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Nachrichten rund um die Rechtschreibreform

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25.01.2006
 

Heike Schmoll
Mißglückte Regelung

In der Schweiz wächst der Widerstand gegen die Rechtschreibreform. Heftig kritisiert wird auch die Arbeit des Rates für deutsche Rechtschreibung.

In einem offenen Brief an den Präsidenten der Schweizerischen Konferenz der Kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK), Regierungsrat Stöckling, weist der sogenannte Sprachkreis Deutsch den Präsidenten der Erziehungsdirektorenkonferenz (entspricht der Kultusministerkonferenz) darauf hin, daß die deutschen Kultusminister offen eingestehen, daß "die Rechtschreibreform falsch war". Außerdem wird Unverständnis darüber geäußert, daß die "mißglückte Regelung" jetzt nur einer eingeschränkten Überarbeitung unterzogen wird. Eine unbefangene Prüfung der ersten Empfehlungen des Rates für Rechtschreibung zeige, daß mit ihnen noch längst keine tragfähige Lösung gefunden sei. Besonderen Anstoß nehmen die Kritiker aus der Schweiz daran, daß für die Entscheidung über die Ratsempfehlungen kaum Zeit zur Verfügung steht und daß die Urheber der Reform im Rechtschreibrat Sitz und Stimme haben, um dort das eigene Werk zu überprüfen. Die Unterzeichner erinnern an die Kosten und verlangen einen "Marschhalt". Sie fordern von der EDK eine echte Erklärung zu den Ratsempfehlungen, eine sprachwissenschaftliche Überprüfung des ganzen Regelwerks, die Auswechslung der Schweizer Delegation im Rat für Rechtschreibung und ein Moratorium, wie es der Kanton Bern verfügt hat. Die Absichtserklärung, welche die Schweiz 1996 unterzeichnet hat, verpflichte zu nichts. "Verpflichtet sind wir alle aber unserem Gemeinwesen, unseren Schülern und unserer ersten Landessprache."

Noch kritischer äußert sich der Schweizer Lehrerverband, der vor allem beklagt, daß der Vorsitzende und die große Ratsmehrheit die anstößigsten Fälle pragmatisch lösten und es unterließen, die Konsequenzen für das gesamte Regelwerk zu untersuchen. Auf diese Weise sei die "verunglückte Lösung zwar von den übelsten Unfugkonstruktionen befreit, gleichzeitig aber systematisch verschlimmbessert worden". Außerdem habe der Rechtschreibrat nicht den Mut gehabt, die neuen Schreibweisen wieder abzuschaffen, sondern habe sie als Varianten erhalten. So vergrößerten die Vorschläge des Rates die Verwirrung und trügen dazu bei, den Respekt vor der Rechtschreibung weiter abzubauen. Der Schweizer Lehrerverband weist deshalb die Vorschläge des Rates vollständig zurück und verlangt, die Pflege der Rechtschreibung grundlegend neu und dieses Mal professionell zu ordnen.

***

Halbherzig

Auch wenn aus der Schweizer Kritik an der Rechtschreibreform und an der Arbeit des Rechtschreibrates der Unmut über deutsche Bevormundung spricht, trifft sie einen wahren Kern. Bei allen respektablen Entscheidungen des Rechtschreibrates sind viele seiner Vorschläge nicht mehr als faule Kompromisse. Warum konnten als falsch erkannte Schreibweisen nicht abgeschafft, warum mußten sie als Varianten erhalten bleiben? Wieso läßt sich der Vorsitzende des Rates zum wiederholten Male von der Kultusministerkonferenz unter Druck setzen und will bis Anfang März die Ergebnisse der Arbeit vorlegen? Mit der revidierten Getrennt- und Zusammenschreibung hat der Rat richtige Vorschläge gemacht, aber von einer vollständigen Überarbeitung und Korrektur kann nicht die Rede sein. Das Rechtschreibchaos ist inzwischen so groß, daß zu befürchten ist, daß die Verlage der Rechtschreibprogramme das letzte Wort haben und regeln, was der Rechtschreibrat nicht ordnen konnte. Denn wer die ehemaligen Urheber der Rechtschreibreform zur Korrektur ihrer eigenen Arbeit heranzieht, wird nichts anderes erwarten können als halbherzige Lösungen.

(F.A.Z., 25. 1. 2006)



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Kommentare zu »Mißglückte Regelung«
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Kommentar von NZZ, verfaßt am 25.01.2006 um 09.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=388#2713

Kritik an Reform der Rechtschreibreform
Offener Brief an die EDK und Rückweisungsantrag des Lehrerverbands

Die deutsche Dominanz bei der Nachbesserung der Rechtschreibreform löst in der Schweiz harsche Kritik aus. Der für die Umsetzung der neuen Regeln wichtige Lehrerdachverband fordert die EDK gar auf, die Geschäftsbeziehungen zur Kultusministerkonferenz zu überprüfen.

hag. Die im deutschen Sprachraum unterschiedlich scharf kritisierte Rechtschreibreform kommt auch in der Phase der offiziellen Nachbesserung nicht aus den Schlagzeilen. Wichtige in den Reformprozess involvierte schweizerische Institutionen wie etwa der Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH) oder der Sprachkreis Deutsch (SKD) melden in Vernehmlassungsantworten nicht nur bezüglich der Inhalte der Nachbesserung schwere Bedenken an. Sie kritisieren auch die angebliche Arroganz und Dominanz des federführenden Rats für deutsche Rechtschreibung (RfdR), der von der deutschen Kultusministerkonferenz als Koordinationsorgan bei der Überarbeitung der Reform eingesetzt wurde. Im 38-köpfigen Rat sitzen 18 Vertreter aus Deutschland, je 9 aus Österreich und der Schweiz, je einer aus Liechtenstein und Südtirol und demnächst noch ein Mitglied aus Deutsch-Belgien.

Vernehmlassung nur über Weihnachten

In seiner Stellungnahme kritisiert der LCH zum einen die viel zu knapp bemessene Vernehmlassungsfrist - sie wurde vom RfdR nur über die Festtage angesetzt - und kritisiert schärfstens, die Schweizer Delegation sei in den bisher 7 Sitzungen vom RfdR-Vorsitzenden häufig gemassregelt worden. Anträge der Delegation bezüglich Strukturierung einer Projektarbeit, die diesen Namen verdient hätte, seien fortgesetzt ignoriert, kleingeredet oder überstimmt worden. Daher und weil die Reformvorschläge des RfdR elementare Erwartungen der Schulen nicht erfüllten, verlangt der LCH, dass die Pflege der Rechtschreibung grundlegend neu und professionell geordnet werde und legt der Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) gar nahe, in der Rechtschreibfrage die Geschäftsbeziehungen zur deutschen Kultusministerkonferenz zu überprüfen.

Diese gegenüber dem ursprünglichen Placet zur Reform jetzt erfolgte Verweigerung des LCH ist brisant, denn letztlich ist die Schule die wichtigste Institution beim Umsetzen neuer Reformänderungen. EDK-Präsident Ulrich Stöckling erhält zudem weitere Post in Form eines offenen Briefes. Absender ist der Sprachkreis Deutsch, zusammen mit Mitunterzeichnern wie Peter Müller, Direktor Marketing & Informatik der Schweizerischen Depeschenagentur (SDA), Men Haupt, Präsident des Buchhändler- und Verlegerverbandes, oder auch Filippo Leutenegger, Nationalrat und CEO der Jean Frey AG.

Marschhalt gefordert

Im Brief wird der EDK-Präsident darauf hingewiesen, die deutschen Kultusminister hätten eingestanden, «dass die Rechtschreibreform falsch war» (Erste Ausgabe 2006 des «Spiegels»). Die Unterzeichner erinnern auch an die verursachten und anstehenden Kosten der Reform und verlangen einen Marschhalt. Sie fordern von der EDK eine längere Vernehmlassung zu den Ratsempfehlungen, die wissenschaftliche Überprüfung des ganzen Regelwerks, die Auswechslung der Schweizer Delegation im RfdR und ein Moratorium, wie es der Kanton Bern verfügt hat. Die Absichtserklärung, die die Schweiz 1996 unterzeichnet habe, verpflichte zu nichts. EDK-Generalsekretär Hans Ambühl, ebenfalls Mitglied der Schweizer Delegation, zeigte gegenüber der NZZ ein gewisses Verständnis für die Kritik. Auch er erachtet die von der Kultusministerkonferenz angesetzte Vernehmlassungsfrist als viel zu kurz und bedauert sehr, dass seit Einsetzung des RfdR die Rechtschreibreform stark verpolitisiert worden sei, was Sachlichkeit erschwere. Er kritisiert auch, dass die nun geplanten Anpassungen vom ursprünglich geplanten vereinfachten Regelwerk wegführten und die Schule zwingen würden, fast nur noch Einzelfälle und Ausnahmen zu lehren.

Sorge der EDK

Dass indes kleine Länder wie die Schweiz oder Österreich noch den nötigen Druck auf die deutsche Kultusministerkonferenz aufbauen können, bezweifelt Ambühl. Die Sorge ist begründet. Bereits Anfang März möchte die Kultusministerkonferenz die umstrittene Reform der Reform definitiv verabschieden.

http://www.nzz.ch/2006/01/25/il/articleDIP11.html


Kommentar von taz, verfaßt am 25.01.2006 um 10.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=388#2714

Und die Verdummung des Deutschen durch die Rechtschreibreform soll auch gleich fertig sein. Ende der Reform- Rücknahmemöglichkeiten im Februar! Dann kann man nichts mehr ändern an der Laut-Buchstaben-Zuordnung.

Der Stendelwurz, wusste ein einzelner Reformer, ist eine erektionsfördernde Pflanze, weshalb Schulkinder jetzt Ständelwurz schreiben müssen. Und Gämse statt Gemse. Und immer so weiter. Aber nicht Hänne statt Henne! Dabei kommt die Henne nun wirklich von Hahn. Die Rechtschreibreform, rein wissenschaftlich gesehen, reicht über Ständelwurz-Qualitäten nicht hinaus und gilt trotzdem. Vielleicht sollten wir künftig Hänne schreiben.

http://www.taz.de/pt/2006/01/25/a0175.1/text


Kommentar von Germanist, verfaßt am 25.01.2006 um 12.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=388#2716

Es ist unverständlich, warum sich die Schweiz, Österreich, Belgien usw. freiwillig dem Landvogt "Deutsche Kultusministerkonferenz" unterwerfen, statt bei der früheren deutschen Sprachqualität zu bleiben. In der französischen Orthographie unterwerfen sich die Schweiz und Belgien auch nicht blind Frankreich.


Kommentar von David Weiers, verfaßt am 25.01.2006 um 13.23 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=388#2717

Das klingt ja bald so, als bekäme die KMK eine Klatsche aus der Schweiz. Und wie ich den deutschen Amtsschimmel so einschätze, der ja (es lebe das Klischee!) den schweizer Rappen still und heimlich immer sehr bewundert hat, wird die ihm weh tun.
Hach nä, wat schön!


Kommentar von www.presseportal.ch, verfaßt am 27.01.2006 um 09.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=388#2737

Offener Brief des Sprachkreises Deutsch (SKD) an den Präsidenten der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK), Herrn Regierungsrat Stöckling. Lesen Sie den Wortlaut hier.



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