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Nachrichten rund um die Rechtschreibreform

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01.12.2006
 

Endgültige Kapitulation
Auch die FAZ will jetzt schreiben wie die Schüler – jedenfalls beinahe so

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung stellt zum 1. Januar „weitgehend“ auf Reformorthographie um,
wie sie „In eigener Sache“ heute auf ihrer Homepage ankündigte, den Nachrichtenagenturen mitteilte und morgen auch den Lesern der Druckausgabe berichten wird. Damit an der Endgültigkeit der Kapitulation keine Zweifel bleiben, hat den dazugehörigen verständnisheischenden Kommentar Hubert Spiegel geschrieben, Literaturchef des Blattes und bislang dort als Gegner der Reform in Erscheinung getreten.



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Kommentare zu »Endgültige Kapitulation«
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.11.2013 um 05.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#9658

Die FAZ titelt gleich zweimal 45 Mal Hiroshima. Man sollte die Herren Mal fragen, was sie sich unter diesen Mal vorstellen. Wahrscheinlich werden sie sich auf das Rauhbein berufen, mit dem sie sich in derselben Ausgabe so mutig der Rechtschreibreform entgegenstellen.

Mit Heyse klappt es bekanntlich gar nicht:

Es scheint ein interessantes Muster zu geben, dass Sie immer wieder beschreiben. (5.11.13)

Da ich natürlich nicht sämtliche Artikel lese, kann ich bloß schätzen, daß fast jede Ausgabe der FAZ irgendwo einen Heyse-Fehler enthält. Aber das fällt schon gar nicht mehr ins Gewicht gegenüber sonstigem Pfötchengeben.


Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 06.11.2013 um 06.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#9657

In einer Rezension in der FAZ heißt es:

"Dieses Buch ist in traditioneller Schreibung verfertigt, wogegen selbstverständlich nichts spricht. Nur sollte man die dann auch beherrschen. Die Schreibweise „daßelbe“ (Seite 89) ist zwar originell, aber in keiner bekannten Rechtschreibung original."

(www.faz.net)

Der Rezensent hat zweifellos recht, aber das sollte auch für die FAZ selbst gelten. Fährt man mit dem Mauszeiger über die Grafik im Artikel unter dieser Adresse, dann bekommt man im Browser "Vor Blättern" angezeigt. Auch dies ist "originell, aber in keiner bekannten Rechtschreibung original."

Die Schreibung "daßelbe" ist außerdem ganz leicht zu erklären, denn wahrscheinlich wurde der Text reformiert abgeliefert, und das Lektorat hat einfach "ss" mit Hilfe der Suchfunktion durch "ß" ersetzt. Dabei wurde wohl einmal zu oft auf "Ersetzen" statt "Überspringen" geklickt.


Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 12.10.2013 um 09.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#9623

Die F.A.Z. hat anscheinend vollends kapituliert und macht, was den Autoren gerade einfällt. Die gedruckte Ausgabe ist eine Fundgrube für reforminduzierte Fehler, aber auch in der Online-Version scheint mittlerweile das Motto "scheißegal" zu herrschen. Beispiel:

In Schweden gelb-gesperrt. (www.faz.net)

Der § 36 (Getrennt- und Zusammenschreibung von „Zusammensetzungen mit einem adjektivischen oder adjektivisch gebrauchten zweiten Bestandteil“) überfordert eben auch die klügsten Köpfe.


Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 12.07.2013 um 09.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#9456

Es gibt noch Hoffnung: Die F.A.Z. hat Rolf Hochhuths Offenen Brief an die Bundeskanzlerin in Originalschreibweise veröffentlicht (www.faz.net).


Kommentar von R. M., verfaßt am 05.09.2012 um 19.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#9079

»Es soll tatsächlich immer noch Bildungspolitiker geben, die die Verkürzung der Gymnasialzeit auf acht Jahre für einen noch größeren Erfolg halten als die Abschaffung der einheitlichen Rechtschreibung.« (Berthold Kohler, faz.net, 5. 9. 2012)


Kommentar von Roger Herter, verfaßt am 24.04.2008 um 02.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#6693

Herr Ickler befürchtet weiter unten (#5466), Imre Kertész könne bei Rowohlt in Reformschreibung erschienen sein. Dieser selbe Verdacht hat mich jüngst beim Verlag anfragen lassen; hier die Auskunft:

Alle bei Rowohlt verlegten Romane und Bücher von Imre Kertész folgen der so genannten[sic]alten Rechtschreibung. Es soll Sie also nichts an der Lektüre hindern.
Mit freundlichen Grüßen, Ihre ****
Assistenz Alexander Fest

(Der etwas ironische Ton der Antwort erklärt sich übrigens aus meiner Frage nach "herkömmlicher oder sog. reformierter" Schreibung.)


Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 09.03.2007 um 01.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5758

Vielleicht hätte Frau Klein nicht ganz so hoch greifen und sich mit dem Komparativ begnügen sollen. Die noch optimalere/idealere Lösung wäre ein wesentlich realistischerer Redegegenstand.


Kommentar von R. M., verfaßt am 08.03.2007 um 23.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5757

Frau Klein ist übrigens Professorin der Mediävistik an der Univ. Kiel. Und für optimalst finden sich (wir ahnten es schon) fast ausschließlich Belege bei Sprachpflegern und -wächtern, die einen vermeintlichen Mißbrauch anprangern, der in Wirklichkeit gar nicht stattfindet. Fürwahr eine leidige Debatte.


Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 08.03.2007 um 19.33 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5755

Schlimme "Bild(er und Zeiten)"

Was Dr. Dorothea Klein in der FAZ nachgelesen hat, könnte man für ein Ammenmärchen halten, wenn es nicht traurige Wahrheit wäre. Noch vor 20 Jahren hätte man gemeint, die bemerkten Blüten entstammten dem Protokoll eines studentischen Disputs von u.a. "Deutsch" studierenden Geisteswissenschaftlern. Diese Unsäglichkeiten sind jedoch lediglich eins der Indizien für die zeitgeistgefügige Devise der FAZ: Alles plattmachen, bis "Bilder und Zeiten" mit der Bildungszeitung "Bild" zusammenfallen oder drunter.


Kommentar von F.A.Z., 08.03.2007, Nr. 57 / Seite 8 - Briefe an, verfaßt am 07.03.2007 um 21.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5751

Nicht optimalst

Gut, dass Sie einen Schlussstrich unter die leidige Debatte um die Rechtschreibreform gezogen haben. Nun können die Redakteure der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ihre Aufmerksamkeit vielleicht wieder verstärkt auf die richtige Bildung der Verbformen und des Genitivs sowie auf die korrekte Steigerung der Adjektive richten. Eine Zeitung, die sich viel auf ihr sprachpflegerisches Engagement zugute hält, sollte Schlampereien wie "scheinte", "das Eis schmelzt", "sprech lauter", "die drei vielversprechendsten" ("Bilder und Zeiten" vom 13. Januar), "verberge die eigene Hand" (Feuilleton vom 10. Februar) vermeiden. Verdrießlich stimmt mich im Übrigen auch der Ersatz des Genitivattributs durch Präpositionalgefüge etwa in "der Glücksfall von einem Roman" (Feuilleton vom 8. Januar). Über den Superlativ "die tödlichste Krebsart" (F.A.Z. vom 7. Februar) grüble ich immer noch. "Optimalst" ist das jedenfalls nicht, "in keinster Weise".

Dr. Dorothea Klein, Kiel


Kommentar von Germanist, verfaßt am 03.03.2007 um 09.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5736

Bei "einigen Händen voller Hits" kann es sich nur um einen Stapel CDs handeln, die der Discjockey auflegt.


Kommentar von Red., verfaßt am 02.03.2007 um 15.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5735

Solche Fundsachen bitte datieren und im Forum veröffentlichen.


Kommentar von Spiegel Online, verfaßt am 02.03.2007 um 15.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5734

Spiegel Online:
"Viett fragt weiter: "Wieso haben nur wir - ein paar Hände voll - zu den Waffen gegriffen?"


Kommentar von F.A.Z., 01.03.2007, Nr. 51 / Seite R3, verfaßt am 01.03.2007 um 17.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5733

Einige Hände voller Hits, die jeder kennt, bringen im Verein mit einem turbulenten Bühnengeschehen jedes Publikum zum Rasen, das sich einen Sinn für leichtgängigen Humbug bewahrt hat.

(Andreas Obst über das Abba-Musical "Mamma Mia" in Hamburg)


Kommentar von Wolfgang Scheuermann, verfaßt am 02.02.2007 um 11.10 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5642

Ich denke, es lohnt der Versuch, alles zusammenzutragen, um die Entscheidung der FAZ in dem Sinne interpretieren zu können, daß sie einfach nur ein Zeichen des guten Willens gewesen sei: Wie bei der seinerzeitigen Übernahme der Agenturenschreibweise (die Thomas Steinfeld hilflos zu begründen hatte), hat man sich jetzt zu einem Versuch mit der ZER durchgerungen (und ihn Hubert Spiegel heillos erklären lassen).
Damals stellte man nach einem Jahr fest, daß es schlicht und einfach nicht geht. Und diesmal?
Ich bleibe dabei: Jede einzelne der in der FAZ/FAS im letzten Monat vorgenommenen Veränderungen von Schreibweisen ist ein Schritt in Richtung mehr Dummheit. In dem weiter vorne zitierten Spiegel-Interview beklagt Herr D'Inka schreckliches Aussehen reformentstellter Wörter und dadurch verursachte Schmerzen. Wie lange will der arme Mann das aushalten?
Nach spätestens 11 Monaten dieses Martyriums wird Herr D'Inka erkennen müssen, daß es nicht länger erträglich ist. Dann werden auch einige Monate Erfahrungen mit den neuen Agenturenschreibweisen vorliegen, und die Frankfurter Allgemeine kann dann verkünden, daß auch der Versuch mit der ZER gescheitert ist.
Herr Schirrmacher sollte den entsprechenden Artikel schon einmal vorbereiten. (Stoff dazu können wir ihm reichlich zusammentragen – wie gesagt: alle Veränderungen sind Dummheit – und die tut nur den wirklich Dummen nicht weh.)
Richtig dumm von der FAZ wäre es, sie würde diesen Schritt nicht rechtzeitig mit der Neuen Zürcher abstimmem – aber man macht so einen Fehler ja nicht zweimal – darauf kann man sicher vertrauen.


Kommentar von Michael Germann, verfaßt am 27.01.2007 um 11.01 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5638

F.A.Z. vom Freitag, 26.1.2007, S. 7, linke Spalte ("Der 'Adler' bald wieder fahrtüchtig"):

"Die Suche nach passenden Ersatzteilen sei deutlich zeitaufwendiger gewesen, als es der Wiederaufbau jetzt sein werde …"

F.A.Z. von demselben Freitag, 26.1.2007, auf derselben S. 7, rechte Spalte ("In Thörey zwei weitere tote Kinder entdeckt"):

"Nach dem ersten Fund … hatte die Polizei das Grundstück mit Kriminaltechnikern aufwändig durchsucht …"

Ein "kluger Kopf" mag das verstehen, für meinen ist es nicht zu fassen.

Michael Germann.


Kommentar von Christoph Kukulies, verfaßt am 24.01.2007 um 16.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5637

R.M.scripsit:
> Die F.A.Z. hat immer schon Albtraum geschrieben.

Ja eben. Wo sie konsequent ist, ist sie eben konsequent.


Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 24.01.2007 um 15.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5636

Dazu (zu "Alb-/Alptraum" in der *FAZ*) gab's mal im Forum der *Süddeutschen* einen kleinen Diskussionsstrang. Hier haben die Reformer mal gegen viele Gewohnheit nicht volksetym gemogelt, sondern etwas von ihrem wahren Wissen herausgekehrt (das andere war das zu "behende"). — Aber mal eine ganz andere Frage: Das SZ-Forum zur Orthographieverformung wurde schließlich abgewürgt, obwohl es wirklich lebhaft und z. T. sehr intelligent war. Ist es möglich, alle Beiträge, die ja elektronisch gespeichert sind, in die Seminarbibliothek der "Sprachforschung" oder der Germanistik-Abteilung in Erlangen zu bekommen? Viel Platz nimmt ja sowas nicht ein, und der Forschung leicht zugänglich sollte es schon sein. Irgendwann ging bei der SZ auch mal was Technisches in diesem Forum schief (und vielleicht nicht nur in diesem), und es wurde uns erklärt, daß alles bis dahin Gespeicherte nicht mehr vorhanden sei. Aber wenigstens die Beiträge danach sollten erhalten bleiben und leicht zugänglich werden, so daß ich ohne Alpen oder Albe auf meiner Brust besser schlafen kann.


Kommentar von R. M., verfaßt am 24.01.2007 um 13.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5635

Die F.A.Z. hat immer schon Albtraum geschrieben.


Kommentar von Christoph Kukulies, verfaßt am 24.01.2007 um 13.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5634

"Alptraumszenario für Amerika" hieß es heute früh noch auf http://www.faz.net. Inzwischen hat man es wieder in "Albtraumszenario für Amerika" korrigiert.


Kommentar von F.A.S., 24. 12. 2006, verfaßt am 26.12.2006 um 12.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5572

Empfindsame Leser
Zur angekündigten Anpassung der Rechtschreibung in dieser Zeitung:

Es gab und gibt gute Gründe, Ihre Sonntagszeitung zu abonnieren und auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung fallweise zu kaufen. Ein solcher Grund entfällt demnächst, wenn die in den Schulen vorgeschriebene Schreibweise auch von Ihrem Blatt übernommen wird. Groß hatten Sie angekündigt, sich dagegen zu wehren. Jetzt drucken Sie schamhaft klein, daß Sie übernehmen, was – als Skandal für sich – vom Staat verordnet wurde. Nicht, daß die vorherige Orthographie ein Ideal hergäbe – eine Reform ist fraglos nötig, aber keine Pseudoreform. "Alt" oder "neu": man ist weit hinter vielem zurückgeblieben, was zum Beispiel 1974 und später zur besseren Neugestaltung in Betracht gezogen wurde. Ähnlich den DIN-Regeln in der Technik sind für die lebendige Sprache sicher – in Abständen zu ändernde – Normen vernünftig, deren Einhaltung allgemein zweckmäßig ist, doch sind ministerielle Schreibweisen-Vorschriften im wörtlichsten Sinne schwachsinnig, wie die tägliche Praxis beweist.

Karl Olbricht, Weimar


Kommentar von F.A.Z., 23.12.2006 / Briefe an die Herausgeber, verfaßt am 22.12.2006 um 18.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5564

Hort der Sprachpflege

Mit Unverständnis und Befremden habe ich Ihre Mitteilung zur Kenntnis genommen, daß auch Sie auf die sogenannte neue Rechtschreibung umzustellen beabsichtigen, damit Sie, so eine der von Ihnen gegebenen Begründungen, nicht weiter in Diskrepanz zu der Rechtschreibung stehen, die Schülerinnen und Schülern in der Schule vermittelt wird. Sie führen zudem noch weitere Gründe für die beabsichtigte Umstellung an, die mir in ihrer Gesamtheit ebenso fadenscheinig zu sein scheinen wie der erstgenannte.

Ich bedauere Ihre Absicht insbesondere auch deswegen, weil sich die Frankfurter Allgemeine Zeitung für mich als Philologen, der ich ihre Zeitung seit meinen frühen Studienjahren in den sechziger Jahren beziehe, bisher stets auch als ein Hort des sachgerechten und pfleglichen Umganges mit der deutschen Sprache erwiesen hatte und weil sie auch der fälschlichen Auffassung entgegengetreten war, daß sich die "lebendige" Sprache - um jeden Preis - in ein festes Regelwerk pressen ließe, das semantische Grundlegungen ebenso verleugnet wie die stete Weiterentwicklung von Sprache in einem quasinatürlichen Prozeß.

Wenn Sie nun auf die neue Rechtschreibung umstellen, so entfernen Sie sich von Ihren bisherigen Grundsätzen und stets bekundeten Überzeugungen, die Ihnen so viel Anerkennung in der Bundesrepublik Deutschland und darüber hinaus eingebracht haben. Zugleich erwecken Sie mit der Umstellung - zumindest - den Eindruck, als würden Sie sich nun den Auffassungen derer annähern, die in geradezu unseliger Weise Verursacher der Sprachverwirrung sind, in der wir uns derzeit befinden, und die Sie jahrelang zusammen mit vielen anderen zu Recht kritisiert haben. Ich appelliere an Sie ebenso herzlich wie eindringlich, die vorgesehene Umstellung in der Rechtschreibung nicht vorzunehmen, sondern die Frankfurter Allgemeine Zeitung auch weiterhin zum Hort der Sprachpflege zu machen.

Roland Neßler, Philologenverband Niedersachsen, Hannover

(F.A.Z., 23.12.2006, Nr. 299 / Seite 10)


Kommentar von F.A.Z., 22.12.2006 / Briefe an die Herausgeber, verfaßt am 22.12.2006 um 10.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5562

Ganz egal

Mit einem lachenden und einem weinenden Auge habe ich Ihren Beschluß, sich der neuen Schreibweise weitgehend anzupassen, aufgenommen. Froh bin ich, daß Sie Lächerlichkeiten wie "aufwändig" oder "rau" weiterhin ignorieren (was aber ist mit Potential?), auf der anderen Seite haben Sie damit aber den letzten Druck von der Kommission genommen, auch die noch bestehenden Ungereimtheiten zu eliminieren. Die Kultusminister werden sich bestätigt fühlen, daß selbst eine so große Institution wie die F.A.Z. nun endlich eingeknickt ist, andere werden Sie deswegen vielleicht mit Häme überziehen. Daß den Schülern mit Ihrer Entscheidung geholfen wird, wage ich zu bezweifeln. Den meisten ist die Schreibweise heute ganz egal. Erhalten sie ihretwegen Fehler angerechnet, wird eben geklagt. Und bei diesen Klagen fallen Lehrer, Direktoren und Schulverantwortliche in den Ministerien dann reihenweise um, und der Schüler bekommt recht.

Peter Große, Hannover

(F.A.Z., 22.12.2006, Nr. 298 / Seite 11)


Kommentar von F.A.Z., 21.12.2006 / Briefe an die Herausgeber, verfaßt am 20.12.2006 um 18.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5555

Ein stolzer Erfolg

Nun rückt also auch die F.A.Z. von der tradierten Rechtschreibung ab: "Um der Einheitlichkeit willen", wie es so schön heißt (F.A.Z. vom 2. Dezember). Der unermüdliche Einsatz des renommierten Sprachwissenschaftlers Theodor Ickler und vieler anderer scheint vergeblich gewesen zu sein, obwohl eine große Mehrheit der Bevölkerung diese Mißgeburt einer "Reform" ablehnt und größtenteils bei den überlieferten Schreibweisen bleibt. Die "Reform der Reform" hat zwar eine Reihe der schlimmsten Ungereimtheiten wieder abgeschafft, andere blieben jedoch zumindest wahlweise bestehen. Dies vermehrt das Rechtschreibchaos, und der Duden versucht sogar mit seinen "Empfehlungen" die "Reform der Reform" zu unterlaufen. So haben es die "Reformer" und die Kultusbehörden geschafft, die Einheitlichkeit der deutschen Rechtschreibung zu zerstören. Ein stolzer Erfolg! Es mag ja ein wenig tröstlich stimmen, daß Ihre Redaktion "nach Möglichkeit die wieder zugelassenen Schreibweisen der bewährten Rechtschreibung verwenden" will, aber in Wirklichkeit folgt sie eben doch den "Reformern", sonst brauchte sie ja keine Umstellung anzukündigen. Leidtragende sind natürlich in erster Linie Schüler und Lehrer, die der verordneten Falschschreibung folgen müssen und nun nur noch in den Bibliotheken die tradierte Rechtschreibung vorfinden. Als langjähriger Leser der F.A.Z. bin ich zutiefst enttäuscht über das Umfallen Ihrer Redaktion.

Ernst Hildebert Kratzsch, Rosengarten

(F.A.Z., 21.12.2006, Nr. 297 / Seite 8)


Kommentar von F.A.Z., 20.12.2006 / Briefe an die Herausgeber, verfaßt am 19.12.2006 um 18.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5546

Solchen Unsinn gänzlich vermeiden

Mit Entsetzen habe ich gelesen, daß die F.A.Z. künftig von der bewährten deutschen Rechtschreibung abgehen will. Auch der Leitartikel "Um der Einheitlichkeit willen" (F.A.Z. vom 2. Dezember) hat mir nicht erklären können, warum Sie so etwas tun. Die F.A.Z. hat die Reparaturkrämpfe der Reformzirkel stets ungeschminkt dokumentiert. Daß deren Deals es nun "erlauben" sollen, bewährte Schreibweisen "weitgehend" zu verwenden und Unsinn "weitgehend" zu vermeiden, ist kein Trost. Ich möchte eine Zeitung lesen, die (nach bestem Wissen) solchen Unsinn ganz vermeidet. Doch nun muß ich sogar befürchten, daß Sie Unsinn "weit gehend" vermeiden - ich habe keine Freude an Albernheiten wie dieser: darüber nachdenken zu müssen, wie weit und wohin Sie beim Unsinnvermeiden gehen. Und selbst wenn Sie meinen sollten, die Sache auf einen Austausch des lesefreundlichen "ß" am Silbenende durch das beschwerliche "ss" beschränken zu können, muten Sie Ihren Lesern damit unnötige "Leseflussstörungen" zu.

Sie wollen sich um der Leser willen auf Kompromisse einlassen. Haben Sie die Leser gefragt? Die Sorge um die "Einheitlichkeit" der Rechtschreibung vermag solche Kompromisse nicht zu rechtfertigen. Überlassen Sie diese Sorge doch denen, die die Einheitlichkeit mutwillig zerstört haben. Die Kultusbürokratie hätte es nach wie vor in der Hand, die Schüler statt willkürlicher Regeln ein lebendiges, auf die bewährte Orthographie gestütztes Sprachgefühl entwickeln zu lassen. Wir dienen dem am besten, wenn wir uns den willkürlichen Eingriffen in unsere Sprache verweigern. Nach meinem Eindruck - der sich insoweit allerdings nur auf die Lektüre weniger tausend Seiten studentischer Arbeiten im Jahr stützen kann - haben die meisten Adepten der "neuen" Rechtschreibung ganz andere Probleme. Sie überlassen die Rechtschreibung sowieso der elektronischen Sprachprothese und folgen im übrigen eigenen Phantasieregeln. Die reforminduzierten Verstöße gegen jede Rechtschreibregel, "alt" wie "neu", häufen sich. Dies ist es vor allem, was ihnen Behörden und Medien "einheitlich" vormachen. Um solches Deutsch zu lesen, brauche ich die F.A.Z. nicht. Bitte besinnen Sie sich wieder eines Besseren.

Professor Dr. jur. Michael Germann, Halle

(F.A.Z., 20.12.2006, Nr. 296 / Seite 8)


Kommentar von F.A.Z., 19.12.2006 / Briefe an die Herausgeber, verfaßt am 18.12.2006 um 18.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5542

Nicht schlüssig

Ihren Entschluß, die Korrektur der zwangsreformierten Orthographie aufzugeben, bedaure ich sehr, ja, er befremdet mich außerordentlich. Ihre Begründung, der Einheitlichkeit der Orthographie zu dienen (F.A.Z. vom 2. Dezember), halte ich insofern nicht für schlüssig, weil es gerade die anderen Verlagshäuser waren, die durch Einführung der für sie ganz und gar nicht verordneten Neuorthographie diese Einheitlichkeit zerstört hatten. Auch jetzt gibt es für Sie zu dieser Unsinnigkeit keinen Zwang. Die "Junge Welt" zeigt, daß man auch weiterhin zur bewährten Tradition stehen kann und dabei nicht einmal bürgerlich-konservativ oder gar mehr oder weniger rechtsaußen orientiert sein muß. Sie stellen richtig fest, daß die Volksetymologien ("Etymogeleien") unsinnig sind, ebenso die Begründungen zu ihrer Einführung. Allerdings enthält Ihre Liste ganz gewiß Lücken, nur einmal zwei Beispiele, die mir aus dem Stegreif einfallen: Stendelwurz hat nichts mit Potenz zu tun, insofern ist "Ständelwurz" eher ein Brüller. Belemmert hat nichts mit einem Jungschaf zu tun, warum werden Sie also demnächst "belämmert" schreiben? Sinnlos sind aber nicht nur diese und weitere, sondern (fast) alle Bereiche der Neuorthographie, oder halten Sie zum Beispiel eine Schlussszene für besser als eine Schlußszene lesbar, geht es bei der Schlosserhaltung um ein Gebäude oder um einen Handwerker, ist es wirklich nötig, Messergebnis zu schreiben, damit man erst einmal Besteck assoziiert (Stichwörter: Heise und Adelung)?

Für weitere inhaltliche Kritiken an der Neuschreibung empfehle ich einschlägige Literatur, insbesondere Professor Icklers "Kritischer Kommentar zur 'Neuregelung der deutschen Rechtschreibung'". Neben der demnächst unleserlichen Orthographie können Sie sich auch Ihre Pseudofraktur mit dem fehlenden Lang-s sparen; entweder, Sie verwenden Fraktur richtig, oder Sie verzichten besser auf die Verfälschung der Tradition.

Dr.-Ing. Ansgar Matthes, Rostock

(F.A.Z., 19.12.2006, Nr. 295 / Seite 7)


Kommentar von F.A.Z., 18.12.2006 / Briefe an die Herausgeber, verfaßt am 17.12.2006 um 18.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5539

Zwischenlösung

Bestürzt habe ich zur Kenntnis genommen, daß die F.A.Z. den mittlerweile gefundenen "Kompromiß" in Sachen Rechtschreibreform mittragen und zu Jahresbeginn ihre Richtlinien hinsichtlich der Rechtschreibung umstellen will ("Um der Einheitlichkeit willen", F.A.Z. vom 2. Dezember). Ihre Bereitschaft zum Kompromiß und das Gefühl der Verantwortung gegenüber den Schülern, die auf Verbindlichkeit der Orthographie besonders angewiesen sind, ehren Sie. Gleichzeitig kompromittieren Sie mit der Aufgabe der bisher vertretenen klaren Haltung gegenüber der Reform das Vertrauen derer in Ihre Zeitung, die auf eine wirklich verbindliche Regelung der strittigen Fragen gehofft haben. Der neue Kompromiß stellt eine Zwischenlösung dar. Die Existenz von 3000 Fällen, in denen verschiedene Schreibweisen möglich sind, trägt weiter zur Verwirrung des Schreibenden bei, wovon auch die von Ihnen in Schutz genommenen Schüler betroffen sind. Man muß kein Eiferer der einen oder anderen Lösung sein, also entschiedener Reformer oder Verfechter der sogenannten bewährten Schreibung, um ein Interesse an einer einheitlichen und verbindlichen Schreibung zu haben. Sie verweisen selbst auf den vorläufigen Charakter der Reform. Daß Sie von der bislang vertretenen Position abrücken, bevor Sicherheit und Einheitlichkeit der Schreibung erreicht sind, erschüttert in meinen Augen Ihre Glaubwürdigkeit in hohem Maße. Wenn Sie sich tatsächlich diesem Kompromiß anschließen, werde ich erwägen, mein Abonnement zu kündigen. Ich täte das schweren Herzens – aber es gibt ja auch hochwertige Berichterstattung im Radio, rechtschreibfrei.

Rüdiger Ahrens, Freiburg i. Br.

(F.A.Z., 18.12.2006, Nr. 294 / Seite 10)


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.12.2006 um 16.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5536

Man wird nun bald sehen, ob die FAZ den einsamen Leserbrief von Friedrich Denk durch andersartige relativiert oder wie sie sonst mit dem sicher waschkörbeweise eingetroffenen Protest umgeht. Die allzu offenkundige Fadenscheinigkeit der Begründungen (um der Kinder willen, um der Einheitlichkeit willen, im Dienste der Leser[!]) lädt ja geradezu ein, sich zu wehren. Manchmal stammt so etwas von Mitarbeitern, die mit der Entscheidung insgeheim hadern.


Kommentar von F.A.Z., 16.12.2006 / Briefe an die Herausgeber, verfaßt am 15.12.2006 um 18.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5533

Kein Schlußstrich

Bald wird also auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung "daß" mit vier Buchstaben schreiben. Sie hat sechs Jahre lang - das ist nicht wenig in unserer schnellebigen Zeit - gegen diese zu Unrecht so genannte Rechtschreibreform gekämpft. Man versteht durchaus, daß sie sich nicht länger als einzige deutschsprachige Tageszeitung außer der „jungen Welt“ gegen die von den Mächtigen hierzulande verordneten Schreibveränderungen wehren mag. Was aber bedeutet das für die Reformkritiker? War die am 19. Oktober 1996 in dieser Zeitung veröffentlichte "Frankfurter Erklärung zur Rechtschreibreform" mit 400 Unterzeichnern und 50 000 Unterstützungsunterschriften umsonst? Waren die Gründung der Initiative "WIR gegen die Rechtschreibreform" und der Aufruf zum Volksbegehren in Bayern im November 1996 ein Schlag ins Wasser? Hat sich Matthias Dräger mit dem Volksentscheid in Schleswig-Holstein vom September 1998, dem ersten erfolgreichen echten, weil parteiunabhängigen Volksentscheid in Deutschland, umsonst abgemüht? Haben Gabriele und Carsten Ahrens in Niedersachsen umsonst 580 000 Unterschriften gesammelt? Haben sich 550 Professoren für Sprach- und Literaturwissenschaft im Mai 1998 umsonst an das Bundesverfassungsgericht gewandt? Hat Hans Krieger umsonst Dutzende von Artikeln geschrieben und Theodor Ickler umsonst sechs Bücher verfaßt und zehn Jahre Freizeit geopfert? Haben Tausende von Bürgerinnen und Bürgern (ich nenne stellvertretend nur Erwin Dötsch, Hans-Jürgen Grosser, Karin Pfeiffer-Stolz, Günter Löw, Claudia Ludwig, Stephanus Peil, Manfred Riebe, Maria Theresia Rolland, Norbert Schäbler und Stefan Stirnemann) umsonst Zehntausende von Protestbriefen an Politiker und Zeitungen geschrieben und Hunderttausende bei Unterschriftenaktionen und Umfragen umsonst ihre Ablehnung der Rechtschreibreform bekundet? Waren die ganzseitigen Anzeigen mit der Frage "Soll die Rechtschreibreform zurückgenommen werden?" in sechs Zeitungen am 19. August 2000 (98,5 Prozent der fast 100 000 teilnehmenden Zeitungsleser antworteten schriftlich mit Ja und nur 1,3 Prozent mit Nein) vergeudetes Geld? Und was hat der auf der Buchmesse 2004 an die Politiker gerichtete "Frankfurter Appell zur Rechtschreibreform" von 250 Autoren, Verlegern, Professoren und Künstlern bewirkt?

So recht (Reformschreibung: "So Recht") die Kritiker auch hatten mit ihren Argumenten (die Rechtschreibreform war und ist in der Tat überflüssig, milliardenteuer, mißlungen, unpädagogisch, undemokratisch) - sie haben diese "Reform" nicht verhindern können. Die Kritiker haben also umsonst gekämpft im Sinn von "vergeblich", freilich nicht umsonst im Sinn von "kostenlos" und erst recht nicht umsonst im Sinn von "grundlos". Deshalb würden sich die meisten von ihnen in einer ähnlichen Situation hoffentlich wieder für das Bessere einsetzen. Und die meisten - auch ich - nehmen die Kultusminister und die Verfassungsrichter beim Wort, die mehrfach nicht ohne Zynismus betont haben, daß alle außerhalb der Schulen und Behörden schreiben dürfen, wie sie es für richtig halten. Wir werden also auf dem Computer nicht die "neue deutsche Rechtschreibung" einstellen, die, wie wir wissen, aus dem 19. Jahrhundert ist, und weiter so schreiben wie unsere bedeutendsten Autoren, deren Bücher wir auch weiter in klassischer Rechtschreibung lesen wollen. Im übrigen wissen wir, daß die neuesten Korrekturen an der Schulschreibung (mit ihren etwa 3000 Varianten) keinen Schlußstrich unter dem wohlbekannten Thema Rechtschreibreform bedeuten . . .

Friedrich Denk, Weilheim i. OB

(F.A.Z., 16.12.2006, Nr. 293 / Seite 18)


Kommentar von S.L., verfaßt am 12.12.2006 um 18.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5514

Bei "namhaft" und "langjährig" mußte ich prompt an Marcel Reich-Ranicki denken. Wird die F.A.S. seine Kolumne "Fragen Sie Reich-Ranicki" zukünftig deformiert veröffentlichen? Werden FAZ und F.A.S. für Autoren, die als Gegner der Rechtschreibreform gelten, Ausnahmen machen? Dann wäre das Chaos doch vollends komplett.


Kommentar von Henry David Thoreau, verfaßt am 11.12.2006 um 16.42 Uhr  
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"Any fool can make a rule, and any fool will mind it."


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.12.2006 um 12.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5512

Das Vorgeschriebene zum "Üblichen" umzulügen gehört in das rhetorische Arsenal der Reformbetreiber. Wir erinnern uns des betrügerischen Textes, der in Schleswig-Holstein zur Volksabstimmung vorgelegt wurde:

"In den Schulen wird die allgemein übliche Rechtschreibung unterrichtet. Als allgemein üblich gilt die Rechtschreibung, wie sie in den übrigen Ländern der Bundesrepublik Deutschland für die Schulen verbindlich ist."

Die Schleswig-Holsteiner haben sich damals aber nicht hinters Licht führen lassen, und die FAZ-Leser wissen auch, was sie von diesem Stückchen zu halten haben. So kann man mit ihnen nicht umspringen. In den letzten Tagen habe ich wieder Nachricht von namhaften (langjährigen!) Abonnenten bekommen, denen es nun endgültig reicht.

Übrigens gibt es kaum Kritiker, die nicht bei dieser Gelegenheit einen allgemeinen, wenn auch sehr allmählichen Qualitätsverfall bei der FAZ als weiteren Kündigungsgrund anführen.


Kommentar von S.L., verfaßt am 11.12.2006 um 09.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5511

Wie stellt man eigentlich fest, welche Formen in den Schulen "gebräuchlich" sind? In einem Leitartikel schriebe Heike Schmoll vor einem Jahr, daß es in den Schulen ein großes Durcheinander gebe. Woran also will sich die FAZ orientieren, wenn sie die in den Schulen gebräuchlichen Formen ermittelt? Am Wahrig doch wohl nicht!?!


Kommentar von Klotzkopf, verfaßt am 11.12.2006 um 06.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5510

An Germanist

Ja, gab es, in der Weimarer Republik das sogenannte Hugenberg-Imperium.


Kommentar von Hans-Jürgen Martin, verfaßt am 10.12.2006 um 17.53 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5508

Daß die F.A.Z. zum 1. Januar „weitgehend“ auf Reformorthographie umstellen werde, wird in der F.A.S. schon nicht mehr behauptet; am 03.12.2006 hieß es dort "in eigener Sache":
"Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung wird ihre Rechtschreibung zum 7. Januar 2007 den in den Schulen gebräuchlichen Schreibweisen anpassen. Die Redaktion wird dabei, wo immer es möglich ist, die wieder zugelassenen Schreibweisen der bewährten Rechtschreibung verwenden. [...]"

Leserbriefe zur Kapitulation der F.A.Z. "in eigener Sache " wurden in der heutigen F.A.S.-Ausgabe nicht abgedruckt. Vielleicht wollen die Herausgeber ja nur zur "Ruhe" beitragen und "unnötige" Aufregung über ein Thema vermeiden, das ihrer Meinung nach keines mehr ist: "Der Zug ist eh abgefahren ..."


Kommentar von Germanist, verfaßt am 09.12.2006 um 21.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5507

Gab es schon einmal eine freiwillige Gleichschaltung der Printmedien?


Kommentar von Norbert Schäbler, verfaßt am 08.12.2006 um 15.05 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5506

Gleichwohl ...
... scheint der Begriff "Gleichschaltung" situationsangemessen.


Kommentar von Junge Freiheit, verfaßt am 08.12.2006 um 13.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5505

RECHTSCHREIBUNG
Die FAZ schwenkt um
Dieter Stein

Der 1. Dezember ist ein schwarzer Tag für den Kampf der Sprachschützer. In einer Meldung teilte am vergangenen Freitag die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), bislang die größte Bastion gegen die umstrittene Rechtschreibreform, mit: „Die FAZ und FAZ.NET werden ihre Rechtschreibung zum 1. Januar 2007 den in den Schulen gebräuchlichen Schreibweisen weitgehend anpassen. Die Redaktion wird dabei nach Möglichkeit die wieder zugelassenen Schreibweisen der bewährten Rechtschreibung verwenden. Dieser Schritt dient der Einheitlichkeit der Rechtschreibung.“

Das Qualitätsblatt aus Frankfurt vollzieht den Schritt übereilt noch vor den Nachrichtenagenturen, die eine Umstellung erst für den 1. August 2007 angekündigt haben. Damit schwenkt das Schwergewicht im Kampf gegen das von den Kultusministern und Schulbuchverlagen gezeugte bürokratische Monster ein in die Reihe der Verlage, die sich dem staatlichen Diktat zur eigentlichen Zerstörung der Spracheinheit unterordnen. Denn natürlich wird die Spracheinheit durch diesen Schritt nicht gefördert, sondern das einheitliche Chaos noch um eine weitere Variante einer „Hausschreibung“ bereichert. Viele Verlage haben sich bereits nach Lust und Laune abweichende Listen mit Ausnahmen erarbeitet – die die reformierten und durch Reformen der Reform aufgeblähten und um einen Reichtum an zulässigen Varianten erweiterten Wörterbücher zulassen.

Was wir jetzt haben, ist das nahezu einvernehmliche, einvernähmliche Eingeständnis einer Rückkehr zur orthographischen Anarchie der Vor-Dudenzeit. Die in einem Jahrzehnt durch arrogante, größenwahnsinnige Kulturbürokraten zertrümmerte Spracheinheit war das epochale Werk Konrad Dudens (1829–1911) und seines Grundlagenwerks „Vollständiges orthographisches Wörterbuch der deutschen Sprache“. 1872, kurz nach Beendigung der deutschen Kleinstaaterei durch die Gründung des Bismarckschen Kaiserreiches, klagte Duden: „Auf dem Gebiete der deutschen Rechtschreibung herrscht augenblicklich ein unerquicklicher und namentlich für die zum Lehren Berufenen unbefriedigender Übergangszustand.“ 140 Jahre später sind wir an diesen Ausgangspunkt zurückgekehrt. Die deutsche Schriftsprache ähnelt derzeit einem mutwillig zerstörten Mosaik. Das in jahrzehntelanger mühsamer Arbeit organisch harmonisierte Kunstwerk liegt in Trümmern und muß nun wieder von neuem mühselig rekonstruiert werden. Es wird die kulturelle Potenz unserer Nation auf den Prüfstand stellen, ob die Berserkeraufgabe einer solchen Renaissance der gewachsenen Schreibungen gelingen kann.

Die JUNGE FREIHEIT verzichtet jedenfalls auch künftig darauf, sich dem kultuspolitischen Diktat zur Reformrechtschreibung unterzuordnen oder gar die Vielzahl existierender Hausschreibungen um eine exklusiv JF-eigene zu bereichern. Wir halten der bewährten Rechtschreibung, wie sie bis 1999 gültig war, auch weiterhin die Treue und zweifeln nicht daran, daß dies von nachwachsenden jungen Lesern, die gezwungen sind, die Reformschreibung zu lernen, als Bereicherung wahrgenommen wird. Dieser existierende politische Dissens muß demonstrativ aufrechterhalten werden.

(Link)


Kommentar von Hans-Jürgen Martin, verfaßt am 08.12.2006 um 12.46 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5504

7.12.2006, 21:41 Uhr:
"[...] die gravierendsten Unebenheiten gerade im Bereich der Getrennt- und Zusammenschreibung zu glätten. Der Rat habe gerade in diesem Bereich Variantenschreibungen zugelassen, da es sich nicht um willkürliche Schreibweisen, sondern um inhaltsbestimmte Varianten handle, die dem Sprach- und Schreibgebrauch entsprechen."

Durchaus von Belang ist immerhin die Feststellung, es handele sich bei diesen Varianten um verschiedene Schreibungen verschiedener Begriffe. Zehetmair will also die "Variantenschreibungen" anders verstanden wissen als etwa der Duden, der sinnfreie Empfehlungen gibt und so bewuß die Entsemantisierung fördert.
Es scheint also im Rat so gelaufen zu sein wie in Koalitionsverhandlungen: Man einigt sich auf Formulierungen, die Einigkeit suggerieren, die die beteiligten Parteien aber jeweils anders verstehen; im praktischen Regierungsgeschäft bzw. alltäglichen "Kleinkrieg" kommt es dann mehrere Jahre lang darauf an, die eigene Position beharrlich durchzusetzen. Diesem Geschäft scheint ein Zehetmair allerdings nicht gewachsen zu sein: Mehr als Kritik in den Medien, daß "einige Neuregelungen des Rats, insbesondere im Bereich der Getrennt- und Zusammenschreibung, durch die Variantenempfehlung unterlaufen werden" (28.07.2006), bringt er nicht zuwege; den notwendigen Einfluß bei den Kultusministern und Ministerpräsidenten, um seine Interpretation von "Variantenschreibung" durchzusetzen, hat er offenbar nicht. Statt dessen reist er als Handelsvertreter einer Ware, die er selbst nicht mögen vorgibt.


Kommentar von jms, verfaßt am 08.12.2006 um 11.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5503

Möglicherweise ist es für die Sache sogar gut, daß die FAZ umschwenkt, da nun Presse und Staat sich nicht mehr gegenseitig beharken. Bisher war die FAZ das Sprachrohr der Reformkritiker, da sie nun wegfällt, entsteht eine Lücke. Es müßte eine starke Initiative geben, die alle Bevölkerungsschichten und Berufe repräsentiert und von Staat und Presse nicht ignoriert werden kann.


Kommentar von ub, verfaßt am 07.12.2006 um 21.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5502

Gestern mittag hat sich auch – na, wer wohl? – Hans Zehetmair zur jüngsten Entwicklung zu Wort gemeldet, und zwar der Agentur dpa gegenüber. Deren Kunden haben seine Äußerungen aber, und in diesem Fall zu Recht, vermutlich wegen Belanglosigkeit weitgehend unberücksichtigt gelassen. Deshalb (bzw. trotzdem) wenigstens hier ein paar Zeilen (ganze Meldung siehe hier):
Der Vorsitzende des Rats, so dpa, habe "die Entscheidung weiterer Medien für die neue Schreibweise" begrüßt. Die Entscheidung der renommierten FAZ, ihre Rechtschreibung umzustellen, sei sicher keine leichte gewesen. Zitat: "Um so mehr freue ich mich, dass mit diesem Schritt die Einheitlichkeit der Rechtschreibung in Medien und Schule erreicht wird, die den gewünschten Rechtschreibfrieden sichert." Dies gelte auch für die deutschsprachigen Nachrichtenagenturen. Den Rest kennt man: "Zehetmair betonte, dass es dem Rat bei seiner Arbeit gelungen sei, die gravierendsten Unebenheiten gerade im Bereich der Getrennt- und Zusammenschreibung zu glätten. Der Rat habe gerade in diesem Bereich Variantenschreibungen zugelassen, da es sich nicht um willkürliche Schreibweisen, sondern um inhaltsbestimmte Varianten handle, die dem Sprach- und Schreibgebrauch entsprechen."


Kommentar von R. M., verfaßt am 07.12.2006 um 17.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5500

Hoffentlich druckt man diese Perle: „Herzlichen Glückwunsch zur späten Einsicht. Endlich sieht auch die FAZ ein, dass nur die reformierte Rechtschreibung das Beta (ß) streng logisch anwendet.“ (Sven Dirk Kirstein)


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.12.2006 um 17.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5499

Man wird sehen, ob die FAZ ein paar Leserbriefe zum Thema abdruckt. Ich erwarte es eigentlich, alles anderes wäre ja auch gar zu kraß. Wahrscheinlich wird es nach dem beliebten Muster gehen, mit dem auch andere Zeitungen schon die Lesermeinungen verfälscht haben: zwei Briefe dagegen und zwei dafür und dann das Fazit, daß sich keine eindeutige Meinung der Leser abzeichne.


Kommentar von S.L., verfaßt am 07.12.2006 um 17.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5498

Offenbar zensiert die Redaktion der FAZ inzwischen sogar kritische Online-Kommentare. Darauf hat jedenfalls ein Benutzer auf www.faz.net hingewiesen. Unterdessen werden die wenigen freundlichen Kommentare teilweise sogar doppelt veröffentlicht.


Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 07.12.2006 um 15.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5497

Leider hilft ein Warnschuß nach dem Unglück nicht mehr viel.

Was den Vertrauensverlust betrifft, hat man bei der FAZ ja einen Rückversicherungsvertrag mit SZ und Spiegel abgeschlossen, den man als "Abstimmung mit" den beiden anderen Presseorganen bezeichnete. Für den Kotau vor der Kultusbürokratie brauchte es keiner Abstimmung.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.12.2006 um 14.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5496

Also wie gesagt: Ich glaube nicht, daß der Verlust von Abonnements-Entgelten der Hauptschaden ist, den jede Zeitung mit Recht fürchtet, sondern die Wirkung einer negativen Leserbilanz auf das Anzeigengeschäft, auch wohl der Verlust an Ansehen und Glaubwürdigkeit, denn was in unglaubwürdigen Zeitungen angeboten wird, ist selbst nicht vertrauenerweckend. Dann wäre diese Zeitung nicht mehr erste Adresse für zahlungskräftige Firmen.

Ich bekomme übrigens täglich Briefe und Mails, meist mit angehängten Kopien der Kündigungsschreiben an die FAZ. Für einen Warnschuß dürfte es schon reichen, aber ob mehr daraus wird, muß sich erst noch zeigen.


Kommentar von Sigmar Salzburg, verfaßt am 07.12.2006 um 12.22 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5495

Die vorsorgliche Preiserhöhung der F.A.Z. vom Sommer fängt etwa 23000 Kündigungen auf. Es müßten also wesentlich mehr sein, wenn sie weh tun sollen.


Kommentar von Hans-Jürgen Martin, verfaßt am 07.12.2006 um 09.41 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5494

Ein Blick in die Leser-Reaktionen auf FAZ.NET bestätigt, daß die "Einheit(lichkeit)" nicht mit den Lesern/Abonnenten gesucht und gefunden wurde, sondern mit den anderen Medien, den Großkunden und der Politik – mit anderen Worten: mit der "peer group", in der sich die F.A.Z. wohlfühlt. Die wenigen Pro-Reform-Kommentare wiederholen die alte Propaganda: nur Marginalien, auch nach der Umstellung bleibt die F.A.Z. lesbar, es kommt schließlich auf den Inhalt an etc. Daß umgekehrt die F.A.Z. für einen Jugendlichen bisher auch lesbar war und ihre Inhalte rüberbrachte, zählt nicht.

Zeitgleich mit der Kapitulationsnachricht bekam ich einen Werbebrief von Readers Digest, den ich aus irgendeinem Grunde öffnete, bevor ich ihn in den Altpapiercontainer warf: Meine Adresse war in lateinischer, der ganze lange Rest aber in kyrillischer Schrift gedruckt! Nachdem ich das Schreiben kopfschüttelnd entsorgt hatte, kam mir ein Gedanke: Eigentlich repräsentiert es die ultimat(iv)e Rechtschreibreform: Nur der Inhalt zählt …

Der „heroische“ Widerstand gegen das schreibende Volk eint jetzt wohl die Herausgeber: „Wir müssen da jetzt durch!“ mag die Devise lauten. Die Leserbrief-Salven muß man im Moment noch aushalten, will man die Zensur nicht augenfällig werden lassen. Aber die Kommentare werden weniger werden, und man wird sie schnell mit mehr unterstützenden Äußerungen mischen („Ausgewogenheit“), dann künstlich verringern und schließlich ganz zum Schweigen bringen: „Die Würfel sind gefallen“ – „Das ist jetzt eben so!“ – „Es gibt schließlich Wichtigeres!“ – „Einmal muss schließlich Schluss sein!“ etc.
Ob mein Leserbrief an die F.A.S. noch abgedruckt wird oder schon in die „Phase der Beruhigung“ fällt, weiß ich nicht. Für alle Fälle sei er hier schon einmal veröffentlicht:

»Hätte die F.A.Z. in ihrer Begründung, sich über den Mehrheitswillen ihrer Leser und der Bevölkerung hinwegzusetzen, nicht wenigstens ehrlich bleiben können? Aus "Verantwortung gegenüber den Kindern" hat sie natürlich nicht kapituliert. Verantwortung tragen die Eltern, deren Erziehungsrecht, ideologisch motiviert, der Staat mißachtet. Dieser bekommt nun die Handlangerdienste einer weiteren Zeitung, die besser wissen will, was für Kinder gut ist, als deren Eltern. Diese sollen selbst kein normales Deutsch mehr lesen dürfen, damit nicht aus Versehen ihre Kinder (Kinder?) eine F.A.S.-Ausgabe auf dem Wohnzimmertisch entdecken, sich dort in einen Artikel vergucken und eine Formulierung und deren Schreibweise zu eigen machen!?
Kapituliert hat die F.A.Z. einzig aus demselben Grund, aus dem sie es schon 1999 tat: aus der Sehsucht des Mitläufers heraus, dazuzugehören, "modern" zu erscheinen. Auch in der F.A.S./Z. wird man also künftig "Morgen" und "Abend" etwas über "allein stehende" (nicht sitzende) "Jährige" (etwa 30-Jährige), "aufwändige" Reformen und viele andere "Missstände" lesen – wenn man sie denn weiter liest.«


Kommentar von jms, verfaßt am 06.12.2006 um 23.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5488

Sicherlich haben die Herausgeber der FAZ eine gewisse Anzahl von Kündigungen einkalkuliert. Möge sie so hoch sein, daß es wirklich wehtut! Anders verstehen die Herausgeber wohl nicht, was sie ihren Lesern antun. Unendlich größer ist der Schaden für das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der FAZ. Das wird viele Millionen an PR kosten und läßt sich trotzdem nicht reparieren. Man denke nur an die schöne Werbekampagne der FAZ – sie verpufft, wenn immer mehr kluge Köpfe ihr Abo kündigen. Eine weitere Reaktionsmöglichkeit besteht darin, den Bezugspreis wegen unerwünschter und mangelhafter Orthographie um mindestens 50 Prozent zu reduzieren, da die Lesbarkeit und vor allem das Lesevergnügen erheblich eingeschränkt werden.


Kommentar von Tobias Bluhme, verfaßt am 06.12.2006 um 22.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5487

Laut www.deutsche-sprachwelt.de gibt es eine Kündigungswelle bei der FAZ.

Was wohl allein die Bestätigungsschreiben an Portokosten verursachen …


Kommentar von S.L., verfaßt am 06.12.2006 um 17.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5486

Laut www.deutsche-sprachwelt.de gibt es eine Kündigungswelle bei der FAZ. Werner D'Inka betont unterdessen, daß die FAZ eine Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit trage und deshalb nun die Reformschreibung einführe. Wenn ich mich nicht irre, hat ebendiese Verantwortung die FAZ sechs Jahre davon abgehalten, sich der staatlich verordneten Schlechtschreibung zu unterwerfen!? Noch vor ca. einem Jahr forderte Heike Schmoll in einem lesenswerten Leitartikel, dem Sprachgebrauch zu folgen. Daß die FAZ nun eine Kehrtwende um 180 Grad macht, ist für mich das Signal, diese Zeitung nicht mehr zu kaufen.


Kommentar von Bettkante, verfaßt am 05.12.2006 um 11.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5484

Mehr zu Bertelsmann gibt es im „Bildungswiki“ (siehe hier).
Hier ein Überblick über die Beteiligungsstruktur des SPIEGEL. Danach halten Gruner + Jahr 25,5 % an der Rudolf Augstein GmbH, 25,25 % am Spiegel-Verlag und 24,9 % am Manager-Magazin.

An Gruner + Jahr hält die Bertelsmann AG 74,9 %.

Dieser Verlag gibt rund 285 Zeitschriften und Zeitungen in 21 Ländern heraus, neben Deutschland unter anderem in Polen, Spanien, Rußland, Frankreich und der Volksrepublik China. Der Verlag hat mehr als 12.500 Angestellte und erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2005 einen Umsatz von mehr als 2,62 Milliarden Euro, davon 57 Prozent außerhalb von Deutschland. Vorstandsvorsitzender ist Bernd Kundrun, der gleichzeitig Mitglied im Vorstand der Bertelsmann AG ist.

Interessant ist auch das hier:

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/18/18749/1.html

http://www.heise.de/tp/foren/go.shtml?read=1&msg_id=6885112&forum_id=68581


Kommentar von Metallkante, verfaßt am 05.12.2006 um 09.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5483

Schauen Sie doch einmal hinter die Kulissen: Auch bei der FAZ geht es letztlich um Bimbes.

Die FAZIT-Stiftung Gemeinnützige Verlagsgesellschaft mbH, Frankfurt, wurde am 22. April 1959 von den ursprünglichen Geldgebern der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gegründet, um Unbeeinflußbarkeit und Unabhängigkeit der Zeitung zu sichern.

Im September 2005 verkaufte die Fazit-Stiftung im Zuge ihrer Konzentration auf ihre Kernkompetenz die Verlagsgruppe Deutsche Verlags-Anstalt an Random House, ein Unternehmen des Bertelsmann-Konzerns. In einer nichtveröffentlichten Zusatzvereinbarung wurde die FAZ auf (Rechtschreib-)Kurs gebracht.

Befragen Sie dazu die Kuratoren der FAZIT-Stiftung oder schauen Sie einfach einmal nach, wie und wo sie mit Bertelsmann kooperiert haben:

Professor Dr. Wolfgang Bernhardt, Vorsitzender
Dr. Thomas Schmitt, stellv. Vorsitzender
Prof. Dr. h.c. Ludwig Georg Braun
Professor Dr. Michael Hoffmann-Becking
Dr. Jens Odewald
Professor Dr. Alfred A. Schüller

Geschäftsführer:
Professor Dr. Wolfgang Bernhardt
Thomas Möst

Und das gleiche kann man mit den FAZ-Herausgebern machen:

Werner D'Inka
Berthold Kohler
Günther Nonnenmacher
Frank Schirrmacher
Holger Steltzner

...nur so wird ein Schuh draus.


Kommentar von Spiegel 49/2006 vom 4.12.06, verfaßt am 04.12.2006 um 22.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5482

R E C H T S C H R E I B U NG
„Anmaßung der Politik“

„FAZ“-Herausgeber Werner D’Inka, 52, über den bevorstehenden Wechsel seiner Zeitung zur reformierten neuen Rechtschreibung

SPIEGEL: Nach langem Widerstand führt die „FAZ“ zum 1. Januar die modifizierten neuen Rechtschreibregeln ein. Was hat Sie dazu bewogen?

D’Inka: Zum einen hat der Rat für deutsche Rechtschreibung den größten Unfug der Reform rückgängig gemacht, vor allem bei der Getrennt- und Zusammenschreibung. Viele der bewährten Schreibweisen sind nun wieder gültige Varianten. Zum anderen ist Schülern und Lehrern die Sprachverwirrung nicht länger zuzumuten, die durch die Reform entstanden ist. Wir schreiben künftig so, wie es in den Schulen gelehrt wird.

SPIEGEL: „Kuss“, „Schuss“, „muss“ – nun auch in der„FAZ“ mit doppeltem S?

D’Inka: Auch wenn es schmerzt: ja. „Flussschifffahrt“ mit drei S und drei F und der „helllichte“ Tag mit drei L sehen zwar schrecklich aus, aber dabei geht es nicht um Sinn, sondern um Konvention.

SPIEGEL: Warum dreht die „FAZ“ so spät bei? Alle anderen, auch der SPIEGEL, benutzen die neuen Regeln schon seit Frühjahr.

D’Inka: Wir wollten uns Zeit nehmen, die im Spätsommer herausgekommenen Wörterbücher von Duden und Wahrig sorgfältig durchzusehen. Nach gründlicher Prüfung haben wir uns für den Wahrig als Werkzeug in Redaktion und Korrektorat entschieden, weil der sich stärker an der bewährten Rechtschreibung orientiert. Außerdem haben wir die Abstimmung mit dem SPIEGEL und der „Süddeutschen Zeitung“ gesucht.

SPIEGEL: Wird es keine „FAZ“-Spezifika mehr geben?

D’Inka: Wir haben eine kleine Liste von Wörtern zusammengestellt, die wir nach wie vor auf herkömmliche Weise schreiben werden. Denn die Reform propagiert unter dem Deckmantel einer „Volksetymologie“ viel Banausentum. „Quäntchen“ etwa schreiben wir weiter „Quentchen“, denn es kommt nicht von Quantum. „Plazieren“ wird in der „FAZ“ auch künftig nicht mit „tz“ geschrieben, und beim „Stengel“ bleibt das E – wie übrigens auch beim SPIEGEL üblich.

SPIEGEL: Sind Sie zufrieden mit dem Ergebnis des Aufstands gegen die Rechtschreibreform?

D’Inka: Unsere Standhaftigkeit hat dazu beigetragen, dass die gravierendsten Mängel der Reform behoben wurden.
Das ist viel, dennoch kann niemand wirklich zufrieden sein. Denn eines haben die Reformer erreicht: Die Einheitlichkeit der Sprache ist dahin. Es ist eine ungeheure Anmaßung der Politik, sich in die Sprache einzumischen, wie es die Kultusminister getan haben. Deshalb erwarten wir, dass der Rat für Rechtschreibung seine Arbeit zu Ende bringen kann.


Kommentar von B. Eversberg, verfaßt am 04.12.2006 um 14.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5477

Unter den Varianten wird also die herkömmliche gewählt. Man gibt damit zu, daß man die besser findet. Aber den verbliebenen Rest des Unfugs auch noch auszukippen, dazu reicht die Courage nicht. Was für ein Armutszeugnis des deutschen Journalismus.
Dazu paßt der rezente "Bericht zur Lage des deutschen Journalismus" des Hamburger Journalistik-Professors Siegfried Weischenberg (siehe hier).


Kommentar von David Weiers, verfaßt am 04.12.2006 um 07.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5475

...ein regierungshöriger Freigeist (wie die taz überhaupt).

Nach der Formulierung habe ich schon lange gesucht. Vielen Dank, Herr Ickler! Das trifft's!

Ja, die taz... Bio-Espresso vermarkten alleine reicht nicht, man sollte eine Zeitung auch schreiben können. Aber schreiben zu können ist ja konservativ, verstaubt, eingefahren, rechts. Überhaupt ist nur "linke Faust in die Luft und die Internationale singen" das einzig Wahre! Denn alle Menschen sind ja bekanntlich gleich, aber nur manche sind gleicher!
Völker hört usw.
Allerdings muß man neidlos anerkennen, daß der Espresso sehr gut ist. Aber das macht diesen Fetzen ("Blatt" ist noch zu gut) nicht sympathischer.

Da lob ich mir doch die Titanic.

Tja, schade... Tschüß FAZ!


Kommentar von HNA, 4. 12. 2006, verfaßt am 04.12.2006 um 05.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5474

Endlich Ruhe an der Rechtschreibfront
Ab Januar werden auch in der FAZ die neuen Regeln übernommen - Spiegel und Süddeutsche ziehen mit

Von Dirk Schwarze

FRANKFURT. Zum Jahresende gibt die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) ihren Kampf gegen die Rechtschreibreform auf. Dann will sie, wie sie am Samstag mitteilte, die für die Schulen und den öffentlichen Dienst verbindlichen Regeln übernehmen.

Sie will aber immer dort, wo es Auswahlmöglichkeiten gibt, die Schreibweisen benutzen, die vor der Reform üblich waren. Die "Süddeutsche Zeitung" und "Der Spiegel" wollen gleichzeitig umstellen.

Eine Zeit lang hatte die FAZ darauf vertraut, die Rechtschreibreform kippen zu können. Erst hatte sie den Reformgegnern breiten Raum gegeben, ihre Ablehnungsgründe zu erläutern. Und dann verkündete sie in einer spektakulären Aktion im Juli 2000, sie werde zur alten Rechtschreibung zurückkehren. Als sie reichlich Beifall von Autoren und Verlagen erhielt und sich zudem andere Zeitungen dem Schritt anschlossen, schien der Kampf der Frankfurter Allgemeinen gegen die Reform erfolgreich zu werden.

Noch im Juli 2005 hatte die FAZ gehofft, das Blatt zu ihren Gunsten wenden zu können. Damals war für einige Tage ungewiss, ob die Länder geschlossen für die verbindliche Umsetzung der 1998 eingeführten Rechtschreibreform stimmen würden. Aber dann einigte sich die Politik doch.

Den Weg dazu hatte der Rat für deutsche Rechtschreibung geebnet, indem er einige Unstimmigkeiten beseitigte. So kehrte man bei der Brief-Anrede zur Großschreibung zurück, auch wurde die Großschreibung fester Begriffe (Blauer Brief und Große Koalition) wieder zugelassen. Außerdem wurden bei der Getrennt- und Zusammenschreibung auch die alten Formen für möglich erklärt.

Reform der Reform

Die FAZ wird sich zugutehalten können, dass sie dazu beigetragen hat, dass die Reform der Reform erfolgte. Umso unverständlicher war, dass sie ihren Kampf unverdrossen fortsetzte, nachdem die Kompromisse gefunden worden waren. Zum Schluss war sie mit ihrer Haltung in der Medienlandschaft relativ isoliert.

Prinzipiell hätte die FAZ auf ewig ihre eigene Rechtschreibung pflegen können. Der Witz ist nur, dass angesichts der Nachbesserungen die Unterschiede zwischen alten und neuen Schreibformen so gering sind, dass man Mühe hatte zu erkennen, worum der der [sic] Streit ging.



Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.12.2006 um 05.18 Uhr  
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Herr Walther verfängt sich wieder einmal in seiner eigenen supergeistreichen Dialektik. Es ist nicht nötig, sich näher mit ihm zu beschäftigen. Der Wahrheit halber soll aber erwähnt werden, daß die Weltuntergangsvokabeln nicht von den Reformkritikern in die Debatte geworfen wurden, sondern von Zehetmair und den Seinen, zu denen auch Walther gehört, der sich komischerweise auf der anderen Seite der Barrikade wähnt: ein regierungshöriger Freigeist (wie die taz überhaupt).


Kommentar von K.Bochem, verfaßt am 04.12.2006 um 03.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5472

Ein Rudolf Walther scheint solche Texte nur so runterzunudeln, Sachverstand und Recherche halten da sicherlich nur auf und stören. Immerhin gibt es einmal den Versuch einer sachlichen Begründung – der allerdings prompt danebenhaut. Abgesehen davon scheint dem Schreiber jeder Maßstab zu fehlen. Was bleibt da noch außer Krawall und Diffamierung?!
taz-Leser erwarten das wohl so – oder?


Kommentar von R. M., verfaßt am 04.12.2006 um 02.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5471

Ähnlich wie Walther argumentieren die Verfechter der Intelligent-design-Lehre: Warum, so fragen sie toleranzheischend, sollen die Schüler nicht neben der Evolutionstheorie auch eine alternative Schöpfungslehre (kennen)lernen? Wer darauf keine Antwort weiß, leidet an Morbus Feyerabend.


Kommentar von Ursula Morin, verfaßt am 04.12.2006 um 00.54 Uhr   Mail an
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Die "taz" ist der lebende Beweis dafür, was die Rechtschreibreform angerichtet hat. Sie kann nicht einmal mehr ein Zeitadverbial von einem Substantiv unterscheiden. Was soll denn "Früh" für ein Substantiv sein? Das Früh, der Früh, die Früh (dann müßte es wohl "Frühe" heißen)? Wenn man hier nun absolut ein Substantiv haben muß, dann könnte man doch "morgen in der Frühe" schreiben. "Morgen Früh" ist weder "modern" noch "reformiert", sondern ganz einfach falsch, weil es ein falsches Verständnis von der Grammatik des Deutschen zeigt. Oder sollen wir die vielleicht auch gleich über Bord werfen?

Hier geht's leider nicht um Petitessen, die reformierten Regeln – oft auch nur weil sie falsch interpretiert werden oder zu falscher Analogiebildung verleiten – haben ein ziemliches Chaos angerichtet.
Unser Übersetzungsbüro bekommt zunehmend deutsche Texte, die kaum noch verständlich sind (falsche Endungen, falsch verstandene Regeln, falsche Grammatik, falsche Groß-/Kleinschreibung usw.)Das soll dann korrekt in eine andere Sprache übersetzt werden ... oft müssen wir anrufen, um den Textverfasser zu fragen, was er eigentlich sagen wollte. Das ist immer etwas peinlich und man muß dann sehr diplomatisch vorgehen, denn man darf auf keinen Fall andeuten, daß der Angesprochene seine Muttersprache nicht kann und man ihn deswegen nicht versteht.

Ich verstehe, daß man bei der taz – und nun wohl auch bei der FAZ – meint, korrekte Schreibweisen seien nur dazu da, Schüler zu quälen. Leider gibt es aber einige Bereiche, in denen es ohne das Verständnis des Lesers nicht geht. Um eine korrekte Übersetzung zu erstellen, muß man verständliche Vorlagen haben ... das ist nun mal so ... bei einem taz-Artikel hingegen ist es irrelevant, ob der Leser ihn versteht oder nicht. Man weiß ja schon im voraus, was drinstehen wird. Bei einer Betriebsanleitung hingegen gestaltet sich das alles weniger lustig ...

Herr Metz: Im Radio können mich die vielen "sss" auf jeden Fall nicht stören ... ich denke, man kann sich so informieren, ohne Sehstörungen zu bekommen.


Kommentar von taz, 4. 12. 2006, verfaßt am 03.12.2006 um 23.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5469

Morgen früh nach dem Krieg
Die "FAZ" übernimmt jetzt doch die reformierte Rechtschreibung

Der Weltuntergang wurde abgesagt. Nichts anderes als diesen predigten jahrelang die Priester der "bewährten Schreibweise" für den Fall, dass davon abgewichen würde. Im Eifer gegen die Rechtschreibreform war ihnen keine Lappalie zu klein und kein Schwachpunkt der Reform zu winzig, um sie nicht mit verbalen Granaten zu bekämpfen. Mit den FAZ-Redakteuren Heike Schmoll und Hubert Spiegel bliesen die Sprachwissenschaftler Theodor Ickler und Horst Haider Munske, unterstützt von den Gymnasiallehrern Friedrich Denk und Stefan Stirnemann, zum heiligen Krieg gegen die Reformketzer.

Nach sechs Jahren Schlachtgetümmel sagte die FAZ am Samstag den Krieg ab und erklärte, am 1. Januar 2007 die reformierte Rechtschreibung, wie sie seit dem 1. August gilt, zu übernehmen. Doch geschlagen gibt sich das kleine, aber mächtige Häuflein der Aufrechten nicht, denn ihren Slogan "bewährte Schreibweise" behalten sie bei – auch wenn sie nie deutlich machen konnten, was "bewährt" bedeutet. Oberste Maxime wird nun "die Einheitlichkeit der Rechtschreibung" – aus "Verantwortung" für Kinder, Lehrer, Eltern und überhaupt alle Rechtgläubigen. Der Fetisch der Einheitlichkeit dient dazu, die mit der Rechtschreibreform (und zum Teil gegen deren ursprüngliche Motive!) gewonnene Freiheit der Wahl aus verschiedenen Schreibvarianten zu denunzieren.

Was ist eigentlich schlecht dabei, wenn Schüler wählen können zwischen "morgen früh" und "morgen Früh", weil "Früh" genau so wie "Abend" oder "Morgen" als Substantiv verstanden werden kann? Die vermeintlich unnötigste aller Reformen hat nicht nur viel Blödsinn (ss/ß-Regelung) und Willkür (Klein- und Großschreibung) beseitigt, sie wird auch von den meisten Lehrern begrüßt. Das wiegt schwerer als der "Widerstand" (H. Spiegel) der Schriftsteller gegen die Reform. Es war ein "Widerstand", der extrem gefährlich und auch heroisch war – und obendrein ziemlich billig.

Die Reformkommission hat Verstiegenheiten der ursprünglichen Reform zurückgenommen oder relativiert. Wer partout bekunden will, dass er zwar Pasta "al dente" mag, aber italienische Wörter doch lieber schlecht eindeutscht, kann "Spagetti" schreiben – demnächst vielleicht auch "Rawioli" öder "Pnöh". Das sind Geschmacksfragen, und da wundern wir uns schon über manch Abartiges [huch! Red.], aber ereifern wie die priesterlichen Pedanten "der bewährten Schreibweise" wollen wir uns nicht.

Die FAZ dreht also bei auf den Kurs der Reform, aber sie wäre nicht die FAZ, wenn sie nicht einen Vorbehalt anmeldete. Im Zweifelsfall hält man sich an den – gegenüber dem "Duden" – zurückhaltenderen "Wahrig". Das mündet direkt in ein apartes Rückzugsfecht, denn "die Ausnahmen" betreffen fast nur die "Volksetymologie" – also den Aberglauben. Bis ans Ende der Zeiten will die FAZ die "Quäntchen" und "Tollpatsche" genau "numeriert" und geächtet wissen. Nach dem Krieg ist vor dem Krieg. Der wandert jetzt in die FAZ-Leserbriefspalten. Das wird richtig lustig. Rudolf Walther



Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 03.12.2006 um 22.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5468

Unter uns: Die sprachlichen Zumutungen im Radio (aber beileibe nicht nur dort) sind für mich persönlich um vieles schlimmer als die orthographischen Zumutungen in reformierten Druckerzeugnissen, die ansonsten qualitativ noch recht passabel sind.


Kommentar von Ursula Morin, verfaßt am 03.12.2006 um 21.34 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5467

Tja ... da bleibt jetzt nur noch das Radio (FAZ/FAS habe ich gerade gekündigt, Spiegel seit langem sowieso).

Nur das mit der "Einheitlichkeit" verstehe ich immer noch nicht so recht. Wenn jeder auf seine Weise falsch schreibt, ist das dann einheitlich? Die einzige Konstante, die ich in den Tageszeitungen entdecken kann, ist die Anzahl der Fehler. Bei der FAZ waren es in letzter Zeit auch gut 5 pro Seite. Bei unserem Lokalblatt sind es wesentlich mehr ... aber, wie gesagt, wenn ich ab jetzt die Nachrichten im Radio höre, bleibt mir das erspart.

Es wäre schön, wenn H. Spiegel nicht damit gekommen wäre, man wolle hier den Schülern helfen. Diese (und ihre Lehrer) haben sich schon längst von der Orthographie verabschiedet, was man in jedem Internet-Forum betrachten kann. Kann es sein, daß Hubertus Spiegel Schwierigkeiten mit der Wahrnehmung der Wirklchkeit hat?

Wahrscheinlich nicht, Herr Lachenmann dürfte recht haben, daß man sich hier nur noch lustig machen wollte. Nur – wenn alle darin übereinstimmen, daß der Kaiser schöne neue Kleider hat, was soll daran lustig sein? Wo doch jeder sehen kann, daß er nackt ist. Muß man sich solche offensichtlichen Lügen wirklich tagtäglich anhören? Wer kann darüber noch lachen ...


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.12.2006 um 20.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5466

Die Kosten der Umstellung von Agenturtexten haben bei der FAZ ganz gewiß keine Rolle gespielt. Das ist nie ein wichtiger Gesichtspunkt gewesen.

Was mich interessieren würde: Ist eigentlich das neue Buch von Kertész bei Rowohl in Reformschreibung erschienen? Ein Zitat in der Zeitung ("Nur die Toten haben Recht") läßt es mich fast befürchten. Man müßte dann den Autor benachrichtigen. Joachim Fest ist doch sicher nicht umgestellt, oder?


Kommentar von S.L., verfaßt am 03.12.2006 um 19.44 Uhr  
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Soll man aus Rücksicht auf die Schüler nun auch die Lektüre von Thomas Mann, Heinrich Mann oder Günter Grass verbieten??? Diese Bücher gibt es doch nur in der "gefährlichen" Rechtschreibung, oder?!?


Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 03.12.2006 um 19.37 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5464

FAZ.NET schreibt schon wie die Schüler

"Er hat recht bekommen", der Herr von Gerkan, s.Z. Architekt des Hauptbahnhofes zu Berlin. Man sieht an dieser Schreibung, daß die FAZ in ihrer Netzvariante zumindest schon strebend sich bemüht, den kleinen Schülerlein nachzueifern. Erst am 1. Januar geht es dann richtig los in "dieser Zeitung", d.h. ab dem Neujahrstage wird sie unsere Augen in Schülerorthographie erfreuen und uns so (auch am Schreibvermögen der Kleinen) teilhaben lassen. Somit gewinnt diese Zeitung ein gutes Stück Volksverbundenheit und verliert dabei ... Naja.


Kommentar von Walter Lachenmann, verfaßt am 03.12.2006 um 19.18 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5463

Ich halte es nicht für ausgeschlossen, daß sich die Redakteure beim Spiegel und bei der FAZ (auch Hubert Spiegels "Kommentar" war viel zu absurd für einen intelligenten Menschen, der in den letzten Jahren so qualifiziert die Reform kritisiert hatte) inzwischen über das Thema nur noch lustig machen und deshalb solche Sachen schreiben, wie die läppischen Argumente mit der "Einheitlichkeit" und den "Kindern". Die "inzwischen bewährte Rechtschreibung" kann eigentlich auch nur ironischer Galgenhumor sein, denn daß die Rechtschreibreform inzwischen zur Lachnummer geworden ist, hat sich doch längst herumgesprochen. Wo immer von ihr noch die Rede ist, wird sie mit Spott und Ironie bedacht, niemand nimmt sie mehr ernst. Nur hat die Lust, sich mit ihr zu befassen oder sich gar gegen sie zu wehren in der Öffentlichkeit nachgelassen; so wichtig ist unseren Mehrheiten das Thema eben nicht. Die Einheitlichkeit der deutschen Rechtschreibung besteht derzeit im einheitlichen Geschluder und der einheitlichen Gleichgültigkeit gegenüber dem Thema. Wenn das "Schreibvolk" das so hält, was will man da als demokratischer Rechtschreibbürger dagegen sagen? Noch nicht mal "selbst schuld" ist passend, denn offenbar leiden nur einige Sensibelchen unter den eingetretenen Umständen.


Kommentar von jms, verfaßt am 03.12.2006 um 18.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5462

Grass desavouiert sich durch seine SS-Vergangenheit, die FAZ durch ihre ss-Zukunft.


Kommentar von Ursula Morin, verfaßt am 03.12.2006 um 17.20 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5461

Unter allen Heucheleien, die der Spiegel in den letzten Jahren abgesondert hat, dürfte "inzwischen bewährt" wohl einen Spitzenplatz verdienen. Mir wird schlecht ...


Kommentar von R. M., verfaßt am 03.12.2006 um 16.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5460

Das ist Perlentaucher-Jargon, kommt also aus dem taz-Umfeld. Beim gedruckten Spiegel arbeitet man daran, auch auf dieses Niveau abzusinken.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.12.2006 um 16.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5459

SPIEGEL-online referiert:

»Schließlich kündigt die FAZ an, ab dem 1.1.2007 die inzwischen bewährte Rechtschreibung zu übernehmen. "Wir fühlen uns auch den Kindern gegenüber in der Verantwortung, die in der Schule die reformierten Regeln erlernen müssen", begründet Hubert Spiegel die Entscheidung in einem Kommentar. (Und ganz besonders den vielen FAZ-Lesern unter den Kindern!)«

"Inzwischen bewährt" ist eine Lüge, die der SPIEGEL anderen nicht durchgehen lassen würde. Aber besonders hübsch ist der Spott am Schluß – wie undankbar aber auch, wo doch die FAZ sich gerade soviel Mühe gibt, dem fortschrittlichen SPIEGEL in allem nachzueifern!

Übrigens findet man unter den "Lesermeinungen" bei FAZ.NET tatsächlich sehr viele erstaunlich sachkundige Stellungnahmen gegen die Selbstverstümmelung der Zeitung. Wenn doch einmal ein Befürworter auftritt, hat er entweder keine Argumente (außer der Phrase vom Fortschritt) oder ist z. B. als Cornelsen-Schulbuchautor tätig oder so etwas – wir kennen es ja von den Juso- oder GEW-Sternschnuppen, die gelegentlich auf diesen Seiten auftauchen.

Als ihre Kunden betrachtet die FAZ offenbar nur die Anzeigenkunden; die Leser interessieren nur insofern, als ihre Zahl das Anzeigengeschäft beeinflußt.


Kommentar von Klaus Eicheler, verfaßt am 02.12.2006 um 22.28 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5458

Die triviale, aber dennoch richtige Erkenntnis, daß die "Reform" nichts taugt und man sich daher um Korrekturen bemühen muß, hatte schon der "Rechtschreibrat" lange nach der F.A.Z., die nach dem Praxistest zur bewährten Rechtschreibung zurückkehrte.
Für mich ist rätselhaft, wie der Entschluß, Minderwertiges anzuwenden, wo doch Bewährtes zur Verfügung steht, getroffen werden konnte. An den sachlichen Argumenten gegen die "Reform" hat sich nichts geändert. Die "klugen Köpfe", die hinter der F.A.Z. stecken sollen, haben wohl kaum Reformwillfährigkeit gefordert. Auch halte ich Bedenken, in zu große Entfernung zur Bildzeitung zu geraten, für eher unwahrscheinlich; ebenso den Druck der Redakteure, endlich ihre Artikel in "Neuschrieb" verfassen zu dürfen. Anzeichen einer Finanzierung aus öffentlichen Mitteln der Kultusbehörden, verbunden mit einer Wohlverhaltensverpflichtung, erkenne ich nicht. Im Meer der Beliebigkeitsschreibungen kann sich die F.A.Z. nicht als einsame "Abweichlerin" gesehen haben, wo es keine Linie gibt, kann man nicht abweichen, und, abgesehen von allen sachlichen Argumenten für die bewährte Rechtschreibung, steht diese gleichberechtigt neben anderen Hausorthographien.
Warum also? Die Erklärungsversuche sind dürftig.
Die Einheitlichkeit der Orthographie dadurch fördern zu wollen, daß man ihr eine weitere Variante hinzufügt, ist absurd. Dem populären, aber dennoch falschen Argument einer angeblichen Schülerverträglichkeit zu folgen, ist nicht stichhaltig.
Die meisten Texte, mit denen ich es in meiner beruflichen Praxis zu tun habe, sind seit der "Reform" schwer lesbar bis unverständlich, nicht in erster Linie, weil Dreifachkonsonanten oder Doppel-s-Silbenverschleierungen vorkommen, sondern weil inzwischen der Wert präzisen schriftlichen Ausdrucks auf Null gesunken ist. Das Reformchaos hat dahin geführt, daß auch auf dem Gebiet der Sprache den meisten Lesern und Schreibern Qualität gleichgültig geworden ist.
Wie gut war es, in der F.A.Z. eine Zeitung zu haben, die diesen Anspruch erfüllte und in der man ohne unterschwelligen Ärger über die Form der Schreibung lesen konnte. Wie gleichgültig ist es jetzt für mich, in welcher Zeitung ich mich über die Form der Schreibung ärgere.


Kommentar von Hans-Jürgen Martin, verfaßt am 02.12.2006 um 21.41 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5456

Warum tut sich die F.A.Z. eigentlich so schwer, die Wahrheit über ihre Entscheidung zu sagen? Diese sei aus "Verantwortung gegenüber den Kindern" gefällt worden und diene der "Einheitlichkeit der Rechtschreibung", will sie uns glauben machen. Solche Begründungsversuche sind jedoch alles andere als stichhaltig, vielmehr unsinnig und widersprüchlich:

1. Der Artikel "In eigener Sache" kündigt an, die F.A.Z. werde ihre Rechtschreibung zum 1. Januar 2007 "den in den Schulen gebräuchlichen Schreibweisen weitgehend anpassen", "weil Einwände der Reformgegner im reformierten Regelwerk berücksichtigt wurden", und führt dann aus: "Die Reform der Rechtschreibreform erlaubt in den meisten Fällen wieder die Verwendung bewährter Schreibweisen, wie sie [...] außerhalb der Schulen immer noch gebräuchlich sind." Woran will sie sich also anpassen? Der Widerspruch läßt sich auf zweierlei Weise auflösen:
– Entweder die F.A.Z. paßt sich dem Schulgebrauch an, und der entspricht bekanntlich nicht den bewährten Schreibweisen.
– Oder die F.A.Z. praktiziert weiter die bewährten Schreibweisen und ignoriert den Schulgebrauch.
Nimmt man an, daß diese Zeitung ab 2007 tatsächlich der jeweils herkömmlichen Variante den Vorzug gibt, ist ihre Ankündigung, sie werde "ihre Rechtschreibung zum 1. Januar 2007 den in den Schulen gebräuchlichen Schreibweisen weitgehend anpassen", gelogen.

2. Der Artikel stellt zu Recht fest, daß "die Duden-Redaktion entgegen den Empfehlungen des Rates für Rechtschreibung überwiegend der reformierten Schreibweise den Vorzug gibt", also die Einheitlichkeit konterkariert. Mit ihrer kleinen Liste etymologisch korrekter Schreibungen dient die F.A.Z. der sehnlichst gewünschten Einheitlichkeit aber ebensowenig. Sie kann sich offenbar nicht entscheiden, sie möchte beides. Die wenigen, zum Teil kaum gebräuchlichen Wörter der kurzen Liste sind nur das lexikalische Feigenblatt der F.A.Z. für ein besonders beschämendes Merkmal der "Reform".

3. Die politisch-demokratisch wie sprachwissenschaftlich korrekte Definition der Orthographie durch die Mehrheitsmeinung und -praxis der Schreibgemeinschaft kommt in beiden F.A.Z.-Artikeln nicht mehr vor: Auch in ihrer undemokratischen Ignorierung der ablehnenden Haltung der Bevölkerung hat sich die F.A.Z. erfolgreich "angepaßt".

4. Die Ausführungen zur Einheitlichkeit sind banal: Erfüllen könne sich der Wunsch nach Einheitlichkeit nur, "wenn alle Beteiligten die Einheitlichkeit der Rechtschreibung über die Einzelheiten stellen, die nach wie vor strittig sind". Bei jeder Reform streben Regierung und Opposition in einem Parlament nach "Einheitlichkeit": Die Opposition möchte, daß das bestehende Gesetzt für alle Bürger Gültigkeit behält, die neue Regierung will dasselbe für das reformierte Gesetz. Gäbe eine Seite ihre Position nur "um der Einheitlichkeit willen" auf, so würde man das zu Recht als dämlich ansehen. Als Mitläuferin ist die F.A.Z. kaum weniger gefährlich denn als Überzeugungstäter.

5. Vollends unglaubwürdig wird die F.A.Z mit ihrer Behauptung, sie handle aus "Verantwortung gegenüber den Kindern".
a) "Verantwortung"? Ist etwa die F.A.Z. für das Schreibchaos, den Streit etc. verantwortlich? (Nun ja, sie bemüht sich jetzt ...) Bedeutet Verantwortung nicht, den Kindern die (Schrift-)Sprache beizubringen, die ihre Eltern sprechen und schreiben? Handeln nicht die Kultusminister unverantwortlich, wenn sie Kindern zwangsweise eine andere Sprache aufzwingen als die, die in Millionen von Büchern gedruckt und von vielen Generationen vor ihnen gelernt wurde?
b) Unverantwortung? Wenn die F.A.Z. jetzt "aus Verantwortung" auf zwangsreformierte Schulschreibung umstellt, hat sie dann etwa sechs Jahre lang in unverantwortlicher Weise Kinder gequält? Welche Gefahr will sie denn jetzt von den Kindern abwenden? Zeitungen werden gedruckt, um gelesen und verstanden zu werden; war das sechs Jahre lang nicht gewährleistet? Wenn ein Schüler die Schreibweise eines Schriftstellers oder einer konventionell geschriebenen F.A.Z.-Ausgabe in einem Aufsatz nachahmte, wäre dann ein Günter Grass oder die F.A.Z. dafür verantwortlich – oder die Fehlentscheidung des Staates?
c) Gegenüber den "Kindern"? Kinder lesen keine F.A.Z. Im Falle jugendlicher Oberstufenschüler ist das immerhin möglich, aber hier gilt doch, was auch für ältere Leser dieser Zeitung gilt: Wenn jahrelange Abonnenten der F.A.Z. diese auch nach dem 1. Januar 2007 weiter lesen können, dann können umgekehrt Abiturienten sie auch in konventioneller Schreibung verstehen.

Warum also tut sich die F.A.Z. so schwer, die Wahrheit über ihre Entscheidung zu sagen? In Wirklichkeit stellt sie aus demselben Grunde auf Schulschreibung um, aus dem sie es schon einmal (1999) getan hat: aus der großen Sehnsucht des Mitläufers heraus, nicht auffallen zu wollen. Man will einfach nicht weiter abseits stehen als vermeintliches Relikt aus dem vergangenen Jahrhundert, man will dazugehören. Psychologisch ist es derselbe Grund, aus dem Millionen von Deutschen, auch völlig unpolitische und gutmeinende, vor vielen Jahrzehnten den "Hitlergruß" entboten. Damals allerdings war der politische Druck deutlich stärker als heute ...


Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 02.12.2006 um 18.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5455

Wie überschwenglich die Triumphgefühle gestern bei der WAZ gewesen sein müssen, läßt sich daran ermessen, daß sich am Abend noch ein Redakteur auf den Hosenboden gesetzt hat, um das Ereignis aktuell zu kommentieren (der Zeitdruck mag auch seine Rechercheschwäche entschuldigen). Die Leute von der FAZ waren immerhin gescheit genug, ihre Jämmerlichkeit erst am Spätnachmittag publik zu machen (Vorabmeldung von dpa um 17.16 Uhr, Bericht um 17.48 Uhr), in der Hoffnung, daß es bei den Kollegen zwar für die Nachricht in der Samstagsausgabe, aber nicht mehr für ihre Würdigung reicht und der Kaffee am Montag kalt ist.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.12.2006 um 17.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5454

Man braucht ja bloß zu lesen, was Hubert Spiegel zum Beispiel am 4.3.2006 geschrieben hat, um zu erkennen, wie sehr er sich nun verbiegen mußte, um dem Auftrag der Herausgeber gerecht zu werden. Drei Wochen später gab Günther Nonnenmacher bekannt, daß es für die FAZ darauf ankomme, was die neuen Wörterbücher daraus machten. Nun, die Wörterbücher sind nirgendwo so gründlich besprochen und verglichen worden wie in der FAZ. Und nun plötzlich entdecken die Herausgeber, daß es gar nicht auf die Wörterbücher und auch nicht auf die Qualität und Sprachrichtigkeit ankommt, sondern einzig und allein auf die Einheitlichkeit im Dienste der Schüler! Unter diesem fadenscheinigen Vorwand schluckt man fast alles. Da hört auch das Argumentieren auf. Ob die FAZ einfach nicht mehr anders schreiben kann als ihre Anzeigenkunden?

Der Hinweis auf die armen Schüler, die man nicht durch klassische Rechtschreibung verwirren dürfe, klang schon bei Mathias Döpfner aufgesetzt und unglaubwürdig, aber nun erst bei der FAZ! Abgeschmackt ist gar kein Ausdruck. Ich möchte aber noch daran erinnern, daß Volker Beck im Rechtsausschuß des Bundestages (während der Anhörung vor neun Jahren) sagte: Die Amtssprache muß der Schulorthographie folgen. Diesen Grundsatz, der auch von anderen Politikern wiederholt wurde, macht sich nun auch die FAZ zu eigen: Die Zeitungen müssen so schreiben wie die Schüler, nicht umgekehrt (wie es natürlich wäre). Kann man bildungspolitische Entscheidungen verkehrter angehen?


Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 02.12.2006 um 17.12 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5453

"Der Schul(ge)brauch" nun als FAZ-Norm

Die Entschuldigung des Einknickens mit dem "Schulgebrauch" ist ein geradezu blamables Deckmäntelchen für den Mangel an Zivilcourage. Hoffentlich bleibt die Verschulung auf die Graphie beschränkt. Objektiviert wird wenigstens gelegentlich die Bewußtseinslage in der Redaktion durch das nachgereichte Gestammel über eine Abstimmung mit der "SZ" und "Der Spiegel", der die bewährte deutsche Graphie in altgewohnter Übung als "konservativ" abstempelt. Daß sich die FAZ mit der seit jeher linkelnden und unkenden Zeitschrift "Der Spiegel" abstimmt, läßt wenig Gutes erwarten, auch was das Geschäftliche / Auflagenhöhe betrifft. Vielleicht stimmt sich die FAZ ja auch gleich noch ideologisch und politkorrektheitlich mit den Altlinkelnden (68ern) und den Neulinkelnden (Spätgrünen) ab. Falls ja, kann man in Zunkunft allerdings auch die billigere und dünnere "taz" kaufen.

Mit dem Redigieren nimmt man es bei der FAZ ja ohnehin abnehmend genau. Das Versprechen, man werde (natürlich nur dort, wo erlaubt, denn schließlich ist man treudeutsch = staatstreu), die herkömmliche Schreibung vorziehen, ist nicht einhaltbar, weil bereits jetzt die Autoren der Zeitung und die Redaktionsanonymen in jeder Ausgabe der FAZ ihrer orthographischen Kreativität freien Lauf lassen, ohne (bisher) an "Die Welt" heranzureichen. Eine Berücksichtigung der von der Rerformrudimente garantiert (sogar in einem Text) einen heillosen Galimatias (heute abend – heute Abend, morgen früh – morgen Früh, dienstag abend, Dienstagabend, allgemeinbildend – allgemein bildend, ...). Bald liest man also auch in der FAZ en masse die schönen Dreifachgrapheme (nicht nur die Heyseschen "sss") und sucht die Wortenden. Darüber hinaus wird von nun an sicher auch mit den nicht ausgemerzten (...märzten) Volksetymologien modernster Linguistik geläutert und dann ganz leutselig (läutselig?).


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.12.2006 um 16.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5452

Die Süddeutsche Zeitung bringt ihre Siegesmeldung auf der zweiten Seite unter dem Titel "Einheitliche Rechtschreibung in SZ, FAZ und Spiegel". Recht so! Der große Konkurrent ist zu Kreuze gekrochen, und besonders der Triumph der WAZ ist sehr berechtigt. FAZ, WAZ und taz bewähren sich gleichermaßen als staatstragende Medien.

Im Manuskript meines letzten Buches stand der Begriff "Selbstgleichschaltung der Presse". Auf Wunsch des Lektorats habe ich ihn herausgenommen, aber er trifft trotzdem zu. Sogar ohne Gefahr für Leib und Leben haben sich die Zeitungen einbetten lassen (falls dieser Ausdruck genehmer ist).

Übrigens müßte, wenn die "Abstimmung" der FAZ mit SZ und SPIEGEL zutrifft, in allen drei Medien ab August die ungeheuer mutige Abweichung bei jenen elf Wörtern zu beobachten sein. Bisher schreibt die SZ noch "platzieren", aber immerhin schon wieder "Greuel". Die Süddeutsche (deren heutige Ausgabe mir tatsächlich gehaltvoller und interessanter vorkommt als die FAZ) bringt auch wieder eine neue Erzählung ganz in "alter" Rechtschreibung. Überhaupt: Wir wissen ja, daß die Chefredakteure Hasenfüße sind, und erwarten nichts von ihnen. Mutig sind bloß einzelne Redakteure, vor allem Thomas Steinfeld.


Kommentar von WAZ, 1. 12. 2006, verfaßt am 02.12.2006 um 15.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5451

Der Rückzug der Gralshüter
Von Wolfgang Platzeck

AUF EIN WORT Die deutsche Sprache ist permanenten Veränderungen unterworfen. Wo aber alles im Fluss ist, kann man das Strömungsverhalten schlecht einschätzen. Um eventuellen Stromschnellen oder Untiefen zu begegnen, hatte sich die FAZ im Jahr 2000 entschlossen, wieder zu den alten, altbewährten Rechtschreibregeln zurückzukehren und sich nicht um irgendwelche Reformbemühungen zu scheren.

Jetzt, gibt der FAZ-Verlag bekannt, wolle man nun doch den vom Rat für Rechtschreibung durchgesetzten Änderungen folgen und ab 1. Januar die neue Rechtschreibung umsetzen. Wobei man "in einigen Fällen" (in welchen?
[Recherche ist Glückssache; Red.]) "weiterhin der bewährten Rechtschreibung folgen" wolle. Ein Gralshüter der Rechtschreibung ist eingeknickt – wie groß der Winkel ist, muss sich noch zeigen.


Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 02.12.2006 um 12.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5450

Das Leserecho in "faz.net" ist verheerend für das Blatt. Zwar mögen die Herausgeber – richtig – kalkuliert haben, daß sich nur die wenigsten eine Zeitung um deren Orthographie willen halten. Nur: Eine solche Fehlentscheidung "in eigener Sache" läßt Rückschlüsse auf das generelle Urteilsvermögen der Redaktion zu, auch bei Nachrichtenauswahl, -gewichtung und -bewertung. Vertrauen in das diesbezügliche Vermögen war aber immer schon eine notwendige Voraussetzung dafür, sich eine Zeitung zu halten. Im Maße Nachrichten über das Internet frei verfügbar sind, bleibt dieses Vertrauen als einziges rationales Motiv, bei der Informationsbeschaffung den Umweg über den Journalismus zu gehen.
Als Gewohnheitsmensch zögere ich derzeit noch, meine bisherige Frühstückslektüre aufzugeben, aber es läuft wohl darauf hinaus, daß ich nach über 15 Jahren mein FAZ-Abonnement kündige. Warum Zeit und Geld verwenden auf ein Produkt von zweifelhafter Qualität? Insofern hat Herr Lindner schon recht.


Kommentar von Kai Lindner, verfaßt am 02.12.2006 um 10.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5449

(Ansichten eines FAZ-Wochenendlesers)

Das Zeitalter der Zeitungen nähert sich nach zweihundert Jahren sowieso seinem Ende. Wer glaubt denn, daß es in zehn oder gar dreißig Jahren noch Zeitungen geben wird? Dann, wenn die heutigen Schulkinder das Rückgrat der Gesellschaft bilden?

News (= das Wissen, daß etwas passiert ist) gibt es schon heute kostenlos. Nachrichten (= das Wissen, warum etwas passiert ist) gibt es hingegen kaum noch – die Verantwortlichen werden schon dafür sorgen (siehe dazu den Fall Cicero oder die letzten/kommenden Kriegsberichte wie Golfkrieg2 = Babys und Brutkästen; Golfkrieg3 = Massenvernichtungswaffen; Kosovokrieg = Hufeisenplan; Afghanistan = Wir verteidigen am Hindukusch; Sudan = Wir können uns nicht unserer Verantwortung entziehen; etc). Die mündigen Bürger bekommen nur das Wissen, das sie bekommen sollen. Den Begriff des »Investigativen Journalismus« hat sich Ulrich Meyer von SAT1 rechtlich schützen lassen – welch ein Jammer.
Worin besteht dann also der Unterschied zwischen BILD und FAZ? Die BILD bringt ihre News in drei Spalten mit jeweils fünf Zeilen unter. Die FAZ vergeudet für ihre News eine Seite Papier und damit kostbare Lebenszeit ihrer Leser... aber sie gibt ihnen zumindest das trügerische Gefühl, einer lesenden Elite anzugehören.
Die Orthographieumstellung der FAZ bringt für mich damit einen gewaltigen Vorteil: Diesem Selbstbetrug brauche ich nicht mehr länger nachzuhängen. Und bei Verzicht auf die FAZ gewinne ich sogar noch etwas an Lebenszeit und Geld.

Tschüß FAZ... ich werde dich und deine quälend langen Kolumnen nicht wirklich vermissen...


Kommentar von Sigmar Salzburg, verfaßt am 02.12.2006 um 08.23 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5448

Wir fühlen uns auch den Kindern gegenüber in der Verantwortung, die in der Schule die reformierten Regeln erlernen müssen. Ihnen und allen anderen sind wir es schuldig, daß wir für die Einheitlichkeit der Rechtschreibung alles tun, was in unserer Macht steht.

Diese Begründung ist natürlich fadenscheinig. In Schleswig-Holstein sind noch 50 Prozent der (lernmittelfreien) Schulbücher in alter Rechtschreibung verfaßt. Die Schüler erhalten dazu nicht einmal Warnhinweise.

Das Bundesverfassungsgericht hat noch am 20.7.1999 die Klage eines „fortschrittlichen“ Vaters auf Zwangseinführung der „neuen“ Rechtschreibung in Schleswig-Holstein zurückgewiesen: „Es ist nicht erkennbar, daß die beantragte Entscheidung zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund geboten sein könnte.

Unsere beiden schulpflichtigen Kinder (13 und 18) lesen, ohne mit der Wimper zu zucken, „alt“ und „neu“ durcheinander. In die FAZ, die bei uns (noch) frei herumliegt, sehen sie nie hinein. Es ist schon recht absurd, wenn die Zeitung nun dafür die Einheit mit aller wesentlichen Literatur und ihren Verfassern opfert.

Laut Schleswig-Holsteinischer Landeszeitung nannte der Schriftsteller Günter Kunert „… die Rechtschreibreform »eine irrwitzige Narretei« (viel Beifall aus dem Publikum).“ (12. 8. ’02)

Die Narretei wird nicht dadurch geringer, daß nun auch die FAZ mitmacht.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.12.2006 um 05.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5447

Komischerweise nehme ich die Nachricht vom Einknicken der FAZ auch mit einer gewissen Erleichterung zur Kenntnis. Wenn man sich zehn geschlagene Jahre lang unter dem Eindruck abstrampelt, die Hunde zum Jagen tragen zu müssen, wird der Überdruß allmählich doch sehr groß. Ist es nicht noch unfaßbarer, daß selbst die sogenannte "Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung" sich keineswegs als Sachwalter der Literatur – also ihrer Mitglieder – versteht? Was soll man da von den Würstchen erwarten, die bei der Zeitung mit diesem Bereich befaßt sind?
Die FAZ hat schon lange nichts Kritisches über die Rechtschreibreform mehr veröffentlicht, außer Nebenbemerkungen in einigen Leserbriefen (es sind aber auch ganze Körbe voll Leserbriefe zu bestimmten reformkritischen Beiträgen unterdrückt worden). Der eingeweihte Leser wußte also längst, was sich hier anbahnte.


Kommentar von R. M., verfaßt am 02.12.2006 um 03.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5446

Eigentlich sollte diese Meldung ja unter den Blüthen der Thorheit stehen. Der staatstragende Herdentrieb obsiegt über den liberalen Eigensinn. Joachim Fest hinterließ uns die schöne Parole Ich nicht. Seine Zeitung ruft ihm hinterher: Wir doch.


Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 01.12.2006 um 23.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5445

Auch bei der FAZ scheint sich die merkwürdige Auffassung durchgesetzt zu haben, Einheitsorthographie sei dazu da, daß alle gleich schreiben. Vollends blödsinnig ist es natürlich, dann zu verkünden, daß man eben doch ein bißchen anders schreiben will. „Einheitsorthographie“ ist letztlich ein Pleonasmus. Sie funktioniert allerdings nicht dann, wenn sie einheitlich ist, sondern umgekehrt, wenn sie richtig ist. Dann gibt es auch keinen Grund mehr zu streiten – oder verdruckste Kommentare zu schreiben.


Kommentar von Dirk Schmidt, verfaßt am 01.12.2006 um 22.39 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5444

Was immer an Begründungen angeführt werden kann, es reicht nicht! Sich einer größenwahnsinnigen Kultusdiktatur nicht zu beugen, sich nicht von einem zunehmend totalitäre Züge annehmenden Staat erpressen zu lassen, das wäre die Pflicht einer Presse, die von sich behauptet, frei zu sein.

Mir ist ganz schlecht vor Wut.


Kommentar von borella, verfaßt am 01.12.2006 um 22.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=521#5443

So lange eine Zeitung sinnrichtig schreibt, so lange gibt es – aus Sicht der Orthographie – wenig Grund zur Kritik. Das gilt für die FAZ wie für jede andere Zeitung. Ob die FAZ diesen Anspruch weiterhin erfüllen kann, das muß die Zukunft zeigen.

Vermutlich sind die Kosten für die aufwendige orthographische Überarbeitung von Agenturmeldungen ein Mitgrund für diese Entscheidung. Ganz ersparen wird man sich eine Überarbeitung allerdings auch in Zukunft nicht können, will man die selbst auferlegten Standards auch einhalten (klassische Schreibung wo immer möglich).



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