Nachrichten rund um die Rechtschreibreform
Zur vorherigen / nächsten Nachricht
Zu den Kommentaren zu dieser Nachricht | einen Kommentar dazu schreiben
05.03.2006
Die Forschungsgruppe Deutsche Sprache kritisierte …
Ein etwas selbstgefälliger Rückblick
Wenn die Presse in den vergangenen Tagen und Wochen von Kritik an der zweiten Reform der Rechtschreibreform berichtete, war die Quelle meist dieselbe.
Als der Rechtschreibrat Anfang Februar seine Beratungen abschloß, erklärte die FDS die vorgesehenen Änderungen an der Groß- und Kleinschreibung für unzureichend. Am 4. 2. erfuhren das unter anderen die Leser von: Darmstäder Echo, Frankfurter Neue Presse, Kölner Stadt-Anzeiger, Kölnische Rundschau, Lausitzer Rundschau, Neue Westfälische, Ostthüringer Zeitung, Thüringische Landeszeitung, Trierischer Volksfreund. Am 6. 2. auch noch die der Rheinischen Post.
Unsere Erklärung zur feierlichen Übergabe der Ratsempfehlungen versalzte Zehetmair und Erdsiek-Rave die Suppe in folgenden Blättern: Süddeutsche Zeitung, Die Welt, Allgemeine Zeitung Mainz (sowie Wiesbadener Tagblatt, Wormser Zeitung usw.), Berliner Morgenpost, Frankfurter Neue Presse, Main Post, Stuttgarter Nachrichten. Das war am 28. 2., als die in Bielefeld erscheinende Neue Westfälische außerdem ein Gespräch mit Reinhard Markner wiedergab. Am 1. 3. folgte noch die Rheinische Post mit der Agenturmeldung (besser spät als nie, denn die Düsseldorfer Zeitung hat eine sehr hohe Auflage).
Von schweren Mängeln des Reformpakets bzw. von der Aussichtslosigkeit eines Diktatfriedens berichteten am 3. 3.: Frankfurter Rundschau, Berliner Morgenpost, Berliner Zeitung, Darmstäder Echo, Frankfurter Neue Presse, General-Anzeiger Bonn, Ostthüringer Zeitung Gera, Stuttgarter Nachrichten. Am selben Tag brachten Thüringer Allgemeine und Hessisch-Niedersächsische Allgemeine Kassel Auszüge aus unserer Vergleichsliste, wie am Tag zuvor bereits die Kölnische Rundschau.
Diese Aufstellung ist nicht vollständig, aber doch ganz instruktiv. Die Moral von der Geschicht’: Unsere Arbeit kostet viel Mühe und auch einiges Geld. Unterstützen Sie uns durch eine Spende auf unser Konto bei der Kreissparkasse Miesbach-Tegernsee, BLZ 711 525 70, Konto-Nr. 85 900 02. Danke sehr.
Diesen Beitrag drucken.
Kommentare zu »Die Forschungsgruppe Deutsche Sprache kritisierte …« |
Kommentar schreiben | neueste Kommentare zuoberst anzeigen | nach oben |
Kommentar von Udo Sieber, verfaßt am 05.03.2006 um 23.02 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=429#3304
|
LEHRSTÜCK AUS DEM TOLLHAUS
von Fridolin M. Rüb
War es Ausdruck bayerischer Schlitzohrigkeit oder überkam den ehemaligen Kultusminister Hans Zehetmair gar ein Anflug von rabenschwarzem Humor, als er ausgerechnet den Rosenmontag wählte, um der Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Ute Erdsiek-Rave, die Vorschläge des Rechtschreibrates zu übergeben. Am Aschermittwoch war aber längst noch nicht alles vorbei, denn tags darauf beschloss die KMK diese missratene Reform der unsäglichen Rechtschreibreform. Die Minister bezeichneten die Änderungen als gute und tragfähige Grundlage für die Fortentwicklung der Rechtschreibung. Zugleich äußerten sie die Hoffnung, dass auch die bisher kritisch eingestellten Teile der Öffentlichkeit die Nachbesserungen als Konsensangebot verstehen und die jetzt gültigen Regeln und Schreibweisen übernehmen. Insbesondere appellierten sie an alle Verlage und Publikationen, sich dem anzuschließen im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtschreibung.
Mit diesem Appell zur Einheitlichkeit beweisen die Kultus-Gewaltigen einmal mehr, dass ihr Vorrat an unfreiwilliger politischer Hochkomik noch lange nicht erschöpft ist. Die von ihnen beschworene Einheitlichkeit der Rechtschreibung ist dank ihrer Reformitis nun Vergangenheit. Nun sind Beliebigkeit und Missverständlichkeit angesagte, weil unzählige neue Schreibvarianten vorgesehen sind. Das betrifft vor allem den Bereich der Getrennt- und Zusammenschreibung. Hier wird zwar vielfach die bewährte herkömmliche Schreibung wieder erlaubt, aber nur neben der reformierten Form, quasi zähneknirschend von den Ideologen geduldet. So steht künftig schiefgehen neben schief gehen – das eine tat die Reform, das andere taten die Reformer. Und nichtssagend steht neben nichts sagend. Letzteres wäre diesbezüglich der irregeleiteten KMK zu empfehlen.
Bereits vor der fatalen Entscheidung der KMK waren nämlich von mehreren Seiten Forderungen laut geworden, dass sich die Politik künftig aus der Rechtschreibregelung heraushalten solle. So erklärte Sachsen-Anhalts Kultusminister Jahn-Hendrik Olbertz, er stimme der nachgebesserten Reform auch deswegen zu, „weil damit der Gordische Knoten durchschlagen und vielleicht auch das Elend beendet ist“. Der Rechtschreibrat habe mit den Korrekturempfehlungen immerhin „eine ganze Menge Unsinn zurückgenommen“. Eine ganze Menge ist es zwar nicht, denn die könnte man hoch stapeln, hochstapeln tat dagegen Minister Olbertz, indem er Petitessen als Mengen deklarierte. Es kann ja wohl nicht als Großtat gelten, wenn die streng riechende Trennung „Urin-stinkt“ zugunsten von „Ur-instinkt“ aus dem Südenregister gelöscht wird.
Die Forschungsgruppe Deutsche Sprache (FDS) nannte die Einigung einen Diktatfrieden, der die Einheitlichkeit der deutschen Sprache auch nicht mehr herstellen könne. Diese Reform werde genauso schnell veraltet sein, wie ihre Vorgängerinnen. Der FDP-Kulturpolitiker Hans-Joachim Otto traf den Nagel auf den Kopf, als er die Rechtschreibreform ein Fiasko nannte und einen schlagenden Beweis dafür, „dass der Staat sich an der Sprache nicht vergreifen darf“. Doch das tat er, und erfüllte damit den Tatbestand der Sprachvergewaltigung.
Milliarden hat dieser Bankrott der Rechtschreibreform bereits gekostet. Dieses „Reform“ genannte Lehrstück aus dem politischen Tollhaus hat viele Tausende an Arbeitsstunden gefordert, hat in mehreren Schüben Berge von Büchern hervorgebracht, die binnen kurzer Zeit überholt waren. Die Reform hat nie die Unterstützung der Bevölkerung besessen. Sie war das dümmste und überflüssigste Unternehmen in der Kulturpolitik nach dem Zweiten Weltkrieg: ein gemeingefährlicher Akt. Starker Tobak? Nein, leider wahr!
Denn Tatsache ist, dass diese „Reform“ der Rechtschreibung, an der die „Zwischenstaatliche Kommission“ über 20 Jahre lang gearbeitet hatte und die am Ende von den Kultusministern nun wie zu Feudalzeiten zwangsverordnet wurde, nur eines erreicht hat: Es gibt keine einheitliche deutsche Orthographie. Die Kommission hatte uns 1996 eine grandiose Reform versprochen mit Erleichterungen für alle – und das Gegenteil ist eingetreten. Die Reform hat in ein Chaos geführt. Für Ämter und Schulen wurden die neuen (mittlerweile überholten) Regeln bereits am 1. August 1998 verbindlich. Die Nachrichtenagenturen und die meisten Printmedien folgten ein Jahr später – allerdings in meist modifizierten Varianten. Und die Bürger? Wie Umfragen ergaben, schreiben 90 Prozent der Deutschen weiterhin nach den alten Regeln. Und von denen, die sich zu den neuen Schreibweisen bequemen, holt sich ein jeder das heraus, was ihm passt. So ist dieses von Anfang an windschiefe Regelgebäude zu einem Steinbruch geworden, aus dem jeder raushackt, was ihm richtig erscheint.
Doch die Kultusminister, die für diesen Sprachsalat verantwortlich sind, weil sie ein von Anfang an verpfuschtes, weil ideologisch befrachtetes Reformvorhaben sanktionierten, schalteten auf stur. Denn merke: Ein deutscher Kultusminister irrt nie und die Kultusministerkonferenz schon gleich gar nicht. Im Übrigen, so ließen die Kultusminister verlauten, lernten die Schüler ihre Rechtschreibung nun viel leichter. Was eine faustdicke Lüge ist, wie eine an der Uni Bielefeld abgeschlossene Studie belegt. Danach ist die Zahl der Rechtschreibfehler bei Kindern in der Grundschule mit der Einführung der Reform nicht gesunken, sondern gestiegen.
Von den vielen Wörterbüchern, die seit 1996 geschrieben worden sind, ist nicht eines mit dem anderen identisch. Der Potsdamer Sprachprofessor Peter Eisenberg hat die Abweichungen in den Rechtschreibbüchern auf 8000 Fälle beziffert. Jedem neuen Versuch folgte seit 1996 innerhalb kürzester Frist eine Revision. Die in gutem Glauben an die Verbindlichkeit der neuen Schreibe gerade gekauften Wörterbücher wird man nun bald ebenso entsorgen müssen wie die teure Software.
„Ich hoffe, Sie können wieder sehen, wenn wir uns wiedersehen“, sagte ein Journalist zum damaligen bayerischen Kultusminister Zehetmair, als die KMK sich 1995 anschickte den Reform-Unfug zu sanktionieren. Zehetmair stellte sich damals taub. Zu seiner Ehrenrettung sei aber gesagt, dass er – als bislang einziger der damals Verantwortlichen – heute freimütig eingesteht, dass man einen Fehler gemacht habe.
Und in der Tat. Die Reform zeitigte zuweilen sogar Unsinn pur: Es macht zum Beispiel für das Opfer eines Überfalls (und für den Richter bei der Urteilsfindung) sehr wohl einen Unterschied, ob ihn zwei Ganoven zusammengeschlagen oder zusammen geschlagen haben. Dass die fatale Getrenntschreibung auch für ausgemachte Peinlichkeiten gut ist, musste auch der damalige Bundespräsident Johannes Rau erfahren, als er Deutschland als „gastfreies“ Land gelobt hatte und am nächsten Tag lesen musste, er habe „Gast freies“ Land gesagt. Bleibt aus dem gesammelten Unfug der Schluss zu ziehen: Wenn die Kultusminister auf ihrer Reform „sitzen bleiben“, werden sie „sitzenbleiben“.
Landshuter Zeitung 04.03.2006
|
Kommentar von Klaus Malorny, verfaßt am 05.03.2006 um 23.33 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=429#3307
|
Es scheint mir hier der geeignete Platz, einmal öffentlich meinen herzlichen Dank für den unermüdlichen Einsatz der FDS, sei es vor oder hinter den Kulissen, auszusprechen. Die hochkompetente Kritik der FDS konnte bislang weder von den Kultusministern noch von den Reformern selbst adäquat erwidert werden. Ohne sie hätte die Propagandamaschinerie der KMK viel größeren Erfolg gehabt. Weiter so!
mfg.
Klaus Malorny
|
Kommentar von Karin Pfeiffer-Stolz, verfaßt am 06.03.2006 um 07.47 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=429#3310
|
Politik solle sich aus der Rechtschreibung heraushalten - das wäre wunderbar. Ist das mit dem Aschermittwochscoup erreicht?
Zitat:
So erklärte Sachsen-Anhalts Kultusminister Jahn-Hendrik Olbertz, er stimme der nachgebesserten Reform auch deswegen zu, „weil damit der Gordische Knoten durchschlagen und vielleicht auch das Elend beendet ist“.
Nun erkläre mir bitte einmal jemand, weshalb Zustimmung zu einem Beschluß ein Heraushalten ist: "Heraushalten" wäre doch nur eine liberale Haltung, die den Menschen weder etwas verbindlich vorschreibt noch es untersagt. Wer unsinnige und erfundene Schreibweisen, wie geschehen, als verbindlich für Schulen und Ämter verordnet, hält sich eben gerade NICHT heraus, auch nicht künftig: gilt doch seine Order für die Zukunft!
Tatsächlich ist die Zustimmung der Kultusminister eine Zementierung der Einmischung, der bisher locker in die Wand getriebene Nagel wird nun durch Dübel und Schraube ersetzt, das Schandmal ist fest verankert.
Oder begreife ich da etwas falsch?
Es wird ohnehin immer schwieriger, diese Vorgänge zu verstehen.
Dies ist wieder einmal ein schönes Beispiel, wie man durch Rabulistik aus tatsächlicher Unfreiheit rhetorische Freiheit macht, aus tatsächlicher Ungerechtigkeit sozialen Frieden. Und alle fallen auf diesen Trick herein und jubeln ...
Macht mal jemand das den Journalisten begreiflich. Die sollen lieber handeln statt jammern!
|
Kommentar von Wiener Zeitung, verfaßt am 06.03.2006 um 10.19 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=429#3315
|
"Wirtschaftsinteressen haben gesiegt"
Von Alexander Glück
Theodor Ickler verließ Rechtschreibrat
Der deutsche Reform-Gegner im "WZ"-Gespräch.
"Wiener Zeitung": Herr Professor Ickler, wie war der Rechtschreibrat zusammengesetzt und warum wurden Sie Mitglied?
Theodor Ickler: Im Rat saßen fast nur die bekannten Reformbetreiber, darunter sieben von zwölf Mitgliedern der aufgelösten Zwischenstaatlichen Kommission. Trotzdem bin ich im Frühjahr 2005 der Bitte des P.E.N.-Zentrums gefolgt, die Interessen der Schriftsteller zu vertreten.
Wie sah die Arbeitsweise dieses Gremiums aus?
Als erstes hat der Rat sich für alle Beschlüsse eine Zweidrittelmehrheit verordnet. Damit wurde sichergestellt, dass keine Korrektur der neuen Regeln gegen den Willen der Reformbetreiber zustande kommt. Dieser Vorschlag wurde von einigen Reformern damit begründet, dass dann in der Öffentlichkeit größere Akzeptanz zu erwarten sei. Doch die Zustimmung der Bevölkerung hat nichts mit den Mehrheitsverhältnissen in diesem handverlesenen Rat zu tun. Auf jeder Sitzung war ein Aufpasser der bundesdeutschen Kultusministerkonferenz anwesend.
Wie lief die Entscheidungsfindung im Rat?
Es gab Arbeitsgruppen zu bestimmten Themenfeldern. Es wurden dann im Plenum Satz für Satz einzelne Paragraphen diskutiert und abgestimmt. Dabei ging natürlich jede Konsistenz des Ganzen verloren, es dominierten sachfremde Interessen. Die große Mehrheit stimmte nach Gusto ab, nicht nach Prinzipien.
Wie löste die Kommission den Rat ab?
Die Zwischenstaatliche Kommission scheint formlos entlassen worden zu sein. Soweit ich von der Kultusministerkonferenz erfahren konnte, wurde den bundesdeutschen Mitgliedern mitgeteilt, dass sie zu Hause bleiben können. Daraufhin traten jeweils drei Schweizer und Österreicher im neuen Rat wieder an. Dickfelligkeit ist gar kein Ausdruck. Bei den Österreichern und Schweizern, die vollzählig wieder nominiert wurden, war es noch etwas: ein Affront gegen die Kultusministerkonferenz.
Welchen Zweck haben solche Gremien?
Das ganze Theater findet nur statt, weil der Bevölkerung durch List, Gewalt und Zermürbung eine vollkommen misslungene, aber einträgliche Neuschreibung aufgenötigt werden soll.
Welche Alternative könnten Sie bieten?
An den Schulen wird die allgemein übliche Rechtschreibung unterrichtet, so wie die üblichen Rechenarten. Rechtschreibwörterbücher werden wie andere Schulbücher von den Kultusministerien zugelassen. Das ist mein Vorschlag zur Entstaatlichung, er liegt seit neun Jahren auf dem Tisch, war sogar schon von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung gebilligt. Ich habe die übliche Rechtschreibung in einem schlanken und leicht fasslichen Regelwerk dargestellt.
Das österreichische Wissenschaftsministerium hat mitgeteilt, im Rat würden Befürworter und Kritiker in "überliefert konstruktiver Weise" zusammenarbeiten. Warum scheren Sie aus?
Dieser Schritt wurde notwendig, nachdem die Ratsmehrheit und der Vorsitzende Hans Zehetmair die Revision der missglückten Rechtschreibreform auf Wunsch der Kultusminister vorzeitig abgebrochen hatten. Wesentliche Teile der Neuregelung durften nicht mehr bearbeitet werden, weil die mangelhaften Regeln zum nächsten Schuljahr verbindlich werden sollen. Damit haben die wirtschaftlichen Interessen der Verlage und das Prestigebedürfnis der Politiker über das allgemeine Interesse an einer sprachrichtigen Rechtschreibung gesiegt.
Wie sieht die Zukunft der Rechtschreibreform aus?
Es gibt jetzt drei Möglichkeiten. Erstens: Die Kultusministerkonferenz winkt das Paket durch. Dann bekommen wir eine miserable Schulorthografie, nicht besser als die Version von 2004, weil es zwar einzelne Korrekturen gibt, aber eine verwirrende Formulierung.
Zweitens: Die Ministerkonferenz lehnt alles ab und beharrt – mit Rücksicht auf die Schüler, also die Verlage – auf dem Stand vom Sommer 2005. Dazu rät ihnen die mächtige Lehrergewerkschaft GEW.
Drittens: Nur die Empfehlungen zur Getrennt- und Zusammenschreibung, Zeichensetzung und Silbentrennung werden gebilligt. Das hat eine gewisse Wahrscheinlichkeit, weil die Änderungen der Getrennt- und Zusammenschreibung von der Kommission schon vorgenommen wurden, beide großen Wörterbücher haben sie weitgehend umgesetzt. Die geänderte Silbentrennung würde zwar auch den Neudruck der Wörterbücher notwendig machen, aber die Änderung einer einzigen Regel lässt sich kostensparend, wahrscheinlich sogar vollautomatisch in den nächsten Nachdruck integrieren. Das muss Wörterbuchverlagen gefallen.
Zur Person
Theodor Ickler, 1944 geboren, ist Professor für Deutsch als Fremdsprache an der Universität Erlangen-Nürnberg. Der Germanist ist einer der bekanntesten Kritiker der Rechtschreibreform von 1996. 2001 wurde er mit dem Deutschen Sprachpreis ausgezeichnet. Für den Schriftstellerverband PEN war er im Rechtschreibrat tätig.
Samstag, 04. März 2006
siehe hier
|
Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.03.2006 um 11.06 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=429#3319
|
Unsere österreichischen Nachbarn waren bisher sehr duldsam (um es mal so auszudrücken). Mir scheint die Haltung kennzeichnend, die in der Stellungnahme zum dritten Bericht der Kommission zum Ausdruck kam: Man beschließt und setzt durch, aber rät zugleich, alles nicht so ernst zu nehmen, sonst wäre man ja fast wie die Deutschen. Gehrer oder wer es war hatte allerdings schon vor Jahren die Parole ausgegeben, man mache alles mit, was die Deutschen machen.
In der "Presse" las ich vorige Woche "jetzt erst Recht". In derselben Ausgabe eine Stellenanzeige der Regierung von Niederösterreich - in alter Rechtschreibung. Das ist Österreich, brutal und gemütlich zugleich, wie von seinen Schriftstellern beschrieben.
|
Kommentar von Der Spiegel, Hausmitteilung, verfaßt am 06.03.2006 um 11.13 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=429#3320
|
6. März 2006 Betr.: Rechtschreibung, Titel
Es war die wohl überflüssigste, sinnloseste und dilettantischste Reform der Nachkriegszeit: Die Kultusminister der Länder hatten eine "Reform" der Rechtschreibung auf den Weg gebracht, die zum allgemeinen Schreibchaos führte. Verlage, vom SPIEGEL bis zur "FAZ", und Schriftsteller wie Hans Magnus Enzensberger und Günter Grass zogen dagegen zu Felde - dennoch trat das missglückte Macht-Werk zum 1. August 2005 in Kraft. Die "Frankfurter Allgemeine", der SPIEGEL, der schon 1996 in einem Titel über den "Schwachsinn Rechtschreibreform" berichtet hatte, und der Axel-Springer-Konzern erklärten nach und nach, zur tradierten Rechtschreibung zurückkehren zu wollen -- es sei denn, die Reform werde in wesentlichen Teilen reformiert. Mit dieser Aktion gelang es, die Kultusminister von der verbindlichen Einführung der Rechtschreibreform abzubringen. Stattdessen wurde der "Rat für deutsche Rechtschreibung" gegründet, der, unter dem Vorsitz des ehemaligen bayerischen Kultusministers Hans Zehetmair, die neuen Regeln gründlich überarbeitete. Vorige Woche stimmten die Kultusminister den letzten Änderungen zu, die neuen Regeln wurden weitgehend zurückgenommen. Was bleibt, ist die nach wie vor umstrittene "ß/ss"-Regelung. Der SPIEGEL war bei den unsinnigen, auch vom Duden klammheimlich korrigierten Neuerungen bereits zur alten Schreibweise zurückgekehrt, Anfang des Jahres hatte er zudem die vom Rat für deutsche Rechtschreibung vorgeschlagenen Verbesserungen übernommen. Die noch fehlenden Korrekturen legte der Rat jetzt vor, der SPIEGEL berücksichtigt sie von dieser Ausgabe an. Die neue, weitgehend alte Rechtschreibung soll nun vom 1. August an gelten.
|
Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.03.2006 um 11.32 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=429#3322
|
"Die noch fehlenden Korrekturen legte der Rat jetzt vor, der SPIEGEL berücksichtigt sie von dieser Ausgabe an." Schon gelogen. Es sind nicht "die fehlenden Korrekturen". Ich lese den SPIEGEL sowieso nicht, deshalb ist es mir egal, wie er schreibt. Trotzdem einen kleinen Dank an die aufrechten Redakteure, die genau wissen, wie man sie demütigt; etwas anderes ist bei diesem Magazin aufgrund der Eigentümerverhältnisse eben nicht möglich.
Erstaunlich ist allerdings die Eile, mit der die Unterwerfung erfolgt. Sie erklärt sich, wenn man annimmt, daß es gegenüber Zehetmair eine Selbstverpflichtung gab, schon bevor das neue Regelwerk der Öffentlichkeit übergeben wurde. Wir wissen ja noch gar nicht richtig, was eigentlich die Revision enthält, da urteilt der SPIEGEL bereits, das sei es nun gewesen, was er sich vom Rat erhofft hatte. Wie gesagt, alles gelogen, und in diesem Stil wird es nun weitergehen. Oder glaubt jemand, der SPIEGEL werde noch einmal etwas Reformkritisches veröffentlichen?
|
Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 06.03.2006 um 11.38 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=429#3323
|
Ein Teil der Lüge besteht im Fall des Spiegels, sich in einer Reihe mit FAZ und Axel-Springer-Verlag zu nennen. Tatsächlich ist der Spiegel-Verlag diesen verräterisch in den Rücken gefallen.
|
Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 06.03.2006 um 11.53 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=429#3325
|
Wenn man bedenkt, daß H. Schelsky in seinem aufsehenerregenden Buch "Die Arbeit tun die anderen" den SPIEGEL noch ein "Klassenkampfblatt" genannt hat... Und heute: Nur noch die kritische Pose ist übriggblieben.
|
Kommentar von Fungizid, verfaßt am 06.03.2006 um 12.36 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=429#3327
|
Es ist schon öfters bemerkt worden, daß die Österreicher genau das, was sie an "den Deutschen" so innig hassen, selbst immer wieder übertreiben.
|
Kommentar von jms, verfaßt am 06.03.2006 um 13.21 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=429#3330
|
Das Verhalten des SPIEGEL beim Thema Rechtschreibreform ist peinlich. Wo aufklärender Journalismus angebracht gewesen wäre, macht er sich zum Büttel von Großverlagen und politischen Einflüsterern. Die Macht der Presse schrumpft auf Zwergenmaß. Und dann noch die Dreistigkeit besitzen, sich zum Retter der besseren Orthographie aufzuspielen. Peinlich? Eklig!
|
Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.03.2006 um 18.15 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=429#3333
|
Zur "Hausmitteilung" des SPIEGEL: "Die neuen Regeln wurden weitgehend zurückgenommen." "Die neue, weitgehend alte Rechtschreibung soll nun vom 1. August an gelten." Zweimal dieselbe Irreführung: Die neuen Regeln wurden keineswegs weitgehend zurückgenommen. Schon das Imperfekt des ersten Satzes ("Es war ...") ist impertinent. Die Reformdiskussion geht weiter, das weiß jeder, aber der SPIEGEL schaltet wie die letzte Provinzzeitung auf "Der Rechtschreibfrieden ist da" um und täuscht seine Leser aufs neue.
|
Kommentar von ORF News, verfaßt am 06.03.2006 um 18.24 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=429#3334
|
Das Elend der Rechtschreibreform (News orf.at 6.3.2006)
Die Schulbücher müssen aller Voraussicht nach wieder umgeschrieben werden.
Für viele ist das Verhalten des Rates für deutsche Rechtschreibung unverständlich: Wieso wird nach fast zehn Jahren korrigiert, was von Anfang an auf Kritik gestoßen ist?
Und warum werden ausgerechnet Teile der Reform gekippt, die klare Regeln enthielten?
"Einheitlicher Wortakzent"
Die am Donnerstag von der deutschen Kultusministerkonferenz beschlossenen und auch in Österreich voraussichtlich ab Herbst geltenden Änderungen betreffen vor allem die Getrennt-/Zusammenschreibung und die Groß-/Kleinschreibung.
Generell gilt: Es soll wieder mehr zusammengeschrieben werden - vor allem dann, wenn ein "einheitlicher Wortakzent" vorliegt, etwa bei "abwärtsfahren", "aufeinanderstapeln" und "querlesen".
Alt und Neu im Vergleich
Die auf dem Wortakzent basierende Regel wurde auf einige Partikeln beschränkt - viele Fragen bleiben offen. In der alten Fassung hatte es hingegen klar geheißen, dass Elemente wie einander und -wärts und ihre Ableitungen immer getrennt vom folgenden Verb zu schreiben sind.
Wieder mehr Ausnahmen
Bei feststehenden Begriffen wie "der Blaue Brief", "der Runde Tisch", "das Schwarze Brett" soll wieder "dem allgemeinen Schreibgebrauch" gefolgt und großgeschrieben werden.
Die ursprüngliche Rechtschreibreform hatte dagegen weit weniger dieser Begriffe vorgesehen ("Heiliger Vater").
Gehrer rudert zurück
Österreich werde sich den Empfehlungen voraussichtlich ab kommendem Schuljahr anschließen, hieß es aus dem Bildungsministerium zuerst.
Am Freitag ruderte man aber schon zurück: Für die teilweise Änderung der Rechtschreibreform gibt es nun doch eine mehrjährige Übergangsfrist an den Schulen - zunächst war eine Toleranzfrist nur im kommenden Schuljahr geplant. Derzeit ist eine mindestens dreijährige Übergangsfrist im Gespräch.
Suche nach Konsens
Die genaue Vorgangsweise wird ab kommender Woche auf der Website des Bildungsministeriums bekannt gegeben. Zunächst wolle man aber versuchen, einen politischen Konsens darüber herzustellen, heißt es.
SPÖ will "Sonderweg"
"Ernsthaft über einen österreichischen Sonderweg" bei der Rechtschreibreform diskutierten will SPÖ-Bildungssprecher Erwin Niederwieser.
Die nun vom Rat für deutsche Rechtschreibung erarbeiteten und von den deutschen Kultusministern angenommenen Änderungen trügen "unübersehbar die Handschrift des erzkonservativen 'Staatsministers a. D.' Zehetmair und konservativer Medien in Deutschland", so Niederwieser in einer Aussendung.
Vorbild Schweiz
Das Thema muss laut Niederwieser "schleunigst auf die Tagesordnung des parlamentarischen Unterrichtsausschusses gesetzt werden". Generell stellten die nun geplanten Änderungen "einige Schritte zurück im Kampf für eine praktische und leichter erlernbare deutsche Rechtschreibung" dar. Ein Sonderweg Österreichs sei kein Problem, so Niederwieser.
Einen solchen würde etwa die Schweiz mit der Komplettabschaffung des "ß" schon seit Jahrzehnten praktizieren.
Grüne: Abgehobene Bürokraten am Werk
"Völlige Abgehobenheit" wirft die Schulsprecherin der Wiener Grünen, Susanne Jerusalem, jenen vor, die die Reform der Reform ausgetüftelt haben: "Die Schüler sind erbarmungslosen Bürokraten ausgeliefert."
"Die Leidtragenden dieser verpfuschten Vorgangsweise werden vor allem die Schüler sein", so auch der Bildungssprecher der Grünen, Dieter Brosz.
Regierungsparteien beruhigen
ÖVP-Bildungssprecher Werner Amon hält die Änderungen grundsätzlich für sinnvoll, plädiert aber dafür abzuwarten.
Bei einer neuerlichen Umstellung seien noch einige Punkte zu klären wie die Kostenfrage für neue Schulbücher, so BZÖ-Bildungssprecherin Mares Rossmann. Sie will österreichische Besonderheiten berücksichtigt haben - mehr dazu in oe1.ORF.at.
Wer zieht mit?
Ob die Verlage den neuen Regeln folgen werden, ist unklar. So hatten der Axel Springer Verlag und die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" die umstrittene Rechtschreibreform von 1996 nicht übernommen.
Die deutschsprachigen Nachrichtenagenturen werden demnächst über einen gemeinsamen Vorschlag zur Umsetzung der Empfehlungen beraten.
|
Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.03.2006 um 18.49 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=429#3335
|
Was die gemeinsame Hausorthographie betrifft, über die sich die deutschsprachigen Nachrichtenagenturen demnächst beraten wollen, so stammt der Entwurf von Jürgen Hein (dpa) und ist dadurch gekennzeichnet, daß die simple Rückkehr zur bewährten Rechtschreibung a limine ausgeschlossen wird. Das entspricht der Strategie der dpa seit zehn Jahren. Die Medien, eigentlich Kunden der dpa und zum Teil deren Eigentümer, haben die Beschlüsse der Deutschen Presse-Agentur wie Schicksalsschläge hingenommen und nie dagegen aufbegehrt.
|
Kommentar von Fungizid, verfaßt am 06.03.2006 um 19.50 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=429#3336
|
Gehrer rudert zurück
Österreich werde sich den Empfehlungen voraussichtlich ab kommendem Schuljahr anschließen, hieß es aus dem Bildungsministerium zuerst.
Am Freitag ruderte man aber schon zurück: Für die teilweise Änderung der Rechtschreibreform gibt es nun doch eine mehrjährige Übergangsfrist an den Schulen - zunächst war eine Toleranzfrist nur im kommenden Schuljahr geplant. Derzeit ist eine mindestens dreijährige Übergangsfrist im Gespräch.
Kuck mal einer an.
Für die traditionelle Rechtschreibung wurde eine verlängerte Übergangsfrist gnadenlos torpediert. Aber für die ministerielle Legasthenieschreibung darf's eine Verlängerung per Gehrer-Ukas sein. Die Liesl, wie sie in Österreich genannt wird, klebt an der Reform eben so sehr wie an ihrem Ministersessel. In drei Jahren ist man in der BRD schon lange über diesen Schwachsinn hinweg, und Liesl führt ihn dann grad ein. Ganz toll, ganz prima. Danke.
|
Kommentar von Ruth Salber-Buchmüller, verfaßt am 06.03.2006 um 22.59 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=429#3338
|
Zur heutigen Spiegel-Hausmitteilung
aus Spiegel online vom 6.3.06:
"Die Union hat den Weg für die Föderalismusreform frei gemacht"
So wird es unverdrossen weitergehen (oder weiter gehen).
|
Kommentar von Wiener Zeitung, verfaßt am 07.03.2006 um 11.15 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=429#3344
|
http://www.wienerzeitung.at/
DesktopDefault.aspx?TabID=3937&cob=221834
Deutschland: Rechtschreibreform vor Reform
Österreich schließt sich Änderungen voraussichtlich an
(© photos.com)
Von WZOnline / APA
Berlin. Die Rechtschreibreform soll in strittigen Bereichen geändert werden. Die deutsche Kultusministerkonferenz (KMK) stimmte am Donnerstag in Berlin den Änderungsvorschlägen des Rats für deutsche Rechtschreibung zu. Damit soll zugleich ein Schlussstrich unter die seit mehr als zehn Jahren erbittert geführten Auseinandersetzungen gezogen werden.
Die Änderungen betreffen besonders strittige Teile der Getrennt- und Zusammenschreibung, der Groß- und Kleinschreibung, Zeichensetzung und Silbentrennung. So soll wieder mehr zusammengeschrieben werden - vor allem dann, wenn ein einheitlicher Wortakzent vorliegt wie "abwärtsfahren", "aufeinanderstapeln" oder "querlesen".
Bei feststehenden Begriffen wie "der Blaue Brief", "der Runde Tisch", "das Schwarze Brett" soll wieder "dem allgemeinen Schreibgebrauch" gefolgt und groß geschrieben werden. Die verabschiedete Rechtschreibreform sah hierbei nur noch wenige Ausnahmen vor ("Heiliger Vater"). Verbindlichere Komma-Regeln sollen wieder für ein besseres Leseverständnis sorgen. Die Anrede "Du" in Briefen kann auch wieder groß geschrieben werden.
Die deutschen Minister bezeichneten die Änderungen als gute und tragfähige Grundlage für die Fortentwicklung der Rechtschreibung. Die abschließende Entscheidung treffen in Deutschland die Ministerpräsidenten am 30. März. Die Schweiz will die Korrekturen noch nicht übernehmen und zunächst bei der ursprünglichen Reform bleiben. Die Schweizer Erziehungsdirektoren prüfen die Frage voraussichtlich entweder am 9. März oder am 22. Juni.
Österreich wird sich den Änderung der Rechtschreibreform voraussichtlich anschließen. Die korrigierten Regeln gelten wahrscheinlich ab dem kommenden Schuljahr an den österreichischen Schulen, hieß es aus dem Bildungsministerium. Es werde jedoch eine Übergangsfrist von einem Jahr geben, was die Anrechnung von Fehlern betrifft. Zunächst werde versucht, einen politischen Konsens darüber herzustellen.
Die Rechtschreibreform war nach siebenjähriger Übergangsfrist im August 2005 in Österreich, der Schweiz und den meisten deutschen Bundesländern endgültig verbindlich in Kraft getreten. Lediglich für die nach Ansicht der KMK strittigen Regelungen wie die Getrennt- und Zusammenschreibung, für die jetzt Änderungen beschlossen wurden, war die Übergangsfrist ausgeweitet worden.
Auch Bayern und Nordrhein-Westfalen, die vor einem Jahr - ebenso wie der Kanton Bern - die Umsetzung der Rechtschreibreform an den Schulen ausgesetzt hatten, wollen nun wieder mitmachen. Damit können ab August dieses Jahres in Deutschland wieder bundesweit an allen Schulen die gleichen Rechtschreibregeln gelten. Bis Ende Juli 2007 sollen Abwichungen allerdings nicht als Fehler gewertet werden.
Von den 38 ehrenamtlichen Mitgliedern des Rates für deutsche Rechtschreibung kommen je neun aus Österreich und der Schweiz sowie je einer aus Liechtenstein und der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol. Das Expertengremium war als Konsequenz aus der anhaltenden Kritik an der Reform eingesetzt worden und hatte seine Arbeit im Dezember 2004 aufgenommen.
In ihrem Beschluss appelliert die KMK zugleich an alle Verlage und Medien, "sich im Interesse der Einheitlichkeit der deutschen Rechtschreibung" der nunmehr abgeänderten Reform anzuschließen. Die Zeitungen des Springer-Verlags wie "Bild" und "Welt" waren wie zuvor schon die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" zur alten Schreibung zurückgekehrt. Der Springer-Verlag hatte die Vorschläge des Rates aber bereits vergangene Woche begrüßt. Die deutschsprachigen Nachrichtenagenturen werden in der kommenden Woche über einen gemeinsamen Vorschlag zur Umsetzung der Empfehlungen beraten.
http://www.rechtschreibrat.com/
Freitag, 03. März 2006
|
Kommentar von hr-info, 3. 3. 2006, verfaßt am 18.03.2006 um 11.31 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=429#3579
|
Sprachforscher: Kompromiss bei Rechtschreibreform ist wieder nur Übergangslösung
Forschungsgruppe Deutsche Sprache rechnet fest mit weiteren Korrekturen
Bei den jetzt beschlossenen Korrekturen an der Rechtschreibreform handelt es sich nach Auffassung der Forschungsgruppe Deutsche Sprache weiterhin um eine Übergangslösung. Der Vorsitzende der Forschungsgruppe, Reinhard Markner, sagte im Informationsradio hr-info, das jetzt Beschlossene gehe zwar in die richtige Richtung. „Es ist aber zu befürchten, dass diese dritte amtliche Regelung innerhalb von zehn Jahren nicht die letzte sein wird, die mit einigen erheblichen Änderungen versehen ist“, sagte Markner. „Wir hatten 95 Jahre lang eine Einheitsorthographie, und jetzt haben wir eben eine sich ständig verändernde Übergangsorthographie. Ich weiß nicht, welcher Schüler damit klarkommen soll.“
Markner betonte, die Kultusminister sprächen selbst davon, dass die „gröbsten Unebenheiten“ nun geglättet seien. „Das heisst ja wohl, dass die etwas weniger groben Unebenheiten fortexistieren sollen“, so Markner. Ganze Bereiche der Rechtschreibreform habe der Rat für Deutsche Sprache auf Geheiß der Minister gar nicht behandeln dürfen. Dadurch würden weitere Korrekturen kommen. „Der nächste Duden kommt bestimmt – aber der übernächste auch“, fügte Markner hinzu.
http://biggs.hr-online.de/website/radio/hr-info/index.jsp?
rubrik=7732&key=standard_document_19408910
|
Kommentar von Westdeutsche Zeitung, 28. 2. 2006, verfaßt am 18.03.2006 um 11.36 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=429#3580
|
Letzter Akt im Drama um die Rechtschreibung?
Zehn Jahre schon belästigt die verkorkste Reform das Land. Nun kommt die Reform der Reform. Von Eberhard Fehre
Düsseldorf. Zehn Jahre werden es in diesem Sommer, die wir nun mit der umstrittenen Rechtschreibreform leben. Und von den Zielen Vereinfachung und logische Nachvollziehbarkeit ist nichts erreicht. Im Gegenteil. Wer überblickt noch den gegenwärtigen Stand? Nicht einmal die Lehrer in den Schulen. "Wie die Dinge mittlerweile stehen, sollte, wer sich nicht auf das Abfassen absurder Theaterstücke versteht, über die Rechtschreibreform besser schweigen", schrieb gestern der Althistoriker Christian Meier, bis 2002 Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.
"Überall sieht man die potentiellen Leser abwinken. Genug! Genug! Man gähnt! Ist nicht alles schon x-mal gesagt? In der Tat, es ist. Und inzwischen bezeugt die letzte Vorsitzende der Kultusministerkonferenz (KMK), Johanna Wanka, ja auch: ,Die Kultusminister wissen längst, dass die Rechtschreibreform falsch war.`" Meiers bitteres Fazit: "Es war alles für die Katz." Nur noch die Staatsräson verhindere, "den ganzen Zauber dahin zu expedieren, wo er hingehört, in den Orkus nämlich".
Aber das wird nicht geschehen. Stattdessen steht mit der gestrigen Vorlage der Änderungs-Empfehlungen des Rates für deutsche Rechtschreibung eine weitere Reform der Reform ins Haus. Ende der Woche werden die Kultusminister die Vorlagen des Rates wohl ohne jede Diskussion durchwinken, so dass sie für das Schuljahr 2006/2007 nun auch für die Schüler in Nordrhein-Westfalen und Bayern verbindlich werden.
Und vieles, was in den 14 anderen Bundesländern im ablaufenden Schuljahr als Fehler angestrichen wurde, wird dann wieder richtig sein.
Tatsächlich stellen die Vorschläge des Rates für deutsche Rechtschreibung in vielen Bereichen eine Verbesserung der verunglückten Reform dar. Das ist vor allem dem von der Akademie entsandten Linguisten Peter Eisenberg zu danken. Im Bereich der Getrennt- und Zusammenschreibung fanden seine Vorschläge, wenn auch verwässert, eine Mehrheit.
Wir kehren hier zurück zu einer dem Sprachgebrauch folgenden Regelauslegung. Frau Merkel darf somit künftig wieder einen Politiker "kaltstellen", also entmachten, aber ihren Nachtisch wird sie weiter "kalt stellen", also in den Kühlschrank bringen. Schüler werden wieder "sitzenbleiben", wenn sie nicht versetzt werden, alle anderen können auf ihren Stühlen "sitzen bleiben".
Und auch der Unfug, dass mir etwas "Leid tue", wird abgeschafft. Es tut mir wieder leid. Sogar "aufwendig" darf man schreiben. Anderes aber blieb. Dass die Reform "greulich" (von "Greuel") ist, bleibt untersagt, für die Reformer bleibt sie "gräulich" (von "grau"). Und die Reformer schneuzen sich auch weiter nicht durch die Nase, sondern durch die Schnauze und schreiben deshalb konsequent "schnäuzen".
Denn das war das Manko des Rates: Von den Kultusministern eingesetzt, ihr verkorkstes Werk zu retten, stand er stets unter Zeitdruck, zumal im 39-köpfigen Rat die Wissenschaftler nicht die Mehrheit stellten. Den Ton gaben "jene Kräfte an, die ein geschäftliches Interesse mit der Reform verbinden", kritisierte deshalb auch Reinhard Markner von der Forschungsgruppe Deutsche Sprache.
Und so fielen dann auch die ursprünglich vorgesehenen Anhörungen zu den Reformvorschlägen aus. Denn: Dafür hatten die Schulbuchverlage keine Zeit, müssen sie doch schon im kommenden Monat die neuen Lehrbücher drucken.
Die Reformkritiker haben wieder recht
Die wichtigsten Änderungsvorschläge des Rates für deutsche Rechtschreibung im Überblick.
Düsseldorf. Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat gestern seine Vorschläge zur Reform der Rechtschreibreform vorgelegt. Hier die wichtigsten Punkte:
Getrennt-/Zusammenschreibung Der Tradition entsprechend wird wieder mehr zusammengeschrieben. Entscheidendes Kriterium ist der Wortakzent, also die Frage, ob durch die Zusammenfassung etwas Neues entsteht.
# Partikel und Verb werden grundsätzlich zusammengeschrieben. Anstelle der Regel, dass z. B. aufeinander oder abwärts immer getrennt vom folgenden Verb zu schreiben sind, tritt der einheitliche Wortakzent: Künftig schreiben wir abhandenkommen, abwärtsfahren, anheimfallen, aufeinanderstapeln oder querlesen. Aber: quer (im Bett) liegen oder rückwärts einparken.
# Adjektiv und Verb: Auch hier tritt bei einer neuen Gesamtbedeutung generell Zusammenschreibung ein. Also: schwerfallen (im Sinne von Mühe verursachen), müßiggehen, zufriedenlassen (im Sinne von in Ruhe lassen), heiligsprechen. In Fällen, in denen das Adjektiv eine Eigenschaft des Objekts bezeichnet, ist künftig beides möglich. Also: (Zwiebeln) klein schneiden/kleinschneiden, (Essen) warm halten/warmhalten.
# Substantiv und Verb: Künftig schreiben wir wieder kopfstehen, eislaufen oder nottun. In vier "Übergangsfällen" soll Doppelschreibung zulässig sein: achtgeben/Acht geben, achthaben/ Acht haben, haltmachen/Halt machen, maßhalten/Maß halten. Ansonsten gilt: Das Substantiv wird großund getrennt vom Verb geschrieben.
# Verb und Verb werden prinzipiell getrennt geschrieben. Bei übertragen gebrauchten Verbindungen mit lassen oder bleiben wie (in der Schule) "sitzenbleiben" oder (die Freundin) "sitzenlassen" kann künftig wieder zusammengeschrieben werden.
# Verbindungen mit Adjektiven als ersten Bestandteilen: Hier ist künftig Getrenntund Zusammenschreibung möglich. Also: eng verwandt/engverwandt, schwer krank/schwerkrank, schwer verletzt/schwerverletzt.
Groß- und Kleinschreibung Die Änderungen beschränken sich auf wenige Fälle.
# Einzelne Schreibweisen: Entscheidend ist der substantivische oder nichtsubstantivische Gebrauch. Also wird künftig wieder klein geschrieben "zu eigen machen", "zu eigen geben", aber groß "sein Eigen nennen". Auch "er ist ihm feind", aber "er ist mein größter Feind". Die Reformer-Absurdität "er ist ihm Spinnefeind" verschwindet. Wie mit feind oder eigen verfährt das Regelwerk künftig auch wieder mit freund, klasse, spitze, not u. a. in Verbindung mit den Verben sein/bleiben/werden. Auch heißt es nun nicht mehr "Bankrott gehen", sondern "bankrottgehen", ebenso "pleitegehen". Und die Reformgegner setzten sich auch hier durch: "recht haben, geben oder tun" darf künftig wieder geschrieben werden, aber auch weiter "Recht haben, geben oder tun"
# Feste Begriffe: Verbindungen von Adjektiv und Substantiv, die zusammen eine neue, feste Bedeutung haben, werden künftig wieder großgeschrieben: Erste Hilfe, Blauer Brief, Rote Karte, Heiliger Vater, Große Koalition.
# Höflichkeitsform: Wer es ungeachtet der Reformer nicht ohnehin weiter tat, darf nun wieder in Briefen die Pronomen Du oder Euer großschreiben.
Zeichensetzung
# Selbständige Sätze, die mit "und", "oder" usw. verbunden sind, müssen wieder durch Komma getrennt werden. Aber nur selbständige Sätze werden getrennt. Das hat zur Folge, dass nichtselbständige Sätze nicht mehr durch Komma getrennt werden dürfen!
# Infinitivgruppen: Obligatorisches Komma bei erweiterten Infinitivsätzen und allen Gruppen, die mit "um", "ohne" oder "statt" eingeleitet werden. Freigestellt ist das Komma bei bloßem Infinitv: Er dachte nicht daran(,) zu gehen.
Worttrennung
Die Abtrennung von Einzelvokalen am Wortanfang oder -ende wird untersagt. Also nicht mehr E-sel, Bi-omüll oder Feiera-bend.
|
Kommentar von Deutsche Welle, 3. 3. 2006, verfaßt am 18.03.2006 um 16.16 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=429#3585
|
http://www.dw-world.de/dw/article/0,2144,1922563,00.html
Opinion: Spelling Reform Spells Trouble for Germany
Germany is changing its orthography for the second time in 10 years. Politicians are praising the revised set of rules, but it is unlikely that the second-hand reform will put an end to German spelling woes.
If a German soccer player gets a yellow card during the World Cup this summer, it will be called a "gelbe Karte." On Aug. 1, however, three weeks after the end of the championship, that same unwanted gift will become illegal. That doesn't mean that soccer players will be allowed to run amok, take off their shirts and dance the hula-hula, but rather that they will be -- in accordance with a new set of German spelling rules -- penalized with a "Gelbe Karte" (capital G) instead.
Germany's regional culture ministers on Thursday called on newspaper editors and book publishers to fall into line behind the newly revised regulations on spelling. The ministers from the country's 16 regional states unanimously approved proposals from the German Council for Spelling, which was given the task of modifying reforms on spelling adopted in 1996 by German-speaking countries.
The new set of rules, which, among other things, outlaws the "gelbe Karte" with a lower-case "g," is not only an attempt at pacifying the vocal opponents of the spelling reform, but also a face-saving endeavor for Germany's cultural and political establishment. Above all, it is a barometer of how the country perceives and reacts to change -- an important consideration in view of Germany's economic crisis.
Reform of the reform
The original spelling reform of 1996, which was meant to harmonize the spelling rules across the German-speaking countries, turned out to be a major embarrassment if not outright failure.
After six years of teaching the new spelling rules, two German states which make up over one-third of Germany's population -- Bavaria and North Rhine-Westphalia -- decided to throw out both the baby and the bath water and not make the new spelling compulsory.
One of Germany's major newspapers, the Frankfurter Allgemeine Zeitung, and several other press groups turned their back on the 1996 rules, preferring the traditional spelling rules. German Nobel prize winner Günter Grass stood up against the reforms, and the country found a new national pastime: trashing the writing reform. Organizations such as the German Language Research Group or Teachers Against the Spelling Reform launched their impassioned campaigns with the result that in 2004, 77 percent of Germans still considered the spelling reform not sensible.
It is truly mind-boggling to an outsider that in a country with an unemployment rate of over five million, spelling rules should stir up so much passion. It is even more mind-boggling that spelling seems like a more controversial topic than equal access to education, integration policies and German education underachievement in the EU context. Yet it is beyond any doubt that failed reforms, partial reforms and reforms of the reforms can only undermine public trust in their cultural and political institutions.
Correct me if I'm wrong
For all their proverbial discipline and meticulousness, many Germans are actually sloppy spellers -- partly because of the complex capitalization, punctuation and syllabification rules. Harald Büssing, a Berlin teacher, discovered -- for example -- that the German constitution had at least two spelling mistakes. His petition to have the mistakes corrected was rejected by the officials because the mistakes had apparently not caused any problems since the basic law was signed by Konrad Adenauer, the future first chancellor, on May 23, 1949.
No sensible teacher would accept a student's argument that his or her spelling mistakes are causing no problems and should therefore be overlooked. Spelling is a conventional set of rules, and it is definitely not set in stone. But it requires consistency and should not be changed every few years.
German, for its part, is not the most efficient of languages: It needs 11 letters for a surname consisting of only three distinct sounds (Tzschätzsch), but the German spelling reform was never that ground-shaking in the first place. Attempts by the Institute for the German Language and the Society for the German Language in the late eighties to do away with the complicated capitalization of nouns and make the German spelling more phonetic were never considered even remotely acceptable by the political establishment or the general public.
The reforms ended up being about whether ice-skating (eislaufen) should be written as one or two words, and whether "ice" in ice-skating should be capitalized, like most German nouns. The devil is, surely, in the detail but the new set of proposals is still not guaranteeing pain-free German classes in schools. According to the new proposal, the act of ice-skating will revert to a single word, despite it being separated into two words in the decree of a decade ago. However, the experts decided that "Rad fahren", or biking, must remain two words.
Too little, too late?
The German publisher Duden announced that the new rules would be incorporated into the 24th edition of its authoritative spelling dictionary on July 22.
After a public outcry against what the majority of Germans saw as pointless and artificial spelling rules, the ministers declared the latest changes to be a victory of common sense. Jan-Hendrik Olbertz, culture minister of Saxony-Anhalt, said that "the Gordian knot has been cut and perhaps the misery is over."
Not everybody, however, was ready to pat the ministers on the shoulder.
Hans-Joachim Otto of the German opposition free-market liberal Free Democratic Party (FDP) called the spelling reform a fiasco and a proof that "the state should not meddle with the language."
It's hard to tell what the chances are of the second reform to succeed where the first one failed. Bavaria and North Rhein-Westphalia signalized they would make the new spelling rules binding. Last week, the German publisher Axel Springer Verlag announced it was considering abandoning the old spelling rules that it demonstratively readopted in 2004.
The Frankfurter Allgemeine Zeitung, which went back to the old spelling in 2000, is also considering the new compromise recommendations, but will wait for the new spelling dictionaries to come out.
"We will see if they are more useful than the last editions and whether there would still be so many discrepancies between the dictionaries," said FAZ editor Hubert Spiegel.
Angela Merkel's government will directly benefit from the recent developments: According to the revised spelling rules, "grand coalition" will be capitalized as "Grosse Koalition," adding an orthographic sense of grandeur to a bipartisan marriage of convenience.
But the overall course of the spelling reforms spells trouble for the German nation because it shows that the ability to change is predicated upon the ability to give up old habits. And it is in the department of old habits that Germany is showing its greatest weakness.
Toma Tasovac
|
nach oben
Als Schutz gegen automatisch erzeugte Einträge ist die
Kommentareingabe auf dieser Seite nicht möglich. Gehen Sie
bitte statt dessen auf folgende Seite: |
www.sprachforschung.org/index.php?show=newsC&id=429#kommentareingabe |
Kopieren Sie dazu bitte diese Angabe in das Adressenfeld Ihres
Browsers. (Daß Sie diese Adresse von Hand kopieren müssen, ist ein
wichtiger Teil des Spamschutzes.) |
Statt dessen können Sie auch hier klicken
und die Angabe bei „news“ von Hand im Adressenfeld ändern. |
Zurück zur vorherigen Seite | zur Startseite
|