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03.02.2006
Reinhard Markner
Orthographische Legenden
Heyse in Österreich 1879–1902
Der Rat für deutsche Rechtschreibung wird heute in Mannheim über Fragen der Groß- und Kleinschreibung beraten.
Auf seinem grünen Tisch liegt der Vorschlag, statt "Recht haben" künftig "rechthaben" zu schreiben. Vermutlich wird er keine Mehrheit finden, denn die Großschreibung hat für die im Rat vertretenen Verfechter der Reformrechtschreibung einen hohen Symbolwert. Aus ähnlichen Beweggründen hat der Rat über die ss-Schreibung gar nicht erst diskutiert. Es gilt der Grundsatz: Wer "dass" schreibt und nicht "daß", schreibt reformiert. Da der Rat nur etliche besonders auffällige Unzulänglichkeiten der Reform, nicht aber diese selbst aus der Welt schaffen soll, durfte er die auf den Grammatiker August Heyse (1764 bis 1829) zurückgehende Regelung nicht antasten. Sie sei einleuchtend und habe sich bewährt, heißt es gewöhnlich zur Begründung.
So argumentierte bereits Hofrat Johann Huemer, der österreichische Abgesandte auf der zweiten Berliner Orthographischen Konferenz. Laut Protokoll der Eröffnungssitzung am 17.Juni 1901 erklärte Huemer seinerzeit, "dass sich die Heysesche Schreibung in Österreich bewährt habe, aber dass Österreich schliesslich bereit sein werde, im Interesse der Einheitlichkeit hierin ein Opfer zu bringen". Tatsächlich hatte Unterrichtsminister Karl von Stremayr am 22. November 1879 die Deutschlehrer aller österreichischen Mittelschulen dazu aufgefordert, "in einer unter dem Vorsitze des Directors abzuhaltenden Conferenz die von den Schülern aller Classen der betreffenden Anstalt consequent zu fordernde Orthographie zu vereinbaren" und sich dabei auf das vom Kaiserl.-königl. Schulbücher-Verlag neu herausgebrachte Werk "Regeln und Wörterverzeichnis für die deutsche Rechtschreibung" zu stützen.
Die Annahme, von 1879 bis zur Einführung der Einheitsorthographie 1902 sei in der Donaumonarchie die Heysesche Schreibung praktiziert worden, beruht jedoch auf der häufig anzutreffenden Verwechslung von Schulstandard und allgemein üblicher Rechtschreibung. Das Digitalisierungsprojekt "Austrian Newspapers Online" (www.anno.onb.ac.at) bietet in diesem Zusammenhang interessante Aufschlüsse. Zwar ging das "Reichsgesetzblatt für die im Reichsrath vertretenen Königreiche und Länder" 1888 zur Heyseschen Schreibung über. Aber weder die offiziöse "Wiener Zeitung" noch das staatstragend-katholische "Vaterland" folgten den amtlichen Vorgaben. Das Witzblatt "Der Floh" verweigerte sich ebenso wie der angesehene "Pester Lloyd", das "Volksblatt" ebenso wie die christlich-soziale "Freiheit!". Einzig die "Innsbrucker Nachrichten" stellten am 2. Januar 1891 auf die staatlich vorgegebene Schreibung um, bei Gelegenheit einer Formatänderung. Am 1. Juli 1902 kehrten sie dann kommentarlos zur herkömmlichen ß-Schreibung zurück.
Heyses ss-Schreibung hat sich in Wirklichkeit weder unter Kaiser Franz Joseph noch in den letzten Jahren bewährt. Sie führt, für jedermann sichtbar, zu unbefriedigenden Wortbildern wie "Flussaue" oder "Missstand" und vermehrten Fehlern, wie das häufige Auftreten der Schreibung "Ergebniss" zeigt.
(F.A.Z., 3. 2. 2006, Nr. 29, S. 40)
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Kommentar von R. M., verfaßt am 11.12.2008 um 22.24 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=391#7444
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Vielen Dank für den Hinweis auf die Ausgabe vom 3. Januar!
Durch das Projekt ANNO sind natürlich noch nicht alle österreichischen Zeitungen erfaßt. Es fehlen Blätter aus Agram, Brünn oder Graz, vom Prager Tagblatt noch einige hier interessierende Jahrgänge vor 1900. Daß sich die führenden Zeitungen der Donaumonarchie nicht an die amtlichen orthographischen Vorgaben gehalten haben, läßt sich aber schon jetzt mit hinlänglicher Sicherheit sagen.
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Kommentar von Heinz Lautenbach, verfaßt am 11.12.2008 um 21.09 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=391#7443
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Die Innsbrucker Nachrichten schreiben am 3.1.1881 auf Seite 3:
"(Abänderung in der Orthographie.) Von heute ab werden unsere verehrten Leser die Wahrnehmung machen, dass wir in unserer Schreibweise von der bisher angewendeten abweichen und uns die infolge der bekannten Verfügung seitens des hohen k. k. Ministeriums für Cultus und Unterricht an den österreichischen Voks-, Bürger- und Mittelschulen eingeführte einheitliche Schreibweise aneignen. Es geschieht dies auf vielseitig ausgesprochenen Wunsch besonders zu dem Zwecke, damit auch das den Schulen fernstehende Publicum allmählig in die practische Uebung der einheitlichen Schreibweise eingeführt und so dieselbe nach und nach Gemeingut aller des Lesens und Schreibens Kundigen werde."
Die "Innsbrucker Nachrichten", so scheint es, war tatsächlich die einzige Publikation in Österreich, die diesem "vielseitig ausgesprochenen Wunsch" nachkam. Ich habe auch den Jahrgang 1902 der Innsbrucker Nachrichten im ANNO durchsucht und außer einer stillschweigenden Rückkehr zur Adelungschen Schreibweise nichts gefunden.
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Kommentar von R. M., verfaßt am 10.12.2008 um 04.28 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=391#7442
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Die inzwischen ebenfalls digitalisiert vorliegende Neue Freie Presse gehörte, wie sich zeigt, auch zu den Heyse-Muffeln.
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Kommentar von Anita Schühly, verfaßt am 08.02.2006 um 11.46 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=391#2858
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In den späten 50er und frühen 60er Jahren arbeitete ich als Deutschlehrerin mit dem vom Verlag Diesterweg herausgegebenen Lesewerk "Lebensgut". Die Bände für das 5.-7. Schuljahr des Gymnasiums sahen regelmäßig einige Texte in Frakturschrift vor, meistens solche, die zur Weihnachtszeit gern gelesen wurden oder sich direkt auf das Fest bezogen.
Auf diese Weise machten die Schüler immerhin Bekanntschaft mit der alten deutschen Schrift. So bestand Aussicht, daß sie in einem späteren Studium auch ältere Quellen würden lesen können, abgesehen von den Büchern, die sie zu Hause vorfanden.
Schon in der Grundschule lasen meine eigenen Kinder ziemlich mühelos auch dicke Bücher in dieser Schrift, ohne daß ihnen die Fraktur je im Unterricht begegnet war. Auch wenn man nicht wünscht, daß wir wieder zu den gebrochenen Schriften zurückkehren, sollten wir im Hinblick auf das kulturelle Erbe doch dafür sorgen, daß sie nicht ganz vergessen werden. Bibliothekare und Archivare können ebenfalls nicht auf sie verzichten.
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Kommentar von Fred Frön, verfaßt am 08.02.2006 um 11.14 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=391#2857
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Wie wäre es mit einem erneuten "Massenexperiment", das sich diesmal zur Abwechslung "menschfreundlich" nennen könnte: Die Kultusministerkonferenz setzt am 3. 3. 2006 die Rechtschreibreform auf unbestimmte Zeit aus. Alle seit 1996 erschienenen Wörterbücher (aber auch die früheren Auflagen des DUDEN) werden für ungültig erklärt, und der Öffentlichkeit wird dringend davon abgeraten, etwaige Neuauflagen zu kaufen. Gleichzeitig werden die Lehrer angehalten, einen "offenen" Rechtschreibunterricht zu erteilen, nämlich nicht unmittelbar einleuchtende Schreibungen im Gespräch mit den Schülern zu überprüfen und für den persönlichen Gebrauch Empfehlungen zu erarbeiten. Jedermann wird aufgefordert, Beobachtungen und Entdeckungen dem Institut für Deutsche Sprache in Mannheim schriftlich mitzuteilen. An dieser ohnehin mit staatlichen Mitteln unterhaltenen Institution wird eine Zentralstelle für die deutsche Rechtschreibung eingerichtet, die zehn Jahre lang die von Wörterbüchern und Regelwerken befreite Schreibentwicklung beobachtet und dokumentiert. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft führt eine Befragung aller deutschen Hochschulgermanisten durch, welches Gremium von höchstens fünf Mitgliedern das Massenexperiment wissenschaftlich begleiten und im Jahre 2016 Vorschläge für eine künftige deutsche Rechtschreibung vorlegen soll. Im übrigen entschuldigt sich die KMK aufrichtig für die Fehlentwicklung in den letzten zehn Jahren und bittet alle Bürgerinnen und Bürger herzlich darum, sich sofort jeglicher Polemik in Rechtschreibfragen zu enthalten.
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Kommentar von Norbert Schäbler, verfaßt am 07.02.2006 um 14.43 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=391#2837
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Katastrophenplan „NUMMER ZWEI“
Es ist ein bißchen verwunderlich, daß bei der Diskussion über die Schriftsprache fast ausschließlich über Wortbilder und Wortlizenzierungen gesprochen wird, daß man aber äußerst selten auf das Medium – die Schrift selbst – eingeht. Ich halte diese Entkoppelung für nicht statthaft, denn ohne das Medium Schrift (den Mittler zum gesprochenen Wort hin) könnte man ja gar nichts darstellen.
Zwar wurden zeitweise in diesem Forum Begriffe wie „Ligatur“, „Fraktur“ und „Sütterlinschrift“ angeführt, doch fand die Beschäftigung mit dem Medium Schrift in der öffentlichen Diskussion keinen Widerhall.
Für mich steht allerdings ohne jeden Zweifel fest, daß hinter den Entscheidungen einstiger Buchdruckerkünstler sowie den Analysen von Schreib- und Grammatikexperten wohldurchdachte, säuberlich abgestimmte und konsensfähige Überlegungen ruhen. Und ebensowohl steht für mich fest, daß große Teile des Wissens nach dem Wechsel zur lateinischen Ausgangsschrift ersatzlos verlorengingen.
So betrachtet ist die Entscheidung der Kultusminister für die „Druckschrift“ (Lehrplan für die bayerische Grundschule 2003, Verlag J. Maiss, S. 86) eine konsequente Fortführung der im Jahre 1996 eingeleiteten Bildungskatastrophe, denn die Kultusminister entfernen sich immer weiter weg von der eindeutigen Wortgestalt und der schreibflüssigen Wortgestaltung. Meines Erachtens hat die sogenannte Automatisierung unabdingbar mit Schnelligkeit, Gewohnheit und technischem Reifestand zu tun, und deshalb ist es unerträglich, daß die Kultusminister mit ihrem „Druckschrifterlaß“ gegen den Usus der Schreibgemeinschaft einen weiteren bürokratischen Verwaltungsakt setzen konnten.
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Kommentar von Norbert Schäbler, verfaßt am 06.02.2006 um 19.57 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=391#2825
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Schreib-Ergonomie (ein Nachtrag zu Prof. Icklers Äußerung vom heutigen Tag, 05:07)
Wir Erwachsene haben ja alle den Gebrauch der Schreibmaschine vor Augen, wenn wir an schriftliche Notationen denken, doch sind im schulischen Bereich Füller, Kugelschreiber, Bleistift; das Heft oder Blockblätter die üblichen Schreibutensilien.
Selten sind wir Erwachsene gezwungen, ein handschriftliches Protokoll zu erstellen, oder eine Vorlage abzuschreiben; und für den Einkauf genügt ein kleiner Schmierzettel, den nur wir selbst lesen können müssen. In der Schule dagegen sind Handschriften gang und gäbe; in der Grundschule werden sie gar vom Lehrer zensiert.
Früher (nach 1945) lernte man in der Schule die sogenannte Lateinische Ausgangsschrift. Ihr Wesen bestand darin, Buchstaben – (meist haben diese die Form von „Girlanden, Arkaden, Schleifenzügen und angedeuteten Ovalen“) – geschickt zu verbinden, um hierdurch einen Schreibfluß zu ermöglichen. Es entstehen somit Wörter, deren Buchstaben durchweg durch Auf- oder Abstriche oder durch wellenförmige Linien verbunden sind. Somit ist/war ein Wort durch seine Geschlossenheit zu erkennen. Die Sütterlin-Schrift war im übrigen ähnlich aufgebaut.
Sehr frühzeitig (spätestens im vierten Grundschuljahr) haben Viel- und Schnellschreiber – und zwar solche ohne akademischen Grad, sondern einfache Schüler – erkannt, daß es sehr ergonomisch ist, einen sogenannten Luftsprung einzuführen. Dieser ist dann besonders effektiv, wenn Ovale („c, a, o, d, g) in der Wortmitte stehen, oder wenn besonders schwierige Buchstaben (z.B. die Einzelbuchstaben „s, z, ß, x“ oder die Buchstabenverbindungen „we, rz, rs, re“) als Wortteile auftreten. Für die Leserlichkeit ist es dann oft zweckmäßig, die strengen Verbindungslinien wegzulassen und per Luftsprung den nächsten Buchstaben anzugehen. Im Wortbild entstehen somit kleinere Lücken (sie sind in jedem Falle kleiner als jene Lücken, die sich zwischen Wörtern ergeben). Die individuelle Handschrift wird durch diesen Kunstgriff leserlicher.
Zwischenzeitlich lernt man in der Schule allerdings die sog. Vereinfachte Ausgangsschrift. Ziel scheint es zu sein, ein Druckbuchstabenbild zu erzeugen, das dem der Schreibmaschine ähnelt.
Mit meinem kleinen Streifzug in frühere und heutige Lehrpraxis will ich einige Gedanken anregen, die ich im folgenden in Fragen formuliere:
- Welchen zusätzlichen Schreibaufwand für den „Handschreiber“ bringt die Auflösung der Regel 204 (Zusammentreffen von drei gleichen Konsonanten) insbesondere unter dem Gesichtspunkt, daß auch das Adelungische „ß“ aufgelöst wurde?
- Wie sieht eine Verbindung des Dreierlei-S in der ursprünglichen Lateinischen Ausgangsschrift und in der Vereinfachten Ausgangsschrift (Druckbuchstaben) aus?
- Wäre es denkbar – (z.B. durch den Satz: „Spare beim Schreiben einen Konsonanten ein, bringe ihn beim Lesen wieder zum Vorschein“) –, dem Schüler, oder auch dem handschriftlichen Vielschreiber eine echte Erleichterung zu verschaffen?
Falls der geneigte Leser bereit ist, obige Fragen und Textanleitungen handschriftlich nachzuvollziehen, wird es ihm vermutlich – mit Ausnahme von Erkenntnissen – nicht allzu viel einbringen, denn schließlich sind wir alle der sogenannten „Staatsraison“ verpflichtet.
Es wird uns zudem auch kaum gelingen, in einem Vollblutpolitiker seine damals zwangsläufig vorhandene Protesthaltung aus der eigenen Kinderstube zu aktivieren. Politiker haben doch heute ganz andere Sorgen – z.B. die mit ihren Sekretärinnen.
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Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 06.02.2006 um 08.39 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=391#2821
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Bei der reformierten Dreibuchstabenregel drängt sich, mehr als noch bei der sogenannten Artikelprobe, der Verdacht auf, daß sie nicht ersonnen wurde, um das Schreiben zu vereinfachen, sondern dazu, die Lernerfolgskontrolle in der Schule zu erleichtern. Schreibungen wie "Schlammasse" im Diktat- oder Aufsatzheft, die nicht erkennen lassen, ob der Schüler es nun absichtlich oder bloß aus Versehen richtig gemacht hat ("Schlamm" oder "Schlam" bzw. "Masse" oder "Asse"?), müssen für manche gewissenhaften Pädagogen etwas zutiefst Beunruhigendes (gehabt) haben.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.02.2006 um 05.07 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=391#2820
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Den Widerspruch von Herrn Fleischhauer lasse ich mir natürlich gern gefallen. Ich hatte ja sogar darauf verzichtet, das ergonomische Argument zu wiederholen, das mir sonst durchaus wichtig war. Dreifaches Anschlagen derselben Taste ohne die Möglichkeit des Fingerwechsels wie beim Klavierspielen - das ist schon sehr heikel.
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Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 05.02.2006 um 18.33 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=391#2817
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Ich muß Herrn Ickler widersprechen. Es gibt genügend Hinweise dafür, daß die Leute - selbst die Reformbetreiber - mit den Dreifachkonsonanten nicht "zurechtkommen".
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Kommentar von Sigmar Salzburg, verfaßt am 05.02.2006 um 12.43 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=391#2815
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In meinem „Nachschlagebuch der deutschen Sprache … Nach der neuesten Orthographie von 1902, Langenscheidt, Berlin 1903“ steht:
…Nur einfach schreibt man den Mitlaut: … c) in dem ersten Teile der Zusammensetzungen dennoch, Dritteil und Mittag.
Anm. Auch in anderen Zusammensetzungen, in denen derselbe Mitlaut dreimal hintereinander zu schreiben wäe, ist es zulässig, ihn nur zweimal zu setzen: Brennessel, Schiffahrt, Schnelläufer; aber bei Silbentrennungen schreibt man Brenn-nessel, Schiff-fahrt, Schnell-läufer.
Im Jahrhundert davor wurde meist „Schiff fahrt“ (mit Ligatur der ersten beiden „f“) geschrieben, aber auch „Schiffahrt“ war nicht selten:
„Der Teutsche Merkur, Julius 1788“ druckte Schillers „Briefe an Don Karlos“: „So weit das Scepter meines Vaters reicht, so weit die Schiffahrth unsre Flaggen sendet, …“
Heinrich v. Kleist schrieb in seinen „Berliner Abendblättern“ (1810) von der „gestrigen Luftschiffahrt des Herrn Claudius“.
In Meyers Konversationslexikon, Leipzig, 1888-1889, überwiegt die „Schiffahrt“ gegenüber der „Schifffahrt“.
Da offensichtlich die Erlaubnis, auf einen Buchstaben zu verzichten, gerne angenommen wurde, erweckte der Duden in späteren Ausgaben den Eindruck einer Pflichtvorschrift.
Tatsächlich stellte jedoch erst die „Reform“ von 1996 in Umkehrung der Tendenz ein ausgesprochenes Verbot auf, zur Schreib- und Leseerleichterung einen Buchstaben einzusparen.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.02.2006 um 09.52 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=391#2814
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Die Dreibuchstabenregel mit der sonderbaren Ausnahme von 1901 trägt alle Merkmale des Zufälligen. Es lohnt nicht, viele Gedanken daran zu wenden. Man kann sie lassen, man kann sie auch in der einen oder anderen Richtung vereinfachen, es ist fast gleichgültig. Wir sind schon als Kinder mit den Merkwörtern Schiffahrt und Sauerstoffflasche zurechtgekommen, wir würden auch mit verallgemeinertem ff und fff zurechtkommen, wie es unsere Altvorderen ja schon vorgemacht haben. Deshalb steht der Verallgemeinerung im Sinne der Reformer auch in meiner Liste der denkbaren Zugeständnisse. Nicht daß ich dafür wäre, aber es ist kein Schaden damit verbunden.
Was die s-Schreibung betrifft, so macht das Fehlen eines eigenen Buchstabens für stimmhaftes s (sofern es überhaupt gesprochen wird) eine Behelfsschreibung unumgänglich. z ist ja anderweitig vergeben. Die Heysesche Schreibung erscheint "logischer", wenn man die Beziehung auf die Vokallänge verabsolutiert, wozu meiner Ansicht kein Grund besteht. Übrigens hat Stefan Stirnemann immer wieder daran erinnert, daß das ß in der Schweiz nicht unbekannt ist, sondern den Schulkindern fürs eigene Schreiben nur nicht beigebracht wird. Die Verlage drucken aber fleißig in gesamtdeutscher Schreibweise.
In der gestrigen Süddeutschen Zeitung stand übrigens wieder ein Beitrag in klassischer Rechtschreibung (von Georg Klein, einem entschiedenen Reformkritiker). Ich lese die SZ, deren Abonnent ich früher war, nur noch selten - gestern war ja ein Festtag, ich möchte überhaupt das Wochenende zum Markner's Day ausrufen -, aber wenn ich sie mal kaufe, steht bestimmt ein orthographisch ordentlicher Artikel drin. Gut so!
Der Rechtsbegriff "ausloben" - um auch darauf noch kurz einzugehen - dürfte urspünglich bedeuten: bekanntgeben, daß man eine Belohnung zu zahlen verspricht, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind.
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Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 05.02.2006 um 01.53 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=391#2812
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Glasreiniger: Pappplakat – Falsches Beispiel. Es gibt keine Pappplakate. Das Material heißt Pappe, also kann es nur heißen: Pappeplakate.
Das glaube ich erst, wenn es ein *Pappekamerad bestätigt hat oder ich in Köln am 27. Februar lauter *Pappenasen sehe.
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Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 04.02.2006 um 00.02 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=391#2790
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Lieber Herr Fleischhauer, "überflüssig" ist die Diskussion in meinen Augen, weil erst mit der Reform die deutsche Orthographie zum Problem -und Pflegefall wurde. Daß nun bald 10 Jahre lang von einer Revision zur nächsten daran herumgebastelt wird, spricht doch Bände. In vorreformatorischen Zeiten funktionierte die Rechtschreibung gut und war, verglichen mit anderen Disziplinen, auch nicht besonders schwer zu erlernen. Gut, wer viel schrieb, beherrschte sie besser als der vielbemühte "Wenigschreiber". Was ist daran schlimm? Heute stehen wir vor den Trümmern eines mutwillig zerstörten Kulturgutes. Die Einheitlichkeit als wichtigstes Merkmal einer hochentwickelten Orthographie ist dahin. Und trotzdem - oder vielleicht auch deswegen - ist das Schreiben nicht leichter sprich fehlerfreier geworden.
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Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 03.02.2006 um 21.50 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=391#2789
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Es verbietet sich also, mit Genugtuung feststellen, daß dergleichen Unsinn in Wien ausgemustert werden mußte, während man in Zürich daran nichts auszusetzen findet.
Stellen wir es einfach ohne Genugtuung fest.
Die ganze - ich sage ganz deutlich: überflüssige - Diskussion (...)
(...)
Weg mit dem Unfug! Nichts da mit "Versöhnung", "Kompromiß" und anderen Einlullungsvokabeln.
Ein paar nachdenkliche Worte zum Schweizer s, und gleich kommt's faustdick. Okay, okay, ich halte mich ja zurück.
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 03.02.2006 um 20.36 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=391#2786
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Irgendwann wurde in früheren Diskussionen das Argument vorgetragen, daß bei drei gleichen Konsonanten mit Folgekonsonant der dritte Konsonant zusammen mit seinem Folgekonsonant deutlich getrennt von den vorhergehenden Doppelkonsonanten geprochen werde.
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Kommentar von Fred Frön, verfaßt am 03.02.2006 um 19.50 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=391#2784
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Die Wut über das blamable Versagen der Politiker und der zur Pflege unserer Sprache berufenen Germanisten und Deutschlehrer sollte uns nicht den Blick für die Fallstricke der deutschen Rechtschreibung trüben. Es gibt Übleres als "Flussaue" und "Missstand", aber dies sind zweifellos Schreibungen, die der deutschen Sprache nicht zur Ehre gereichen - seien sie nun zu k.u.k. oder zu k.m.k. Zeiten unter die Leute gebracht worden. Es verbietet sich also, mit Genugtuung feststellen, daß dergleichen Unsinn in Wien ausgemustert werden mußte, während man in Zürich daran nichts auszusetzen findet. Wenn schon vernünftige deutsche Rechtschreibung, dann bitte überall.
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Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 03.02.2006 um 19.08 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=391#2783
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Pappplakat.
Falsches Beispiel. Es gibt keine Pappplakate. Das Material heißt Pappe, also kann es nur heißen: Pappeplakate. Ob es die wirklich gibt, bezweifle ich auch.
Bekanntlich gibt es Klappbetten. Man könnte sich also ein Klapp-Plakat vorstellen. Was spricht dagegen, es Klapplakat zu schreiben? Und kommen Sie mir nicht mit dem Duden als Argument.
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Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 03.02.2006 um 18.21 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=391#2782
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Glasreiniger: »Fragen wir uns, warum es zu der Regelung kam, daß Dreifachkonsonanten nicht verkürzt werden, wenn ein weiterer Konsonant folgt, finden wir, daß diese Regel nur bei f und t zur Anwendung kommen kann.«
Nicht nur – siehe z. B. Pappplakat.
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Kommentar von Bardioc, verfaßt am 03.02.2006 um 18.16 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=391#2781
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Ich stimme Ihnen gerne zu, lieber kratzbaum!
Leider ist es, was die Aufräumarbeit angeht, aber noch schlimmer: Diese Arbeit wird schlichtweg verhindert. Würde man damit beginnen bzw. beginnen dürfen, wäre der ganze Spuk schnell vorbei.
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Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 03.02.2006 um 17.48 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=391#2780
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Wenn hier so viele gescheite, sachkundige Leute über diese und jene Einzelheit, Widersprüchlichkeit, Fehlerquelle sei es der herkömmlichen, sei es der reformierten Rechtschreibung sich den Kopf zerbrechen und auch Lösungsvorschläge machen, so dürfen wir eines nicht übersehen: Die ganze - ich sage ganz deutlich:überflüssige - Diskussion ist uns durch eine obskure Allianz von Pfuschern, irregeleiteten Politikern, Geschäftemachern und einem Schwarm von Mitläufern aufgezwungen worden. Während diejenigen, die den Schaden angerichtet haben, entweder abgetaucht sind oder die Sache einfach auszusitzen versuchen, bleibt alle Aufräumarbeit den Kritikern überlassen. Alle Kommissionen, Beiräte, Räte sind bloßer Mummenschanz, lachhafte Possenspiele. Natürlich muß Mist Mist genannt werden, solange er zum Himmel stinkt. Ich rede darum auch keineswegs schweigender Resignation das Wort. Aber als entschiedener Totalverweigerer sehe ich nicht ein, wieso ich mich als Reparateur des total mißlungenen Unternehmens mißbrauchen lassen sollte. Den Verantwortlichen täglich ihr Versagen vor Augen zu führen, ist heilige Pflicht gegenüber der Sprache. Im übrigen kann es nur heißen: Weg mit dem Unfug! Nichts da mit "Versöhnung", "Kompromiß" und anderen Einlullungsvokabeln.
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Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 03.02.2006 um 16.41 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=391#2779
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Ich finde Ihre Ausführungen, lieber glasreiniger, ganz und gar überzeugend. Aber auch in Ihrem (revolutionären) Konzept lassen sich Typo- und Orthographie nicht völlig voneinander trennen.
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Kommentar von R. M., verfaßt am 03.02.2006 um 15.56 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=391#2778
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Wenn ich in aller Bescheidenheit darauf hinweisen darf: Der Artikel handelt von österreichischen Verhältnissen. Über die Schweizer Situation habe ich an anderer Stelle geschrieben, von schamhaftem Verschweigen kann also nicht die Rede sein.
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Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 03.02.2006 um 15.53 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=391#2777
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> Keine schlechte Lösung, doch wohl etwas realitätsfern.
Warum realitätsfern? Effektiv ist es die Freigabe dieser Einzelfrage. Wenn man "aufwendig"/"aufwändig" u.ä. schon freigegben hat, besteht kein sachlicher (andere schon) Grund dagegen.
> Ist ck auch eine Ligatur?
Ja: Erstens wird ck in Fraktur als Ligatur gesetzt, zweitens zeigt sich der Ligaturcharakter bei der Trennung nach bewährter Rechtschreibung.
> Ein Problem sind die Dreifachkonsonanten, bzw. die Möglichkeit, Konsonanten einzusparen. Das ist nun nicht mehr eine reine Frage der Typographie. Vgl. Schiffahrt, Rückkehr.
Vielleicht wäre auch bei sss eine Einsparung denkbar (Verschlussache).
M.E. doch. Fragen wir uns, warum es zu der Regelung kam, daß Dreifachkonsonanten nicht verkürzt werden, wenn ein weiterer Konsonant folgt, finden wir, daß diese Regel nur bei f und t zur Anwendung kommen kann. Dies sind, zusammen mit dem schlanken s, gerade die Buchstaben, die leicht Ligaturen bilden. So sehe ich den Grund für die Sauerstoffflasche nicht in der hypothetischen Verwechslungsmöglichkeit mit einer Sauerstoff-Lasche (solche Falschlesungen können auch anderswo auftreten, ohne daß sich jemand drum schert), sondern darin, daß ff und fl Ligaturen bilden. Auch die Schreibung von Rückkehr paßt bestens in dieses Konzept. Und die Schreibung "Verschlussache" würde ich der mit 3 Konsonanten vorziehen, wenn nicht mit ß geschreiben werden kann. Übrigens leben bei Trennung der Doppelkonsonanten, die aus dreifachen zusammengezogen wurden, die ursprünglichen ja auch wieder auf, außer bei "den-noch" und "Mit-tag".
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Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 03.02.2006 um 15.35 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=391#2776
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Die Schweizer trennen seit je beis-sen. Man muß da auch an die Trennprogramme denken, die nicht immer zwischen Busse (Sing.) und Busse (Pl.) unterscheiden können.
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Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 03.02.2006 um 15.29 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=391#2775
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Der Gebrauch von Ligaturen ist kein Gegenstand der Orthographie, (...)
So gesehen, braucht man von jedem einzelnen Text nur den konsistenten Gebrauch dieser typographischen Mittel zu verlangen.
Keine schlechte Lösung, doch wohl etwas realitätsfern.
Ist ck auch eine Ligatur?
Ein Problem sind die Dreifachkonsonanten, bzw. die Möglichkeit, Konsonanten einzusparen. Das ist nun nicht mehr eine reine Frage der Typographie. Vgl. Schiffahrt, Rückkehr
Vielleicht wäre auch bei sss eine Einsparung denkbar (Verschlussache).
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Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 03.02.2006 um 15.20 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=391#2774
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> selbst nach der Reform, die es zu einem (quasi selbständigen) Buchstaben besonderer Funktion gemacht
Den Anfang dieses m.u.M.n. verhängnisvollen Weges wurde sehr viel früher beschritten. Bereits in der 15. Dudenauflage finde ich die daraus resultierende Trennvorschrift (bei-ßen) statt der Auftrennung des Doppelbuchstabens (beis-sen), die neuerdings für die Schweizer wieder zur offiziellen Trennung (mit dem Segen der "Reformer"!) geworden ist.
Im Ergebnis hat man jetzt also für die Schweizer (wg. der Trennung) und die Österreicher (wg. der Langaussprache des "Geschoßes") explizit unterschiedliche Orthographien vorgeschrieben.
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Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 03.02.2006 um 14.53 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=391#2772
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Auch heutzutage – und selbst nach der Reform, die es zu einem (quasi selbständigen) Buchstaben besonderer Funktion gemacht hat – ist ß kein vollwertiger Buchstabe: Es gibt nur den Kleinbuchstaben, in Großbuchstaben schreibt man statt dessen Doppel-S, und auch für die Kleinbuchstaben ist eine derartige Ersetzung möglich, falls kein ß zur Verfügung steht. An diesen Punkten geht die reformierte Regelung nicht auf.
Die Reform will hier über etwas hinwegtäuschen, was in Wirklichkeit aber offenbar nicht zu ändern ist – daß das ß einen Sonderstatus einnimmt, und daher wäre die Zulässigkeit der herkömmlichen Schreibweise nur ein kleiner Schritt. Man muß ja nicht den ganzen Weg zurück bis zum satztechnisch korrekten Gebrauch der Ligaturen gehen, denn offenbar war die Handhabung des ß vor der Reform auch ohne diese Kenntnisse möglich. Vermutlich haben ja die meisten das ß schon vor Reform als eigenen Buchstaben aufgefaßt – obwohl sie es wie eine Ligatur benutzt haben; wem war denn zudem der Begriff der Ligatur geläufig. Die Zulässigkeit der herkömmlichen Schreibweise wäre also wirklich nur ein ganz kleiner Schritt – aber in die richtige Richtung.
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Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 03.02.2006 um 14.22 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=391#2771
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> Nicht einzusehen ist allerdings, daß hier nicht wenigstens die bewährte Schreibung als Variante zulässig bleiben soll.
Der Weg dahin ist einfach, aber er ist auch ein Weg zurück. Früher wurde das ß nicht als Buchstabe angesehen, sondern als Ligatur. Der Gebrauch von Ligaturen ist kein Gegenstand der Orthographie, sondern des Drucksatzes oder der persönlichen Handschrift. Wer professionelle Textsatzsysteme wie TeX verwendet, weiß, daß Ligaturen in der Regel nicht im Manuskript notiert werden, sondern die Definitionen in der Fontbeschreibung enthalten sind, ebenso wie die Regeln für Unterschneidungen (Zusammenrücken bestimmter Buchstabenkombinationen wie "Vo" oder "fr").
So gesehen, braucht man von jedem einzelnen Text nur den konsistenten Gebrauch dieser typographischen Mittel zu verlangen.
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Kommentar von Bernhard Eversberg, verfaßt am 03.02.2006 um 14.02 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=391#2770
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Wer sich an "ss" gewöhnen konnte, wird nicht mehr anders überzeugt werden können noch wollen, soviel steht fest. Nicht einzusehen ist allerdings, daß hier nicht wenigstens die bewährte Schreibung als Variante zulässig bleiben soll. Man wird ja eh auf Dauer allenthalben damit konfrontiert werden. Und deswegen – denn niemand kann dauernd halbbewußt richtig und falsch für sich registrieren, sondern es bleibt immer was hängen – kann das Ergebnis auf Dauer nur Kuddelmuddel sein und vermehrte Fehler wie Ergebniss und Kommunissmuss.
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Kommentar von Fred Frön, verfaßt am 03.02.2006 um 13.45 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=391#2769
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Liebe Mitstreiter, an der wiederbelebten Heyseschen Regelung mißfällt uns doch vor allem, daß sie in Zusammensetzungen die Kompositionsfuge verwischt. Das war vor 1829 und vor 1902 anders. In den deutschen Schreib- und Druckschriften bestand das End-"ss" aus einem langen und einem runden "s". Guckomobile gab es damals noch nicht, aber weder Hannoveraner noch österreichische Schüler und Erwachsenen hätten beim Test schlecht abgeschnitten. Ein Verzicht der Schweizer auf ihren inzwischen von der schreibtechnischen Entwicklung längst in die Irrelevanz abgeschobenen "ß"-Verzicht würde vielleicht der Anstoß sein, der die Rechtschreibreform zum Kippen brächte. Warum tun sie nichts? Weil sie ihr Herz an "ss" gehängt haben. Fürchtet denn niemand, ähnliches könnte hier zu Lande bei Neuschreibern ebenfalls eingetreten sein?
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Kommentar von Rominte van Thiel, verfaßt am 03.02.2006 um 12.41 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=391#2768
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Die "Flussauen" sehen so sehr nach "Sauen" aus, daß der Bund Naturschutz bei einer Überschrift in seiner Mitgliederzeitschrift wohlweislich die Schreibung von den lieblichen und schützenswerten "Fluss-Auen" vorzog.
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Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 03.02.2006 um 11.34 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=391#2767
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Als vor einigen Monaten die Blickbewegungen von Schülern beim Lesen untersucht wurden ("Guckomobil"), stellte man fest, daß Konsonantenverdreifachungen ein Lesehemmnis sind. Wäre mal interessant, eine solche Untersuchung (nur mit sss-Wörtern) bei erwachsenen Schweizern durchzuführen.
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Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 03.02.2006 um 10.00 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=391#2764
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Daß eine Schreibweise, die in der Schweiz 1938 eingeführt wurde, für die Beurteilung der österreichischen Schulpraxis zwischen 1879 und 1901 irrelevant sein muß, sollte sich leicht einsehen lassen.
Außerdem bezeichnet R. Markner nach meiner Meinung zu Recht die Wortbilder "Flussaue" und "Missstand" als unbefriedigend. Welche Relevanz sollte sich aus der ebenfalls unbefriedigenden Schweizer Sonderorthographie für dieses Urteil herleiten?
Falls man der Ansicht sein sollte, die Schweizer Sonderorthographie habe sich "bewährt", gilt doch, daß sie keine Heyse-Schreibung ist, sondern - vor und nach der "Reform" - eine Schweizer Besonderheit.
Bei einer Google-Suche nach der Praxis der Trennung des ß fand ich übrigens nur in einem Schweizer Text die sich aus der Sonderorthographie abzuleitende Trennung "bei-ssen" (nach der Regel, daß ß mechanisch durch ss zu ersetzen ist).
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Kommentar von Fred Frön, verfaßt am 03.02.2006 um 08.29 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=391#2761
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Reinhard Markners Ausführungen zur "Legende Heyse" haben einen Schönheitsfehler: "Flussaue" und "Missstand" sind seit 1938 die in der Schweiz üblichen Schreibungen. Weder in der Wiener "Gemeinsamen Absichtserklärung" von 1996 noch heute vor dem möglichen Zusammenbruch der Rechtschreibreform erklären dort die offiziellen Stellen, im Zeitalter der Computer wolle man zu den traditionellen deutschen Schreibungen "Flußaue" und "Mißstand" zurückkehren. Dieser Umstand wird in der Schweiz von den Reformkritikern schamhaft verschwiegen.
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