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Blüthen der Thorheit

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02.02.2006
 

„Hochqualifizierte Experten“
Ende der Übergangszeit in Sicht?

Das Land Bayern wird die Rechtschreibreform nun doch vollständig durchsetzen.

"Der Rat für deutsche Rechtschreibung ist mit hochqualifizierten Experten besetzt. Daher werde ich den Vorschlägen der Fachleute folgen", teilte der bayerische Kultusminister Siegfried Schneider (CSU) der Welt mit. Die Kultusministerkonferenz sei "gut beraten, den Vorschlägen zuzustimmen".

Experten sitzen freilich im Rechtschreibrat – aber Experten wofür? Wohl vor allem dafür, sich selbst ein gutes Zeugnis auszustellen.




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Kommentare zu »Ende der Übergangszeit in Sicht?«
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Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 04.02.2006 um 09.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=94#238

Keine Zeitungsmeldung, die nicht erwähnte, daß aus "du" in Briefen wieder "Du" werden darf. Kann das Lächerliche der Reform und ihrer Folgen besser demonstriert werden? Die Reformer bzw. die KMK erlauben wieder, was sie nie verbieten konnten. Dies auch nur mit einer Zeile kommentarlos zu erwähnen, zeugt von der Verwirrung, die die Reform in den Köpfen der Betroffenen angerichtet hat. Die staatliche Enteignung der Sprache jedenfalls war erfolgreich, und vielleicht war das sogar der Hauptzweck des Unternehmens. Die Tür zu künftiger Machtergreifung steht einen Spalt offen. - Und die Zeitungsschreiber schlürfen´s wie Nektar. Es ist eben alles ein grandioses Besäufnis.

 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 03.02.2006 um 13.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=94#237

Wenn feststehende Begriffe wie "Große Koalition" künftig großgeschrieben werden, muß auch "Außerparlamentarische Opposition" weiterhin großgeschrieben werden.

 

Kommentar von FR online, 3. 2. 2006, verfaßt am 03.02.2006 um 12.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=94#236

Klein-klein
VON HARRY NUTT

Die Große Koalition ist ein Stahlbad. Manch unüberwindlich erscheinender politischer Konflikt aus der vorigen Legislaturperiode erscheint nun wie nach einer chemischen Vollreinigung in einem neuen Licht. Die Konsensmaschine ist ins Rollen gekommen und lässt geschmeidig ein Rädchen ins andere greifen. Wenn nicht alles täuscht, dann gilt dies sogar für den erbittertsten Kulturstreit der vergangenen Jahre. An der Frage "Wie hältst Du's mit der Rechtschreibreform?" schieden sich die Geister nicht nur, sie nahmen vielmehr selbst furienhafte Gestalt an.

Aber jetzt wird alles gut. Heute tritt in Mannheim der Rat für die deutsche Rechtschreibung zu einer, wie dpa meint, entscheidenden Sitzung zusammen. Das Expertengremium will die letzten Handgriffe an der Reform der Reform vornehmen. Danach ist dann wieder die Kultusministerkonferenz (KMK) dran. Auf ihrer Sitzung Anfang März in Berlin soll sie entscheiden, ob die Vorschläge des Rates auch tatsächlich zum neuen Schuljahr umgesetzt werden.

In Mannheim versucht sich der heterogen zusammengesetzte Rat für Rechtschreibung derweil am Glätten, Plätten und Mangeln. Abschließend soll festgestellt werden, wie feststehende Begriffe wie "Große Koalition" künftig geschrieben werden. Das Abtrennen von Einzelbuchstaben oder sinnentstellende Trennungen wie Urin/-stinkt für das Wort "Urinstinkt" sollen nicht mehr zulässig sein. Der Rat spricht sich ferner dafür aus, künftig das Lesen wieder zu erleichtern, Sinnzusammenhänge erfassbar zu machen und die Regeln mehr und mehr nach dem Sprachgebrauch auszurichten. Es gilt das Credo des Ratsvorsitzenden Hans Zehetmair: "Die Menschen sollen sich mit der neuen Rechtschreibung identifizieren."

So viel gesunder Menschenverstand ist lange nicht aus der Reformschmiede hervorgegangen und man darf vermuten, dass die nun vereint schlagenden politischen Kräfte Interesse an einer finalen Flurbereinigung haben. Noch ist es wohl zu früh, darüber zu spekulieren, ob auch die Reformrenegaten Bayern und Nordrhein-Westfalen, die sich einem KMK-Beschluss zur Umsetzung der Reformen am 1. August verweigert hatten, bald wieder mitspielen. In die politische Landschaft aber passte es allemal.

(http://www.fr-aktuell.de/ressorts/kultur_und_medien/feuilleton/?cnt=798572)

 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 03.02.2006 um 12.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=94#235

Jeder Handwerker weiß, daß zwischen "Experten" und "Fachleuten" ein Unterschied besteht.

 

Kommentar von rrbth, verfaßt am 03.02.2006 um 11.23 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=94#234

Hm, teilweise sitzen dort sicher „Experten“ im 2. – umgangssprachlichen – Wortsinn. Das wurde (hier?) schon mal angemerkt.

Übrigens habe ich dieser Tage eine E-Mail aus dem bayerischen KM erhalten, die folgendermaßen anfängt:
«... es tut mir sehr leid, dass ...»

 

Kommentar von Karin Pfeiffer-Stolz, verfaßt am 03.02.2006 um 07.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=94#232

"Und das läßt sich per Erlaß halt nicht einfach wegdekretieren."
Genau.
Der Patient leidet seit zehn Jahren unter Bewegungsstörungen. Die ärztliche Behandlung ist teuer, bringt nichts. Der Arzt hat es satt, die Angehörigen auch, die Krankenkassen wollen sparen; der Patient wird kurzerhand amtlich für gesund erklärt. Man seufzt erleichtert auf: na also. Man muß nur wollen und seinen Willen eindeutig kundtun. Lahme werden gehen, Blinde sehen, einzig kraft Willensakt der Bürokratie. Wann diskutieren, dekreditieren und beschließen wir unsere Arbeitslosen und Staatsschulden fort? Wird höchste Zeit!

 

Kommentar von Martin Gerdes, verfaßt am 03.02.2006 um 00.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=94#231

Jeder weiß, daß die neue Rechtschreibung ein voller Erfolg ist. Alle Lehrer sind hellauf von ihr begeistert. Ist die Welt nicht schön?

Etwas Wasser muß ich aber doch in den Wein leeren: Seit langer Zeit ist mir kein amtliches Schreiben mehr untergekommen, das keinen Fehler aufweist. In der Regel finden sich Verstöße gegen die GKS, aber auch mit dem ß tut sich mancher erstaunlich schwer. In unserer Grundschule (wo man die neue Rechtschreibung natürlich auch völlig problemlos umsetzt) hat man vom neu herausgekommenen Duden im letzten Jahr nicht wie früher ein Exemplar für die Schule angeschafft, sondern ein Exemplar pro Klasse. Jedes Schreiben an die Eltern hat Fehler, sogar die Zeugnisse sind nicht einwandfrei geschrieben.

Der bayrische Kultusminister dürfte wie seine Amtsbrüder in den anderen Bundesländern nicht von übergroßer Fachkompetenz behindert sein. Er ist Politiker und als solcher gewohnt, dicke Sprüche zu klopfen. Sein Chef, der ehemalige Macher Stoiber hat sich aus dem Staub und ganz klein gemacht, die Fahne ist herabgesunken. Wer weiß? Vielleicht profiliert sich hier ein Nachfolger? Vielleicht aber auch haben ihn seine Ministerialbeamten beharkt, man könne einen bayrischen Sonderweg nicht länger aufrechterhalten, und nun will er zeigen, was er für ein Kerle ist.

Sein Erlaß ist nichts als ein Papier. Praktische Bedeutung hat er nicht, und doch wird er groß damit hausieren gehen. Die bayrischen Lehrer aber werden weiterhin in ihrer Mehrzahl die BRaZ wie bisher nicht bis ins Detail exerzieren (können), und zwar aus dem einfachen Grund, weil sie sie schlicht nicht beherrschen.

Und das läßt sich per Erlaß halt nicht einfach wegdekretieren.


 

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