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Blüthen der Thorheit

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01.02.2006
 

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Nach drei Jahren freien Schreibens war Schluß mit lustig.

Der Berliner Grundschullehrer ermahnte die Eltern, sich jetzt gefälligst um die Rechtschreibung ihrer Kinder zu kümmern. Gerlinde Unverzagt erinnert sich an dieses Beischbiel moderner Pädagogik in ihrem Lehrerhasserbuch.




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Kommentar von Germanist, verfaßt am 01.02.2006 um 11.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=93#223

Die Antwort des Lehrerverbandes findet sich unter www.lehrerverband.de, Kommentare und Denkschriften

 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 01.02.2006 um 16.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=93#224

Josef Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, hat die Erklärung für die Refomrmunwilligkeit der Älteren:
Gastkommentar in DIE WELT vom 1. Februar 2006:
"Es sei diese These gewagt: Wahrscheinlich haben die Deutschen – anerzogen in den Jahren 1945–1968 – ein Problem mit Autoritäten, auch mit sinnvollen und notwendigen."
Das erklärt doch alles, vor allem, warum so viele Jüngere so autoritätsgläubig und obrigkeitshörig sind. Aber die sogenannte antiautoritäre Erziehung kam doch erst danach, oder?

 

Kommentar von Norbert Schäbler, verfaßt am 01.02.2006 um 17.46 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=93#225

Nur nicht kneifen!

Josef Kraus, der Präsident des Lehrerverbandes (DL), handelt absolut richtig, wenn er sich schützend vor die Lehrerschaft stellt, den Lehrerberuf als „Knochenjob“ klassifiziert.
Wohltuend sind seine Anklagen gegen Politiker und Funktionäre, die mit fahrlässigen Äußerungen systematischen Rufmord mitbetreiben.

Leider nur in einer Andeutung geht Kraus auf die „Autoritätskrise“ ein, die sich zwischen 1945 und 1968 hochschaukelte: eine Krise, die sich erstmals mit den sog. „Hessischen Rahmenrichtlinien“ (1972), später in Gestalt der Rechtschreibreform (1996) zu einer Identitätskrise der Kultusbürokratie sowie zur existentiellen Krise deutscher Sprache entwickelte.
Gerade für dieses Laissez-faire-Verhalten müßte Kraus die Politiker an den Pranger stellen und zur Verantwortung ziehen. Die Schulpolitik war es doch, die sämtliche Sanktionen (hierunter fallen zwischenzeitlich sogar schon die Korrekturen) aus dem Schulleben verbannte; gewachsene und ausgewiesene Lehrerpersönlichkeiten entmannte; letztlich Schule zu einem kindgerechten Schonungsraum degradierte.

Dort, wo das Wort „Streich“ ein vergessenes Wort ist; dort, wo es keine Antipoden mehr zu kindlichem und juvenilem Trotz gibt – dort braucht man auch keine „Lausbubengeschichten“ zu verfassen. Der Titel „Lehrerhasser“ hingegen paßt in die Zeit. Vielleicht gelingt es dem Buch, den Beamtenschlaf zu beenden. Vielleicht werden hierdurch die zahlreichen von Verwaltungsakten zugeschütteten Lehrertalente freigelegt.
Und vielleicht kann ja dann die Lehrerschaft den bissigen Humor des Buches sowie die Auswüchse des staatlichen Übermutes mit einem gesunden Humor im pädagogischen Alltag kontern.

 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 02.02.2006 um 09.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=93#226

1945, das war die vorläufige Amtsenthebung sämtlicher Autoritäten bis zu ihrer Entnazifizierung und die "Reeducation", d.h. die Umerziehung, der "Eingeborenen von Trizonesien", also der drei westlichen Besatzungszonen, von führer- und parteigläubigen Volksgenossen zu selbstdenkenden Demokraten. Den ganz großen Autoritäten wurde in Nürnberg der Prozeß gemacht. Einige wurden hingerichtet, die anderen nach wenigen Jahren begnadigt. Die meisten Deutschen wurden als "Mitläufer" eingestuft.

 

Kommentar von Norbert Schäbler, verfaßt am 02.02.2006 um 11.40 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=93#227

"Schlangenbisse"

Dann sind wohl die unmittelbaren Nachkriegsjahre als Karrieresprung der von Verfolgung verschont gebliebenen zweiten Garde zu bezeichnen, und die späten 60er Jahre müssen als nachgeholte Säuberungswelle gelten, für welche die volkseigene „unschuldige“ Jugend Sorge trug. Der Kultusministerkonferenz schließlich – seltsamerweise hat diese Institution keinen Verfassungsrang – wäre es vorbehalten, die Endlösung vorzubereiten, und daran wird ja wohl schon seit 1972 gearbeitet.

Wissenschaftlich ist meine Geschichtsklitterung sicher nicht haltbar, doch soll die Überzeichnung den deutschen Hang zur Selbstverstümmelung karikieren. Letztere ist im 61. Jahr nach Kriegsende nicht mehr angebracht. Die Deutschen und Deutsches haben sich schließlich in den zurückliegenden Jahren in der Völkergemeinschaft bewährt. Darauf kann man zu Recht ein bißchen stolz sein.

„Das Lehrerhasserbuch“ legt den Finger in eine offene Wunde. Diese keineswegs lebensbedrohliche Verletzung muß man einmal ausbluten lassen, wie man es bei Schlangenbissen zu handhaben pflegt.

 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 02.02.2006 um 13.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=93#228

Die wirkliche Infragestellung aller Autoritäten begann erst 1967 mit der Bildung einer Außerparlamentarischen Opposition (APO) als Reaktion auf die erste Große Koalition und die zunehmende Unbeweglichkeit des Bundestages. Höhepunkte waren die anhaltenden Proteste und Unruhen gegen die Notstandsverfassung. Kampfruf der Studenten: "Unter den Talaren der Muff von tausend Jahren."

 

Kommentar von Norbert Schäbler, verfaßt am 02.02.2006 um 14.05 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=93#229

In Bayern lautete die Parole: "Haut den Huber in den Zuber!"
Die folgenreiche Wirkung: "Meierdynastie".

 

Kommentar von Berliner Kurier, 31. 1. 2006, verfaßt am 02.02.2006 um 20.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=93#230

Viele, viele Lehrer hassen diese Frau!

GEMEIN Auch ihre Kinder kriegen Stress

KPH

Berlin – Kurz vor den Ferien ließ man ihren Sohn (8) dafür büßen: Die Lehrerin trat mit Verstärkung einer Kollegin vor die 2. Klasse, wedelte mit dem "Lehrerhasserbuch" und pampte los: "Das war doch deine Mama!"

Unter diesem Druck wusste ihr Sohnemann nicht ein noch aus, würgte und nickte. Damit war seine Mutter enttarnt! Er kam nach Hause und sagte nur: "Mama, ich habe dich verraten". Dann weinte der Kleine das ganze Wochenende, sagte sie dem KURIER gestern.

Mutter tröstete ihn, und ging am nächsten Tag zur Lehrerin: "Sind sie jetzt froh, mich enttarnt zu haben? Gemein, wie Sie meinen Sohn bloßgestellt haben".

Wie konnte es soweit kommen, dass eine dünnhäutige Lehrerin einen kleinen Jungen vor der Klasse so fertig macht? Die Berliner Sachbuchautorin Gerlinde Unverzagt (45) hatte unter dem Pseudonym Lotte Kühn "Das Lehrerhasserbuch" geschrieben (siehe Kasten). Darin bekommen besonders Grundschullehrer ihr Fett weg: Wehleidig und viel zu lasch seien sie! "Es ist eine Polemik", sagt Unverzagt – also bewusst überspitzt im Ton, aber ernst gemeint.

"Heute tun viele Lehrer so, als seien echte Hausaufgaben eine Körperverletzung", klagt sie. Überall wird nur gekuschelt, gebastelt, rumgealbert. "Dafür gibt es doch den Kindergarten". Und am Ende verlangten die Lehrer, dass die Eltern den Kindern zu Hause die Rechtschreibfehler austreiben.

Gerlinde Unverzagt hat zwei Töchter (10 und 13) und zwei Söhne (8 und 16), die gemeinsam schon 26 Jahre an Berliner Schulen verbracht haben. Die Mutter schrieb 16 ernsthafte Sachbücher, meist über Erziehung. Mit diesem Buch hat sie sich die Wut von der Seele geschrieben...

In Internet-Foren rotten sich die Lehrer jetzt zusammen und wettern gegen die Autorin: "Ungerecht! Überheblich! Destruktiv!". "Darum wollte ich meinen Namen geheim halten. Ich hoffe, meine Kinder müssen das nicht weiter ausbaden", sagt sie jetzt.

(http://www.berlinonline.de/berliner-kurier/berlin/109196.html)

 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 03.02.2006 um 09.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=93#233

Früher sangen wir das Lied "Das arme Dorfschulmeisterlein", wenn wir Lehrer tratzen wollten. (Text zu finden bei www.volksliederarchiv.de, Abteilung Arbeit und Handwerk)

 

Kommentar von Gabriele Ahrens, verfaßt am 10.02.2006 um 09.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=93#240

Man findet im "Lehrerhasserbuch" einige sehr zutreffende Passagen über den Rechtschreibunterricht, und auch über die Rechtschreibreform.

 

Kommentar von Bildungsklick, verfaßt am 14.02.2006 um 17.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=93#241

Lehrerhasserbuch: Klage gegen Autorin
Rechtsschutz für Lehrerin

14.02.2006 (bikl) Die GEW Berlin hat jetzt einer Lehrerin Rechtsschutz gewährt, die gegen die Autorin des Lehrerhasserbuchs klagt.

Die Autorin des Buches, das in den letzten Tagen zum Gegenstand vieler Berichte und Kommentare geworden war, hatte behauptet, dass die Lehrerin ihren Sohn vor der Klasse mit dem Buch seiner Mutter konfrontiert und zu dem Ausruf „Das ist ja Mama!“ bewegt habe. Gerlinde Unverzagt hatte das Buch unter einem Pseudonym veröffentlicht, später aber ihre Identität enthüllt.

Damit sei deutlich erkennbar, so die GEW Berlin, welche Schulen und welche Lehrkräfte sie in ihrem Buch angreife. Dies mache z.B. auch den Unterschied zu den anderen Bänden der Hasserbücher-Reihe über die Bahn oder die Telekom aus.

„Kritik, auch polemischer Art, ist das eine; Falschbehauptungen über einzelne Personen sind etwas anderes. Da Frau Unverzagt sich zum Teil ehrverletzend und bösartig über einzelne Lehrerinnen und Lehrer äußert, darf sie sich nicht wundern, wenn diese sich dagegen zur Wehr setzen“, erklärte die Berliner-Vorsitzende Rose-Marie Seggelke.

Die GEW sei der Auffassung, dass nur das offene Gespräch zwischen allen am Schulleben Beteiligten dazu beitrage positiv auf die Gestaltung des Schullebens und der Unterrichts- und Erziehungsarbeit einzuwirken. „Wir gehen nicht davon aus, dass Frau Unverzagt dieses Ziel vor Augen hatte.“, so Rose-Marie Seggelke. "Da wird pauschal ein Kübel Unrat über eine ganze Berufsgruppe ausgekippt, und damit verdient sich jemand noch eine goldene Nase". Die Autorin stelle sich "jetzt ziemlich naiv dar und wundert sich, daß ihr und ihren Kindern an ihren Schulen die Vertrauensbasis entzogen wurde".

Die schleswig-holsteinische Bildungsministerin und Vorsitzende der KMK, Ute Erdsiek-Rave, hatte gestern im Tagesspiegel zu der Auseinandersetzung um das Buch erklärt: „Dieses Buch werde ich nicht lesen. Auch die Diskussion darüber verschärft die Vorurteile gegen Lehrer anstatt zu einem guten Miteinander von Eltern und Lehrern beizutragen.“

(Das "daß" im vorletzten Absatz steht tatsächlich so im Artikel, siehe hier.)

 

Kommentar von DER SPIEGEL, verfaßt am 14.02.2006 um 19.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=93#242

"Fela mus ma machen döfen."
"Die orthographische Kompetenz kommt erst zuletzt."

Weiterlesen lohnt sich!

 

Kommentar von Günter Jansen, verfaßt am 15.02.2006 um 23.24 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=93#247

Schade, dass Gerlinde Unverzagt ihre berechtigten Sorgen nicht auf der Sachebene diskutieren mochte und sich einer Sprache bedient, mit der sie viele betroffene Eltern nicht erreichen wird. Ihre undifferenzierten Hasstiraden tragen dazu bei, sich selbst um ihre Chance zu bringen.
Es ist zu wünschen, dass die Autorin des Lehrerhasserbuchs dennoch eine sachbezogene Diskussion um die derzeitige Grundschulpädagogik in Gang setzen könnte. Ihre Kritik am völlig verfehlten Anfangsunterricht für den Schriftspracherwerb können deutschlandweit viele Eltern nachvollziehen. Auf einer politisch und wirtschaftlich unabhängigen Website (www.grundschulservice.de) finden Eltern in Elternbriefen seit Juni 2005 wissenschaftsorientierte Beitrage zu Entwicklungen und Fehlentwicklungen an Grundschulen, darunter auch Informationen zu den Schriftspracherwerbsmethoden "Lesen durch Schreiben" (Rechtschreibwerkstatt, Tinto, Methode Reichen).
Der offenbar überforderte Vertreter des Lehrerverbandes VBE (in der Sendung vom 08.02.2006) hat übrigens nicht recht, wenn er die von Frau Unverzagt angegriffene Grundschulmethode zum Schriftspracherwerb als „wissenschaftlich abgesichert“ bezeichnet. Das Gegenteil ist der Fall – wie auf der oben zitierten Homepage zu erfahren ist. Prof. Dr. Renate Valtin, Leiterin der Abteilung Grundschulpädagogik an der Humboldt-Universität Berlin, auch Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Lesen und Schreiben (DGLS), wandte sich vor kurzem mit einem dringenden Appell an den Berliner Schulsenator Klaus Böger: Sie will, dass wenigstens für Berliner Grundschulen genau diese von Frau Unverzagt angegriffene Schriftspracherwerbsmethode „Lesen durch Schreiben“ verboten wird.

Günter Jansen
alet@freenet.de

 

Kommentar von Klaus Wiechmann, verfaßt am 09.09.2006 um 16.57 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=93#394

Zu dem Beitrag vom Berliner Kurier "Das war doch deine Mama!"
Offensichtlich haben sich die beiden Lehrerinnen wiedererkannt. Alle anderen LehrerInnen tun dies – nach eigenen Aussagen – nicht!
Für mich ein klarer Beweis, dass die meisten Sachverhalte richtig dargestellt wurden. Danke, Frau Unverzagt!

 

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