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27.10.2010
 

Rechtschreibung oder Falschschreibung?
Wer schreibt, will gelesen werden

An der BuchBasel, die vom 12. bis zum 14. November stattfindet, beteiligt sich auch die Schweizer Orthographische Konferenz (SOK); es wird eine Podiumsdiskussion geben, an der auch ein Erziehungsdirektor teilnimmt.

Die SOK stellt ihren «Wegweiser zu einer einheitlichen und sprachrichtigen deutschen Rechtschreibung» vor und ist am «treff.» an der BuchBasel präsent.



Podiumsdiskussion im Symposion «Zukunft Lesen» am Samstag, den 13. November 2010, 10.30 bis 12.00 Uhr, Messe Basel, Halle 4.1 (mit anschließendem Buffet)

Es diskutieren:
- Jürg Dedial (Redaktion NZZ International, Zürich)
- Dr. Christoph Eymann (Regierungsrat, Vorsteher des Erziehungsdepartements Basel-Stadt)
- Dr. Ludwig Laher (Schriftsteller, Österreich, Mitglied des Rates für deutsche Rechtschreibung)
- Dr. Suzann-Viola Renninger (Herausgeberin Schweizer Monatshefte, Zürich)
- Prof. Dr. Rudolf Wachter (Sprachwissenschaftler Univ. Basel/Lausanne, Arbeitsgruppe SOK)

Moderation: Dr. Raphael Zehnder (Redaktor DRS 2 aktuell, Basel)

Begrüssung/Einführung SOK/Geschichte der Reform: Dr. Urs Breitenstein, Peter Müller, Stefan Stirnemann (Mitglieder der Arbeitsgruppe SOK)



Als der Rat für Rechtschreibung vor vier Jahren seine Kompromisslösung vorlegte, erwartete man, dass auf dieser Grundlage eine einheitliche und sprachrichtige Rechtschreibung wiedergefunden werden könne. Die Hoffnung hat sich nicht erfüllt; wir leben im Zeitalter der Hausorthographien und der Verunsicherung. Viele Schriftsteller widersetzen sich mit guten Gründen der sogenannten neuen Rechtschreibung. Das alles ist gerade für die Schule fatal. Die Rechtschreibreform ist eine von manchen unüberlegten Reformen im Bildungswesen.

Johanna Wanka, Präsidentin der deutschen Kultusministerkonferenz sagte: «Die Kultusminister wissen längst, dass die Rechtschreibreform falsch war. Aus Gründen der Staatsräson ist sie nicht zurückgenommen worden.»

Die Schweizer Orthographische Konferenz (SOK) fühlt sich der deutschen Staatsräson nicht verpflichtet. Sie setzt sich für eine einheitliche und sprachrichtige Rechtschreibung ein.

Kommen Sie nach Basel, mustern und klären Sie mit uns zusammen die Lage.

Mit freundlichen Grüssen
Die Kopräsidenten der SOK:

Filippo Leutenegger (Verleger; neue-ideen.ch AG)
Peter Zbinden (Präsident Sprachkreis Deutsch)



Wer schreibt, will gelesen werden

Der einzige Zweck des Schreibens ist das Lesen. Und wer liest, will verstehen, nicht Rätsel raten. Nach vierzehn Jahren Rechtschreibreform und trotz vierzehn Jahren Kritik an ihr wähnen die Verfasser des neuesten Schweizer Schülerdudens (2006) immer noch, dass ein wohlbekannter und ein wohl bekannter Schriftsteller dasselbe seien und dass ein Kleid in gräulichem Blau nicht unterschieden werden müsse von einem greulichen (reformiert: gräulichen) Verbrechen. Wenn Nietzsche in reformierter Rechtschreibung von «allen diesen gräulichen Häusern» schreibt, die er in den neuen Strassen der Städte sieht, was meint er dann? Eintönig ins Grau gestrichene oder abstossende Bauten? Rate, o Leser.

Vervierfacht statt vereinfacht

Die Reformer wollten die Rechtschreibung vereinfachen, sie haben sie vervierfacht. In Schulbüchern, in Büchern der Literatur und in Zeitungen lesen wir heute die widersprüchlichen Schreibweisen der Reform und der Reformen dieser Reform. Wahrig schreit: «Ich habe Recht!» Duden brüllt: «Ich habe recht!» Und nach wie vor erscheinen viele klassische und neue Texte in herkömmlicher Rechtschreibung. Genug des Reformlärms! Wer ungestört lesen und schreiben will, muss Einspruch einlegen.

Vorbild Österreich

Die Autorinnen und Autoren unseres Nachbarlandes haben Einspruch eingelegt und einen Vertrag ausgehandelt, der es den Schulbuchverlagen im Zeichen der Freiheit der Kunst untersagt, Texte an amtliche Normen anzupassen: «Dieses Recht auf Integrität eines Kunstwerkes schliesst ausdrücklich die Ablehnung ganzer Orthographiereformen oder bestimmter Teile davon ein.»

Lemminge!

Hierzulande sollen die Männer und Frauen des Wortes kein Mitspracherecht haben. Horst Sitta, massgebender Reformer, spricht sein Verdikt: «Keine Frage: Besonders wenig Freunde hat die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung bei den Poeten: In seltener, geradezu lemminghafter Einmütigkeit haben sie in den zurückliegenden Jahren in den Reihen der Reformgegner gewirkt, und sie tun es schon wieder. Auffällig bei dieser Gruppe ist Verschiedenes, vor allem aber das Wie und das Warum ihrer Stellungnahmen. Die Argumentation ist leichtfertig und unsauber.» (St. Galler Tagblatt, 5. Oktober 2004)

Die Schweizer Orthographische Konferenz (SOK)

Die Schweizer Orthographische Konferenz (www.sok.ch) bezieht Stellung und argumentiert sauber. Sie zeigt einen Weg aus den hauptsächlichen Unsicherheiten der deutschen Rechtschreibung seit der Reform von 1996 und ihren Rückbauetappen, damit die deutsche Sprache rasch aus dem gegenwärtigen Rechtschreibchaos herausfindet.

Die SOK ist eine Vereinigung von Sprachwissenschaftlern und Praktikern der Presse und der Verlage. In ihren Empfehlungen bemüht sie sich um eine Rechtschreibung, die den langfristigen Tendenzen der deutschen Sprache Rechnung trägt, ein kohärentes Ganzes bildet und im beruflichen, schulischen und privaten Alltag praktisch anwendbar ist. Die Empfehlungen der SOK werden unterstützt von der Konferenz der Chefredaktoren und dem Verband Schweizer Presse.

Rudolf Wachter / Stefan Stirnemann



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Kommentare zu »Rechtschreibung oder Falschschreibung?«
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Kommentar von Schweizer Monatshefte Nov. 2010 (ergänzt), verfaßt am 08.11.2010 um 11.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=658#8332

In ihrer November-Ausgabe bringen die Schweizer Monatshefte zwei Beiträge zur Rechtschreibreform: «Auch im Gedicht Regeln beachten!» 14 Jahre sogenannte neue Rechtschreibung von Stefan Stirnemann und Von neuem. Ein Schriftsteller in Erklärungsnot von Jürg Amann. Das Heft wird an der BuchBasel vorgestellt und aufgelegt werden. Der Text im Editorial lautet:
Seit 14 Jahren existiert nun schon die sogenannte neue Rechtschreibung. Reform folgte auf Reform. Die "Schweizer Monatshefte" gingen unbeschadet durch das Chaos. Sie liessen sich nicht aufzwingen, was Sprachreformer aus dem Hut zauberten. Schriftsteller müssen daher bei uns ihre Texte nicht vor untauglichen Regeln schützen. Lesen Sie mehr von Betroffenen ab S. 52.


Kommentar von B Janas, verfaßt am 05.11.2010 um 12.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=658#8329

Die Komplexität der Dinge wächst immer mehr Menschen über die Ohren. Ergebnis ist, weil man das nicht bewältigt, eine grassierende Realitätsferne. So wird nicht zur Kenntnis genommen, daß trotz Steuermehreinnahmen noch immer ein Rekorddefizit auflaufen wird und damit eben keine "Spielräume" für Steuererleichterungen entstehen. So wird auch in deutschen Medien nicht begriffen, daß der einzige Zweck des Schreibens das verstehende Lesen ist – SOK etc. hin oder her, das ist die Schweiz, die hat andere Probleme und die interessieren hier keinen, nur wenn es mal besondere Kuriositäten sind. Unser neuer Status quo wird nicht mehr als ungut empfunden, Handlungsbedarf nicht verspürt.
Wenn aber selbst der "Rat" die SOK ignoriert, ist das natürlich ein Skandal und das kann ihm die KMK nicht durchgehen lassen.



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