Nachrichten rund um die Rechtschreibreform
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25.07.2008
Ende der Übergangsfrist in Österreich
„Neue Rechtschreibung tritt endgültig in Kraft“
Am 31. Juli endet in Österreich und Südtirol die Übergangsfrist für die neuen amtlichen Regeln der deutschen Rechtschreibung. Damit werden Schülerarbeiten nur noch nach den neuen, seit 1. August 2006 geltenden Rechtschreibregeln korrigiert, erklärte Karl Blüml, österreichisches Mitglied im internationalen Rat für deutsche Rechtschreibung.
Bisher wurde die alte Schreibweise zwar angestrichen, aber nicht als Fehler gewertet.
Eine kleine Ausnahme gibt es noch: Maturanten, die beim Haupttermin im Mai oder Juni dieses Jahres nicht bestanden haben und nun im Herbst nochmals antreten müssen, dürfen noch in der alten Schreibweise schreiben. Sie sollen unter den selben Bedingungen wie im Frühjahr antreten dürfen, sagte Blüml.
Reform vollständig umgesetzt
Die umstrittene Rechtschreibreform ist damit ab Anfang August vollständig umgesetzt. Die neuen Rechtschreibregeln würden ohnedies schon von mehr als 95 Prozent der Schüler angewendet. Ihm seien auch keinerlei Rückmeldungen bekannt, dass es zu größeren Problemen komme, sagte Blüml.
Der Rat für die deutsche Rechtschreibung will bei seiner nächsten Sitzung im Herbst dennoch eine groß angelegte Untersuchung über die neue Rechtschreibung beschließen. Das Konzept dafür sei bereits fertig, nun werde noch nach einer Finanzierung gesucht, sagte Blüml. Dabei sollen in Österreich, Deutschland und der Schweiz einerseits verschiedenste Publikationen analysiert, andererseits Untersuchungen an Schulen durchgeführt werden. "Wir wollen feststellen, ob es eventuell noch Knackpunkte in der Akzeptanz gibt", sagte Blüml.
Deutschland war das erste Land, das die überarbeitete Rechtschreibung mit 1. August 2007 vollständig umgesetzt hat. In der Schweiz und in Liechtenstein endet die Übergangsfrist am 31. Juli 2009.
Reform von der Reform
Wegen der heftigen Kritik an der Rechtschreibreform von 1996 war das amtliche Regelwerk mit 1. August 2006 erneut geändert worden. Entsprechend den Vorschlägen des Rats für deutsche Rechtschreibung sind seitdem in einigen besonders umstrittenen Bereichen die alten Schreibweisen - neben den neuen - wieder zugelassen.
So ist beispielsweise neben "kennen lernen" auch wieder die alte Zusammenschreibung "kennenlernen" erlaubt. Wortverbindungen wie "allein erziehend" und "so genannt" dürfen ebenfalls zusammengeschrieben werden ("alleinerziehende Mutter", "sogenannte schnelle Brüter"). In Fällen wie "auseinandergehen" ist die Zusammenschreibung sogar wieder verbindlich vorgeschrieben, wenn die Betonung auf "auseinander" liegt. Das Anredepronomen darf in Briefen auch wieder großgeschrieben werden: "du" oder "Du". Bei der Kommasetzung und Worttrennung sind jetzt einige Schreibweisen verboten, die nach der Reform 1996 erlaubt waren: Das Komma ist etwa vorgeschrieben (wo es 1996 nicht zwingend war) bei Sätzen wie "Sie öffnete das Fenster, um frische Luft hereinzulassen". Einzelne Vokale am Wortanfang dürfen am Zeilenende auch nicht mehr abgetrennt werden; die Silbentrennung "A-bend" ist also unzulässig.
(In ähnlicher Form auch im "Kurier";
Anmerkungen dazu siehe außerdem hier.)
Quelle: Der Standard
Link: http://derstandard.at/?url=/?id=1216917803633
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Kommentar von Gast, verfaßt am 11.09.2008 um 15.29 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=595#7357
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Die Aussage ''Seit vergangenem Herbst beobachten die deutschen Wörterbuchverlage Duden und Wahrig die Schreibgewohnheiten.'' führt aber den unbedarften Leser in die Irre, der annehmen könnte, daß überhaupt erst seit Herbst letzten Jahres Schreibgewohnheiten beobachtet werden. Das könnte beim Leser den Eindruck erwecken, daß die klassische Rechtschreibung sich nicht um die Schreibgewohnheiten der Leute geschert hätte und dies erst mit der Reform erreicht worden sei. Dies ist Manipulation, da damit die Reform auf eine subtile Weise als ''demokratisch'' hingestellt wird.
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 11.09.2008 um 14.33 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=595#7355
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Zwischen 1996 und 2007 haben die Wörterbuchverlage die Schreibgewohnheiten nicht beobachtet, sonst hätten sie ja die neuen vermehrten Rechtschreibfehler durch die reformierten Schreibweisen zur Kenntnis nehmen müssen. Das wollten sie aber gar nicht, sondern nur ihre Reform durchsetzen. Irgendwelche Folgerungen sind nicht zu erkennen, schuld sind die dummen oder unwilligen Bürger, die die Segnungen der reformierten Rechtschreibung nicht erkennen wollen.
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Kommentar von R. M., verfaßt am 10.09.2008 um 17.33 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=595#7354
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Es handelt sich nicht um irgendeinen Journalisten. Hans Haider war längere Zeit Feuilletonchef der Presse, die sich auf Wunsch ihrer Leser bis 2003 der Reformschreibe versagte, und ist seit dessen Einsetzung Mitglied im Rat für deutsche Rechtschreibung.
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Kommentar von Gast, verfaßt am 10.09.2008 um 17.15 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=595#7353
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Ich habe diesen Eintrag (#7351) nur ganz oberflächlich überflogen, aufgefallen ist dabei folgendes:
''Seit vergangenem Herbst beobachten die deutschen Wörterbuchverlage Duden und Wahrig die Schreibgewohnheiten.''
Tut das – zumindest der Duden – nicht schon seit Jahrzehnten? Was hat man von einer Zeitung zu erwarten, die so einen Blödsinn schreibt?
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Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 10.09.2008 um 11.00 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=595#7352
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"Die deutsche Interessenpolitik war nicht zu stoppen. Eine schon jahrzehntelang diskutierte Rechtschreibreform bot sich nach der Wiedervereinigung Bonn als Hebel an, mit dem in der ehemaligen DDR die ideologisch gefärbten Kinder- und Schulbücher aus den Regalen der Bibliotheken und Buchhandlungen gekippt werden konnten.
Österreichs Lehrer dürfen sich ihren Doppelkorrekturstress gutschreiben als Beitrag zur deutschen Wiedervereinigung."
Die Erklärung für die Reform ist absurd. Gerade das macht sie interessant. Die "Wiener Zeitung" hat offensichtlich keine weniger absurde Erklärung für das Phänomen gefunden.
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Kommentar von Wiener Zeitung, 29. August 2008, verfaßt am 09.09.2008 um 22.43 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=595#7351
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Die 2006 reformierte Rechtschreibreform ist seit 1. August in Kraft
Neue Schreibfreiheiten im neuen Schuljahr
Von Hans Haider
Das Regelwerk ist ab sofort im Unterricht Pflicht, erlaubt aber Vielfalt.
Zusammen oder getrennt? Das Ohr entscheidet mit.
Wien. Die Rechtschreibreform ist "gegessen", wissen die Beamten im Unterrichtsministerium – doch erst seit der Reform dieser Reform im Jahr 2006. Nach zwei Jahren Übergangsfrist ist sie nun mit 1. August für alle Ämter und Schüler verbindlich geworden.
Im neuen Schuljahr hat das Korrigieren von Schularbeitsheften mit verschiedenfarbigen Tinten ein Ende: Was nach der neuen Rechtschreibung falsch, nach der alten richtig ist, wurde angestrichen, doch nicht als Fehler gezählt. Zwölf Jahre waren die Lehrer auf Trab gehalten und haben für die leidige Reformpflicht viel Zeit aufgewandt, die sie besser zu nutzen gewusst hätten.
Die politisierende Pädagogik warf diese Mehrarbeit gerne Elisabeth Gehrer vor. Doch die Reform war schon in den frühen 90ern mit der Schweiz und Deutschland paktiert. Gehrer hielt als Ministerin einen Tausch des Duden-Regelsystems gegen ein neues Regelwerk für unnötig, sie hätte allenfalls, wie die Schweizer 70 Jahre früher, aus allen "ß" ein "ss" gemacht.
Wider die DDR-Relikte
Die deutsche Interessenpolitik war nicht zu stoppen. Eine schon jahrzehntelang diskutierte Rechtschreibreform bot sich nach der Wiedervereinigung Bonn als Hebel an, mit dem in der ehemaligen DDR die ideologisch gefärbten Kinder- und Schulbücher aus den Regalen der Bibliotheken und Buchhandlungen gekippt werden konnten.
Österreichs Lehrer dürfen sich ihren Doppelkorrekturstress gutschreiben als Beitrag zur deutschen Wiedervereinigung. Wer wollte sie nicht?
Die Rechtschreibung ist ab sofort nicht mehr so fixiert wie im alten Duden (Ausgabe 1991) und wie in der 1996 verkündeten Neuen Rechtschreibung. Der 2004 gegründeten "Rat für deutsche Rechtschreibung", mit Geschäftsstelle in Mannheim, setzte neue Freiheiten und Wahlmöglichkeiten in Kraft. Schülerinnen und Schüler, jetzt heißt es in Zweifelsfällen um diese Freiheiten kämpfen! Alle vier Schreibweisen sind korrekt: 90-er Jahre, 90er Jahre, Neunzigerjahre, neunziger Jahre. Man darf ebenso Acht geben wie acht geben. Allein erziehend ist so richtig wie alleinerziehend, Dank sagen wie danksagen und kennen lernen wie kennenlernen, selbstständig wie selbständig, Potenzial wie Potential. Man darf jemanden von weitem und von Weitem hören.
Rückkehr der Phantasie
Die neuen Varianten beim Getrennt- und Zusammenschreiben gehen auf den Tonfall des gesprochenen Worts ein. Schon beim Hineinhören in sich selbst merkt man, dass mit anderen Betonungen verschiedene Bedeutungen signalisiert werden: unterstellen, umfahren, überziehen, übersetzen, durchbrechen.
Es ist die Betonung, die uns sagt, ob einer (in der Schule) sitzenbleibt oder (im Wirtshaus) sitzen bleibt. Es kann einer höchstpersönlich erscheinen, um eine höchst persönliche Angelegenheit zu regeln. Zehn Jahre lang, bis zur "Gegenreform", wurde von den Rechtschreibrichtern das Ohr als Instanz nicht zugelassen, und es haben die Computer mechanisch getrennt, was zusammengeschrieben (bis 2006: zusammen geschrieben) werden sollte.
Man beachte das Komma vor "und": Es kann, aber muss nicht gesetzt werden. Die Buchverleger und Nachrichtenagenturen haben sich vergebens wieder für ein verpflichtendes Komma bei der Reihung selbständiger Sätze mit und, oder, beziehungsweise, entweder – oder, nicht – noch ausgesprochen, denn es dient dem leichteren Verstehen. Sie schreiben nun nach ihrem eigenen Belieben. Wie auch der Großteil der Österreicher über 18.
Doch die Umgewöhnung auf neue Schreibweisen ist im Gange. Das Telephon weicht dem Telefon, das Photo dem Foto. Dass man Gämse statt Gemse schreibt, ist Philologen-Rechthaberei, aber keine Fahnenfrage. Nun sind wieder der Delphin neben dem Delfin, die Phantasie neben der Fantasie und aufwendig neben aufwändig zugelassen.
"Rau" schreiben
Schwer zu verschmerzen ist der Verlust des in der österreichischen gesprochenen Sprache hörbaren "h" am Ende von rauh. Nun schreibt man rau.
Die drei Konsonanten nebeneinander in Schifffahrt oder Stammmutter oder Missstimmung blasen sich optisch auf. Eine Faustregel verlangt das "ss" statt "ß"; doch nach einem langen Vokal oder Diphthong (Doppellaut wie "ei" oder "au") bleibt das scharfe "ß". Ein häufiger Fehler: Dass statt dass das geschrieben wird. Wieder zugelassen ist das Du mit großem Anfangsbuchstaben im Brief. Getrennt am Zeilenende wird das s-t, das ck hingegen bleibt ungetrennt.
Schreibenden von durchschnittlicher Duden-Treue war als Regel geläufig: Im Zweifelsfall klein! Die Reformer der 90er Jahre forcierten die Großschreibung. Doch ab sofort darf einem wieder etwas leid tun (statt Leid tun), man kann kopf stehen (statt Kopf stehen), ist pleite (statt Pleite) und jemandem ist angst und bange (statt Angst und Bange). Richtig sind ich gebe ihm recht und ich gebe ihm Recht. Geblieben sind Unschönheiten wie im Großen und Ganzen und im Voraus.
Alte Texte angleichen?
Seit vergangenem Herbst beobachten die deutschen Wörterbuchverlage Duden und Wahrig die Schreibgewohnheiten. Die Ergebnisse sind noch mager. Öfter wird Stopp statt Stop, Stepp statt Step, Tipp statt Tip geschrieben, sagt die Statistik. Eine Nachjustierung des Regelwerks 2006 wird frühestens in fünf Jahren spruchreif.
Ein heikles Thema packen Schriftsteller, Sprach- und Literaturwissenschafter sowie Verleger in der Darmstädter Akademie für Sprache und Dichtung im September an: Wie wären Neuausgaben alter Texte den neuen Schreibweisen anzugleichen?
(Link)
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Kommentar von OÖ Rundschau online, 13. August 2008, verfaßt am 14.08.2008 um 21.42 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=595#7298
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Jetzt gilt´s
Falls es Ihnen entgangen sein sollte: Vor wenigen Tagen ist wieder einmal eine neue Ära angebrochen. Seit 1. August ist die Rechtschreibreform einschließlich der Reform der Reform nun auch in Österreich ausnahms- und gnadenlos in Kraft. Die einjährige Schonfrist, die wir uns im Gegensatz zu den Deutschen heraushandeln konnten, ist abgelaufen. Ab jetzt wird ein Fehler gemäß diesem Regelwerk in den Schulen nicht mehr bloß unverbindlich kritisiert, sondern als solcher gewertet.
Anders als bei der Erstversion der Reform wird nun wieder mehr zusammengeschrieben. Außerdem kann man beispielsweise dank einer Änderung bei den adjektivischen Dubletten jemandem freund sein, aber auch jemandes Freund sein, man erhält jetzt den Blauen Brief anstelle des blauen Briefs, in welchem man nun dafür aber wieder höflich Du statt du schreiben darf.
Wegen dieser und manch weiterer Finessen hat sich der Rat für die deutsche Rechtschreibung jahrelang redlich abgemüht. Jetzt sind die honorigen Herrschaften am Ziel. Um sich dieses schöne Gefühl zu bewahren, sollten sie allerdings dringend vermeiden, SMS und E-Mails zu lesen.
http://www.rundschau.co.at/lokales/artikel/2008/08/13/jetzt-giltas
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Kommentar von orf.at (ohne Datum, vermutl. 1. 8.), verfaßt am 14.08.2008 um 21.36 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=595#7297
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Fehler werden nun gewertet
Die Übergangsfrist für die reformierte Rechtschreibreform ist zu Ende
Mit Anfang August treten in Österreich und in Südtirol endgültig die neuen amtlichen Regeln der deutschen Rechtschreibung in Kraft: Auch für Schüler ist damit die seit 2006 laufende "Schonfrist" zu Ende.
Damit ist die umstrittene Rechtschreibreform nun vollständig umgesetzt - inklusive der 2006 beschlossenen Reform der Reform, bei der Teile des geänderten Regelwerks zurückgenommen wurden.
Keine Probleme erwartet
Probleme erwartet der Rat für deutsche Rechtschreibung nicht, wie dessen österreichischer Vertreter Karl Blüml gegenüber der APA sagte. Die neuen Rechtschreibregeln würden ohnedies schon von mehr als 95 Prozent aller Schüler angewendet.
Auch in Deutschland, wo die Übergangsfrist nur ein Jahr dauerte und die überarbeitete Rechtschreibung mit 1. August 2007 vollständig umgesetzt wurde, gab es keine gröberen Probleme.
Eine letzte Ausnahme
In den österreichischen Schulen wurden Fehler nach der alten Schreibweise zwar markiert, aber nicht als Fehler gewertet. Mit 1. August wird das nun anders.
Nur für einen ganz bestimmten Spezialfall gilt die Ausnahme noch: Maturanten, die beim Haupttermin im Mai oder Juni dieses Jahres nicht bestanden haben und nun im Herbst nochmals antreten müssen, dürfen noch in der alten Schreibweise schreiben. Sie sollen unter denselben Bedingungen wie im Frühjahr antreten dürfen, so Blüml.
Reform der Reform
Wegen der heftigen Kritik an der Rechtschreibreform von 1996 war das amtliche Regelwerk mit 1. August 2006 erneut geändert worden. Entsprechend den Vorschlägen des Rats für deutsche Rechtschreibung sind seitdem in einigen besonders umstrittenen Bereichen die alten Schreibweisen - neben den neuen - wieder zugelassen.
So ist beispielsweise neben "kennen lernen" auch wieder die alte Zusammenschreibung "kennenlernen" erlaubt. Wortverbindungen wie "allein erziehend" und "so genannt" dürfen ebenfalls zusammengeschrieben werden. In Fällen wie "auseinandergehen" ist die Zusammenschreibung sogar wieder verbindlich vorgeschrieben, wenn die Betonung auf "auseinander" liegt - mehr dazu in "Was sich geändert hat".
Endlich abgeschlossen
Wenn die Schweiz und Liechtenstein, wo die Übergangsfrist erst am 31. Juli 2009 endet, ebenfalls vollständig nach den neuen Regeln schreiben, dürften die jahrelangen Querelen um die Reform ein Ende gefunden haben.
Die Politik, die vor allem in den deutschen Bundesländern für noch mehr Verwirrung und Uneinheitlichkeit gesorgt hatte, hat gelobt, sich in Zukunft aus dem Thema herauszuhalten. Und der Rat für deutsche Rechtschreibung hat derzeit keine großangelegten Reformvorhaben auf der Agenda.
Bericht soll "Knackpunkte" aufzeigen
Bei seiner nächsten Sitzung im Herbst will der Rat eine großangelegte Untersuchung über die neue Rechtschreibung beschließen, die den Schreibgebrauch an "kritischen Stellen" analysiert.
Für den Bericht - dessen Finanzierung allerdings noch offen ist - sollen in Österreich, Deutschland und der Schweiz einerseits verschiedenste Publikationen analysiert, andererseits Untersuchungen an Schulen durchgeführt werden. "Wir wollen feststellen, ob es eventuell noch Knackpunkte in der Akzeptanz gibt", so Blüml.
http://orf.at/080729-27829/27830txt_story.html
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Kommentar von kurier.at, 3. August 2008, verfaßt am 12.08.2008 um 22.48 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=595#7282
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Reform, reformiert
Heute tritt die Rechtschreibreform endgültig in Kraft, das heißt für das neue Schuljahr: Fehler werden nicht mehr verziehen.
Würde Herr Duden im Grab rotieren? Weil exakt 97 Jahre nach seinem Tod heute in Österreich die neue Rechtschreibung in Kraft tritt? Wohl kaum. Konrad Duden war Wegbereiter einer einheitlichen deutschen Schreibung, und die Weiterentwicklung einer solchen mit dem Ziel einer Rechtschreibreform wäre auch in seinem Sinn gewesen. Ob die so ausgefallen wäre, wie sie der internationale Rat für deutsche Rechtschreibung erarbeitete, ist eine andere Frage. Lassen wir den Duden ruhen, fix ist, dass ab sofort neue Schreibregeln gelten.
Wen betriffts?
Für Schulen und Ämter sind diese Regeln verbindlich. Eine Ausnahme wird Maturanten, die beim Herbst-Termin noch einmal antreten müssen, gewährt: Sie dürfen in der alten Schreibweise formulieren, was wie in den vergangenen Übergangsjahren angestrichen, aber nicht als Fehler gewertet wird. Medien und Autoren, Firmen und Private können hingegen weiterhin frei entscheiden, ob sie die Regeln übernehmen.
Die Rechtschreibreform, die heute in Kraft tritt, ist übrigens die Reform der Reform. Schon vor zehn Jahren trat die eigentliche Reform in Kraft.
Viel diskutiert
Wegen der heftigen Kritik seitens Pädagogen und Politikern musste die Reform allerdings überarbeitet werden. Einige alte Schreibweisen wurden – neben den neuen – wieder zugelassen. Darunter etwa die Formulierung „kennen lernen“, die jetzt auch wieder in der alten Zusammenschreibung als "kennenlernen" erlaubt ist. Die Reform der Reform ist also eine mit großer Wahlfreiheit geworden.
Deutschland setzte sie jedenfalls als erstes deutschsprachiges Land vor genau einem Jahr um. Heute ist Österreich dran. Die Schweiz und Liechtenstein wollen die Regeln am 1.August 2009 übernehmen.
http://www.kurier.at/nachrichten/186800.php
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Kommentar von Neues Volksblatt, 1. August 2008, verfaßt am 11.08.2008 um 16.41 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=595#7265
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Zwei Rechtschreib-Welten
Ab heute gilt offiziell nur noch die neue Rechtschreibung — In Büchern sind Schüler aber weiter mit der „alten“ konfrontiert — Lehrer wollen „Ausrutscher“ auch künftig nicht überbewerten
Von Christian Haubner
LINZ — Heute ist es soweit: Die Übergangsfrist zwischen alter und neuer Rechtschreibung ist zu Ende. Unter Letzterer versteht man die seit August 2006 geltende zweite Überarbeitung der Rechtschreibreform von 1996. Im alltäglichen Schriftverkehr hat zwar niemand Strafen zu befürchten, der weiterhin nach den alten Regeln schreibt. Für Schüler stellt sich die Situation jedoch anders dar. Denn ab kommendem Schuljahr gilt die alte Rechtschreibung offiziell als falsch — und wird somit als Fehler gewertet.
Erschwerend kommt dabei hinzu, dass Schüler Wanderer zwischen zwei Rechtschreib-Welten sind. Denn die meisten Bücher etwa in Schulbibliotheken enthalten natürlich die „alte Schreibe“.
Zu fürchten braucht sich deswegen aber niemand, beruhigt Landesschulratspräsident Fritz Enzenhofer im Gespräch mit dem NEUEN VOLKSBLATT. Eine Note sei schließlich ein Sachverständigen-Gutachten. „Und wenn einem Schüler einmal die alte Rechtschreibung reinrutscht, sollte man das nicht zu streng bewerten.“
„Seit der Reform kann kaum jemand ganz richtig schreiben“
Derselben Meinung ist auch der Vorsitzende der oö. AHS-Direktorenkonferenz Wilhelm Zillner, selbst Germanist und Direktor des BRG/BORG Kirchdorf: Mit gelegentlichen Rückfällen in die alte Schreibweise „werde ich persönlich großzügig umgehen und etwa zwei Wörter, die man nun zusammenschreibt, mit einem Hakerl verbinden und nicht gleich einen großen Fehler daraus machen“. Erwachsene hätten zudem viel größere Probleme als die meisten Schüler: „Seit der Reform kann ja kaum jemand ganz richtig schreiben.“
„Volksschüler sollten nur neue Rechtschreibung lesen“
Eher keine Bücher nach alter Schreibweise sollten Volksschüler, die gerade schreiben lernen, lesen, empfehlen unterdessen die klinischen Psychologen Claudia Pichler und Barnabas Strutz vom Wagner-Jauregg-Spital. Denn durchs Lesen werden sonst — nunmehr falsche — Schriftbilder abgespeichert.
„Das kann schon mal zu Verwirrungen führen“, bestätigt auch Jutta Artner, Deutschprofessorin am BG/BRG Freistadt. „Wenn wir etwa in der Unterstufe gemeinsam eine Kurzgeschichte nach alter Rechtschreibung lesen, mache ich meine Schüler auf die Unterschiede aufmerksam oder lasse sie selbst danach suchen.“ Streng bewerte sie nur Verstöße gegen die neuen Regeln, „die wir explizit durchgenommen haben“.
Man dürfe die neue Rechtschreibung generell nicht überbewerten, betont Norbert Schaller, Direktor des Ramsauergymnasiums und Vorsitzender der Vereinigung Christlicher Lehrer in OÖ. Im Deutschunterricht gehe es ja auch um „die Vermittlung von Stil, Ausdruck, um die Fähigkeit, Inhalte zu erfassen und wiederzugeben — um die Sprachkompetenz“. Bei Verstößen gegen die neue Rechtschreibung „werden wir sicher nicht gleich mit dem großen Rotstift drübergehen“.
„Ich sage ,bewährte‘ Rechtschreibung“
Keine Freude mit der neuen Rechtschreibung hat der renommierte oö. Autor Prof. Alois Brandstetter. Er schreibe weiter wie bisher und „ich sage ,bewährte‘ Rechtschreibung, nicht alte“, betont Brandstetter im VOLKSBLATT-Gespräch. Ein Kritikpunkt an der Reform sei, dass fremdsprachliche Lehnwörter ihre Herkunft verlieren, wenn man etwa nun „Majonäse“ schreibe. „Fremdsprachen zu beherrschen genießt ja großes Renommee, warum schreibt man dann ,Frisör‘ statt ,Friseur‘?“ Er halte es für nicht sinnvoll, „sich der Lautschrift anzunähern. Da müssten ja die Engländer gewaltig nachjustieren.“ Seine Leser goutieren dies: „Sie sind mir gefolgt, weil sie Freude an Tradition und Sprachgeschichte haben.“ Ihm wäre lieber, wenn beide Schreibweisen gleichermaßen gelten würden: „Das wäre dann Ausdruck dessen, dass Sprache etwas Lebendiges ist.“
(Link)
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Kommentar von Börsenblatt f. d. dt. Buchhandel, 31.07.08, verfaßt am 01.08.2008 um 11.05 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=595#7166
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Eine Note tiefer
Rechtschreibreform Auch in Österreich und Südtirol gelten ab August die Regeln der neuen Rechtschreibung. In der Schweiz und in Liechtenstein endet die Übergangsfrist zwar erst in einem Jahr, doch schon heute ist klar:Nicht alle machen mit. Seitens der Schweizer Presse gibt es inzwischen Bestrebungen, im Verbund mit der Schweizer Orthographischen Konferenz eigene Regeln zum Standard zu erheben. In Deutschland geht unterdessen der Protest der Reformgegner weiter: Schüler würden heute doppelt so viele Fehler machen wie vor der Umstellung, mahnte der Germanist Uwe Grund jetzt während der Jahrestagung der Forschungsgruppe Deutsche Sprache (FDS) in Stuttgart; der Notendurchschnitt sei um eine ganze Note gesunken. (tw)
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Kommentar von Rominte van Thiel, verfaßt am 01.08.2008 um 11.01 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=595#7165
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Ob die Briten und Franzosen schon etwas von dem sprachlichen Notstand gemerkt haben, in dem sie sich nach Meinung des Korrektors beim Standard (s. #7159) befinden?
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Kommentar von Der Standard, verfaßt am 01.08.2008 um 09.03 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=595#7159
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Die Diktatur beim Diktat
Mit dem 1. August 2008 gilt in Österreich verbindlich die neue Rechtschreibung – Der langjährige Streit um die Reform und deren Korrektur
Rechtschreibnormen braucht man eigentlich nur für Lernende. Um jemandem eine Sprache zu vermitteln, abstrahiert man Regeln aus einem eigenständig funktionierenden System. Dass sich diese Regeln nach dem Gebrauch der Sprache richten müssen und nicht umgekehrt, ist dabei verständlich, und Änderungen daran sollten sich logisch nachvollziehbar aus der Praxis ergeben, möchte man meinen.
Der Rechtschreibreform, die mit heutigem Datum in Österreich endgültig verbindlich ist, ging allerdings ein mehr als zehn Jahre dauernder Streit um die umzusetzenden Änderungen voraus.
Besonders zu bedauern waren in dieser Zeit Schüler, die etwa ab 1998 um gute Deutschnoten zu kämpfen hatten. Denn sie mussten zweimal umlernen: von alt auf neu und später noch einmal von neu auf ganz neu - wobei dieses ganz neu wieder einiges von alt enthielt. Diese Regeln, mit denen die "endgültig geänderte" Reform von 2005 überarbeitet wurde, ist bereits seit zwei Jahren in Kraft.
Die heute ablaufende Frist betrifft in Wahrheit nur jene Schüler, die noch die alte Schreibweise verwendet hatten und deswegen in der Toleranzphase der letzten zwei Jahre (in Deutschland dauerte diese nur ein Jahr, in der Schweiz hingegen wird sie erst 2009 enden) keine schlechteren Noten bekommen durften: Ab heute aber werden Fehler ausschließlich nach der neuen Rechtschreibung angerechnet. Diesen Sommer dürfen Schüler also nur noch "Rad fahren", und nach einigen Jahren "Eis laufen" diesen Winter wieder richtigerweise "eislaufen" gehen.
Begonnen hat die Reform 1996: Da lagen die Ergebnisse einer bereits jahrelangen Beratung einer Expertenkommission vor, die sodann von Österreich, Deutschland, der Schweiz, Liechtenstein und den Ländern mit einer deutschsprachigen Minderheit unterzeichnet wurden. Noch im selben Jahr begann der Protest. Auf der Frankfurter Buchmesse sprachen sich 100 Schriftsteller und Wissenschafter für einen Stopp der Reform aus. Anträge zur "Prüfung der Rechtmäßigkeit der Reform" wies 1998 der österreichische Verfassungsgerichtshof zurück, ebenso reagierte der deutsche Bundesgerichtshof: Am 1. August 1998 trat wie geplant die Reform in Kraft, die alte Schreibweise war in einer Übergangszeit von genau sieben Jahren noch bis 2005 erlaubt.
Rückkehr zur alten Form
Ein Jahr darauf hatten die meisten deutschsprachigen Zeitungen ihr Regelwerk angepasst, tausende Schulbücher waren für viel Geld neugedruckt worden, doch schon nach einem Jahr kehrte die Frankfurter Allgemeine Zeitung zur alten Schreibweise zurück, später folgte der Axel-Springer-Verlag diesem Beispiel. Die Krise brach dann 2004 aus: Eine neue Institution wurde gegründet, um die anhaltenden Streitigkeiten zu schlichten. Dieser neue Rat für deutsche Rechtschreibung trat zusammen, um Sinn und Unsinn der Reform zu besprechen.
Der Rat sollte fortan die Entwicklung der Schrift beobachten, um künftig durch Anregungen für die flexible Anpassung des Regelwerks an die realen Gegebenheiten für eine kontinuierliche Veränderung des Schriftstandards zu sorgen und so große Reformen in Zukunft zu vermeiden.
Die Beratungen ergaben im Wesentlichen Punkte der Getrennt- und Zusammenschreibung, die semantische Mehrdeutigkeiten ergeben hatten, außerdem wollten sich die eingreifenden Länder von so mancher Großschreibung nicht trennen. Die Reform musste reformiert werden, die Schulbücher mussten erneut umgedruckt werden. Die Korrekturen sind jene, die ab heute definitiv gelten. Zum heutigen Termin erschien eine Studie der Gesellschaft für deutsche Sprache, die ergab, dass zwar nur noch 55 Prozent der Deutschsprechenden gegen die Reform sind (71 Prozent waren es noch vor zehn Jahren), diese dafür schon 31 Prozent (statt 20) vollkommen egal ist.
An "Kleingeisterei" gescheitert
Bleibt nun, nach der abgeschlossenen Reform, die Frage, weshalb die Schreibweisen Schifffahrt (heute ist außerdem Schiff-Fahrt erlaubt) und zugute tun (heute ist wieder nur mehr zugutetun zulässig) derartig viel Aufruhr verursachten. "Die Rechtschreibung hat bei uns einen Stellenwert erhalten, der ihr nicht angemessen ist", meinte über die Streitjahre hinweg der Vorsitzende der Reformkommission, Karl Blüml, dazu. "Der zweite Hauptgrund für die Überbewertung der Rechtschreibung im Deutschen ist aber auch dieser hochgeschätzte Ordentlichkeitsbegriff."
Die Debatten reichen allerdings viel weiter zurück: 1901 gab es erstmals, im Zuge der Reichsgründung durch Bismarck, eine staatlich vorgegebene überregionale Vereinheitlichung der Schriftsprache. Nach einer damals veranstalteten Rechtschreibkonferenz wurde die Entwicklung der Sprache von zwei Wörterbüchern registriert: einem schmalen "Volksduden" und einer umfangreichen Ausgabe für Korrektoren und Buchdrucker.
Der "Sündenfall", erzählt Blüml, geschah 1915, als beide Werke zusammengelegt wurden. "Alles, was vorher nur Spezialisten zugemutet wurde, galt nun auch für Kinder. Daraus ist das Kreuz mit der Rechtschreibung in der Schule in Wahrheit entstanden.
Das Kreuz mit der aktuellen Rechtschreibreform analysiert Standard-Korrektor Markus Tinhof: "Der große Wurf ist an Kleingeisterei gescheitert." Zu viele Vetos und Abänderungen hätten die Entwürfe zerstört. Die anfangs angedachte generelle Kleinschreibung konnte nicht umgesetzt werden, in mehreren kleinen Schritten wurde immer wieder zurückkorrigiert. "Grundsätzlich war die Reform dringend notwendig", sagt Tinhof, "um nicht in einen Notstand zu kommen, wie es im Englischen und Französischen der Fall ist", wo zwischen der gesprochenen und der Schriftsprache eine große Lücke klafft. Nach Tinhof hätte die Reform aber "wesentlich radikaler" durchgesetzt werden müssen.
Dafür ist es nun zu spät. Die allerletzte Ausnahme gilt noch für Maturanten, die nach ihrem Scheitern im Juli noch einmal antreten müssen: Ihnen wird im Herbst die alte Rechtschreibung noch einmal nachgesehen. Isabella Hager
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