Nachrichten rund um die Rechtschreibreform
Zur vorherigen / nächsten Nachricht
Zu den Kommentaren zu dieser Nachricht | einen Kommentar dazu schreiben
14.12.2010
Aus für Scharm und Mohär
Amtsdeutsch
Es ist ein schreckliches Bild, ein überfordertes Kind beim Rechtschreiben zu sehen.
Harald Jähner von der Berliner Zeitung sieht sich bei der Lektüre des 2. Ratsberichts an dieses Bild erinnert.
Diesen Beitrag drucken.
Kommentare zu »Aus für Scharm und Mohär« |
Kommentar schreiben | älteste Kommentare zuoberst anzeigen | nach oben |
Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.01.2011 um 17.11 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=663#8438
|
Was die Frankenpost lustigerweise zu Silvester schreibt (s. Diskussionsforum), ist möglicherweise nicht ganz erfunden, sondern Zehetmair könnte bei irgendeiner neueren Gelegenheit auch auf Restorant zurückgekommen sein. Man muß ja schon froh sein, wenn er nicht wieder von Urin-stinkt anfängt, womit er jahrelang Pressekonferenzen bestritten hat.
|
Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.12.2010 um 05.41 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=663#8421
|
Der alte Duden hatte es versäumt, die übliche Großschreibung in bestimmten Zusammenhängen zu verzeichnen: Gott ist der ganz Andere usw. – In meinem Wörterbuch ist das natürlich korrigiert.
|
Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 17.12.2010 um 22.20 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=663#8420
|
Zu #8419: Ich fand damals, daß bei diesem Filmtitel mit dem groß geschriebenen "Anderen" es das einzige Mal war, wo die durch die Reformer mit ihren Reformerhirnen hervorgerufene Schreibvorschrift etwas ausdrückte, was die herkömmliche Schreibung mit ihrem Entweder-Oder nicht konnte. Donnersmarck muß nicht ein Anhänger der Reform gewesen sein, um hier "Anderen" groß zu schreiben. Ich mit meiner Einstellung hätte es allerdings dem Sprachklang von "anderen" überlassen, die "Anderen" dem mitdenkenden und Interpretation suchenden Leser unschuldig nahezulegen. Auch bei Borchert ist in einem Text der "andere" und in einem anderen der "Andere"; und beide Male zeigt die Interpretation, daß es sich mehr oder weniger um denselben gemeinten Charakter handelt.
|
Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 17.12.2010 um 14.02 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=663#8419
|
Fragt sich nur, warum Donnersmarck seinen Erstlingsfilm »Das Leben der Anderen« genannt hat. War er damals noch ein Anhänger der Reform, oder ging es doch um die Andersartigen, und alle Welt hat ihn mißverstanden?
|
Kommentar von Die Welt, 16. Dezember 2010, verfaßt am 16.12.2010 um 21.12 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=663#8417
|
Glosse
"The Tourist" - ein Muß?
Florian Henckel von Donnersmarck ist ein gewissenhafter Mann. Um eines der vielen Drehbücher zu lesen, die ihm zugeschickt werden, braucht er schon mal drei Stunden; viele seiner weniger skrupulösen Kollegen düsen da in einer halben Stunde durch. Und selbst über schlechte Bücher denkt er den Rest des Tages immer wieder nach. Das ist fast rührend altmodisch.
Auch seine Interviews möchte er gegenlesen, bevor sie veröffentlicht werden. Das wiederum ist eine deutsche Krankheit; kein amerikanischer, englischer oder französischer Star besteht darauf. In den Texten, die dann zurückkommen, fällt eines auf: Donnersmarck ist kein Fan der neuen Rechtschreibung. "Muss" soll bei ihm weiter "muß" heißen und "dass" immer noch "daß". Das spielt natürlich bei Hollywood-Drehbüchern keine Rolle. Aber es hat in gewisser Weise mit seinem Film "The Tourist" zu tun.
Nun lehrt die Lebenserfahrung, dass man manchmal nur lange genug auf einem altmodischen Standpunkt beharren muss, damit dieser wieder in Mode kommt. Das gilt auch für unsere Rechtschreibung. Gerade erst hat der "Rat für deutsche Rechtschreibung" (ein zwischenstaatliches Gremium zur einheitlichen Weiterentwicklung der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum) empfohlen, die schlimmsten Blüten der Schlechtschreibreform einzukassieren. Vor allem eingedeutschte Fremdwörter sollen wieder erkennbar werden: Boutique statt Butike, Facette statt Fassette, Creme statt Krem.
Das wäre ein erster Schritt. "Muß" und "Daß" wären damit noch nicht rehabilitiert, aber Donnersmarck könnte sich Hoffnung machen, dass sein Beharren auf dem Alten und Bewährten sich allmählich durchsetzt. Auch der "Tourist" kann als Beharren auf Altem und Bewährtem interpretiert werden. Da hat einer viel Katharine Hepburn und Cary Grant und Audrey Hepburn gesehen und wünscht sich diese Art von Filmen zurück. Und dann bekommt er 100 Millionen in die Hand und kann sich plötzlich selbst daran versuchen: die elegante Frau von Welt und Geheimnis, die ein Kupee fährt und Scharm besitzt. Die Maläse mit der Schose ist, dass nicht nur die Rechtschreibung, sondern auch das Kino seine Moden hat. Und die Screwball Comedies, wo solche Frauen vorkamen, sind nicht nur aus der Mode, sondern unwiderruflich vorbei, weil sie auf Geschlechterrollen beruhten, die unwiderruflich der Vergangenheit angehören.
Das ist der tiefere Grund für den sich anbahnenden kritischen und kommerziellen Misserfolg des "Touristen", an dem auch jene drei Golden Globe-Nominierungen nichts ändern können, die mehr der Hoffnung geschuldet sein dürften, dass Jolie und Depp zur Verleihung erscheinen mögen, als wahrer Begeisterung. Henckel von Donnersmarck sollte sich davon nicht beirren lassen. Hollywood braucht jemanden, der es hin und wieder an seine Traditionen erinnert, und komme er aus Deutschland. Und über die Reform der Reform reden wir, wenn er wieder in Deutschland dreht.
(www.welt.de/print/die_welt/kultur/article11658323/The-Tourist-ein-Muss.html)
|
Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 16.12.2010 um 15.47 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=663#8414
|
Wenn Vermeidung von Ineffizienz überhaupt ein Ziel wäre, hätte es die RSR und natürlich auch dieses Forum nie geben dürfen.
|
Kommentar von Pt, verfaßt am 16.12.2010 um 15.34 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=663#8413
|
Zu 663#8411:
Warum braucht es überhaupt soviele Reisen, um sich über die Schreibung einiger weniger Wörter klarzuwerden? Früher gab es Briefe, heute gibt es zusätzlich noch Telephon und Internet, d. h. E-Mail. Gibt es nicht irgendwo eine staatliche Stelle, die eine solche Ineffizienz ankreidet und verfolgt/bestraft? Schließlich sind das doch Steuergelder. Wenn ein normaler Bürger z.B. Beihilfen für Rechtsanwälte/Gericht haben will, muß er ja schließlich auch seine finanzielle Situation offenlegen.
|
Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.12.2010 um 12.16 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=663#8412
|
Der Reformwahnsinn läßt sich noch auf andere Weise verdeutlichen:
Nach dem Debakel von 1993 brauchten die Reformer nur wenige Monate, um den Entwurf auszuarbeiten, der 1994 vorgelegt wurde und dann mit geringfügigen Änderungen 1996 als vermeintliches Jahrhundertwerk in Kraft trat. Aber seit 14 Jahren sind verschiedene Gremien (zwischenstaatliche Kommission, Beirat, Rat für deutsche Rechtschreibung) nun schon damit beschäftigt, die Neuregelung zu reparieren, und ein Ende ist nicht abzusehen.
In diesen 14 Jahren sind Tausende von Personen zu verschiedenen Tagungsorten gereist.
|
Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.12.2010 um 06.32 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=663#8411
|
Man kann folgende Rechnung aufmachen:
In der zweiten Hälfte der Amtszeit gab es 10 Tagungen mit rund 31 Teilnehmern, also rund 300 Reisen (Duden und IDS brauchen nicht nach Mannheim zu fahren, weil sie dort ansässig sind). Hinzu kommen Reisen mehrerer Arbeitsgruppen, schätzungsweise noch einmal 100 Fahrten. Damit wären etwa 400 Reisen nötig gewesen, um 20 Vorschläge für Variantenstreichung bzw. -ergänzung zu erarbeiten, also je 20 Reisen für Butike, 20 für Sutane usw.
|
Kommentar von Matthias Künzer, verfaßt am 14.12.2010 um 18.22 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=663#8404
|
H. Jähner: "Im Schnitt waren für die Anerkennung der Realität zwei Experten pro Einsicht von Nöten."
Die aber nur zu 2/3 anwesend waren.
Dreht Loriot eigentlich noch Sketche? ("Herr Hoppenstedt! Vorhin sagten Sie, Schikoree kann weg. Jetzt sagen Sie, Anschovis muß bleiben. Herr Blüml, so sagen Sie doch auch mal was!" – "Wie schreibt sich denn ... Schikoree?" – "Herr Müller-Lüdenscheid, wir müßten... wir müssen..." – "Meine Tochter eröffnet den Friseursalon Mohär!" – "Frisierendensalon, Herr Hoppenstedt. Es ist ja schließlich Ihre Tochter!" – "Wie schreibt sich denn ... Tochter?")
|
Kommentar von Germanist, verfaßt am 14.12.2010 um 12.14 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=663#8400
|
Wer ist "von Nöten"? Ein Adliger oder ein Ort? Oder soll der Leser verarscht werden?
|
Kommentar von Aachener Zeitung, 14. 12. 2010, verfaßt am 14.12.2010 um 11.18 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=663#8398
|
Die Maläse mit dem Kabrio und der Maffia soll enden
Rat für Deutsche Rechtschreibung legt Bericht über die Schreibentwicklung vor: Er empfiehlt, eine Handvoll Varianten zu streichen
Brüssel. Wer schreibt eigentlich „Butike“ statt „Boutique“, „Maläse“ statt „Malaise“ oder „Schikoree“ statt „Chicorée“? Offensichtlich kein Mensch – zumindest hat das der Rat für Deutsche Rechtschreibung in den letzten sechs Jahren festgestellt. Eingesetzt worden ist er von der Kultusministerkonferenz, um die „Schreibentwicklung“ nach der Rechtschreibreform zu beobachten. Jetzt übergab das Gremium in Brüssel der Kultusministerkonferenz seinen Tätigkeitsbericht für die Amtszeit 2004 bis 2010. Das Ergebnis hält sich in Grenzen – aber immerhin: Herausgekommen sind Empfehlungen, eine kleine Reihe von Variantenschreibungen zu streichen!
Allerdings betreffen die Vorschläge ausschließlich zwangseingedeutschte Fremdwörter, die im Duden und im Wahrig als Alternativ-Schreibweise dargestellt sind, aber kaum jemand verwendet. Der Rat empfiehlt deshalb, folgende Erfindungen der Rechtschreibreformer auszumerzen: Butike, Fassette, Kabrio, Katarr, Krem/Kreme, Kupee, Maläse, Mohär, Myrre, Scharm und scharmant, Schikoree, Schose, Sketsch, Sutane und transchieren. Und: „Maffia“ soll es auch nicht mehr geben. Ob sich die ehrenwerte Gesellschaft möglicherweise selbst beschwert hat über ihre eingedeutschte Verballhornung, ist leider nicht überliefert . . .
In Kleinigkeiten ist der Rechtschreibrat überdies großzügig – das zeigt sich überzeugend darin, dass er auch die Aufnahme von einigen Schreibungen empfiehlt: Die kernlose Sorte der Mandarine, die sowieso fast jeder „Clementine“ schreibt und nicht „Klementine“, soll es nun auch geben, ebenso wie „Schmand“, „Caprice“ und „Crème“.
Der Rechtschreibrat drückt es so aus: „Es handelt sich dabei durchweg um Fälle, bei denen es im Schreibgebrauch zu Verschiebungen in den Präferenzen gekommen ist und die daher zur Anpassung vorgeschlagen werden. Die vorgeschlagenen Änderungen haben keine Auswirkungen auf das amtliche Regelwerk in seinen Regeln, da bei Fällen dieser Art immer der Einzelfall zu bewertend ist.“
Warum aber zum Beispiel nicht das mindestens ebenso haarsträubende „Anschovis“ (statt „Anchovis“) nicht gestrichen werden soll, darüber schweigt sich der Rat aus. Die Beispiele ließen sich endlos fortsetzen – und das keineswegs nur bei zwangseingedeutschten Fremdwörtern. Oder schreibt tatsächlich jemand das „hart gekochte Ei“? Vielleicht kommt beim nächsten Bericht in sechs Jahren (?) ja mehr dabei heraus . . . Eckard Hoog
|
nach oben
Zurück zur vorherigen Seite | zur Startseite
|