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18.12.2005
 

Nichts gibt so sehr das Gefühl der Unendlichkeit als wie die Dummheit
(Ödön von Horváth)

Wozu lesen und schreiben überhaupt noch lernen? Werden das nicht bald schon Computer für uns tun?

Eine pädagogische Avantgarde, die Lesen und Schreiben für eine kulturelle Sekundärtechnik hält, gibt es nicht nur bei uns. Auf einem "Festival der Ideen" im australischen Adelaide war es zum Beispiel die amerikanische Erziehungswissenschaftlerin Lisa Delpit, die diese Position vertrat. Der englische Gefängnisarzt und Publizist Theodore Dalrymple saß mit ihr auf dem Podium. Normalerweise sind es gerade Dalrymples Gefaßtheit und Unbeirrbarkeit, die seine Leser so an ihm schätzen. Hier aber stand er doch einmal kurz davor, die Geduld zu verlieren. Warum stirbt die Dummheit nicht aus? Was ist nur ihr Erfolgsgeheimnis?



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Kommentare zu »Nichts gibt so sehr das Gefühl der Unendlichkeit als wie die Dummheit«
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Kommentar von GL, verfaßt am 20.12.2005 um 06.10 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=372#2559

Wie nur kann unter dem Druck der Überforderung und der fehlenden Bereitschaft zum korrekten Lesen und Schreiben eine Begeisterung entstehen? Schrift und Sprache als Kostbarkeit und Orientierungsästhetik bleiben hoffentlich weiter ein Schlüssel anspruchsvoller Dichter und Denker.

Der heute ungebrochene Fortschrittsglaube an eine Computerkultur als Form totalitärer Manipulation und Wunschdenkens trägt wesentlich zur neuen Kultur des Schweigens bei. Gerne geht auch vergessen, dass nach Schätzungen allein schon in Deutschland mindestens vier Millionen Menschen funktionale Analphabeten sind und nur sehr schlecht oder gar nicht lesen und schreiben können. Diese Tatsache genügt den Befürwortern der Rechtschreibreform jedoch noch nicht. Erst wenn die herkömmliche Rechtschreibung nicht mehr existiert, wird es Ruhe geben.

Ein futuristisches Szenario? Nein, nur ein Spiegelbild der heutigen Gesellschaft.



Kommentar von Karin Pfeiffer-Stolz, verfaßt am 20.12.2005 um 08.19 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=372#2560

Dem entsprechen die Bestrebungen fortschrittlicher Schulpädagogen und -administrationen, das Schreibenkönnen nicht mehr zur Voraussetzung für das Aufsatzschreiben bzw. die Bewertung des Aufsatzschreibens zu machen. Kinder, die sich schriftlich nicht gut äußern können, sollen nicht mehr „diskriminiert“ werden, weil es nach Ansicht progressiver Pädagogen gegen ihre „Würde“ verstößt. Also sollen künftig Kinder, die des Schreibens nicht mächtig sind, ihre weisen Gedanken diktieren dürfen. Ein anderes Kind, oder ein Erwachsener, schreibt die gedanklichen Ergüsse auf, so es denn solche gibt unter diesen Umständen. (Bald wird diese Aufgabe vom Computer übernommen werden.) Das Ergebnis dieser Co-Produktion wird dann, und hier muß man aufmerken, gleichberechtigt mit den anderen, auf „normalem Wege“ entstandenen Schüleraufsätzen, gewertet.
Mich wundert immer wieder, wie einseitig solche Realitätsbetrachtungen sind und mit welcher Gleichgültigkeit sie hingenommen werden. Daß mit einer solchen Maßnahme das Aufsatzschreiben selbst ad absurdum geführt wird, scheint den Betreibern der neuen Schulgerechtigkeit nicht aufzugehen. Wie fühlen sich angesichts einer solchen „Steigbügelmentalität“ Kinder, die sich noch (!) selbst anstrengen, um Leistung zu erbringen? Ein kluges Kind wird sich fragen: Wieso soll ich mich abmühen und selbst schreiben, wenn es auch ohne geht? Nicht ohne Grund wird es die Bevorzugung von leistungsschwachen Schülern als grobe Ungerechtigkeit empfinden, denn es hat seine Fähigkeiten und Kenntnisse auch nicht als Sonderangebot im Supermarkt erworben.
Wendet man dieses Denken auf den Sport an, ergibt sich folgendes Bild: Damit absolute Gleichberechtigung herrsche, dürfen untrainierte oder für Ausdauersport nicht begabte Läufer beim Marathon Rollschuhe verwenden. Und – das ist wichtig – Ihre mit Hilfsmittel erbrachten „Leistungen“ treten gleichberechtigt neben die der zu Fuß laufenden Sportler und werden im direkten Vergleich mit ihnen gewertet. Das wäre das Ende des Marathons.

Auch das Ende des Aufsatzunterrichts an Schulen kündigt sich mit solchen Maßnahmen an. Bald werden Pädagogen aufstehen und laut fragen: Wozu sollen wir überhaupt Aufsätze schreiben lassen? Was wird vom Deutschunterricht übrigbleiben, wenn wir darauf verzichten, den Schülern das Handwerkliche einer gepflegten Schrift und eines „schriftlichen Denkens“ abzuverlangen, sprich: auf Lesen und Schreiben keinen Wert mehr legen?



Kommentar von Norbert Schäbler, verfaßt am 20.12.2005 um 17.00 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=372#2561

"Des Pudels und der Dummheit Kern"


Wenn ich den oben zitierten Beitrag richtig verstanden habe, dann hat der Autor offensichtliche Schwierigkeiten, eine erfolgsversprechende Methode zu entwickeln für die Auseinandersetzung mit der Dummheit. Er führt einen aussichtslosen Kampf – in dem selbst Götter regelmäßig unterliegen – und es wäre wohl statt dessen besser, ein gescheites Buch zu lesen.

Letzteres habe ich gemacht. Das Buch heißt:
"Ernste Spiele, Vorträge, theils neu theils längst vergessen" von Dr. J.E. Erdmann, Professor in Halle. (Berlin. Verlag von Wilhelm Hertz 1875.)

Der längst verblichene Professor hat u.a. 1866 in Berlin einen Vortrag gehalten, mit dem Titel: „Über Dummheit“.
Darin begibt sich der Philosoph auf die Suche nach der „Kerngestalt“ des Dümmlichen, und er findet sie in einem Knaben, der für eine überaus einfältige Bemerkung sowohl durch einen Kuß seiner Mutter als auch durch eine Lachsalve der Umstehenden belohnt wird.

Von dieser Ambivalenz lebt das Thema, und es stellt sich die Frage: Wie kann sich eine menschliche Eigenschaft zugleich ärgerlich als auch belustigend und lohnbringend auswirken? Und wenn es derartiges gibt: Wäre es dann nicht mit großem Lustgewinn verbunden, dumm zu sein und dumm zu bleiben?

Gebündelte Zitate des Philosophen Dr. J.E. Erdmann:
- „Dummheit wäre ... als der Geisteszustand zu bestimmen, in welchem der Einzelne sich selbst und die Beziehung auf sich als einzigen Wahrheits- und Werthmesser gelten läßt, kürzer: Alles nur nach sich beurtheilt.“
- „Das Kindesalter hat das Privilegium des Egoismus, in Folge dessen wir am Kind reizend finden, was bei einem Erwachsenen uns empören müßte.“
- „Alle werden dumm und roh geboren, erst das Leben witzigt uns ...“
- „... wie das Kindsein, so ist die Dummheit bei dem Erwachsenen ein Laster, und ein Laster soll sich niemand aufbürden lassen.“
- „Das Kind, weil es nur Eines ist, auf sein Eigenwohl bedachtes Einzelwesen, durfte, ja mußte, Alles einfältig, d.h. von einem einzigen Punkte aus betrachten. Es bleibt aber nicht blos dieses Eine: die Geburt von Geschwistern macht es zum älteren Bruder, der Eintritt in die Schule zum Quartaner ... Kurz im Handumdrehen ist ihm eine Menge von Augenpunkten gegeben... So weit diese sich von einander scheiden, oder besser so weit er sie von einander scheidet, so weit ist der Junge gescheidt.“
- „Wäre Dummheit eigener Wille (Einfügung einer vorherigen Textstelle: „ein gezwungener Wille wäre ein Wollen ohne Wollen“), dann wäre auch klar, daß und warum sie selbst Göttern unüberwindlich ist.“
- „Dazu kommt noch, daß ja unser Gescheidtwerden ein sehr allmählicher Prozeß war, so daß in Jedem noch Überreste des Gegentheils zu finden sind. Auf diese Überreste wirkt manche Dummheit, die wir bemerken, gerade wie eine in Schwingung versetzte Saite auf die gleichgestimmte.“
- ... was jeder aus eigener Erfahrung noch ergänzen kann, ist: „daß kaum Etwas den Gesichtskreis so erweitert, als wenn man dazwischen in einen recht engen hineinblickt, und daß Nichts zu unserer Aufklärung so sehr beiträgt, als wenn wir mitunter rechte Dummheiten zu sehen oder zu hören bekommen.“



Kommentar von Norbert Schäbler, verfaßt am 06.01.2006 um 15.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=372#2651

Vom Hasen und vom Igel

Jeder Mensch erkennt Unterschiede, und in der Schule erlernt er das Vergleichen, Trennen und Einordnen.

Den gescheiten und ehrbaren Menschen zeichnet es aus, daß er über eine große Anzahl geistiger Schubladen verfügt, die er äußerst selten verwechselt. Ein Gescheiter hat nämlich ein erprobtes Gedächtnis, ein ausgereiftes Ordnungssystem und außerdem Selbstzucht. Deshalb kann sich ein Gescheiter auch spontan entscheiden, und er meidet nicht den mühsamen Weg.

Es gibt auch dumme Menschen, die nicht einmal Wahrheit und Lüge „auseinander halten“ können. Auch jene sind spontan, meist sogar noch schneller als die gescheiten Menschen, was biologisch und philosophisch wie folgt zu erklären wäre: „Jene Dummen bevorzugen kurze Wege! Sie handeln deshalb nicht über das Gehirn, sondern reflexartig über das Rückgrat, das sie gar nicht besitzen.“


Kommentar von Erhard Leimeister, verfaßt am 30.01.2006 um 18.56 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=372#2747

"Das ist ja das Problem: Die Dummen sind so sicher und die Gescheiten so voller Zweifel."
In dieser oder ähnlicher Form Helmut Schmidt zugeschrieben.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.09.2014 um 06.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=372#9993

Lesen bildet. Aus einem einst sehr verbreiteten Buch, das man immer noch ausleihen kann:

"Jeder Einsichtige wird darum doch die Hersteller solcher Schmutzfilme — und das weiß selbst der deutsche Michel, daß 95 Prozent der Filmfabrikanten JUDEN sind! – als gemeine Verführer betrachten, denen nur der eigene Geldbeutel heilig ist." (Albert Sleumer: Index Romanus. Osnabrück 1920:14)



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