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Nachrichten rund um die Rechtschreibreform

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27.01.2010
 

Neue Rechtschreibung: Paradoxer Wildwuchs
„Eine klassische Verschlimmbesserung“

Im Wallis macht sich eine weitere Stimme bemerkbar. Wir können gespannt sein, ob die Lehrer den ihnen zugespielten Ball annehmen.


Es gibt Menschen, denen ist nur alles Neue gut genug, recht und richtig. Es handelt sich dabei sehr oft um Menschen, die glauben, nur in ständigen Veränderungen und im Neuen liege das Heil der Welt. Und wer mit dieser Kategorie von stets verändernden Menschen nicht einverstanden ist, wird von diesen «Heilbringenden» bald einmal als rückständig, hinterwäldlerisch, konservativ und nicht zeitgemäss abgekanzelt.

Klar: Wer nicht mit der Zeit geht, mit dem geht man mit der Zeit … An dieser Aussage haftet zweifelsohne viel Wahres. Und: Was sich nicht bewährt, Probleme schafft, absolut überholt ist usw. darf und soll geändert, erneuert und verbessert werden. Aber: Die Erfahrung lehrt uns immer wieder, dass vieles vom Neuen, vom Geänderten, vom sogenannt Verbesserten in Tat und Wahrheit reinrassige Verschlimmbesserung ist!

Eine klassische Verschlimmbesserung in diesem Sinne verkörpert für mich beispielsweise die neue deutsche Rechtschreibreform. Dr. Alois Grichting kritisierte erst kürzlich in seiner WB-Kolumne bereits zum x-ten Male und absolut zu Recht diese Reform massiv. Auch der Schreibende brachte bereits vor geraumer Zeit unter anderem darüber in einer Kolumne kritische Anmerkungen zum Ausdruck. Kolumnist Grichting führte in der erwähnten Kolumne mehrere eindrückliche Beispiele mit Verschlimmbesserungen auf. Fast könnte man Alois Grichting hierzulande leider als einsamen Rufer in der Wüste sehen. Denn persönlich war ich stets sehr erstaunt und überrascht, dass beispielsweise von der gesamten weiblichen und männlichen Lehrerschaft des Oberwallis trotz massiver, kompetenter Kritik in der Schweiz, in Österreich und in Deutschland – Irrtum vorbehalten – öffentlich nie eine kritische Stimme zu dieser neuen deutschen Rechtschreibreform zu vernehmen war!

Wer mit der deutschen Sprache nicht regelmässig konfrontiert wird, regt sich gewiss nicht stark über diese Reform auf. Persönlich rege ich mich aber spätestens fast alle zwei Wochen beim Schreiben meiner WB-Kolumnen teils massiv auf. Genau gesagt dann, wenn ich bei einem bestimmten Wort betreffend Orthographie gewisse Zweifel habe, den Duden mit der neuen deutschen Rechtschreibreform zu Hilfe nehme, und dann «dank» diesem «Buch der Weisen» die Orientierung verliere. Beispiel? Bleiben wir gerade mit dem Wort «Orthographie» aus dem vorigen Satz. Dieses Wort steht so im neusten «Buch der Weisen» vom Juli 2009 schwarz und fettgedruckt. Das heisst, dies entspricht so geschrieben der richtigen Schreibweise. Vor diesem Wort in dieser Form steht im Duden allerdings auch noch «Orthografie», und zwar gelb übermalt. Und gelb übermalt heisst nach Duden: «Von der Dudenredaktion empfohlene Schreibvariante.» Das wiederum heisst, schreiben sollte man eigentlich Orthographie, aber empfohlen wird die andere Schreibvariante, denn beide Formen sind gültig. Voilà! Solche – so meine ich – absolut verwirrende und desorientierende «Rechtschreibhilfen» stehen x-mal auf jeder Seite des 1216 Seiten umfassenden neusten Duden vom Juli 2009 mit der neuen deutschen Rechtschreibung! Und Derartiges bedeutet für mich so etwas wie eine fundamentlose Pingpong-Rechtschreib-Wissenschaft in wilder Form…!

Dies ist nur eine Sorte von Beispielen. Alois Grichting führte andere Beispiele auf. Für all die gesamten und teils unlogischen, widersprüchlichen und chaotischen Verschlimmbesserungen dieser Reform bietet eine Kolumne wohl nur sehr winzigen Platz. Zugegeben: Mag sein, dass ich geprägt bin von 44 Jahren Forschung in einer exakten Wissenschaft. Dennoch: Persönliches Fazit dieser neuen deutschen Rechtschreibreform, an der so viele Jahre so viele «Studierte und Gelehrte» aus Deutschland, Österreich und der Schweiz Gehirnakrobatik betrieben: Neben zugegebenermassen vielen echten Verbesserungen ist diese Reform gesamthaft gesehen ein paradoxer Wildwuchs, eine klassische Verschlimmbesserung und eine Wischiwaschi-Wissenschaft!

(Quelle: Walliser Bote, 27. Januar 2010, Seite 5; Verfasser: Leander Bregy)



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Kommentare zu »Neue Rechtschreibung: Paradoxer Wildwuchs«
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 28.01.2010 um 17.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=644#8068

Was heißt hier eigentlich "Verschlimmbesserung"?
Den Duden seit 1996 kann man gar nicht verschlimmbessern, höchstens noch mehr verschlimmern.
"Neben zugegebenermassen vielen echten Verbesserungen ..." Welche?


Kommentar von Matthias Künzer, verfaßt am 01.02.2010 um 16.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=644#8073

Seit wann ist die Schweiz eigentlich bestrebt, den Deutschen alles nachzumachen? Man erkennt ein von Grund auf fehlgeleitetes Vorhaben, einen Pfusch auf der ganzen Länge, beugt sich still und führt ihn ein. Schließlich kommt der Krampf aus dem großen Deutschland, aus den stolzen Städten Siegen und Rostock.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.02.2010 um 17.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=644#8074

Horst Sitta und seine Zürcher Schüler, besonders Peter Gallmann, standen an der Spitze der Reformer und noch mehr der Reformvermarkter. Da die gesamte Schweizer Deutschdidaktik und ein Teil der Germanistik von der Sitta-Schule bestimmt waren, konnte die Reform dort zunächst besonders reibungslos durchgezogen werden. Die beiden Genannten haben sich dann auch gegen geschäftsschädigende Revisionen heftig gewehrt, obwohl sie die Verkehrtheit des Ganzen recht gut durchschauten und in ihren Lehrerhandreichungen auch beim Namen nannten.
Nicht vergessen sollte man auch "Papa Glinz".


Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 02.02.2010 um 08.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=644#8075

"Neben zugegebenermassen vielen echten Verbesserungen ..." Welche?

Das hatte ich mich auch schon gefragt, bin dann aber aufgrund des sonst glatt negativen Urteils über die RSR zu der Vermutung gelangt, daß die Verbesserungen in irgendwelchen nicht näher bezeichneten anderen Reformen erreicht wurden. Das mag es ja in der Schweiz gegeben haben. Für uns Reichsdeutsche fällt mir bei staatlichen "Reformen" allerdings gerade nichts ein.


Kommentar von Matthias Künzer, verfaßt am 02.02.2010 um 12.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=644#8077

Es mögen auch ein paar Schweizer kollaboriert haben. Aber ob die in der Mehrheit sind?


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.02.2010 um 18.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=644#8083

Nochmals zur Frage von Herrn Künzer: Die Bemühungen um eine Rechtschreibreform seitens der Schweiz sind u. a. dokumentiert von Looser und Sitta in Augst/Blüml/Nerius/Sitta: Zur Neuregelung der deutschen Orthographie. Tübingen 1997.
An dieses Buch sollte mal wieder erinnert werden. Einerseits präsentieren die Reformer stolz ihr Werk, andererseits ist schon damals die Axt an die Wurzel gelegt. Wenn man heute noch einmal darin blättert, hat man den Eindruck: Das konnte ja gar nicht gutgehen!



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