten Absatz).


Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 12.11.2012 um 12.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9224

Ein kurzer Test auf Duden online ergibt: nur ein Teil der Watvögel, denen man an deutschen Gewässern begegnen kann, sind verzeichnet. Also etwa: Knut[t], Kiebitz, Bekassine, Waldschnepfe, Uferschnepfe, Kampfläufer, Triel und einige mehr.
Andere und auch nicht seltene wie Flußregenpfeifer, Großer Brachvogel, Rotschenkel, Flußuferläufer, Alpenstrandläufer u. a. fehlen jedoch. Die Auswahlkriterien erschließen sich hier nicht auf den ersten Blick, vielleicht sind sie ja auch nur zufällig.
Aber gut, wie schon in einem anderen Beitrag erwähnt, man sucht Spezifisches aus der Ornithologie ohnehin nicht im Duden.


Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 07.12.2012 um 22.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9241

Vorübergehende Gedächtnislücke im Duden

Kürzlich stolperte ich in der Zeitung über „die Schandflecke“. Mir kam das nicht ganz richtig vor; ich hätte eher die Schandflecken gesagt (wie auch: der Fleck, die Flecken).

Ein Blick in den Duden 2006 überraschte mich: dort war nur die Mehrzahl Flecke angegeben, ebenso im Großen Wörterbuch und im Richtiges und gutes Deutsch (alle in elektronischer Form).

Etwas beruhigt hat mich der Blick in ältere Duden bis 1996. Dort ist auch die Mehrzahlvariante Flecken aufgeführt.

Auch Duden.de gibt inzwischen wieder die Mehrzahlvarianten Flecken und Schandflecken an.

Eine Suche bei Google führt mich zu dem Schluß, daß die Form die Flecken eindeutig überwiegt. Das Übergewicht ist so eindeutig, daß die Variante der Flecken – die Flecken dieses Ergebnis nicht in Frage stellen kann. Es überwiegt auch die Form die Schandflecken, allerdings nicht ganz so deutlich. Umso so erstaunlicher erscheint die Amnesie des reformierten Duden.


Übrigens führen alle konsultierten Duden-Wörterbücher auch die Variante der Flecken an, aber nicht der Schandflecken. Im Grimmschen Wörterbuch war der Schandflecken noch enthalten. Eine Google-Suche ergibt dafür nur wenige Fundstellen, darunter viele alte Texte vom 16. bis 19. Jahrhundert. Diese Variante scheint somit veraltet, auch wenn sie bis heute gelegentlich vorkommt.


Kommentar von Germanist, verfaßt am 08.12.2012 um 13.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9242

"Flecken" war in Niedersachsen vor der Gebietsreform die Bezeichnung für ein zentrales größeres Dorf; heute heißt es "Samtgemeinde", der mehrere kleinere Dörfer zugeordnet sind, die keinen Gemeinderat und keine Gemeindeverwaltung mehr, sondern einen Ortsbürgermeister haben. Ihre Ortsnamen sind jetzt Ortsteile der Samtgemeinde.


Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 01.09.2013 um 15.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9568

Duden online hat erstaunliche Lücken. Unter Range findet man nur die altmodische Bedeutung "lebhaftes Kind". Dabei ist doch das englische Range mittlerweile viel geläufiger, unter anderem im Sinne von "Warenpalette", "Umfang", aber auch als Namensbestandteil von Gebirgszügen. Allein für die Wortgruppe "die ganze Range" gibt Google mehr als 60.000 Treffer an.

Merkwürdigerweise hat auch Wikipedia bei diesem Begriff ein spärliches Angebot auf der Begriffsklärungsseite. Der Artikel "Range" selbst gibt folgende Auskunft:

Range (engl. für „Bereich, Intervall, Grenze“) ist ein von Martin Fowler für die Softwaretechnik entwickeltes Analysemuster.


Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 02.09.2013 um 22.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9569

Ich empfinde hier keine Lücke, erst recht keine "erstaunliche".

Im Gegenteil, ich begrüße es, wenn der Duden nicht gleich jeden Ausdruck, jeden Anglizismus, den ein paar Leute gebrauchen zu müssen glauben, aufführt.

Die Fundstellenangaben von Google sind mit größter Vorsicht zu bewerten. Geht man in dem genannten Fall an das Ende der Google-Liste, schrumpft die Liste auf 212 Fundstellen zusammen, wobei solche Fundstellen, die den angegebenen "sehr ähnlich" sind, weggelassen wurden.


Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 03.09.2013 um 15.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9570

"Ein paar Leute" ist Unsinn. Es gibt in Deutschland viele Millionen Menschen (ich zähle zu ihnen), die schon hundertmal das englische Fremdwort Range gelesen oder gehört haben. Nur ein kleiner Bruchteil von ihnen hat jemals das deutsche Wort Range gehört oder gelesen (ich beispielsweise extrem selten, kann mich kaum erinnern).

Aussagekräftige Tests sind: Welche Funde ergibt die Suche nach "eine Range", "die Range" oder "die Rangen"? Für die Duden-Bedeutung gibt es fast keine lebendigen Belege, stattdessen irgendwelche Lexikoneinträge und Zitate aus Büchern.

Ansonsten kann das jeder bewerten, wie er will.


Kommentar von Rominte van Thiel, verfaßt am 07.09.2013 um 12.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9571

Daß die deutsche "Range" altmodisch sein soll, verwundert mich. Und natürlich ist es nicht weiter aussagekräftig, aber das englische Wort habe ich noch nie gehört.
Was spricht denn dagegen, es im englischen Wörterbuch nachzuschlagen?


Kommentar von Argonaftis, verfaßt am 07.09.2013 um 18.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9572

Auch ich bin erstaunt. Range und rangeln sind mir geläufige Wörter. S. hierzu auch im DWDS.
Im Unterschied dazu das engl. range.


Kommentar von R. M., verfaßt am 08.09.2013 um 00.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9573

Bekannt ist zweifellos der Range Rover, eigentlich ein Geländefahrzeug, das heutzutage aber hauptsächlich für den Schulweg der Kinder der Begüterten benutzt wird. Aber wer kann hierzulande schon übersetzen, was der Name bedeutet?


Kommentar von Rominte van Thiel, verfaßt am 08.09.2013 um 10.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9574

Ein interessanter Hinweis. Komischerweise kam mir der Range Rover überhaupt nicht in den Sinn. Ich wußte auch nie, daß der Name etwas bedeutet, hielt es einfach für die Bezeichnung der Marke. Genauso wenig käme mir in den Sinn, daß "Mitsubishi" etwas bedeuten könnte.


Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 08.09.2013 um 21.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9575

Merkwürdig, "rangeln" habe ich vielhundertmal gehört, gelesen oder gesagt, aber deutsch "Range" gehört für mein Empfinden zu den veraltenden bis veralteten Wörtern. Vielleicht gibt es eine regional verschiedene Häufigkeit. Bei meiner Einschätzung der Häufigkeiten habe ich mich auf die genannten Google-Suchen gestützt, habe mich aber auch nicht lange damit aufgehalten.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.11.2016 um 07.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#10650

Zu http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=685#9119

Der Duden gibt nicht nur an, daß man muh oder Muh schreiben darf, aber letzteres vorzuziehen sei, sondern auch, wie man es betont. Raten Sie mal!




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