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12.02.2008
 

Abschied vom Bildungsbürgermöbel
Brockhaus frei im Netz

Es sieht ganz so aus, als wäre die 21. Auflage des Brockhaus die letzte ihrer Art – trotz ihrer haptischen Qualitäten. Ein Abgesang in der taz.

Von Arno Frank

Immer dann, wenn gar nichts mehr hilft, wird sie eilig übergestreift wie eine rhetorische Schwimmweste: die Haptik.

Haptische Wahrnehmung, also das Erfühlen von Objekten, ist immer toll. Haptik ist vor allem der einzige Reiz, für den die digitale Revolution noch keine Entsprechung gefunden hat. Deshalb beruft sich ja auch die Plattenindustrie mit rührender Hilflosigkeit auf die Haptik, die ihre billig produzierten Plastikschachteln dem wuchernden Angebot von Onlinemusikdiensten voraus hätten. Und deshalb war vom Brockhaus-Verlag seit Jahren die leicht nervöse Beschwichtigung zu hören, Onlinewissensdienste wie Wikipedia fürchte man nicht, fehle es dem konkurrierenden Internetlexikon doch an den guten alten, nämlich haptischen Qualitäten.

Zwar darf bezweifelt werden, dass sich jemand allen Ernstes 30 Bände für 2.670 Euro anschafft, weil sie sich "gut anfühlen". Nicht von der Hand zu weisen ist aber, dass sie gut aussehen.

Zuletzt war es vor allem das Ende der Diskussion um die Rechtschreibreform, die dem Verlag noch einmal den Hals rettete. Mehr als eine Million verkaufter Rechtschreibduden bescherte der Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG noch 2007 einen eher unerwarteten Umsatzsprung. Hinzu kamen, wie es sich für schlau diversifizierende Unternehmen geziemt, Themenlexika in Zusammenarbeit mit Geo, eine neue Lizenz für das Guiness-Buch der Rekorde sowie das solide Kalendergeschäft. Noch auf der vergangenen Buchmesse in Frankfurt protzte der Verlag – nach dem Motto: "Was du nicht verbergen kannst, das betone!" – mit überdimensionierten Brockhaus-Brocken im Stonehenge-Format. Was über den massiven Einbruch im Geschäft mit Nachschlagewerken allerdings nicht hinwegtäuschen konnte. Der Markt habe sich "schneller gedreht" als erwartet, erklärte Brockhaus-Vorstand Marion Winkenbach: "Die Marktanalysen zeigen eindeutig, dass die Kunden künftig Sachinformationen in erster Linie online nachschlagen werden", so ein Sprecher: "Die 21. Auflage der 'Brockhaus Enzyklopädie' war voraussichtlich die letzte – ab jetzt findet alles online statt."

Die Verlagsleitung denke daher über "umfassende Kostensenkungsmaßnahmen" nach und prüfe einen sozialverträglichen Personalabbau "in der Größenordnung von um die 50 Stellen" am Standort Mannheim. Derzeit beschäftigt die Gruppe bundesweit noch rund 450 Mitarbeiter, davon etwa 250 in Mannheim.

"Relevante und geprüfte Informationen aus allen Wissensgebieten" möchte der Verlag freilich weiter liefern, ab Mitte April mit einem kostenlosen Lexikon-Portal namens "Brockhaus online", das sich als eine Art zertifiziert-seriöse Alternative zu Wikipedia etablieren will. Das wird schiefgehen. Mangels Haptik.

Denn war es nicht sein enormer Protzfaktor, der dem Brockhaus seinen Stammplatz im Bücherregal bürgerlicher Haushalte sicherte? Der Brockhaus, das war das Wissen der Welt, meterlang und kiloschwer, enzyklopädisch geordnet, in Leder gebunden und mit goldenen Lettern versehen – und notorisch veraltet.

Zu bedauern ist das deshalb nicht. Schon 1796, in seiner 1. Auflage, war es ein "Conversations-Lexicon oder kurzgefasstes Handwörterbuch für die in der gesellschaftlichen Unterhaltung aus den Wissenschaften und Künsten vorkommenden Gegenstände mit beständiger Rücksicht auf die Ereignisse der älteren und neueren Zeit".

Und bei der "beständigen Rücksicht" auf die Zeitläufte war die Haptik immer schon Störfaktor und Ballast.



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Kommentare zu »Abschied vom Bildungsbürgermöbel«
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Kommentar von taz, 12. Feb. 2008, verfaßt am 13.02.2008 um 13.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=574#6475

Traditionsunternehmen unter Druck
Brockhaus frei im Netz

Das Internet bringt das klassische A-Z-Lexikon Brockhaus unter Druck. Um sich gegenüber Wikipedia zu behaupten und will der Verlag seine gesamte Enzyklopädie online stellen. Willkommen im 21. Jahrhundert. VON JULIA NIEMANN

MANNHEIM taz Nachdem der Brockhaus-Verlag nach eigenen Angaben einen Verlust in der Größenordnung von "mehreren Millionen" hinnehmen muss, setzt das Unternehmen nun auf eine Online-Offensive. Neben dem Abbau von rund 50 Stellen ist nun ein Lexikonportal geplant, mit dem man sich als "Wissensnavigator" verstanden wissen und eine junge Zielgruppe ansprechen will. Das Portal soll durch Werbung finanziert werden. Der Verkauf klassischer Nachschlagewerke ist dramatisch eingebrochen, da diese mit ständig aktualisierten Online-Lexika wie Wikipedia konkurrieren müssen, die mittlerweile häufiger genutzt werden, als die dicken Wälzer.

"Die 21. Auflage der 'Brockhaus Enzyklopädie' war voraussichtlich die letzte - ab jetzt findet alles online statt", vermeldete dann auch ein Sprecher des Hauses, das bundesweit rund 450 Mitarbeiter beschäftigt. Die Marktanalysen zeigten eindeutig, dass die Kunden künftig Sachinformationen in erster Linie online nachschlagen werden. "Der aktuelle Schritt zum werbefinanzierten Modell ermöglicht es allen Menschen, am relevanten, nicht-manipulierbaren 'Brockhaus-Wissen' teilzuhaben", teilt der Verlag weiter mit. Damit will sich der Verlag offenbar gegenüber Wikipedia abgrenzen - die freie Online-Enzyklopädie wird häufig mit Vorwürfen konfrontiert, sie sei leicht manipulierbar, da dort im Prinzip jeder an den Einträgen Änderungen vornehmen kann. Allerdings wird sich ab dem 15. April zeigen, ob das kostenlose Lexikon-Portal www.brockhaus.de mit 300.000 Stichworten tatsächlich nicht manipulierbar, aber gleichzeitig voll werbefinanziert sein kann.

"Relevant und geprüft" sollen die Informationen künftig online sein, tagesaktuelle Themen mehr Berücksichtigung finden als bisher. Zwar gibt es bereits eine Brockhaus-Suche im Netz - schließlich ist die Brockhaus-Redaktion in Leipzig schon seit vergangenem Jahr für "online" zuständig - allerdings muss man dort bisher registriert und Abonnement-Kunde sein. "Brockhaus.de" wird nun als Redaktion geführt, die Chefredakteurin wird Sigrun Albert sein - zuvor Redaktionsleiterin von "Brigitte.de" und "Youngmiss.de". Die zum Start von "Brockhaus online" veröffentlichten Lexikonbeiträgesollen sollen nach und nach ausgebaut und um weitere Themen und Inhalte ergänzt werden. Für diesen Herbst plant der Verlag zudem ein werbefreies und kostenloses Online-Angebot für Schulen.

Brockhaus will seine Angebote auch künftig für alle Trägermedien anbieten und auch weiter die klassischen Buchkunden bedienen - die Zukunft liege aber eindeutig im Internet - es ist angesichts der Millionen-Verluste vielleicht die letzte Rettung für das Traditionsunternehmen.


Kommentar von Brockhausfreund, verfaßt am 13.02.2008 um 13.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=574#6476

http://www.ftd.de/technik/medien_internet/316489.html?nv=cd-topnews

Klassischer Fall von Genickbruch durch Reformschreibung. Hoffentlich geht der Duden auch gleich kopeister.


Kommentar von B., verfaßt am 13.02.2008 um 14.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=574#6477

Sehr geehrte Damen und Herren BIFAB-Vorstände,

als treuer Brockhaus-Freund kondoliere ich Ihnen in herzlicher Anteilnahme zum Ableben Ihres durch den Verlag zu Tode manövrierten Brockhaus-Flaggschiffs.

Ich sehe nicht die Haupt-, aber doch eine wesentliche Nebenursache für das Krepieren dieser Enzyklopädie in der durch Ihren Verlag und die Langenscheidts a) vorauseilend, b) übertrieben und c) nicht regelgerecht umgesetzten Reformrechtschreibung, die nachweislich von den meisten Deutschen und ganz sicher von Ihrer Hauptzielgruppe nicht gewünscht und nach wie vor abgelehnt wird. Diese im besten deutsche Lexikon absolut unerträgliche Idiotenorthographie war auch für mich der Hauptgrund, Ihre Enzyklopädie nicht zu kaufen. In meinem geringfügig älteren Brockhaus stimmt zwar nicht mehr alles, aber die Rechtschreibung versetzt einem nicht jedesmal einen Stromschlag ins Sprachgefühl.

So gesehen bin ich ganz froh, daß dieser Unfug nun nicht noch weiter gedruckt wird.

Mit freundlichen Grüßen

XY


Kommentar von Ach herrjeh, verfaßt am 13.02.2008 um 14.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=574#6478

In Mannheim laufen jetzt fünfzig zusätzliche Hartz-IV-Leute herum, die vielleicht eine kommerzielle Sprachberatung gründen könnten. Jeder als Ich-AG. Oder als bezahlter Güthert-Fanclub, wenn diese Tussi auch noch zu bloggen beginnt.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.02.2008 um 15.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=574#6480

Die Berichte bestätigen nachträglich, in wessen Diensten Zehetmair handelte, als er die Arbeit des Rechtschreibrates einstellen ließ, um "den Markt zu beruhigen".


Kommentar von Quasimodo, verfaßt am 13.02.2008 um 19.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=574#6481

Naja, dieser Hans Wurst, äh ...Zehetdings als Agent der Wikipedia mit der Mission, Mannheims Geldbrunnen zu vergiften, das glauben Sie doch selber nicht. Ohne Rechtschreibreform und Diktatfrieden wäre es vielleicht ähnlich gekommen, aber nun kommt es uns zupaß.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.02.2008 um 08.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=574#6482

Meine Bemerkung bezog sich selbstverständlich auf den Umsatzsprung beim Duden im Jahre 2007.


Kommentar von Quasimodo, verfaßt am 14.02.2008 um 13.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=574#6483

Das ist Käse, weil sich Brockhaus-Minus und Duden-Plus die Waage halten und beide im selben Haus sind.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.02.2008 um 09.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=574#6484

Zehetmair wollte den Wörterbuchmarkt beruhigen und hat dem Duden zu einem Umsatzsprung verholfen. Mit der Brockhaus-Enzyklopädie hat er nichts zu tun. Ist denn das so schwer zu verstehen?


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.02.2008 um 18.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=574#6486

Daß es auch mit dem Dudenverlag zu Ende geht, wurde mir heute klar, als ich zufällig wieder mal auf seine Internetseite stieß. Der Verlag will mich kennenlernen und bittet um alle möglichen Daten. Unter allen Teilnehmern wird ein siebentägiger Hotelaufenthalt für zwei Personen auf Mauritius verlost. Zum Empfang ("Herzlich Willkommen!") gibt es ein Glas Sekt. "Die An - und Abreise per Flug erfolgt in eigener Regie und auf eigene Kosten." Du lieber Himmel! Da sind ja die Tageszeitungen bei der Abonnentenwerbung großzügiger.


Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 21.02.2008 um 16.31 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=574#6500

Es stimmt sehr nachdenklich, wenn man in der weisen Umgebung von Kommunkationswissenschaften uns so zur Kenntnis nehmen muß, daß die Rezeptionsdifferenz zwischen elektronischen und gedruckten Medien in der offenbar unbegriffen wiederentdeckten Haptik besteht.

Wer hätte gedacht, wie wichtig das Rascheln von Papier (akustisch) oder seine reine "haptische Wahrnehmung" für die Rezeption von diesem und jenem sein und werden wird!


Kommentar von Tagblatt, 18. 2. 2008, verfaßt am 29.02.2008 um 22.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=574#6563

Adieu, Brockhaus

Das Buch ist eine Quelle, das Internet ist der Fluss. Goethes Heraklit-Zitat: «Ach, und in demselben Fluss schwimmst Du nicht zum zweitenmal», besagt heute, dass im Datenfluss niemand mehr ein zweites Mal schwimmt.

Wer etwas wissen will, muss sich beeilen. Da immer mehr Leute forschen, gewinnen immer weniger von ihnen neue Erkenntnisse. Wissen ist nicht mehr Macht, sondern Unruhe. Das Heureka ist heute leichter verderblich als Fisch. Und daher kommt das Wissen jetzt nur noch selten aus Musse, aus Skepsis und skrupelhaft geprüfter Gewissheit, sondern aus der Unruhe, aus der Angst des Zuspät. Kaum ist der Gedanke in Worte gefasst, schon jagt er über Zeitschriften, Websites und rasch zusammengestellte Skripts um den Globus.

Der Büchermensch in uns benötigt Trost. Und er wird ihm werden. Denn der Schritt aus dem Buchzeitalter der seriösen Wissensspeicherung heraus, den der Brockhaus-Verlag vollzieht, eröffnet die Chance, dass wieder Sicherheit und Zuverlässigkeit in den Datenstrom einkehrt. Die Wikipedia-Anarchie hat endlich ausgedient, und die alten Büchertugenden der Verlässlichkeit und Genauigkeit sollten ihren Segen auch im Hypertextgewirr des Netzes ausbreiten. Lebt wohl ihr geliebten Schweinslederschinken!

http://www.tagblatt.ch/tagblatt-alt/tagblattheute/hb/kultur/tb-ku/art855,175782


Kommentar von HNA.online, 24. 2. 2008, verfaßt am 29.02.2008 um 23.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=574#6564

Wikipedia-Chef: Epoche der gedruckten Lexika vorbei

Kassel (dpa) - Die Ära der gedruckten Universallexika ist nach Ansicht des deutschen Wikipedia-Chefs Arne Klempert vorüber. «Wir leben in einer viel zu aufregenden, viel zu schnellen Zeit, als dass man da noch gedruckt hinterherkommen könnte», sagte Klempert.

«Die jetzige Generation ist Aktualität gewohnt. Früher hat man zwangsläufig hingenommen, dass ein Lexikon nun mal ein paar Jahre alt war. Heute werden selbst Tage nicht mehr akzeptiert.» Online-Lexika böten zudem den Vorteil, dass sie weltweit leicht verfügbar seien.

Klempert begrüßte den Schritt des Brockhaus-Verlages, sein dreißigbändiges Lexikon künftig kostenlos online zur Verfügung zu stellen. «Für unseren Verein, der sich der Förderung des Wissens verschrieben hat, ist das eine traumhafte Nachricht.» Bedauerlich sei, dass wirtschaftliche Probleme zu dem Schritt geführt hätten. «Wir drücken dem Verlag alle Daumen, dass es klappt. Dass so umfangreiches Wissen kostenlos für alle verfügbar ist, muss einfach Erfolg haben.»

In der deutschen Ausgabe des Internetlexikons Wikipedia gibt es nach Klemperts Angaben derzeit mehr als 700 000 Artikel, die von etwa 10 000 regelmäßigen Autoren ergänzt und aktualisiert würden. Für die Qualität der Texte sorge «maximale Transparenz»: «Jeder kann die Texte einsehen, jeder kann Änderungen nachvollziehen und notfalls mit einem Klick rückgängig machen.» Selbst bei brisanten Themen seien die Texte deshalb nüchtern und neutral. «Es gibt zwar Fans, die ihrer Gruppe oder auch ihrer Partei nur Gutes andichten wollen, aber das ist schnell korrigiert. So etwas rückgängig zu machen ist nämlich viel weniger Arbeit als es zu schreiben.» Derartige Auswüchse gebe es aber sehr selten, sagte Klempert: «Wikipedia hat mir den Glauben an die Menschheit zurückgegeben.»

Auch der Chef des neuen «Spiegel Wissen» im Internet, Hauke Janssen, lobte die öffentliche Enzyklopädie. «Wikipedia ist deutlich besser als ihr Ruf. Sie ist aktuell und es gibt überraschend wenige Fehler.» Gerade bei naturwissenschaftlichen Themen sei Wikipedia ein «enormer Fundus». Zudem hätten Tests die Qualität der auch von Laien geschriebenen Texte gelobt. «Es gibt zwar immer noch Vorbehalte gegenüber der Zuverlässigkeit. Aber die wurden ja vielleicht von Leuten verbreitet, die selbst Lexika verkaufen wollen», sagte Janssen.

(Link)


Kommentar von HNA.online, 28. 2. 2008, verfaßt am 29.02.2008 um 23.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=574#6565

Brockhaus: Der Kaufmann, der Bücher liebte
Friedrich Arnold Brockhaus handelte

"Ich war ein aufgeweckter Knabe mit einem brennenden Durst nach Kenntnissen aller Art, und einer wahren Bücherwuth." Der Vater des Jungen, der in Dortmund einen Laden für Ellen- und Spezereiwaren betrieb, mag für den Wissensdrang seines Sohnes anfangs wenig Verständnis gehabt haben. Schon während seiner Schulzeit half dieser im Geschäft, mit 16 Jahren zog er nach Düsseldorf, um in einer großen Firma vollends das zu lernen, was ihm in die Wiege gelegt schien: Kaufmann.

Der Junge, geboren im Mai 1772, hieß Friedrich Arnold Brockhaus. Und er wurde kein stiller Bücherwurm, sondern ein Unternehmer der Bücher. Zunächst handelte er allerdings mit englischen Wollstoffen - erst im heimatlichen Dortmund, dann in Amsterdam. Dort gründete er 1805 die Sortiments- und Verlagsbuchhandlung Rohloff & Co. Den Namen erhielt das Unternehmen von Brockhaus' holländischem Partner.

Der Kauf seines Lebens

Drei Jahre später macht Brockhaus den Kauf seines Lebens. Auf der Leipziger Michaelismesse stößt er 1808 auf das unvollendete, aber fast fertige Lexikon des Privatgelehrte Renatus Gotthelf Löbel und des Rechtsanwalts Christian Wilhelm Franke. Die Rechte sind zu haben. Brockhaus greift zu und legt damit den Grundstein für einen der ältesten, noch existierenden Verlage in Europa.

Schon 1809 erscheint das vollendete Werk als Conversations-Lexicon in acht Bänden. Es wird ein Erfolg. An der fünften Auflage, die 1819 herauskommt, schreiben schon rund 100 Fachgelehrte mit, doch Brockhaus hält das Heft in der Hand. Er allein sucht die Stichworte aus, benennt die Autoren, entscheidet, wie die Artikel erscheinen. Sein Verlag trägt seit 1814 den Namen des Gründers: F.A. Brockhaus. Der Verleger ist ein Liberaler, der für Menschen- und Bürgerrechte eintritt, für Gewaltenteilung und eine Verfassung ficht, und sein Lexikon urteilt, ordnet ein.

Brockhaus ist rührig. Er gründet den Taschenbuchverlag Urania, er verlegt das Hauptwerk des damals noch unbekannten Philosophen Arthur Schopenhauer, er kauft die Memoiren Casanovas. Er zieht mit seinem Unternehmen ins thüringische Altenburg, dann nach Leipzig.

Privat ist ihm weniger Glück beschieden. Seine erste Frau Sophie stirbt 1809. Brockhaus bringt seine sieben Kinder bei Verwandten unter, um sich seinen Geschäften widmen zu können. Die zweite Ehe, aus der vier Kinder stammen, wird geschieden.

Friedrich Arnold Brockhaus wird nur 51 Jahre alt. Als er 1823 in Leipzig stirbt, besitzt sein Verlag dort eine Druckerei, ein großes Verlagshaus und verlegt über 400 teils mehrbändige Werke. Doch auch für die nächsten 100 Jahre bleibt das Lexikon der wichtigste Pfeiler des Unternehmens, das die Nachfahren des Gründers weiterführen.

1943 gehen Gebäude, Papiervorräte, Geschäftsbücher und Unterlagen in Flammen auf. Firmenchef Hans Brockhaus zieht auf Rat amerikanischer Offiziere mit dem verbliebenen Besitz 1945 nach Westen. In Wiesbadener Hotelzimmern beginnt die Arbeit an einem neuen Lexikon.

Die Wirtschaftswunderjahre bescheren dem Verlag goldene Zeiten, doch Ende der 70er-Jahre weht ein rauer Wind. Der Markt ist gesättigt, der Verlag schreibt rote Zahlen.

Eine Fusion bringt die Rettung und beendet zugleich fast 180 Jahre Selbstständigkeit: 1984 schließt sich Brockhaus mit dem Konkurrenten, dem Bibliographischen Institut in Mannheim zusammen, das den "Duden" und die "Meyer"-Lexika herausgibt.

1988 droht der Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG (BIFAB) die Übernahme: Der britische Medienunternehmer Robert Maxwell macht den BIFAB-Aktionären ein Angebot. Firmenchef Hubertus Brockhaus lehnt ab. Er gewinnt die Familie Langenscheidt als Großaktionär.

Die Kommanditgesellschaft (KG), die deren Namen trägt, hält 76 Prozent an dem Unternehmen. Die Anteile sind in traditionsbewussten Händen: Andreas Langenscheidt ist Verleger in vierter Generation.

Von Barbara Will

(Link)


Kommentar von Manufactum-Hausnachrichten Sommer 2008, verfaßt am 17.04.2008 um 18.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=574#6672

Das neunzehnte Jahrhundert ist zu Ende. Brockhaus nur noch im Internet.

Bestürzung und Enttäuschung sind allenthalben in der Bildungsbürgerlandschaft auszumachen, Spott und Häme an ihren Antipoden. Der Brockhaus stellt sein gedrucktes Erscheinen ein, und das just im Jahr seines zweihundertsten Geburtstags. Es bedarf kaum des Hinweises, daß damit die deutsche Institution formgegossenen Wissens von der Medienbühne abtritt: Der Brockhaus war zwar im Naturwissenschaftlichen nie ganz so ausführlich wie Meyers Konversationslexikon, er ließ aber in ideologisch sehr windigen Zeiten sein Fähnchen nie so sehr flattern. Der Sündenfall einer stark ideologisch gefärbten Umarbeitung blieb ihm, abgesehen lediglich von einem Band 1 aus dem Jahre 1939, A bis AST, erspart, selbst „Der Neue Brockhaus“ aus dem Dritten Reich blieb, gemessen an den Verhältnissen, ausnehmend seriös; kritikwürdiger ist in dieser Hinsicht schon eher die erste Nachkriegsausgabe, erschienen ab 1952. Solche Dinge zeigen den historischen Wert der Brockhaus-Ausgaben, man kann sie nämlich miteinander vergleichen.

Gedruckte Großobjekte haben es in Zeiten des Internets ausgesprochen schwer. Noch schwieriger ist ihr Verkauf, wenn nicht einmal die dafür Zuständigen von der Sache überzeugt sind, die Buchhändler also. Sie selbst recherchieren schon seit Jahren nur noch am Bildschirm; selbst die ostentative Begeisterung eines Testkunden am Brockhaus- Präsentationspult vermochte die Inhaberin einer Buchhandlung nicht davon abzuhalten, nach hinten zu gehen und sich eine Zigarette zu gönnen; Herbert Paulerberg von der Branchenzeitschrift „Buchhändler heute“ war dieses Erlebnis immerhin acht sehr nachdenkliche Druckseiten wert. Kinder und Jugendliche, seit ihrem Eintritt ins Leben vollständig auf Bildschirmrezeption konditioniert, können mit den Klötzen, in denen man blättern muß, schon gar nichts mehr anfangen. Hinzu kommt noch eins: Was gedruckt ist, steht heute im Verdacht, nicht mehr ganz aktuell zu sein. Lexika und Enzyklopädien litten schon immer daran, und alle paar Jahre mußte man sie erneuern. In den betulicheren Zeiten ging das noch an. Heute ändern sich Wikipedia-Inhalte teilweise im Minutentakt, und Brockhaus gibt diesem Aktualitätssog schon aus rein betriebswirtschaftlichen Erwägungen nach. Als Chefredakteurin des neuen Online- Wissensportals konnte Sigrun Albert gewonnen werden, die reichlich Erfahrung aus ihrer Zeit als Redaktionsleiterin von „Brigitte.de“ und „Youngmiss.de“ einbringt. Früher wurde das gesicherte Wissen mit einem hohen Maß an Handwerklichkeit aufbereitet. Artikel wurden mit der Schreibmaschine verfaßt, mit der Hand korrigiert, dann in Blei gesetzt usw. Daß gerade jetzt die Redakteure ihre Sachliebe verlieren, darf man vor allem ihrer Entfremdung vom Werkstück zurechnen. Denn seit einer Weile (bei den Wörterbüchern seit den frühen achtziger Jahren) läuft ihnen alles nur noch digital über den Bildschirm und durch die Finger. Zwischen einer gedruckten Momentaufnahme der digitalen Brockhaus-Inhalte und einem Offline-Schnappschuß der Wikipedia besteht somit kein prinzipieller Unterschied, nur ein qualitativer.

Und der gedruckte Brockhaus ist eben gar nicht nur Opfer der dem Medium Papier innewohnenden Langsamkeit, sondern verschiedener ineinander verzahnter Kausalketten: Einmal ist da die wenig intelligent wirkende Vermengung von haptischem Erleben und professionellem Wissensbezug. Zuletzt hat der Verlag mit einem nicht gerade wohlfeilen USB-Datenspeicher als schnittige Digitalausgabe versucht, beides unter einen Hut zu bekommen, obwohl doch dem Brockhaus-Bildschirmnutzer eine weniger prätentiöse DVD-Ausgabe gelangt hätte. Und die Werbestrategie für die gedruckten Bände zielte auch in Zeiten sehr bedrohlicher Online- und Digital konkurrenz ganz überwiegend auf die Qualität des Brockhaus als Gegenstand – er sieht gut aus, man kann ihn auf- und zuklappen, man arbeitet mit Papier und riecht Lederrücken. Die fühlbar „gute alte Zeit“ als geistige Wellneß-Oase, ein exquisiter Rückzugsraum für echtes Nachdenken anstelle von Herumklicken; physisches Gewicht als zum Ballast gewordener Hinweis auf Gewichtigkeit.

Das ist unbestreitbar sehr vorteilhaft, kann aber nicht Hauptkriterium sein. Unsere Wissenswelt ist masselos! Wenn schon der Verlag diese Bücher zuerst als Möbel ansieht, was gilt dann die langlebige Information darin? Da verdeutlicht ein winziges Beispiel, wie schädlich es sein kann, Dauerhaftigkeit durch Überaktualität zu sabotieren. Der Brockhaus wurde nämlich in „Neuer Rechtschreibung“ gedruckt, und zwar in einer, die heute schon wieder völlig überholt ist: Den reformierten Schreibweisen der aktuellen Ausgabe ist das offiziöse Regelwerk längst davongaloppiert. Wie soll eine Enzyklopädie, die für Jahrzehnte inhaltliche Bedeutung beanspruchen will, ernstgenommen werden, wenn sie übereifrig eine Tagesrechtschreibung anwendet? Das ist sicher nur ein Nebenschauplatz, aber die meisten Benutzer der deutschen Schriftsprache und ganz sicher die Hauptzielgruppe der großen Enzyklopädien lehnen die Rechtschreibreform nach wie vor aus guten Gründen rundweg ab. Beides, die Blindheit gegenüber starken Tendenzen der Medienwelt und die überstürzte Anwendung einer unsinnigen und auch damals als nicht dauerhaft erkannten Schreibreform, verrät eine gewisse Arroganz.

Die mangelhafte Trennung von Informationsarbeit und Unterhaltungsvergnügen ist ja die Ursache so mancher Probleme der Wissensgesellschaft. Die natürliche Konsequenz, für den Informationsbezug die schnellste Trasse zu wählen, also das Internet, führt nun dazu, daß unser heutiges gesichertes Wissen nicht mehr für die Dauer dokumentiert wird, zumindest nicht mehr als Brockhaus. „Körper und Stimme leiht die Schrift dem stummen Gedanken“, heißt es bei Schiller, „durch der Jahrhunderte Strom trägt ihn das redende Blatt.“ Heute kann man anhand von 21 Brockhaus- Ausgaben genau sehen, wie sich das gesicherte Wissen seit Anfang des neunzehnten Jahrhunderts entwickelt und wie sich die Interpretation der Welt seither gewandelt hat. Ein Vergleich der Lexika verschiedener Zeiten ermöglicht tiefe Einblicke in die Geistesentwicklung. Deshalb (aber auch nur deshalb) ist das Ende des gedruckten Brockhaus ein sehr schmerzlicher Verlust, denn dadurch endet dieser Dokumentationsstrang.

Quelle: http://www.manufactum.de/Kategorie/-272/ManufactumHausnachrichten.html


Kommentar von F.A.Z., 07.06.2008, Nr. 131 / Seite 20, verfaßt am 07.06.2008 um 21.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=574#6766

Brockhaus-Verlag macht Verlust

Mannheim, 6. Juni (dpa). Der Brockhaus-Verlag arbeitet mit Verlust. Der Geschäftsbericht der Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG für 2007 weist ein Minus von 6,5 Millionen Euro aus. Nach den Angaben des Unternehmens sanken die Erlöse um mehr als zehn Prozent auf 93,3 Millionen Euro. Neben dem Stellenabbau soll eine Internetoffensive helfen, die Millionenverluste mit klassischen Nachschlagewerken aufzufangen. Für dieses Jahr ist die Rückkehr in die Gewinnzone zumindest angepeilt.


Kommentar von boersenblatt.net, 9. Juni 2008, verfaßt am 10.06.2008 um 15.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=574#6767

Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus
Lexika sorgen für sattes Minus

Für das Jahr 2007 weist der Geschäftsbericht der Verlagsgruppe BIFAB ein Minus von 6,5 Millionen Euro aus. Rund 93,3 Millionen Euro (2006: 107 Millionen Euro) setzte der Konzern insgesamt um, die BIFAB AG (ohne Schulbuch und Kalender) errreichte einen Umsatz von 65,5 Millionen Euro (nach 80,3 Millionen Euro im Jahr 2006).

Den Umsatzrückgang führt das Unternehmen zu einem großen Teil auf die 24. Auflage des Bandes „Duden – Die deutsche Rechtschreibung“ zurück. Diese Auflage habe 2006 außerordentlich hohe Absatz- und Umsatzzahlen erzielt, heißt es im Geschäftsbericht.

Im Buchhandelssortiment musste der Verlag im Lexikonbereich hohe Absatzrückgänge hinnehmen, betroffen seien alle Nachschlagewerke. Im Direktvertrieb dagegen sei die Entwicklung bei Nachschlagewerken positiv verlaufen.

Der in der Größenordnung unvorhersehbare Rückgang des Marktvolumens bei Nachschlagewerken bei gleichzeitigen Investitionsanstrengungen in elektronische Medien habe ein positives Ergebnis zum Jahresende nicht zugelassen: das Ergebnis 2007 weist einen Jahresfehlbetrag in Höhe von rund 2,1 Millionen Euro aus.

http://www.boersenblatt.net/sixcms/detail.php?id=200517


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.06.2008 um 18.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=574#6768

Wie wir schon geahnt haben, war 2006 ein sehr erfolgreiches Jahr für den Dudenverlag – dank Zehetmair und den zahlreichen Interessenvertretern im Rechtschreibrat, die zur Marktberuhigung beigetragen haben. Danach konnte es nur noch bergab gehen. Wäre es nun nicht an der Zeit, die Revision weiterzuführen und einen ganz neuen und nun wirklich endgültigen Duden herauszubringen? Dann könnte 2009 auch wieder ein gutes Jahr werden. Andernfalls sieht es für den Konzern zappenduster aus. Denn die Enzyklopädie, selbst wenn sie noch einmal gedruckt erscheinen sollte, wird das Unternehmen wohl kaum herausreißen.
Natürlich müßten die Ratsherren ein wenig über ihren Schatten springen und zugeben, daß die Fassung von 2006 doch nicht ganz "endgültig" ar, aber wer erinnert sich überhaupt noch daran?


Kommentar von b.eversberg, verfaßt am 11.06.2008 um 19.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=574#6769

Diversifizierung tut not! Es klafft eine passende Marktlücke: Der Literaturduden. Umfassende Darstellung und Dokumentation der Orthographie des 20. Jahrhunderts. Auf der Banderole: "... und wer will, kann immer noch so schreiben!" Noch scheint der Schatten etwas zu breit, über den man zu springen hätte, aber die Wörter "verbindlich" und "endgültig" sind schon getilgt aus der Werbung, und wenn rote Zahlen dräuen, wird man mit Skrupeln leichter fertig. Wer sind die großen Anteilseigner? Man möchte ihnen einen Tip geben in ihrem mulmigen Gefühl.


Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 12.06.2008 um 10.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=574#6771

Der Duden kann ja ein paar Kollateralschäden der Reform ("auswändig", "möglicher Weise") oder beliebte Irrtümer (nach Komma steht immer "dass" etc.) als "beobachteten neuen Schreibgebrauch" aufnehmen. Das hätte zum einen den Vorteil, daß man behaupten kann, man hätte dem Volk auf die Feder geschaut, und zum anderen den Vorzug, daß man den Quatsch nach zwei Jahren wieder zurücknehmen kann oder muß, was wiederum eine neue Duden-Ausgabe nötig macht.


Kommentar von F.A.Z., 18.12.2008, Nr. 296 / Seite 20, verfaßt am 17.12.2008 um 18.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=574#7451

Der Brockhaus kapituliert

Er ist eine Ikone des Bildungsbürgertums. Doch das Nachschlagewerk verkauft sich nicht mehr. Nun übernimmt der Konkurrent Bertelsmann die Regie. Von Johannes Ritter und Marcus Theurer

HAMBURG/MÜNCHEN, 17. Dezember

Der Brockhaus gehört künftig Bertelsmann. Die Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG, Mannheim, verkauft die Marke Brockhaus und alle Brockhaus-Werke an die Wissenmedia GmbH, die über die Arvato AG zum Gütersloher Medienkonzern Bertelsmann gehört. Dies teilten die beiden Unternehmen mit, ohne Angaben zum Kaufpreis zu machen. In Branchenkreisen wird der Preis auf einen zweistelligen Millionenbetrag veranschlagt. Bertelsmann, das mit Abstand größte deutsche Medienunternehmen, ist mit seinen eigenen Lexika bisher der Hauptkonkurrent von Brockhaus gewesen.

Der Brockhaus-Verlag, eine Tochtergesellschaft der Münchner Verlagsgruppe Langenscheidt, kapituliert damit vor den wirtschaftlichen Problemen mit seinem Vorzeigeprodukt. Seit Jahren gehen die Geschäfte mit dem Nachschlagewerk schlecht. Fast 25 000 Seiten umfassen die insgesamt 30 Bände des Brockhaus. mehr als 2500 Euro kostet das voluminöse Wissensreservoir für das Bücherregal.

Die Mannheimer wirkten in den vergangenen Monaten ratlos angesichts des schleppenden Absatzes ihrer gewaltigen Enzyklopädie. Kostenlose Konkurrenz aus dem Internet wie die nicht kommerzielle Wissensdatenbank Wikipedia haben dem Traditionswerk das Wasser abgegraben. Zunächst verkündete das Unternehmen im Februar, die gedruckte Ausgabe werde mangels Nachfrage nicht neu aufgelegt. Stattdessen solle das Nachschlagewerk komplett ins Internet verlagert werden. Im Frühjahr revidierte Brockhaus dann die radikale Wende und kündigte an, die Enzyklopädie solle auch weiterhin in Druckform erscheinen Aus der geplanten Internet-Strategie ist dagegen bis heute nichts geworden.

Auch der neue Besitzer hat derzeit nicht vor, die Brockhaus-Inhalte über den Namen "Brockhaus" im Internet zu vermarkten. Bertelsmann wird die Inhalte aber vermutlich für andere Objekte des Konzerns nutzen wie etwa seine Bertelsmann-Lexikothek. Im Übrigen will der Käufer die gedruckten Brockhaus-Enzyklopädien, die seit drei Jahren in der 21. Auflage vorliegen, weiter über den Buchhandel sowie über die Direktvertriebsorganisation der Arvato-Tochtergesellschaft Inmedia-One vermarkten.

Der Vorstandssprecher des Bibliographischen Instituts, Ulrich Granseyer, bezeichnete den Verkauf als "einen wichtigen Schritt zur Zukunftssicherung" der mehr als 200 Jahre alten Marke Brockhaus. Was er nicht sagt, ist, dass er mit der Herausgabe dieses Herzstückes auch die Zukunft seines Verlages sichern will. Denn offenbar fällt mit Brockhaus ein Verlustbringer aus dem Unternehmen, das 2007 einen Fehlbetrag von 6,5 Millionen Euro eingefahren hat und wohl auch im laufenden Jahr nicht aus der Verlustzone kommt. Laut Granseyer trägt der Brockhaus in diesem Jahr nur noch 30 Prozent zum AG-Umsatz von 50 Millionen Euro bei. In dem Verlag erscheinen unter anderem auch der Duden und das Meyers-Lexikon, sowie Kinder-, Jugend-, Schulbücher und Atlanten. Es war mal viel mehr. Die gesamte Verlagsgruppe, zu der auch das Kalendergeschäft gehört, steuere auf einen Umsatz von 90 Millionen Euro zu nach 93,3 Millionen Euro im Jahr zuvor, sagte Granseyer im Gespräch mit dieser Zeitung.

Analog zum Umsatzschwund will Granseyer nun auch die Kosten im Verlag nach unten drücken. Dies hat Folgen für die Belegschaft. Bereits im Sommer hatte der Verlag angekündigt, 50 der 480 Stellen zu streichen. Bertelsmann übernimmt nur die Marke Brockhaus, nicht jedoch die damit befassten Mitarbeiter. Das bedeutet, dass der Brockhaus-Standort in Leipzig geschlossen wird: 60 Mitarbeitern wird gekündigt. "Auch in Mannheim werden Umstrukturierungen notwendig, die Auswirkungen auf Arbeitsplätze haben werden", heißt es in der Mitteilung des Bibliographischen Instituts, das sich fortan noch stärker auf die Marke Duden konzentrieren und sich in Geschäften mit Korrektursoftware und Rechtschreibprüfungen tummeln will. Zu den Kosten der Restrukturierung will sich Granseyer nicht äußern.

Der neue Eigentümer Bertelsmann ist derweil auch im Internet schon viel weiter als Brockhaus. Bereits vor einem Jahr vereinbarte der Konzern für seine Lexikothek eine Kooperation mit dem Nachrichtenmagazin "Spiegel". Dessen kostenloses Onlineportal "wissen.spiegel.de" wird seither mit Inhalten aus der Lexikothek gefüttert.



Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 16.10.2013 um 22.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=574#9630

Ich dachte, das folgende paßt recht gut hier rein, es stammt aus dem heutigen MM (S. 3) und ist Teil einer Unter-Überschrift, also sehr groß gedruckt:

Ein Jahr später hätte Mannheim fast Welttrum erlangt.

Gemeint ist, daß der Wiener Kongreß beinahe in Mannheim stattgefunden hätte. Ach ja, die Kommasetzung ist auch bemerkenswert:

Etwa ein Jahr nach der Völkerschlacht begannen Europas Herrscher, auf dem Wiener Kongress, das Schicksal des Kontinents nach Napoleon zu verhandeln.



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