Nachrichten rund um die Rechtschreibreform
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16.09.2005
Lernen die Schüler das Richtige?
Das niedersächsische Oberverwaltungsgericht bezweifelt es
Schüler haben Anspruch darauf, »in der Schule in der Rechtschreibung unterrichtet zu werden, die in der Gesellschaft allgemein praktiziert wird«.
Das niedersächsische Oberverwaltungsgericht läßt eine Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover zugunsten der Reformrechtschreibung zu. »Im Wege einer Rechtschreibreform geänderte Schreibweisen«, erklärt das Gericht, könnten nicht schon »für verbindlich erklärt [werden], wenn sie sich noch nicht allgemein durchgesetzt hätten«.
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Kommentar von Gabriele Ahrens, verfaßt am 16.12.2005 um 10.46 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#2539
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Ein Leben für die Orthographie
Seit acht Jahren kämpft die Oldenburger Schülerin Josephine Ahrens, 16, gegen die Rechtschreibreform. Kürzlich errang sie einen Etappensieg vor Gericht - und fürchtet doch, dass die landesweit verbindliche Entscheidung ausgesessen wird
von Manuela Sies
Heute telefoniert Josephine Ahrens mal nicht mit ihrem Anwalt. Die 16-Jährige sitzt ganz entspannt auf ihrem Bett und zeigt ihre Fotosammlung von der Band Die Ärzte. Josephine ist ein eingefleischter Fan. Ihre Regale sind gefüllt mit Büchern und DVDs. Und ein Blick zeigt: Josephine mag Gruselgeschichten.
Wenn sie nicht gerade Musik höre, treffe sie sich mit Freunden oder spiele Theater, erzählt sie. Oder sie telefoniere mit ihrem Anwalt. Denn er hilft ihr, dass sie Zucker mit zwei K trennen darf. Nicht Zu-cker, sondern Zuk-ker - das brachte vor etlichen Jahren Josephines Kampf gegen die Rechtschreibreform in's Rollen. Damals war sie in der dritten Klasse und bekam wegen des "Zuk-kers" eine schlechtere Note in einem Diktat. Seitdem hat sie zusammen mit ihren Eltern diverse Klagen vor Gericht angestrengt. Ihr Ziel: Sie will die Reformvorhaben kippen und weiter die alte Rechtschreibung benutzen.
Vertreten wird sie dabei vor Gericht von Rolf Gröschner, Professor für Rechtswissenschaften an der Universität Jena. Gröschner hat auch 1998 die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Reform geführt. Der Ansatz damals: Eine Reform könne nicht ohne parlamentarische Zustimmung durchgesetzt werden, sonst sei sie verfassungswidrig. Die Richter sahen das anders und erlaubten die Einführung durch die Kultusminister. Ihre Begründung: "Die Grundrechte von Eltern und Schülern werden nicht verletzt."
Der Klagegrund im Fall Josephine aber sei ein anderer, erklärt Gröschner. Jetzt kämpften er und seine Mandantin dagegen, dass Schüler für die korrekte Anwendung der alten Schreibweise bestraft werden. Vor dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg wollen sie durchsetzen, dass in der Schule alte und neue Rechtschreibung gelten. "Wenn ein gebildeter Schüler sich ,numerieren' noch aus dem Lateinischen ableiten kann und das Wort deshalb mit einem ,m' schreibt, sollte er dafür nicht bestraft werden", sagt der Professor.
Zumindest teilweise hatte die Klage von Josephine Ahrens Ende September Erfolg: Die Lüneburger Richter bescheinigten ihr, dass in ihren Schularbeiten die "herkömmliche Rechtschreibung" weder beanstandet noch als falsch gewertet werden dürfe. Außerdem habe sie Anspruch darauf, "in der Rechtschreibung unterrichtet zu werden, die in der Gesellschaft allgemein praktiziert wird". Das treffe auf die Reform aber nicht zu. Entscheidend dabei: Das Urteil gilt erstmal nur für Josephine, die verbindliche Entscheidung, das Urteil für ganz Niedersachsen auszusprechen, steht noch aus. Ferner verzichteten die Richter darauf, eine einstweilige Anordnung an das Kultusministerium zur sofortigen Durchsetzung von Josephines Interessen zu erteilen.
Das Kultusministerium müsse also gar nichts unternehmen, sagt dementsprechend Ministeriumssprecher Georg Wessling. Man will warten, bis das Gericht die Hauptsache verhandelt. Bei der geht es dann nicht mehr nur um Josephine, sondern um eine verbindliche Regelung für ganz Niedersachsen.
Für Josephine "zieht sich das Ministerium aus der Affäre". Sie wirkt nicht etwa eingeschüchtert angesichts der Reaktion, sondern verärgert: "Das machen die doch immer so. Die wollen doch nur Gras über die Sache wachsen lassen." Auch, dass kein Urteil für ganz Niedersachsen ausgesprochen wurde, macht Josephine misstrauisch: Die Richter wollen ihrer Meinung nach das heiße Eisen Rechtschreibung nicht anfassen. Bis sich das Gericht erneut mit der Rechtschreibreform befasst, könnten Jahre vergehen. Es ist wahrscheinlich, dass es kein Urteil geben wird, bevor Josephine ihren Schulabschluss hat. Ihre Klage würde hinfällig, wenn sie keine Schülerin mehr ist, weil dann der Klagegrund entfallen wäre. Anwalt Rolf Gröschner hingegen bleibt optimistisch: "Ich werde die Richter zu einer Entscheidung für die alte Schreibung bewegen." Mit Hilfe von öffentlichem Druck will er einen frühen Termin erzwingen.
"Manchmal habe ich schon keine Lust mehr, mich mit dem Thema zu beschäftigen", sagt die 16-Jährige und streichelt ihre Katze. "Aber dann denke ich an alle, die später diesen Unsinn lernen müssen." Dabei hatte sogar Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) die verbindliche Einführung der Reform zum 1. August 2005 abgelehnt, lenkte aber schlussendlich doch ein. Nur Bayern und Nordrhein-Westfalen widersetzen sich nach wie vor. Dort gelten noch die Übergangsregelungen. Für Gerhard Augst, Professor an der Universität Siegen und Befürworter der Reform, ist die neue Rechtschreibung nicht zu stoppen: "Orthografie unterliegt dem historischen Wandel. Es ist möglich, den ein bisschen zu bremsen. Mehr aber nicht."
"Richtiges muss richtig bleiben", setzt Rolf Gröschner dagegen und spricht seiner Mandantin damit aus dem Herzen. Josephine denkt nicht ans Aufgeben. Die zierliche Jugendliche hat eine gewisse Routine entwickelt, wenn sie über die "Materie" spricht. Wie eine Erwachsene bezeichnet sie die Nachbesserungen des Rates für deutsche Rechtschreibung an der Reform als "Kuhhandel". Der Vorsitzende des Rates, Hans Zehetmair (CSU), sieht hingegen den "Feinschliff" auf dem besten Weg. Es seien nur noch kleine Änderungen zu machen. Bis zum Schuljahr 2006/2007 werde der Rat die letzten strittigen Regelungen beseitigt haben, sagte Zehetmair zur verbindlichen Einführung der neuen Schreibung am 1. August.
Josephine folgt einem Motto ihrer Lieblingsband: "Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist. Es ist nur deine Schuld, dass sie so bleibt", singen die Ärzte auf einer ihrer Platten. Vielleicht ist das der Grund, warum die Bilder von den drei Punkrockern fast jeden Zentimeter Wand über ihrem Bett bedecken. Josephine legt ihr Fotoalbum weg. Sie betont, der Kampf gegen die Reform habe nichts mit ihrem Privatleben zu tun. "Das gehört nicht zu meinem persönlichen Ich. Es hängt nur mit der Schule zusammen."
Eine Freundin bestätigt das: Josephine betrachte das Thema sehr sachlich. "Dann spricht sie ganz anders als sonst", sagt die 18-Jährige. Sie ziehe nicht ständig vor Gericht wegen der Aufmerksamkeit der Medien oder weil ihre Eltern damit angefangen hätten. "Sie macht das, weil es sie stört, und sie würde sich nie beeinflussen lassen."
Auch wenn ihre Klage nicht durchkommt, will Josephine weiter kämpfen und Jugendliche über die Rechtschreibreform informieren. Etwa in Artikeln in Jugendzeitschriften. "Das Thema ist eine Sache unter Erwachsenen und das ist falsch", findet sie. Und was, wenn ihr künftiger Arbeitgeber lieber "Stängel" statt "Stengel" liest? Josephine überlegt kurz, schürzt die Lippen: "Den versuche ich dann zu überzeugen." Und außerdem wolle sie ja sowieso zum Film. Da sei es nicht so wichtig, wie man schreibe.
taz Nord Nr. 7845 vom 14.12.2005, Seite 27, 210 TAZ-Bericht Manuela Sies
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Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 22.11.2005 um 21.35 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#2344
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Der Verfasser dort hat wenig Ahnung von Rechtschreibung. Gleich der erste Satz zu diesem Thema aus seinen Fingern lautet: Josephine Ahrens ist 16 Jahre alt und geht in Oldenburg auf’s Gymnasium.
Ein ganz normaler Lehrer sollte eigentlich wissen, daß man ins oder aufs nicht mit Apostroph schreibt, auch ohne das Fach Deutsch, auch ohne didaktische Betriebsamkeit, wie sie einem hier begegnet. Denn diese Ausdrücke kommen einem gewöhnlichen Leser ja doch einige Male pro Monat über den Weg gelaufen.
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Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 22.11.2005 um 20.59 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#2343
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Was an den Äußerungen von Josephine Ahrens abscheulich sein soll, ist natürlich unerfindlich, und jeder Leser kann sich davon durch Anklicken des Links überzeugen.
Allerdings ist ihr - wenn die FAZ korrekt zitiert - eine hübsche Zweideutigkeit gelungen mit dem Satz: "Wir wollen die Reform durch die Hintertür kippen."
Was sie kippen will, ist vermutlich die Reform durch die Hintertür und nicht die Reform, die sie durch die Hintertür kippen will.
Leider kenne ich keine Kommaregel, die solche Zweideutigkeiten ausschließen würde. Hier hilft wohl nur Umbau des Satzes.
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Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 22.11.2005 um 16.23 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#2339
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http://www.lehrerfreund.de/in/statisch/impressum/
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Kommentar von Gabriele Ahrens, verfaßt am 22.11.2005 um 09.43 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#2335
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Die Diskussion mag ja ganz interessant sein. Immerhin kommen auch vernünftige Menschen zu Wort. Nur - wer ist der Betreiber dieser Netzseite eigentlich? Normalerweise rege ich mich nicht über die Kommentare von Reformbefürwortern auf, aber was dieser „Lehrerfreund“ über unsere Tochter von sich gibt („Details zur Klägerin Josephine Ahrens und weiter abscheuliche Aussagen von ihr bei faz.net“), geht unter die Gürtellinie.
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Kommentar von Tobias Bluhme, verfaßt am 21.11.2005 um 12.06 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#2330
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Zu diesem Thema gibt es derzeit eine interessante Diskussion unter www.lehrerfreund.de.
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Kommentar von F.A.Z., verfaßt am 03.11.2005 um 18.49 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#2231
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»Unbegründeter Eingriff
Zum Porträt "Josephine Ahrens - Reformgegnerin" (F.A.Z.-Feuilleton vom 14. Oktober): Da lacht das Herz eines Deutschlehrers: eine Schülerin durchschaut den völlig unangemessenen Zugriff des Staates auf die Sprache eines Volkes und will die sogenannte Reform durch die Hintertür kippen. Was für Elternhäuser, was für ein Schulwesen, in dem sich solche frei denkenden und unabhängig handelnden Menschen entwickeln können. Es lohnt sich, den von ihr beschrittenen Weg entschlossen zu gehen. Als Deutschlehrer werde ich niemals die Beherrschung der bewährten Rechtschreibung sanktionieren. Es hat sich bereits herausgestellt, daß die Verwendung der hergebrachten Rechtschreibung bei kulturell interessierten Arbeitgebern auf große Anerkennung stößt. Auf breiter Front - anspruchsvolle Zeitungen, angesehene Schriftsteller, um Vermittlung und Erwerb der Sprache bemühte Schüler und Schülerinnen und Lehrer und Lehrerinnen - wird der unbegründete Eingriff des Staates in die Sprache zurückgewiesen. Die ersten Erfolge sind schon eingetreten: besonders abwegige Regeln sind gefallen. Wilhelm Theis, Hünstetten
Merkwürdiges im Rechtschreib-Streit
Im Rechtschreib-Streit beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht Lüneburg errang die Schülerin Josephine Ahrens (F.A.Z.-Feuilleton vom 14. Oktober) einen Sieg mit Schreibfehlern, wie der Leitsatz des Oberverwaltungsgerichts-Beschlusses vom 13. September dieses Jahres zeigt: "Herkömmliche Schreibweisen dürfen im Schulunterricht solange nicht als ,falsch' bezeichnet werden, wie sich reformierte Schreibweisen nicht allgemein durchgesetzt haben." Hier hätte es (reformunabhängig) "so lange" heißen müssen (Rechtschreibfehler) und wäre "Schreibweise" angebracht gewesen (Grammatikfehler). Der "Schreibweisen"-Fehler läßt sich im Vergleich mit dem Automotor verdeutlichen, der als "Motoren" bezeichnet wird, indem der Motorzylinder zum Motor erhoben wird. Diese falsche Pluralisierung ist auch im Rechtschreib-Beschluß der Kultusministerkonferenz vom 2. Juni 2005 enthalten, der die alte Rechtschreibung endgültig abschaffte. Den "Schreibweisen"-Fehler übernahm ein Dutzend Bundesländer durch Anordnung und dergleichen, ohne daß das betroffene Heer von Schulleitern und Lehrern aufgemuckt hätte. Den Fehler bestätigten alle von mir angesprochenen Experten, ausgenommen der Reformgegner Theodor Ickler. Das maßgebende Mannheimer Institut für Deutsche Sprache vermeidet den Fehler und verwendet den Ausdruck "Schreibungen", wie auch das Land Bremen. Bricht der Fehler alle Dämme, kann er zur Norm werden.
Übrigens zeigt die genaue Betrachtung, daß die neue Schreibweise auch in Bayern und Nordrhein-Westfalen (entgegen den Beteuerungen) endgültig Pflicht wurde. Diese Länder scherten nur insofern aus, als sie die Fehlerbenotung ganz aussetzten, während die anderen Bundesländer dies getreu dem KMK-Beschluß nur teilweise taten (bei der Getrennt- und Zusammenschreibung, der Zeichensetzung sowie der Worttrennung am Zeilenende). Professor Dr. Wilhelm Strobel, Hamburg«
( F.A.Z. / Briefe an die Herausgeber, 04.11.2005, Nr. 257 / Seite 11 )
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Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 15.10.2005 um 22.54 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#2053
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Herzlichen Dank an Herrn Beckmesser, der mir die Gewißheit gibt, daß auch das geringste meiner Worte nicht unbeachtet bleibt. Nun fehlt mir leider die sprachliche Begabung, den Sinn seines Hinweises zu begreifen.
Wir waren vor so etwa 3 Wochen bei der Frage, ob denn so hehre Dinge wie die Unantastbarkeit der Menschenwürde etc. durch die RSR beührt sein könnten, insbesondere natürlich in der konkreten Situation der Schülerin J.A.
Nun, wäre Ihnen, lieber Herr Beckmesser, geholfen, wenn ich als neue Formulierung menschenwürdetangierend vorschlage? Insbesondere im Licht, das selbst Kommentare in der ansonsten unverdächtigen FAZ darauf werfen?
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Kommentar von Beckmesser, verfaßt am 15.10.2005 um 21.51 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#2052
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"Ein sprachlich begabter Mensch wird trotzdem den Zwang zu grammatikwidrigen Schreibweisen als widerlich empfinden." (Glasreiniger)
Ein sprachlich begabter Mensch allerdings würde hier auch ein besseres Wort als "widerlich" wissen.
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Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 15.10.2005 um 08.55 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#2042
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... Und danach müßte sie sich wohl eine neue Aufgabe suchen.
JUDITH LEMBKE
Hier handelt es sich um den logischen Kurzschluß, jemand, der sich für ein Ziel einsetzt, habe nur dieses eine Ziel. So denken Leute, die sich über ihre täglichen Gewohnheiten hinaus für überhaupt nichts einsetzen, so daß es Ihnen unvorstellbar ist, daß man außer einem Anliegen noch weitere Interessen verfolgen kann, sogar zur selben Zeit.
Ein passenderer Kommentar wäre gewesen:
Sobald die Rechtschreibreform einmal überwunden ist, müßten sich Lehrer und Schüler (und viele weitere Betroffene) wohl eine andere Aufgabe suchen, als sich ständig zu fragen, wie man dies oder jenes zu schreiben habe.
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Kommentar von F.A.Z., verfaßt am 13.10.2005 um 18.23 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#2012
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»Reformgegnerin
Für Josephine Ahrens gibt es drei Sorten Menschen: diejenigen, die gegen die neue Rechtschreibung sind, solche die dafür sind, und dann noch die große Masse, die von der Sache keine Ahnung hat. Die Erstgenannten findet sie grundsätzlich erst einmal sympathisch. Mit den Anhängern der Reform streitet sie, wann immer sich ihr die Möglichkeit bietet, und die Indifferenten möchte sie am liebsten bekehren - zur alten Rechtschreibung natürlich.
Es mag verwundern, daß ein sechzehn Jahre altes Mädchen ihr Menschenbild so schematisch nach dem Für und Wider der Rechtschreibreform ausgerichtet hat. Um das zu verstehen, muß man sich ihre Biographie anschauen. Ihr halbes Leben kämpft die Schülerin aus der Nähe von Oldenburg nun schon dafür, nach den bewährten Rechtschreibregeln unterrichtet zu werden. Den Überblick über die juristischen Schritte, die sie mit ihren Eltern seit 1998 gegangen ist, hat sie im Laufe der Zeit selbst verloren. Die Intention, mit der sie ihre Klage führt, hat sich von dem konkreten Anlaß, der den Rechtsstreit verursacht hat, mittlerweile abgelöst.
In der dritten Klasse wurde Josephine in einem Diktat als falsch angestrichen, was sie und ihre Eltern als richtig empfanden. Sie hatte das Wort Zucker den herkömmlichen Regeln gemäß Zuk-ker getrennt und daraufhin eine schlechtere Note bekommen. Ihre Eltern beließen es nicht dabei, sich bei der Schule zu beschweren, sondern klagten gegen das niedersächsische Kultusministerium. Josephine sollte weiterhin das Recht haben, in der alten Orthographie unterrichtet zu werden und darin zu schreiben. Ihr selbst geht es jedoch um viel mehr als ihre eigene Rechtschreibkarriere. "Wir wollen die Reform durch die Hintertür kippen", sagt Josephine selbstbewußt. Sie weiß auch schon, wie das funktionieren soll: Sobald die alte Rechtschreibung nicht mehr als falsch angestrichen werden kann, wird sie sich im täglichen Wettbewerb von alleine gegen die neuen Regeln durchsetzen. "Das beweisen schließlich alle Umfragen." Die Schülerin ist zur Streiterin geworden, weil die Art, mit der man die Neuregelung durchboxen wollte, gegen ihr Verständnis vom Verhältnis des Staates zur Sprache ist: "Die Sprache ist ein Gut des Volkes, in dem man nicht einfach herumpfuschen kann", sagt sie. Vor allem ärgert sie die Willkür, mit der die neuen Regeln verfaßt wurden. Manchmal sogar so sehr, daß sie die "sogenannten Experten" am liebsten besuchen und ihnen Ohrfeigen verpassen würde, um ihrer Wut über deren "stümperhafte Arbeit" Luft zu machen.
Nach einigen juristischen Niederlagen hat Josephine Ende September einen Etappensieg errungen. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg bescheinigte ihr, daß in ihren Schularbeiten die "herkömmliche Rechtschreibung" weder beanstandet noch als falsch gewertet werden dürfe. Außerdem habe sie Anspruch darauf, nach den alten Regeln unterrichtet zu werden. Josephine freut sich zwar über den Beschluß, als Grund zum Jubeln sieht sie ihn aber nicht. Zu groß ist ihre Befürchtung, daß die Gerichte ihr Verfahren so lange hinauszögern werden, bis sie das Abitur hat. Dann entfiele nämlich der Klagegrund. Sollte sie jedoch bis dahin ihr Ziel erreicht haben, die Reform zu kippen, dann will sie "eine fette Party" veranstalten. Und danach müßte sie sich wohl eine neue Aufgabe suchen. JUDITH LEMBKE«
( F.A.Z., 14.10.2005, Nr. 239 / Seite 48 )
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Kommentar von SchulSPIEGEL online, verfaßt am 07.10.2005 um 14.28 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1969
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»INTERVIEW ZUR NEUEN RECHTSCHREIBUNG
"Die arbeiten mit Tricks"
Die Oldenburger Schülerin Josephine Ahrens, 16, klagte gegen die Rechtschreibreform - und bekam Recht. Im SchulSPIEGEL-Interview erzählt sie, warum sie sich von den Gerichten trotzdem übers Ohr gehauen fühlt und was ihr an den neuen Regeln nicht passt.
Seit sieben Jahren schon kämpft Josephine Ahrens gegen die Rechtschreibreform. Nun hat ihr das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen in einem Eilbeschluss bescheinigt, dass sie im Prinzip Recht hat und in ihren Schularbeiten weiterhin die alte Rechtschreibung benutzen darf. Auf ein Urteil kann die Elftklässlerin allerdings lange warten: Vor dem Ende ihrer Schulzeit sei damit nicht zu rechnen, sagten die Richter.
SchulSPIEGEL: Was gefällt dir an der neuen Rechtschreibung nicht?
Josephine Ahrens: Der Sinn der Reform war doch, die Sprache zu vereinfachen. Doch sie hat das Gegenteil bewirkt: Rechtschreibung ist schwieriger geworden. Die meisten Änderungen sind total verwirrend. Das Wort Fotograf etwa kann man auch Photograph oder Photograf schreiben - nur Fotograph ist falsch. Das ist unlogisch.
SchulSPIEGEL: Warum möchtest du Partizipien wie alleinstehend oder verlorengegangen nicht auseinander schreiben?
Josephine: Ich finde, dass solche Begriffe mit Verben weiterhin zusammengeschrieben werden sollten, weil der Sinn dann erhalten bleibt. Das betrifft auch die Großschreibung von mit Substantiven zusammengesetzten Verben. Leid tun wurde früher klein und auseinander geschrieben, dann plötzlich groß und auseinander, dann klein und zusammen. Das aber verändert den Sinn, genau wie bei den Partizipien. Bei einem viel versprechenden Politiker frage ich mich: Verspricht er viel und hält wenig, oder handelt es sich um einen Politiker, der gut ist für dieses Land?
SchulSPIEGEL: Hat die Rechtschreibreform auch etwas Gutes?
Josephine: Nö. Höchstens, dass die Menschen darauf aufmerksam geworden sind, dass nicht alles richtig ist, was die Politiker so veranstalten.
SchulSPIEGEL: Wie kam es zur ersten Klage?
Josephine: Das ging von meinen Eltern aus. Ich kam 1998 mit einem Diktat nach Hause, in dem ich das Wort Zucker wie gewohnt mit zwei k getrennt hatte: Zuk-ker. Meine Lehrerin hatte mir das angestrichen, denn gerade war die Rechtschreibreform eingeführt worden, nach der man Zu-cker trennen sollte. Dass diese Dinge über die Köpfe der Bürger hinweg entschieden werden, hat meine Eltern so aufgeregt, dass wir vor Gericht gezogen sind.
SchulSPIEGEL: Wie werden denn jetzt deine Klassenarbeiten benotet?
Josephine: Das weiß ich noch nicht. Ich werde die alte Rechtschreibung weiter benutzen und abwarten, was passiert. Eigentlich ist meine Deutschlehrerin ganz in Ordnung - ich werde mit ihr wohl noch mal darüber reden, wie sie in Zukunft meine Arbeiten bewerten wird.
SchulSPIEGEL: Was sagen deine Mitschüler dazu, dass du eine Extrawurst haben möchtest?
Josephine: Die bekommen von dem ganzen Rummel wenig mit. Ab und zu ruft mal ein Klassenkamerad an und sagt: "Hast du's schon gesehen? Du stehst mal wieder in der Zeitung." Das ist mittlerweile zur Routine geworden. Manche Freundinnen sind begeistert, andere interessiert es gar nicht, und hat jemand eine Frage zur Rechtschreibung, ist mein Wort Gesetz. Auch wenn in der Schule die Sprache darauf kommt, muss ich immer etwas zur Rechtschreibung erzählen. Aber das ist auch alles.
SchulSPIEGEL: Wie reagieren die Lehrer?
Josephine: Bisher hat kein Lehrer negativ reagiert, im Gegenteil. Viele finden die alte Rechtschreibung besser. Von nun an muss ich wahrscheinlich mit jedem einzelnen Lehrer absprechen, dass ich die alte Rechtschreibung benutzen will. Meine alte Deutschlehrerin etwa hatte es schon ganz aufgegeben, mir meine Schreibweisen anzukreiden.
SchulSPIEGEL: Du hast zwar in der Sache Recht bekommen, doch eine einstweilige Anordnung, dich anders zu unterrichten, lehnten die Richter ab. Glaubst du, dass dir deswegen ein Nachteil in der Schule entsteht?
Josephine: Die Hauptsache ist vom Gericht noch nicht beschlossen. Ich hoffe, dass möglichst bald ein Urteil gefällt wird, bevor ich aus der Schule raus bin. Sonst entfällt der Klagegrund, und das Ganze wird zu den Akten gelegt. Meiner Meinung nach wurde da mit Tricks gearbeitet: Man schiebt meinen Fall so lange auf, bis er sich von selbst erledigt. Ein Nachteil wird mir trotzdem nicht entstehen. Zwar wähle ich Deutsch als Schwerpunkt für die Oberstufe, aber dann kommt es mehr auf den Inhalt als die Form an. Eines hat mir dieses Verfahren aber beigebracht: Der Politik sollte man mit Vorsicht begegnen.
Das Gespräch führte Carola Padtberg«
(SchulSPIEGEL online, 7. Oktober 2005)
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Kommentar von Nordwest-Zeitung, verfaßt am 06.10.2005 um 13.35 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1955
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Schülerrat will Urteil nutzen
Ein Urteil zur Rechtschreibung soll mehr Schülern nutzen. Das will der Schülerrat
Oldenburg / LR - Nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg, dass einer 16-jährigen Oldenburger Gymnasiastin die Nutzung der alten Rechtschreibung in Klausuren gewährt, lässt der Oldenburger Stadtschülerrat rechtliche Mittel klären. „Uns geht es darum, zu prüfen, ob man diesen Beschluss auf alle Schüler anwenden kann“, so Sprecherin Wiebke Ahrens. [*]
Das sei keine pauschale Kritik an den neuen Regeln. Benjamin Zimmermann: „Die Rechtschreibreform bringt in großen Teilen echte Erleichterungen. Allerdings hat das OVG zu Recht festgestellt, dass die neue Schreibweise noch nicht allgemein akzeptiert wird“, was auch die Praxis in vielen Medien zeige.
„Wir meinen, dass alle Schüler, die in der Grundschule noch die alte Rechtschreibung gelernt haben, nun das Recht haben, sie weiter anzuwenden. Der Unterricht sollte aber komplett in der neuen Schreibweise gehalten werden, damit sie sich durchsetzt, so Sprecher Dennis Rohde.
* nicht verwandt mit Josephine Ahrens
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.10.2005 um 06.04 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1939
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Es ist schön, daß sich Wolfgang Kopke wieder einmal meldet. Seine preisgekrönte Dissertation bleibt, wenn man die frühe Entstehungszeit bedenkt, eine großartige Leistung, mögen auch im Historischen unsere Mitstreiter Birken-Bertsch und Markner einiges noch genauer gesehen haben. Natürlich gilt diese Anerkennung zugleich seinem Doktorvater Rolf Gröschner. Ich habe mir gerade noch einmal die Akten des Karlsruher Verfahrens angesehen und kann ein wenig nachempfinden, wie schmerzhaft das Urteil für Herrn Gröschner gewesen sein muß, weil es durch und durch ein Fehlurteil war und angesichts des lauten Schweigens so vieler Zeit- und Berufsgenossen doch ein gewisses Gefühl der Einsamkeit aufkommen mußte. Für einen Juristen ist es wahrscheinlich nicht leicht zu ertragen, von Karlsruhe derart abgebürstet zu werden - und dann aus wohlberechtigter innerer Überzeugung von der Richtigkeit der eigenen Sache durchzuhalten. Man könnte wirklich wütend werden, wenn man die dreisten Behauptungen des Gerichts über die Sprache, die Schriftnorm und den Unterricht nachliest. Die beiden juristischen Hauptgutachter Löwer und Wieland haben den Kultusministern geliefert, was sie wollten, aber richtig war es nicht. Manches war ja auch zum Lachen, z.B. wenn in Löwers Gutachten der berühmte Rudolf von Raumer abwechselnd als Wilhelm von Raumer und Robert von Raumer auftrat ... An solchen Kleinigkeiten (die auf das Konto von Löwers Assistenten gingen, des eigentlichen Verfassers) merkte man eine tiefe Unvertrautheit mit der Materie, worüber der selbstgewisse Ton des Ganzen hinwegtäuschen sollte.
Damals hätte das Rechtschreibdesaster gestoppt werden können, aber der Erste Senat war schon vor dem eigentlichen Verfahren entschlossen, das Gegenteil zu tun und den Kultusnministern rechtzeitig vor dem 1. August 1998 die gewünschte Legitimation zu schenken.
Immerhin enthält das Urteil auch Verwertbares, so den Hinweis auf die notwendige Akzeptanz. Auch hat sich die Prognose der Fehlerverminderung ("Erleichterung") nicht bestätigt, was man feilich erst jetzt, nach dem Ende der Übergangszeit, empirisch nachweisen kann, aber seites der KMK gewiß nicht untersuchen wird.
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Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 03.10.2005 um 23.19 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1938
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Zum Tag der Deutschen Einheit
Theodor Ickler: Am wichtigsten ist im Augenblick, die Monstrosität der "unstrittigen" Teile, die an den Schulen verbindlich sind, jedermann vor Augen zu führen, der sich nur im entferntesten dafür interessiert.
Genau, alle Teile der Rechtschreibreform sind und bleiben vollumfänglich umstritten. Der rhetorische Versuch der Kultusministerien, die Hälfte davon mit dem Etikett "unstrittig" hinwegzuleugnen, das ist so, als hätten Vertreter der Regierung zum Tag der Deutschen Einheit heute erklärt:
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, es stimmt nicht, daß es im Osten Deutschlands überall große soziale Probleme gibt. Die gibt es nur in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt, darum kümmern wir uns gerade. Die anderen neuen Bundesländer sind in einwandfreiem Zustand. Da brauchen wir folglich nichts mehr zu unternehmen.
Man stelle sich vor, die Medien würden das ebenso distanzlos übernehmen wie die Verlautbarungen über die Rechtschreibreform. Hallo Presse, aufwachen!
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Kommentar von FAZ / Briefe an die Herausgeber, verfaßt am 03.10.2005 um 20.25 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1935
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»Rechtschreibreform erneut vor Gericht
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat mit seinem Beschluß vom 13. September einen Weg aufgezeigt, auf dem die Rechtschreibreform doch noch juristisch gestoppt werden könnte. Zur Erinnerung: Das Bundesverfassungsgericht hatte 1998 entschieden, daß die Kultusminister von Verfassungs wegen nicht gehindert seien, den Schulen eine neue Rechtschreibung zu verordnen, weil ihre Prognose vertretbar sei, die neue Rechtschreibung würde sich alsbald allgemein durchsetzen und die Schüler somit nur bereits lernen, wie in absehbarer Zeit alle schreiben würden. Sieben Jahre später liegt jedoch offen zutage, daß diese Rechnung nicht aufgegangen ist. Belletristik wie Sachbücher erscheinen weiterhin überwiegend in der herkömmlichen Orthographie, und dem guten Beispiel dieser Zeitung, die bereits nach einem Jahr des Erscheinens in der Neuschreibung zur bewährten Rechtschreibung zurückkehrte, sind inzwischen die bedeutendsten Zeitungsverlage gefolgt. Hinzu kommt, daß selbst die amtlichen Reformer die mangelnde Praxistauglichkeit des am linguistischen Reißbrett entworfenen Reformwerkes einsehen mußten.
Das amtliche Regelwerk von 1996 ist deshalb bereits teilweise zurückgenommen worden, indem viele dem amtlichen Regelwerk von 1996 widersprechende Schreibweisen mit Billigung der Kultusminister in späteren Neuauflagen der Wörterbücher wieder zugelassen wurden. Nur die Kultusministerkonferenz sieht in einer Realitätsferne, die an das SED-Politbüro erinnert, die Reform weiter auf gutem Wege. Zum Mauerfall in Sachen Rechtschreibreform könnte nun der Beschluß des Niedersächsischen OVG führen. Denn das Gericht stellte fest, daß die klagende Schülerin "verlangen (könne), daß sie nicht nur in der reformierten Rechtschreibung unterrichtet wird, sondern auch nach Maßgabe der von ihr bevorzugten herkömmlichen". Denn aus dem Recht auf Bildung der niedersächsischen Verfassung sowie dem Schulgesetz des Landes ergebe sich ein "Anspruch darauf . . ., in der ,richtigen' Rechtschreibung unterrichtet zu werden", wobei als richtig nur die "allgemein übliche Schreibweise" anzuerkennen sei. Zwar dürften in der Schule "zusätzlich auch solche Schreibweisen behandelt (unterrichtet) werden, die reformerischen Wünschen entsprechen. Diese dürfen jedoch solange nicht als ,richtig' deklariert werden, wie sie sich (noch) nicht im allgemeinen Schreibgebrauch durchgesetzt haben, das heißt allgemein akzeptiert worden sind". Da das OVG die letzte Instanz für die Auslegung von Landesrecht ist, steht mit diesem Beschluß fest, daß die Schulverwaltung Niedersachsens kraft Gesetzes verpflichtet ist, in ihren Schulen die herkömmliche Orthographie weiter zu lehren. Denn obwohl diese Entscheidung nur eine einzelne Schülerin betraf, ist die Verwaltung eines Rechtsstaates gehalten, gleiches Recht für alle anzuwenden.
Da das Bundesverfassungsgericht seinerzeit lediglich darüber entscheiden konnte, daß das Grundgesetz der Durchführung einer Rechtschreibreform nicht entgegenstünde, können die Verwaltungsgerichte auch anderer Bundesländer ohne Verstoß gegen diese Rechtsprechung aufgrund der Auslegung ihrer jeweiligen Landesverfassungen und Schulgesetze einen Anspruch der Schüler ihres Landes darauf bejahen, auch künftig neben den reformierten die herkömmlich richtigen Schreibweisen gelehrt zu bekommen. Dann besteht für Privatpersonen und Verlage nicht mehr der geringste Anlaß, von der allgemein üblichen Schreibung abzuweichen, da sie davon ausgehen können, daß künftige Schulabgänger diese weiter beherrschen. Bleibt die herkömmliche Orthographie jedoch außerhalb der Schule weiterhin die allgemein übliche, sind die Schulen dauerhaft verpflichtet, beide Schreibweisen zu lehren. Diese absurde Situation müßte dann wohl selbst die Kultusministerkonferenz zu der Einsicht bringen, daß eine Weiterführung der Reform sinnlos ist und die von ihr selbst als notwendig beschworene Einheitlichkeit der Rechtschreibung nur dadurch erreicht werden kann und muß, daß sie ihre Beschlüsse zur Einführung der Rechtschreibreform zurücknimmt. Es könnte deshalb sinnvoll sein, auch in anderen Bundesländern gegen den ausschließlichen Unterricht in der Neuschreibung zu klagen.
Dr. Wolfgang Kopke, Mainz«
( F.A.Z., 04.10.2005, Nr. 230 / Seite 15 )
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Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 03.10.2005 um 10.56 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1934
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Hab´ ich doch meine Freude dran (Zum Tag der Einheit).
Wenn ich mir vorstelle, daß viele Reformer, Mitläufer, Ministeriale täglich hier vorbeischauen und die Faust in der Tasche ballen und doch nie, nie! antworten dürfen - also: an dieser Vorstellung kann ich mich lange erfreuen.
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Kommentar von Norbert Schäbler, verfaßt am 02.10.2005 um 21.02 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1932
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"Integration ist eine pädagogische Notwendigkeit"
Daß Prof. Ickler über außerordentliche Schaffenskraft, Wissen und Erfahrungsreichtum verfügt, darüber hinaus noch Gelassenheit zeigt, in der unsereins (die Ickler’sche Kompetenz sich auch nur annähernd vorstellen könnend und nur in Bruchteilen zu eigen machend) schon längst über brachiale Gewalt nachdenken würde ...
... das ist die eine Sache, wobei hier noch anzumerken wäre, daß (in ebendieser stoischen Ruhe und Gelassenheit) der Gymnasiallehrer Stefan Stirnemann die Schweiz sozusagen im Alleingang aufmischt, Friedrich Denk in Deutschland erst mit seinem vorpreschenden Mut eine Bewußtseinslage schuf, Fam. Ahrens und Prof. Gröschner der Gerichtsbarkeit zusetzten ...
Die andere Sache ist die, daß die Namenlosen hilflos sind, obwohl sie doch allzu gerne helfen würden und innerhalb ihres kleinen Kompetenzbereichs sicherlich auch hilfreich sein könnten (der Lehrer, die Bibliothekarin, der Buchhändler, der Journalist, das Elternteil, der Stammtischdiskutant, Lieschen Müller, ...), aber in ihrem kleinen Beitrag gar nicht gefragt sind, weil nach wissenschaftlichen und juristischen Prinzipien schon alles klar ist ...
Die dritte Seite heißt Machtkompetenz. Das ist ein Räderwerk, das funktioniert, weil „wer?“ den Finger draufhält.
Das ist ein ganz anderes Räderwerk als das Ickler’sche, welches funktioniert aufgrund von Bedarfsanforderung und Entscheidungsqualität, und das dem staatlichen Funktionalismus in alle Ewigkeit unterlegen ist/sein wird!
Die vierte Seite heißt: Was sollten Schüler, Heranwachsende und auch Erwachsene lernen bzw. leben?
Sie sollten glücklich sein dürfen: darüber, daß sie gemäß ihrer im Laufe des Lebens zunehmenden individuellen Prägung und ihrem während der gesamten Lebenszeit stets intakten Gewissen häufiger gebraucht als vernachlässigt werden.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.10.2005 um 20.19 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1931
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Na ja, vielen Dank, aber so viel braucht von mir nicht die Rede zu sein. Es wären auch andere zu nennen, die im Augenblick etwas im Hintergrund stehen, obwohl sie Außerordentliches geleistet haben. Ich werde mir weiterhin Mühe geben.
Überlegen wir doch lieber, was noch getan werden kann. Im "Rat" kann man (allerdings tatsächlich nur, wenn man drin ist) schon wieder dieselbe Grüppchenbildung und Kungelei beobachten wie seinerzeit im Internationalen Arbeitskreis und dann in der Zwischenstaatlichen Kommission. Deshalb müssen wir uns andere Optionen offenhalten, also mehrgleisig arbeiten.
Äußerlich geschieht zur Zeit nicht viel, aber es wird schon noch Bewegung in die Sache kommen, ich habe auch noch einiges vor.
Am wichtigsten ist im Augenblick, die Monstrosität der "unstrittigen" Teile, die an den Schulen verbindlich sind, jedermann vor Augen zu führen, der sich nur im entfertesten dafür interessiert.
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Kommentar von Helmut Jochems, verfaßt am 02.10.2005 um 15.43 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1929
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Ohne kratzbaum widersprechen zu wollen, sehe ich Prof. Icklers Verdienste etwas differenzierter. Anders als die in einem Atemzug mit ihm zu nennenden sonstigen Führungsfiguren des Kritikerkreises war Prof. Ickler stets auf mehreren Ebenen zugleich tätig, wobei einiges sogar den Insidern nur in Umrissen bekannt ist. Von 1997 bis 2004 hat er dafür gesorgt, daß sich die Arbeit der Zwischenstaatlichen Kommission und ihr Zusammenspiel mit der Arbeitsgruppe Rechtschreibung der KMK nicht der Öffentlichkeit entzogen hinter den Kulissen vollziehen konnte. Beamte auf der Gegenseite, die ihm vertrauen, haben Prof. Ickler die Papiere zugespielt, deren Veröffentlichung alles bisher von unserer Seite Erreichte zur Folge hatte. Die Reform der Reform im Jahre 2004 und die Entmachtung der Zwischenstaatlichen Kommission wären ohne diese Seite seiner Tätigkeit nicht möglich gewesen. Ähnlich ist die Rückumstellung der FAZ und der Springer-Zeitungen zu sehen. Ohne Prof. Icklers gute persönliche Beziehungen zu den entscheidenden (Chef-)Redakteuren und sein geduldiges Zureden würde hier noch der enttäuschende Zustand von 1999 herrschen. Man ahnt, daß weitere Teilerfolge zu erwarten sind. Als Polemiker, der eine scharfe Klinge führt, hat Prof. Ickler alle Mauscheleien im Umfeld der Rechtschreibreform in die Medien gebracht. Daß wir heute über die wirtschaftlichen Verflechtungen der am Fortgang des Unternehmens Interessierten gut informiert sind, verdanken wir ihm.
Wichtiger als dies alles ist jedoch Prof. Icklers wissenschaftliche Leistung: Die einzige seriöse linguistische Beschreibung der Rechtschreibreform in allen ihren Einzelheiten stammt "aus seiner Feder", dies verbunden mit dem Nachweis, welche orthographischen Änderungen auch als vorweggenommene Weiterentwicklungen nicht möglich sind. Bei mehreren Gelegenheiten hat Prof. Ickler diese Sicht in seinen Gutachten den staatlichen Stellen zur Kenntnis gebracht. Prof. Augsts anfängliche Abwehrbehauptung, Prof. Ickler verteidige ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Nöte unterprivilegierter Schreiber kompromißlos die komplizierten Dudenregeln, hat er durch seine Darstellung der vom Duden unabhängigen üblichen deutschen Rechtschreibung in seinem Regelwerk und seinem Wörterbuch überzeugend widerlegt. Daß Prof. Ickler jetzt als Vertreter von PEN-Deutschland im Rat für deutsche Rechtschreibung mitarbeitet, stellt keinen Bruch mit seinen Aktivitäten seit 1995 dar. Kein einziger Kritiker der Rechtschreibreform hat daran Anstoß genommen. Als autonome Persönlichkeit bedarf er nicht der Zustimmung seiner Mitstreiter. Daß diese aber voller Vertrauen seine weitere Arbeit begleiten, wird ihn nicht ungerührt lassen.
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Kommentar von Karin Pfeiffer-Stolz, verfaßt am 02.10.2005 um 13.43 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1928
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»Warum so viele Zeitungen und andere Medien mitgemacht haben, wäre ein reizvolles Thema einer massenpsychologischen Studie.« (kratzbaum)
Gerade das fragt man sich immer und immer wieder. Mit einigem zeitlichen Abstand wird es hoffentlich eine Studie und damit eine Antwort geben. Wenn sich gewisse – mitunter auch schädliche – Trends in der Gesellschaft durchsetzen, fallen mir immer folgende Begriffe ein: Uninformiertsein, fehlende Bildung und damit fehlende (echte) Kritikfähigkeit, kindlicher Gehorsam, geistige Unreife, Bequemlichkeit (Anpassen ist leichter als Gegensteuern, Denken anstrengender als Nachahmen), Dazugehörenwollen, Angst davor, unangenehm aufzufallen, naive Wissenschaftsgläubigkeit, eindimensionaler Fortschrittsglaube, historisches Desinteresse, ... Einem solchen Gebräu ist mit sachlicher Aufklärung schwer beizukommen. Dennoch: die Unlernbarkeit der „neuen“ Rechtschreibung wird noch für Aufregung sorgen. Wir können das Schreiben nicht ganz den Maschinen überlassen wollen – außerdem sind Maschinen auch nur so gut wie die Menschen, die sie steuern.
Man muß der Sache Zeit geben. Das Unternehmen RSR ist eine Sackgasse. Wir werden – ob es die Reformer nun wollen oder nicht – an einem Punkt angelangen, an dem es nicht mehr vorangeht.
Eine einheitliche Schreibweise an Schulen zu pflegen ist dringlicher denn je. Noch nie in der Geschichte des Lesens und Schreibens sind Heranwachsende mit so vielen unterschiedlichen Vorlagen und schlechten Vorbildern wechselnder Schreibweisen konfrontiert worden wie heute: das Internet, die große „Buchdruckmaschine“ für die Öffentlichkeit, macht es möglich. Jeder kann seine „Schreibe“ ungefiltert ins Netz stellen. Beispiel: eine inhaltlich gut gemachte, auch informative Seite zeichnet sich formal durch unzählige Fehler aus: Adjektive groß, Substantive klein usw. Beim Lesen fühlt man schon die Lässigkeit, mit der die Texte hergestellt sind. Dem Schreiber ist dies bewußt. Er entschuldigt sich mit folgendem Satz:
»PS: Ich bitte die Rechtschreibfehler zu berücksichtigen, da ich Legastheniker bin.
Ich hoffe ihr hattet trotzdem euren Spaß beim Lesen.«
(So bin ich eben nun mal, in der Schule hat man das ja auch nicht krummgenommen, also ist das auch nicht weiter schlimm. Was soll ich mich da noch mühen? So einfach ist das heute.)
Für jeden Internetbenutzer sind solche Texte zugänglich. Man kann sie am eigenen Drucker in Buchstaben- und Papierform gießen. Auf diese Weise weicht die Schreibnorm immer weiter auf. Wie will ein junger Mensch angesichts dieses Durcheinanders feste Schreibgewohnheiten bilden?
Abschließend noch ein Beispiel. Eine angehende Lehrerin schrieb uns einen Brief. Ein Satz daraus:
»Seitens des BLLV´s haben wir einige Adressen bekommen, die wir anschreiben sollen um nach Probeexemplaren zu fragen.«
Das sind die Vorbilder, nach denen unsere Schüler künftig das Schreiben lernen.
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Kommentar von Pavel Nemec, verfaßt am 02.10.2005 um 13.28 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1927
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Das für Deutschland typisch gewordene Wort heißt "Anpassung". Was in der Technik, besonders in der Nachrichtentechnik, ein positives Qualitätsmerkmal ist, war bei Menschen früher ein eher negatives Merkmal, denn die Bezeichnung eines Menschen als "ein angepaßter Typ" war eine Abwertung. Aber jetzt ist es anscheinend eine positive Bewertung geworden. Kanzlerkandidatin Angela Merkel hat es bei der Ausgrenzung des Finanzexperten Friedrich Merz und des Sozialversicherungsexperten Horst Seehofer ganz deutlich gesagt: "Wohlverhalten geht vor Kompetenz". (Horst Seehofer hat die Aufhebung dieses Urteils zur Bedingung für eine erneute Mitarbeit in der Regierung gemacht.) In den Redaktionen scheint Anpassung jetzt eine wesentliche Aufstiegsbedingung zu sein.
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Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 02.10.2005 um 11.29 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1926
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Ein bißchen mehr als "eine Lektion in öffentlicher Moral" ist der Richterspruch denn doch. Er weist nämlich in die Zukunft. Es wird ein Urteil in der Sache ergehen, und wie dieses lauten wird, ist wenig zweifelhaft. Nicht der Protest von zahllosen Schriftstellern, Wissenschaftlern, Sprachliebhabern, nicht einmal die Tatsache von Rückumstellungen wird an der starren Reformerfront etwas bewegen. Wie schon ganz früh vorhergesagt, werden letztlich die Gerichte spechen müssen. Denn hier ist nicht nur ein Kulturbruch staatlich inszeniert worden, hier ist elementares Recht verletzt worden, das Recht des jungen Menschen, an den Entwicklungsstand der Sprachgemeinschaft herangeführt zu werden. Prof. Ickler und all die anderen haben das gar nicht zu messende Verdienst, das Bewußtsein wachgehalten zu haben für die Schändung, die der deutschen Sprache angetan worden ist. Der Vorgang als solcher, die Machtergreifung ist das Unerhörte, nicht die Regeln im einzelnen, über die sich trefflich streiten läßt. - Warum so viele Zeitungen und andere Medien mitgemacht haben, wäre ein reizvolles Thema einer massenpsychologischen Studie.
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Kommentar von Helmut Jochems, verfaßt am 02.10.2005 um 11.03 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1925
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Trotz des Lüneburger Beschlusses über Josephines Klage geht die Rechtschreibreform weiter wie gehabt. Was die Richter "ins Internet gestellt" haben und inzwischen wenigstens von einigen Zeitungen unter die Leute gebracht wird, ist folglich ausschließlich als eine Lektion in öffentlicher Moral zu sehen. Josephine sei "Manns genug", um mit dieser geringfügigen Belästigung fertig zu werden. Es geht also um Charakterfestigkeit, das ist alles. Besteht aber das Heer der Journalisten und Verfasser von Werbeschriften aus lauter Schwächlingen, die sich dazu noch als solche zu erkennen geben, wenn sie jeden Tag die deutsche Sprachgemeinschaft mit einem Wust von Texten in veränderter Rechtschreibung bombardieren? Alle würden diesen Vorwurf entschieden zurückweisen, und tatsächlich ist er auch ungerecht.
Der Reformkommission hat niemand auf die Finger geschaut, als sie sich mit ihren verqueren "soziolinguistischen" Theorien an der deutschen Rechtschreibung zu schaffen machte. Es waren eben "Experten", das reicht in einer wissenschaftsgläubigen Gesellschaft. Wenn es nach 1996 ernsthafte Probleme mit gedruckten und geschriebenen Texten gegeben hätte, wäre das Unternehmen vielleicht bald abgeblasen worden. Da aber selbst die beiden in dieser Sache vor allem urteilsfähigen Berufsgruppen mitmachten, nämlich die Deutschlehrer an den Schulen und die Germanisten an Universitäten und wissenschaftlichen Instituten, durften alle beruhigt sein: Die lauten Proteste einzelner konnte man als überzogen abtun. Positiv erwarb sich die veränderte Rechtschreibung dagegen den Ruf der Modernität, besonders natürlich unter jüngeren Schreibern. Wer beruflich zu schreiben hat und sich nicht umstellen will, läßt den Computer die Veränderungen vornehmen - so einfach ist die Rechtschreibung inzwischen geworden.
Wo stünden wir heute, wenn Theodor Ickler sich nicht 1995 mit der ihm eigenen Energie der Sache der deutschen Rechtschreibung angenommen und dieses Engagement bis auf den heutigen Tag durchgehalten hätte? Würden Peter Eisenberg und Horst Haider Munske auch nur einen Finger rühren, um wenigstens einen Kompromiß herauszuholen? Über den Rechtschreibstreit wäre längst Gras gewachsen, juristisch ausgedrückt: die Akzeptanzprognose des Kieler Kultusministeriums würde als erfüllt gelten. Dem Rat für deutsche Rechtschreibung wird es vermutlich gelingen, einige der schlimmsten Mißgriffe aus dem neuen Regelwerk zu entfernen, was aber indirekt dessen Konsensfähigkeit erhöht. Umgekehrt fördert die Aufklärung über den fragwürdigen Charakter einiger Züge der früheren Dudenregelung die Toleranzbereitschaft unter den Gegnern der Rechtschreibreform. Da sich alle einig sind, "üblich" sei das Markenzeichen einer gesellschaftlich akzeptierten und folglich auch tradierungswürdigen Rechtschreibung, zeichnen sich Konvergenzbewegungen ab, die irgendwann den Streit erledigen werden. In der deutschen Sprachgeschichte wird diese Angelegenheit eine Marginalie bleiben. Etwas anderes ist die Haltung der Deutschschreibenden gegenüber ihrer Orthographie. Wenn sich niemand mehr daran stößt, daß die einen "um so" zusammenschreiben, andere dagegen getrennt, wird jene Normalität zurückgekehrt sein, der die Normbesessenheit der letzten hundert Jahre ebenso im Wege stand wie der staatliche Schildbürgerstreich von 1996.
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Kommentar von Pavel Nemec, verfaßt am 01.10.2005 um 22.32 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1923
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Man sollte ein anderes Wort anstelle von "Norm" verwenden. "Norm" assoziiert zunächst technische oder rechtliche Normen, deren Einhaltung gesetzlich vorgeschrieben ist. Die Rechtschreibung ist wie die Sprache überhaupt eine Vereinbarung unter ihren Benutzern, und die Einhaltung kann höchstens in der Schule vorgeschrieben werden. Wenn diese für die Schule geltenden Vorschriften von den übrigen Bürgern nicht eingehalten werden, handelt es sich um reine Schulvorschriften, also hier um eine reine Schulrechtschreibung, die nicht der von den Bürgern außerhalb der Schule praktizierten Rechtschreibung entspricht. Damit stellt sich die Frage nach der Zulässigkeit der Lehre einer nur in der Schule ausgeübten Rechtschreibung, deren Akzeptanz erst nach dem Ableben der übrigen Schreiber hergestellt sein wird.
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Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 01.10.2005 um 17.40 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1922
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So ist es, Herr Dr. Schultz. Wir erinnern uns ja noch an den kollektiven Aufschrei der gleichgeschalteten Journalisten, als die Springer-Presse zur bewährten Rechtschreibung zurückkehrte: Putsch, Rechtsbruch, Staatsstreich...!!! Es war die Wut der sich freiwillig Unterwerfenden auf die Mutigen, Freien.
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Kommentar von Dr. Konrad Schultz, verfaßt am 01.10.2005 um 17.08 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1921
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Herr Mack denkt an eine Rechtsnorm. Es gibt aber keine Rechtsnorm, die zum Beispiel seiner Zeitung vorschreibt, so und nicht anders zu schreiben. Herr Mack hat das noch nicht bemerkt. Die Richter dachten offensichtlich an eine gesellschaftliche Norm. Diese setzt zwingend Akzeptanz durch die Mehrheit der Gesellschaft voraus. Auch dies hat Herr Mack nicht bemerkt. Er versteht so viel vom Thema wie vom Unterschied zwischen Lübeck und Lüneburg, oder vielleicht so viel wie Herr Beckenbauer.
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Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 01.10.2005 um 13.59 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1920
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Das sind so die beliebten Parallelen zwischen gesetzlichen Vorschriften und der "amtlich" verordneten Rechtschreibreform. Steffen Mack glaubt wohl tatsächlich, tut aber wahrscheinlich nur so, es gebe eine staatlicherseits gebotene Rechtschreibung. Darauf reden sich ja bis heute viele heraus, die weder Mut noch Verstand genug haben, sich nicht als Erfüllungsgehilfen der Obrigkeit mißbrauchen zu lassen. Am liebsten wäre ihnen wohl ein Bußgeldkatalog, so daß sie sich als gesetzestreu profilieren könnten.
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Kommentar von Norbert Schäbler, verfaßt am 01.10.2005 um 13.57 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1919
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„Alles, was recht ist“
Man muß ja gar nicht allzu viel ändern am Artikel von Steffen Mack. Es genügt, lediglich einen Buchstaben in der Überschrift klein zu schreiben, um dann über die Neuaussage nachzudenken.
Ist es nicht so, daß für all das, was im Volksmund recht ist, keinerlei Anlaß besteht, Recht und Gesetz einzuschalten?
Im übrigen ist der gesamte Artikel von Rechtsgläubigkeit durchwirkt, wobei bereits der in Zeile eins stattfindende Hinweis auf die „Klugheit“ unterschiedlich definiert werden könnte.
Schließlich gab es ja doch auch sehr widersprüchliche Urteile der „Klugen“!
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Kommentar von Mannheimer Morgen, verfaßt am 01.10.2005 um 12.51 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1918
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»Alles, was Recht ist
Von Steffen Mack
Richter, um es gleich klar zu sagen, sind kluge Menschen. Werden ihre Entscheidungen nicht respektiert, funktioniert der Rechtsstaat nicht. Daher sollte man sich mit Urteilsschelten zurückhalten. Doch einer der großen zeitgenössischen Vordenker, Franz Beckenbauer, sprach mal von "hirnlosen Juristen". Er meinte die Sportgerichtsbarkeit und handelte sich von selbiger eine saftige Strafe ein. Sehr zu Recht. Andererseits ist Irren ja menschlich und Beckenbauer nichts Menschliches fremd. So fallen einem seine Worte beim niedersächsischen Oberverwaltungsgericht ein: Die Lübecker Richter gaben einer Schülerin das Recht, in alter Rechtschreibung zu schreiben und unterrichtet zu werden.
In ihrer nun bekannt gewordenen Begründung heißt es, "erhebliche Teile im deutschen Volke" lehnten die Reform ab und in Presse und Literatur würden "zunehmend wieder die alten Regeln gelten". Selbst wenn dies stimmen sollte (de facto stehen "Frankfurter Allgemeine" und Springer-Verlag mit alter Rechtschreibung ziemlich allein): Seit wann entscheidet die Akzeptanz einer Norm über deren Geltung? Dann müsste man auch Strafen für Steuertrickser und Temposünder aufheben.
Leider ist jene immerhin oberinstanzliche Entscheidung ein weiteres Kapitel in der grotesken Geschichte einer Reform, an der die Kritik zum Teil berechtigt, aber insgesamt völlig überzogen ist. Den Schaden haben vor allem Schüler und Lehrer. Man kann nur hoffen, dass sich auf Bundesebene noch klügere Richter finden.«
(Mannheimer Morgen, 01.10.2005)
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Kommentar von Mannheimer Morgen, verfaßt am 01.10.2005 um 12.51 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1917
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»Recht auf alte Rechtschreibung?
Gericht sieht unzureichende Akzeptanz der neuen Regeln
Lüneburg. Das niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat die neue Rechtschreibung in Frage gestellt. In der schriftlichen Begründung einer Entscheidung, über die gestern der "Spiegel" vorab berichtete, sprachen die Lüneburger Richter einer Schülerin grundsätzlich das Recht zu, nach alten Regeln zu schreiben und unterrichtet zu werden. Die herkömmliche Rechtschreibung dürfe in der Schule weder beanstandet noch als falsch gewertet werden.
Die allgemein akzeptierten Rechtschreibregeln seien auch die richtigen, so das Oberverwaltungsgericht. Ein erheblicher Teil der Bevölkerung lehne die Reform ab, zudem kehrten Journalisten und Schriftsteller zunehmend zur alten Schreibweise zurück. Die Lübecker Richter kritisieren laut "Spiegel", dass ihre Kollegen am Bundesverfassungsgericht 1998 die Einführung der neuen Regeln zugelassen haben.
Allerdings wies das Oberverwaltungsgericht vor zwei Wochen den Eilantrag der 16-jährigen Schülerin aus Oldenburg ab, mit einer einstweiligen Anordnung an das Kultusministerium die neue Rechtschreibung außer Kraft zu setzen. Die Schülerin müsse warten, bis das Verfahren beendet und das Urteil ergangen sei.
Die Entscheidung aus Lüneburg war zunächst bundesweit wenig beachtet worden. Nun, da die Begründung vorliegt, könnte sie aber den Gegnern der Reform Auftrieb geben. sma
Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Az.: 13 LA 209/05 u. 13 MC 214/05«
(Mannheimer Morgen, 01.10.2005)
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Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 01.10.2005 um 11.15 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1916
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Sehr schade, daß der "Spiegel" mit seiner Breitenwirkung den Beschluß des OVG im Kern falsch wiedergegeben hat. Er hat bloße Meinungsäußerungen des Senats als Urteil in der Sache genommen. Nicht vergessen: Das Gericht hat nur die Berufung der Klägerin zugelasen, nicht mehr und nicht weniger. - Trotzdem ist es natürlich nützlich, wenn ein bedeutendes Presseorgan seine Lesern wieder einmal das Brüchige und Provisorische der Reform vor Augen führt.
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Kommentar von Helmut Jochems, verfaßt am 01.10.2005 um 09.30 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1915
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Manchmal ist das gute alte Telefon doch zu etwas nütze. Sowohl AP wie ddp griffen gestern zu selbigem und riefen beim OVG Lüneburg an. Dort stellte Richter Jürgen Rettberg dann einiges klar, was in der SPIEGEL-Euphorie über den Beschluß des OVG vom 13. September übersehen worden war: "Wir empfinden sehr viel Sympathie mit der alten Regelung und haben den Anspruch anerkannt, wonach Schüler in der Rechtschreibung unterrichtet werden könnten, die in der Gesellschaft allgemein praktiziert wird." Allerdings: "Die Schülerin bekommt dennoch weiter Fehler angestrichen wie ihre Kameraden auch." Richter Rettberg sieht anderenfalls ein praktisches Problem: «Da bräuchte man ja zwei Lehrer», sie (Josephine) müsse genauso behandelt werden, wie alle anderen, und nicht sanktionslos die alte Rechtschreibung verwenden. Die Berufung werde nicht mehr im Schuljahr 2005/2006 entschieden. Gerade hat das Bundesverfassungsgericht die lange Prozeßdauer in Deutschland gerügt, allerdings im Falle eines Versicherungsbetrugs mit sechs Todesopfern. Ganz so schlimm ist die Rechtschreibreform denn doch nicht.
A propos Bundesverfassungsgericht: Was die Lüneburger Richter jetzt als den Denkgesetzen widersprechend bezeichnen, lautete im Rechtschreiburteil von 1998 so: "Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer hat das Oberverwaltungsgericht in den Gründen seiner Entscheidung die Bedeutung der Rechtschreibreform für die Spracherziehung in der Schule gewürdigt. Es hat die künftige Rechtschreibung in Beziehung gesetzt zum Schulauftrag nach den §§ 4 und 11 SchulG und für die Unbedenklichkeit der schulischen Einführung 'einer künftig geltenden Schreibweise der deutschen Sprache' im Erlaßwege darauf abgestellt, daß sich die Schule lediglich allgemein zu erwartenden Rechtschreibänderungen anpasse. Dazu hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt, daß es der Rechtschreibreform nicht nur um eine Änderung der Schreibweise im Unterricht und in der Amtssprache, sondern um eine Reform der Schreibweise der deutschen Sprache im deutschen Sprachraum überhaupt gehe und daß nach der nicht zu beanstandenden Prognose der Kultusverwaltung die Rechtschreibreform die für eine Sprachgeltung notwendige allgemeine Akzeptanz finden werde. Das Oberverwaltungsgericht hat die Bedeutung dieser Reform für den Schulunterricht also darin gesehen, daß sich an dessen Ziel, Schülern die allgemein üblichen Rechtschreibkenntnisse zu vermitteln, nichts ändern werde. Diese Auffassung liegt nicht so fern, daß es die Beteiligten vor dem Erlaß der angegriffenen Entscheidung darauf hätte hinweisen müssen." (62)
Damals schon starker Tobak, wie man sieht. Wenn jedoch, wie man jetzt erfährt, das BVerfG lediglich als Ersatz für das aus Sparsamkeitsgründen in Schleswig-Holstein nicht vorhandene Verfassungsgericht tätig wurde, wieso entfaltete sein Urteil dann sofort seine Wirkung allenthalben in der Bundesrepublik? Alle anhängigen Verfahren in dieser Sache wurden sofort eingestellt, und auch der Big Bang des meerumschlungenen Volksentscheids änderte daran nichts. Fragen über Fragen. Aber die Antworten?
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Kommentar von Red., verfaßt am 01.10.2005 um 00.35 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1914
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Die Vorabmeldung ist identisch mit der Meldung, die im Spiegel 40/2005 auf S. 20 unter dem Titel »Rechtschreibreform: Höchst zweifelhaft« erscheinen wird.
Sie ist auch von ddp und AP aufgegriffen worden, vgl. die Nachricht in der Welt.
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Kommentar von Der Spiegel - Vorabmeldung, 30. 9. 2005, verfaßt am 30.09.2005 um 18.26 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1912
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Gericht stärkt alte Rechtschreibung
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Lüneburg hat einer Schülerin in der Sache recht gegeben, die gegen die Rechtschreibreform geklagt hat. In ihrem jetzt vorliegenden Beschluss eines Eilverfahrens bescheinigen die Richter der 16-jährigen Josephine Ahrens aus Oldenburg, dass in ihren Schularbeiten die "herkömmliche Rechtschreibung" weder beanstandet noch als falsch gewertet werden dürfe. Außerdem habe sie Anspruch darauf, in der "von ihr bevorzugten" alten Orthografie unterrichtet zu werden. Das OVG begründet seinen Beschluss damit, dass die allgemein akzeptierte Rechtschreibung auch die richtige sei. Es sei aber "höchst zweifelhaft", ob das auf die neugeregelte Orthografie zutreffe. "Erhebliche Teile im deutschen Volke" lehnten die Reform der Kultusminister ab, und in Presse und Literatur würden "zunehmend" wieder die alten Regeln gelten.
Hart kritisieren die Richter auch das Rechtschreiburteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1998: Einerseits gehe Karlsruhe davon aus, eine Schreibweise müsse im Land allgemein üblich sein, um verbindlich sein zu können. Andererseits bestätige das Urteil selbst, dass die neue Schreibweise den Unterricht einer erst noch zu erwartenden Änderung anpasse. Das sei "denkgesetzlich unmöglich". Dennoch habe das Verfassungsgericht den Kultusministern erlaubt, die Reform an Schulen und Behörden einzuführen. Eine einstweilige Anordnung an den niedersächsischen Kultusminister, die alte Rechtschreibung gelten zu lassen, wollten die Lüneburger Richter allerdings nicht erteilen. Die Schülerin müsse auf ein Urteil warten, mit dem aber vor "Ende der Schulzeit der Antragstellerin" nicht zu rechnen sei.
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Kommentar von Karsten Bolz, verfaßt am 30.09.2005 um 17.06 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1911
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Jetzt hat auch der SPIEGEL den Beschluß zur Kenntnis genommen; er ist in SPIEGEL ONLINE zu lesen.
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Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 30.09.2005 um 15.18 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1910
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Der Vollständigkeit halber hier der Verweis auf das erstinstanzliche Urteil vom 9. Juni 2005 (VG Hannover, Aktenzeichen 6 A 6717/04).
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Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 30.09.2005 um 12.28 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1909
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Sollte eines Tages ein Urteil des OVG Lüneburg zugunsten der Klägerin ergehen, so wird es ganz sicher nicht das Verbot enthalten, an den Schulen die reformierte Schreibung zu unterrichten. Es wird nur die "Strafbewehrtheit", also die Wertung von herkömmlichen (oder wie immer man das dann nennen mag) Schreibweisen als Fehler außer Kraft gesetzt werden. - Den Reformern war immer klar, daß ohne Zwang ihr Produkt sich nicht werde "verkaufen" lassen. Nicht umsonst ist so häufig von "Durchsetzung" die Rede. Auf die Durchsetzung aufgrund besserer Qualität, also im freien Wettbewerb, haben sie nie vertraut. Sie wußten eben tief im Innersten, daß die Reform ein Kunstgebilde ist, an der lebendigen Sprache vorbeikonstruiert und ihrer Systematik in großen Teilen widersprechend. Besonders deutlich zeigt sich das z.B. an der vermehrten Großschreibung. Die Großschreibung hat im Deutschen einen zwar durch Übergangszonen etwas unscharf begrenzten, aber eben doch systemgerechten und damit auch lehr- und lernbaren Anwendungsbereich. Die Reformer haben hier grob fahrlässig zerstörerisch eingegriffen. - Die Schule bot sich als Einfallstor und Trojanisches Pferd natürlich deswegen an, weil nur hier die Zwangsmittel zur Verfügung stehen, die doktrinäre Reform wirklich durchzusetzen. Mit dem untrüglichen Instinkt des Usurpators haben die Reformer das erkannt und über Jahrzehnte darauf hingearbeitet, die Mächtigen an den Schaltstellen für sich zu gewinnen. Man mußte ihnen nur lange genung etwas von Erleichterungen zum Wohle der Schüler erzählen. (Alles auch bei H. Kuhlmann nachzulesen.) - Zurück zum OVG: Wenn die Sanktionen wegfallen, bleibt von der Reform auf lange Sicht nicht viel übrig. Das ist auch ein Grund dafür, warum das Inkrafttreten am 1. August mit einer Verbissenheit verfolgt wurde, als gehe es um die höchsten Güter der Nation resp. der Bildungspolitik.
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Kommentar von Helmut Jochems, verfaßt am 30.09.2005 um 11.56 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1908
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Die Gleichsetzung "richtig" = "üblich" findet sich leider durchgängig im Beschluß des OVG Lüneburg vom 13. 9.; vgl. folgende Textstelle:
»Im oben wiedergegebenen Urteil des Senats vom 20. Juni 2001 hat dieser ausgeführt, dass der Schüler Anspruch darauf habe, in der "richtigen" Rechtschreibung unterrichtet zu werden. Das sei die allgemein übliche, dem allgemeinen Sprachgebrauch entsprechende und insofern "richtige" Schreibung. Dass in der Schule "richtiges" Schreiben gelehrt werden muss, ist und kann auch nicht streitig sein. [...] Zwar dürften in der Schule – zusätzlich – auch solche Schreibweisen behandelt (unterrichtet) werden, die reformerischen Wünschen entsprechen. Diese dürfen jedoch solange nicht als "richtig" deklariert werden, wie sie sich (noch) nicht im allgemeinen Schreibgebrauch durchgesetzt haben, d.h. allgemein akzeptiert worden sind.«
Kratzbaum verdanken wir nun eine Präzisierung, die dem OVG Lüneburg entgangen ist: Auch in der "üblichen" Rechtschreibung können dem Schreiber Fehler unterlaufen; der Fehlerbegriff ist also auf die jeweilige Norm zu beziehen. Strenggenommen müßten die Lehrer in den betroffenen Bundesländern und Kantonen (mit den drei Ausnahmen) an den Rand schreiben: "Nach der Neuregelung falsch" (wenn der Schüler sich durch "dass" und dergleichen als Neuschreiber zu erkennen gibt), bei Altschreibern jedoch: "Nach der Neuregelung falsch, früher aber richtig" oder schlimmstenfalls "Auch nach der früheren Regelung falsch". Dieser Vorschlag versagt freilich angesichts der heute ebenfalls verbreiteten Praxis, eine Mischung aus traditionellen und reformierten Schreibungen zu verwenden. Ohnehin nicht bedacht ist hierbei, daß Rechtschreibnormen - spontan entwickelte oder aber institutionell festgelegte - Widersprüche zu anderen Verwendungsebenen der Sprache aufweisen können. Wir bemängeln ja, daß einiges in der Rechtschreibreform sprachlogisch gesehen falsch ist, und trotzdem als geltende Norm durchgesetzt wird. Auch die Dudennorm war davon bekanntlich nicht ganz frei.
Keine Aufmerksamkeit hat bisher gefunden, was Professor Gröschner als Klagebegründung dem OVG vorgetragen hat. Der Beschluß zitiert sie in indirekter Rede wie folgt:
»Sie [= Josefine Ahrens] habe die Auseinandersetzung um die Rechtschreibreform von Beginn an mit Interesse verfolgt und sich bewusst dafür entschieden, die herkömmliche Orthographie ihrer Eltern zu verwenden und nicht die "am linguistischen Reißbrett entworfene Schreibweise einer nach Organisation und Verfahren nicht legitimierten Reformkommission" (VG Hannover, NJW 1998, 1250). Für die Verwendung herkömmlicher, dem neuen Regelwerk widersprechender Schreibweisen in schriftlichen Arbeiten sei sie bisher "dadurch gerügt (worden), daß derartige Schreibweisen rot unterringelt, als 'überholt' bezeichnet und somit diskriminierend als nicht regelkonform bewertet" worden seien. Ab dem 1. August 2005 sollten derartige "Fehler" zudem mit Punkteabzug und dementsprechend schlechteren Schulnoten geahndet werden. Die Klage richte sich gegen den dadurch ausgeübten "Anpassungsdruck, die Reformorthographie auch wider besseres Wissen zu verwenden". In rechtlicher Hinsicht berufe die Klägerin sich auf die Entscheidung des Senats 13 M 4160/97, wonach eine "gesonderte Schulrechtschreibung" unzulässig sei. Jedenfalls bis zum Abschluss ihrer Schulausbildung werde sich die neue Rechtschreibung nicht allgemein durchgesetzt haben. Wissenschaftliche und belletristische Verlage hätten die Neuschreibung nur vereinzelt übernommen, die Presseverlage seien inzwischen mehrheitlich zur bewährten Rechtschreibung zurückgekehrt. Danach müsse die Klägerin damit rechnen, dass von ihr nach Abschluss der Schulausbildung und Eintritt in das Berufsleben die Beherrschung der hergebrachten Schreibweise erwartet werde. Auch während des Schulbesuches müsse die in "Klassikertexten" vorgefundene klassische deutsche Orthographie gelehrt werden. Zwar gebe es am Gymnasium weder besonderen Rechtschreibunterricht noch eine Rechtschreibzensur. Die Kennzeichnung einer Schreibung als "falsch" sei aber (vor allem im Deutschunterricht der Oberstufe) "eine Negativbewertung ersten Ranges", indem sie den "Falschschreiber" sozusagen in die Zeit des Rechtschreiberwerbs zurückversetze und ihm "mangelnde Grundfähigkeiten" attestiere. Tatsächlich verstoße das auch gegen den Grundsatz, dass Richtiges nicht als "falsch" gewertet werden dürfe. Was in Fragen der Orthographie richtig oder falsch sei, bestimme sich aber nach dem allgemeinen Schreibgebrauch, der sich – außerhalb von Verwaltung und Schule – mangels Akzeptanz nicht nach der Reform richte. Zudem habe die Klägerin das Recht, "ihre Bildung durch Verwendung der entlehnten Orthographie diskriminierungsfrei dokumentieren zu dürfen" ("numerieren" statt "nummerieren" – "plazieren" statt "platzieren"). Demgegenüber bedeute die Reformschreibung eine "gegen den Bildungsauftrag der Schule verstoßende Nivellierung nach unten".«
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Kommentar von AP, verfaßt am 30.09.2005 um 09.01 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1907
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»Bund soll Regeln bestimmen
93 Prozent der Deutschen sind dafür, die Zuständigkeit bei der Rechtschreibung dem Bund zu übertragen. Das ergab die jüngste Umfrage des sogenannten Bildungsbarometers. 92 Prozent stimmen in die gleiche Richtung bei den Bildungsinhalten der allgemeinbildenden Schulen, 74 Prozent bei der Ausbildungsförderung und 72 Prozent bei den Studiengebühren.«
Und was sagt das OVG Lüneburg dazu? Und dies noch: Am 8. 11. 2001 sagte in der 681. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich deren Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer folgendes:
»Die Rechtschreibreform als Dauerbrenner für Erwachsene und Senioren ist an und für sich etwas, was nichts mit der Realität der Schule, auch nicht der Behörden zu tun hat. Eine Rechtschreibreform ist etwas, was ungefähr 30 Jahre braucht, bis es sich umgesetzt hat. Es ist kein Gesetz. Es kann niemand dafür eingesperrt werden, dass er falsch schreibt oder einen Beistrich vergisst. Wir können auch keine Geldstrafen dafür vergeben. Das heißt also, eine Rechtschreibreform ist eine gesellschaftliche Norm. Ich habe es schon oft gesagt, meine Großmutter hat, als ich noch ein Kind war, immer noch Foto mit "Ph" geschrieben, hat Tür und Tor mit "Th" geschrieben. Das ist kein Gesetz und keine Norm. [...] Das sind fließende Übergänge. Deswegen macht man eine Rechtschreibreform so selten, nämlich alle 100 Jahre, weil es so lange dauert, bis sie sich durchsetzt.«
Zieht euch warm an! [nach der Kosakenmelodie zu singen]
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Kommentar von Norbert Schäbler, verfaßt am 29.09.2005 um 22.16 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1904
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Werkzeugkunde 2
Ich wundere mich immer wieder, wie wenig die Rückmeldung eines einfachen Handwerkers geschätzt wird in „meiner“ Gesellschaft, die sogar einem Facharbeiter einen akademischen Titel oder doch zumindest einen guten Leumund abverlangt – und zwar unabhängig vom Arbeitsergebnis selbst.
Außerdem wundert mich, daß unsere Gesellschaft immer häufiger von so genannten unabhängigen, staatlich geprüften und vereidigten Gutachtern abhängig ist, zu welchen ich auch die Bediensteten der Gerichtsbarkeit hinzuzähle. (Worte sind verräterisch: „dienstbar, staatlich examiniert, vereidigt, ...“)
Ich klage aber auch an (und fühle mich berechtigt dazu im Dienste des florierenden Handwerks), daß „meine“ Gesellschaft inzwischen sämtliche handwerklichen Erzeugnisse bemängelt, ohne zugleich benennen zu können, worin der spezielle Mangel besteht.
Ich klage an, daß sich die Gesellschaft einen geldwerten Vorteil durch „Mäkelei per se“ erschleicht, und es ist absolut kein Wunder, daß so viele renommierte Handwerksbetriebe „Pleite gehen“.
Ebenso klage ich an die Fälscher von Statistiken, die heutzutage sämtliche Rückmeldungen der Basis in Richtung des Gewollten beschönigen, und ich verurteile deren Praktiken von allem Anbeginn an. Diese Statistiker haben in einer Zeit Weichen gestellt, in der die Züge in rasanter Fahrt hindernislose Strecken bewältigten.
Ich klage sie an für das Erzeugen einer öffentlichen Meinung, die suggeriert, daß zeitweiliges Verharren gleichbedeutend ist mit schnellerem Vorwärtskommen.
Ich wünschte, daß sich diejenigen, welche die „Oberaufsicht über Stellwerke“ besitzen – das sind laut Gewaltenteilung: die Exekutive, Judikative und die Legislative (ggf. auch die schreibende Zunft) –, ihrer Verantwortung bewußt würden, daß sie sich als Werkzeuge (Minister/Dienende, Richter/Gerechte, Parteiloyale/Sachorientierte) empfänden, und daß ein Anfang gemacht würde mit der „Entbürokratisierung“ (das heißt übertragen: „Weichenabbau und Aufhebung der ideologiebedingten, mutwillig eingebauten Schwellen“).
Menschen sind nichts anderes als Werkzeuge – auch wenn sich ein Großteil der Akademiker allzu gerne als „Werkzeugführer“ einzuschätzen pflegt.
Für Schüler, die mit der Perspektive heranwachsen, überhaupt nicht gebraucht zu werden, wäre die Werkzeughypothese immerhin ein Anreiz, ein gescheites Handwerk zu erlernen, in dem sie sich als dienstbare und taugliche Menschen wiederfinden.
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Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 29.09.2005 um 21.33 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1903
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Ein Gericht "hofft" nicht, es spricht Recht. Die Argumente mögen noch so treffend sein - die Politiker werde sich erst bewegen, wenn wirklich ein Urteil ergangen ist. Daß dann Schulgesetze geändert (zurechtgebogen) würden, ist eher unwahrscheinlich. Es wäre allerdings eine ironische Pointe, denn die Kläger vor dem BVG haben ja gerade damit argumentiert, daß es zur Einführung der Reform eines Gesetzes bedürfe (Wesentlichkeitstheorie). Der Fehler wäre dann also geheilt... Wollen wir uns das wünschen? - Zu Prof. Jochems: Das Gericht ist so klug, sich nicht auf die problematische Unterscheidung von "richtig" und "falsch" einzulassen, versucht sich also im Gegensatz zum BVG nicht als Sprachsachverständiger. Es argumentiert ganz schlicht und beinahe trivial: Solange sich große Teile der Bevölkerung, der Presse, der Buchautoren und Verlage der reformierten Schreibung verweigern, und zwar ausdrücklich, ist sie nicht "üblich". Wie richtig oder falsch von jedem einzelnen dabei in der herkömmlichen Rechtschreibung geschrieben wird, ist dabei völlig unerheblich. Denn die Rechtschreibung wurde schon immer sehr verschieden gut beherrscht und war trotzdem einheitlich und üblich. Dies sind nur Orientierungsmarken. Auch wer nur schwach ausgeprägte orthographische Fähigkeiten hat, weiß, daß es einen Standard gibt, und kann sehr wohl von sich sagen, er schreibe unreformiert.
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Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 29.09.2005 um 16.22 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1902
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> Wie aber kommen Sie zu der Ansicht, das Gericht habe wenig Hoffnung, daß ein Urteil der Sache gut tue?
Berechtigte Frage. Wie ich schon schrieb, sollte man Verständnis für so ein Obergericht haben. Richter mögen es z.B. gar nicht, wenn ihre Urteile in die Tonne gekloppt werden. Daß diese Gefahr besteht, ist doch nicht von der Hand zu weisen. Nehmen wir an, auf Grund einer Bestimmung im Niedersächsischen Schulgesetz wäre ein Urteil zugunsten der Kläger möglich (das hat das Gericht ja deutlichst angekündigt), dann hätte der Gesetzgeber die Möglichkeit, eben diese Bestimmung außer Kraft zu setzen. Die Argumente des Gerichts hingegen kann er nicht aus der Welt schaffen.
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Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 29.09.2005 um 16.00 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1901
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Glasreiniger: Das Gericht hat eine klare Meinung zur Sache. Es vertraut darauf, daß die Macht der Argumente seine Wirkung tun wird. Es hat wenig Hoffnung, daß ein Urteil der Sache gut tut.
Schön und gut; ich befürchte nur, daß man etwas verloren dasteht, wenn man auf die guten Argumente des Gerichts hinweist, auf Nachfrage aber zugeben muß, daß – außer der Zulassung der Revision – sich dadurch erst mal nichts ändert. Wer sollte diese guten Argumente ernst nehmen, wenn das Gericht selbst sie nicht ernst nimmt? Aber halt: Es bleibt ja genau das – die Zulassung der Revision. Das andere kann man ja unerwähnt lassen.
Wie aber kommen Sie zu der Ansicht, das Gericht habe wenig Hoffnung, daß ein Urteil der Sache gut tue?
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Kommentar von Norbert Schäbler, verfaßt am 29.09.2005 um 13.46 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1899
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Werkzeugkunde
Die Frage der Gewichtung einzelner Fachbereiche ist auch in deutschen Schulstuben schon lange geklärt. Die mündliche und schriftliche Sprachgestaltung (ehemals Aufsatz) sind bei der Notengebung im Vergleich zu den übrigen innerfachlichen Disziplinen (Lesen/Literatur, Rechtschreiben und Sprachbetrachtung/Grammatik) schon seit dem Ende der siebziger Jahre schwerer gewichtet. Das heißt: Seit mehr als 30 Jahren entsprechen die Beurteilungskriterien im Fachbereich Deutsch den Wünschen, die seit ebendieser Zeit immer wieder vehement vorgetragen werden, obwohl sie schon längstens übererfüllt sind.
Was die Gewichtung des Stellenwerts Rechtschreibung selbst angeht, stelle ich fest, daß sich das Thema mittlerweile und paradoxerweise zu einem Staatsakt „hoch entwickelt“ hat.
Es drängt sich der Verdacht auf, daß ewig Gestrige selbst heute noch versuchen, mit Hilfe von Schraubendrehern (resp. Schraubenziehern) und Schraubschlüsseln eine Lötstelle des gesamten kommunikativen Systems zu reparieren.
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Kommentar von Télécran, verfaßt am 29.09.2005 um 11.18 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1898
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Das luxemburgische Schulsystem ist sehr auf die korrekte Rechtschreibung konzentriert. Aber Sprachkompetenz beinhaltet mehr als Schreiben, nämlich auch Reden und Verstehen. Indem jede der drei Kompetenzen für sich benotet wird, schwindet das Gewicht der Rechtschreibung. Das ist ein Mentalitätswechsel in unserem Schulsystem. Die Ganztagsschule "Neie Lycée" ist die erste Schule, die anders benotet und ich erwarte viel von dem Pilotprojekt, um zu beweisen, dass es etwas bringt. Ein neues Benotungsverfahren soll allen Kindern etwas bringen, nicht nur Legasthenikern. Wir müssen das, was die Kinder können, in den Vordergrund stellen, und sie nicht immer bestrafen für das, was sie nicht können. (Mady Delvaux-Stehres, Télécran, 28. 9. 2005)
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Kommentar von Helmut Jochems, verfaßt am 29.09.2005 um 10.18 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1897
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Im Lichte des Lüneburger Beschlusses vom 13. 9. ergeben sich zwei Fragen, die für den Fortgang der Auseinandersetzung mit der Rechtschreibreform und folglich für die Strategie der Gegner dieses Phänomens relevant sein können: Was ist ein Rechtschreibfehler? Und umgekehrt: Was ist eine richtige Schreibung? Vor 1996 wurden diese Fragen mit dem Hinweis auf die jeweils neueste Auflage des Duden beantwortet, und dies nicht erst seit der "amtlichen" Privilegierung des Bibliographischen Instituts im Jahre 1955. In der DDR verfuhr man nicht anders - offenbar in Fortsetzung der Praxis von vor 1945. Ungeklärt ist bis heute, wieso es in den Jahren der deutschen Zweistaatlichkeit keine Divergenzen zwischen den beiden maßgebenden Rechtschreibwörterbüchern gegeben hat. Existierte vielleicht doch irgendeine Art von geheimer Kooperation? Wir wissen es nicht.
Das OVG Lüneburg bestimmt die "richtige Schreibung" als die "übliche". Die damit aufgeworfenen methodischen Probleme umschifft es mit dem Hinweis auf Presse und Literatur, obwohl die Annahme, die "alte" Schreibung sei die "übliche" und deshalb die "richtige", den Schönheitsfehler aufweist, daß sie den Ausgang des gegenwärtig tobenden deutschen Orthographiewettkampfs vorwegnimmt. Daß 60% der Deutschen laut Lüneburger Landeszeitung die neue Schreibung meiden, bedeutet nicht, daß sie wie nach den "alten" Regeln "üblich", d. h. "richtig" schreiben.
Was "üblich" ist oder nach dem staatlichen Eingriff "üblich" werden soll, läßt sich ohnehin nicht durch Regeln bestimmen. Das OVG Lüneburg referiert das Eingeständnis der Zwischenstaatlichen Kommission, ausführliche Beratungen seien nötig gewesen, um in der zweiten Generation der reformierten Wörterbücher die Einheitlichkeit der Regelinterpretation zu gewährleisten. Vor ähnlichen Problemen standen die Dudenredaktionen vor 1996, mit dem kleinen Unterschied, daß sie in eigener Machtvollkommenheit die "Zweifelsfälle" entschieden. Hier ist der Hinweis angebracht, daß dies lediglich einige Bereiche der Getrennt- und Zusammenschreibung und der Groß- und Kleinschreibung sowie der Fremdwortschreibung betraf. Wie der überlieferte Bestand an deutschen Einzelwörtern zu schreiben war, stand lange schon fest und ist auch 1901 nur geringfügig verändert worden. Selbst die diesbezüglichen Veränderungen von 1996 sind marginal und fallen lediglich bei der Neuverteilung von "ss" und "ß" auf.
Andersschreibungen von deutschen Wörtern, die nie eine Wörterbuchredaktion oder eine Reformkommission beschäftigt haben, sind "Rechtschreibfehler". Nur im Extremfall verhindern sie jedoch das richtige Verständnis des geschriebenen Satzes, es handelt sich also eher um ein ästhetisches als um ein im engeren Sinne sprachliches Phänomen. Aber immerhin, selbst beim informellen alltäglichen Schreiben sollten Sprachteilnehmer aller Bildungsstufen den Ehrgeiz haben, sich an die üblichen Schreibungen zu halten. Dieser von allen zu beherrschende Grundbestand umfaßt auch Schreibungen, die erst in jüngster Vergangenheit fest geworden sind und sich durch ihr häufiges Vorkommen einprägen, wie "kennenlernen", "spazierengehen", "besorgniserregend", "zeitraubend", "im übrigen", "des weiteren" und dergleichen. Alles formelle Schreiben wird sich an die Vorgaben der (angeblich oder tatsächlich) verläßlichen Nachschlagewerke halten, aus praktischen und aus ästhetischen Gründen. Hier gilt also ein strengerer "Richtigkeitsbegriff" als beim schlichten informellen Schreiben. "Andersschreibungen" professioneller Schreiber fallen im allgemeinen nur fachlich besonders Versierten auf. Für die schwierigen Randbereiche der deutschen Rechtschreibung wäre es umgekehrt absurd, deren vollständige Beherrschung von der gesamten Schreibgemeinschaft zu verlangen. Eher sollte es im Schulunterricht üblich sein, die Lösung von Zweifelsfällen mit Hilfe von Analogie, Bedeutung und Betonung zu üben und so eine Kompetenz zu entwickeln, die auch schlichtem Schreiben den Charakter intuitiver Richtigkeit gibt.
Die Rechtschreibreform von 1996 hat dieses ohnehin komplizierte System zusätzlich durch die Festlegung belastet, ab 1. 8. 2005 würden solche üblichen Schreibungen "falsch", für die die Neuregelung eine Veränderung vorsieht. Dies favorisiert Schreibungen, die sich als kontraintuitiv oder grammatisch unmöglich zu erkennen geben, was auch ohne Rückgriff auf das bisher Übliche offenkundig ist. Wir haben kein Sprachgesetz wie die Republik Polen, woraus schon 1998 das Bundesverfassungsgericht das Recht des Staates ableitete, die Kinder zu absurdem Schreiben zwingen. Wer eine staatlich reglementierte Schreibung will, muß auch diese Perversion akzeptieren. Seit der von allen politischen Lagern dieser Republik bejahten und von beachtlichem Mitläufertum durchgesetzten Rechtschreibreform haben die alten Unterscheidungen von "richtig" und "falsch" in der deutschen Orthographie ihren Sinn verloren. Skeptischen Beobachtern bleibt lediglich die Schadenfreude, daß die gegenwärtigen Machthaber der zweiten deutschen Republik nicht einmal über den Sachverstand verfügen, die Verhunzung der Rechtschreibung einigermaßen schlüssig ins Werk zu setzen. Der Beschluß des OVG Lüneburg macht sich mit aufgeklärter Heiterkeit darüber lustig, daß es gegenwärtig überhaupt keine "amtlich" vorliegende Version der reformierten deutschen Rechtschreibung gibt, die sich mit staatlicher Machtfülle durchsetzen ließe. Wenn dies allerdings gelänge, wäre die so üblich gewordene bedenkliche Rechtschreibung die richtige, und alles andere falsch.
Eines der Schlüsselwörter der emanzipatorischen Didaktik hieß in den siebziger und achtziger Jahren "kommunikative Kompetenz": Wenn die aus den alten gesellschaftlichen Zwängen befreiten Individuen ohne Scheu miteinander kommunizieren und ihre Anliegen zu übermitteln versuchen, kommt es auf das Gelingen dieses Vorhabens an, nicht auf seine formale Richtigkeit. Ist es nicht für eine demokratische Gesellschaft beschämend, daß die zu einem Phantom verkommene orthographische Richtigkeit in der gegenwärtigen Auseinandersetzung ihren alten Stellenwert behaupten kann? In freier, spontaner Entwicklung wird die deutsche Rechtschreibung nicht die Züge aufgeben, die ihren hohen Schwierigkeitsgrad bestimmen. Die Sprachwissenschaft hat andererseits ihre Chance gehabt und vertan, und von dem politischen Personal, das jetzt in unserer Republik das Sagen hat, möchten wir nicht einmal eine aufgeklärte Rechtschreibung als Geschenk annehmen. Es wird also so weitergehen, wie wir es seit Kaisers Zeiten gewohnt sind. Jeder Gutwillige kann nur eins tun: Toleranz üben und für sich selbst den Grundsatz befolgen, daß Rechtschreibung sich aus dem bewußten Umgang mit der eigenen Sprache von selbst ergibt und keiner Beckmesser bedarf.
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Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 29.09.2005 um 09.25 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1896
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Genau wie Herr Wrase bin ich der Ansicht, daß die Berufung auf allgemeine Menschenrechte "zu hoch" gegriffen wäre und auch wenig Aussicht auf Erfolg hätte. Mit "Verletzung der Menschenwürde" meinte ich die Tatsache, daß hier junge, wehrlose Menschen einer Indoktrination ausgesetzt, gegen die Erwachsenenwelt als Mittel zum Zweck eingesetzt werden. Denn es geht um die Durchsetzung einer Glaubenslehre, nicht um die Vermittlung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse. Es wird unter Zwang objektiv Falsches vermittelt. Ebenso, und vielleicht noch stärker, wird das pädagogische Gewissen der Lehrer verletzt, die wissentlich Falsches lehren müssen. - Ich denke, mein vorheriger Beitrag zu dieser Frage sollte eigentlich in diesem Sinne deutlich formuliert gewesen sein.
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Kommentar von Gabriele Ahrens, verfaßt am 29.09.2005 um 09.19 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1895
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1998 hat bereits jemand (der Name ist mir entfallen) vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geklagt, um die Einführung der sog. Rechtschreibreform an den Schulen zu verhindern. Wir wurden damals gebeten, uns als Kläger zur Verfügung zu stellen, haben aber - zum einen mangels Aussicht auf Erfolg, zum anderen, weil uns der Anwalt nicht überzeugte - abgelehnt. Man hat meines Wissens nie wieder etwas von dem Verfahren gehört.
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Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 29.09.2005 um 08.48 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1894
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@ Herrn Wagner:
> Mal ganz ernsthaft gefragt: Was nützt uns die eindeutige Aussage zur Rechtslage, wenn sie keine rechtlichen Konsequenzen hat?
Ich versuche noch einmal, meine Aussage zu präzisieren. Das Gericht hat eine klare Meinung zur Sache. Es vertraut darauf, daß die Macht der Argumente seine Wirkung tun wird. Es hat wenig Hoffnung, daß ein Urteil der Sache gut tut.
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Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 29.09.2005 um 04.00 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1893
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Ich finde auch, daß das Kriterium der Menschenwürde strategisch gesehen zu hoch angesetzt ist. Damit meine ich nicht, daß da nichts dran wäre! Jedoch wird ein Gerichtsverfahren leider am Einzelfall eines Schülers aufgezogen. Die Dimension der Menschenwürde ergibt sich aber daraus, wie der Staat hier mit seinem ganzen Volk umspringt. Wenn man nun einen einzelnen Schüler oder eine Schülerin herausgreift, kann man schnell einen anderen Schüler danebenstellen, der sich durch den reformierten Unterricht überhaupt nicht in seiner Würde beeinträchtigt fühlt oder der es umgekehrt als Verletzung seiner Würde darstellen möchte, wenn der Unterricht abermals reformiert wird, mehr oder weniger in der umgekehrten Richtung. Auf dieser sozusagen atomisierten Ebene neutralisieren sich die Positionen der einzelnen Betroffenen gegenseitig.
Zielstrebiger ist doch die Frage, ob es sich um einen sinnvollen Unterrichtsgegenstand handelt, ob also der Staat berechtigt ist, eine neue Rechtschreibung zu erfinden und einfach so anstelle der bisher anerkannten, üblichen Rechtschreibung als verbindlich für den Schulunterricht auf den Lehrplan zu setzen. Juristisch konnte das bisher nur mit Hilfe der "positiven Akzeptanzprognose" verteidigt werden: Zwar werde sich das Volk anfangs dagegen wehren, doch im nachhinein werde es schon sein Einsehen haben und die Maßnahme gutheißen. Diese Argumentation war selbst schon kritikwürdig genug, aber darauf kommt es doch jetzt, nach mehrjährigem Feldversuch, tatsächlich an: Wie steht es denn, akzeptiert die Gemeinschaft die neue Rechtschreibung?
Im Licht dieser Frage kann man dann wieder einen einzelnen Schüler als Beispiel herausgreifen und aktuell die Frage stellen, ob es in Ordnung ist, daß (allein) die sogenannten neuen Schreibungen an den Schulen unterrichtet und die herkömmlichen, von sehr vielen nach wie vor bevorzugten Schreibungen als falsch bewertet werden sollen. Der Umerziehungsversuch von Staats wegen, den die Rechtschreibreform darstellt, hat zwar durchaus mit der Menschenwürde der Probanden zu tun, aber solange es konkreter geht, ist es wohl klüger, nicht das Höchste und Letzte zu beschwören, um den Murks abzuschaffen, den der Staat hier anrichtet.
Man könnte es auch so sagen: Die Menschenwürde wird permanent durch staatliche Maßnahmen verletzt. So gesehen, könnten ständig Verfahren in diesem Sinne gegen die Bundesrepublik Deutschland oder auch gegen einzelne Bundesländer angestrengt werden. Das hat offensichtlich wenig Aussicht auf Erfolg. Vielleicht deshalb, weil man sich eben dran gewöhnt hat, daß der Staat die Würde seiner Bürger regelmäßig verletzt, und es für geradezu kurios hält, wenn jemand dagegen juristisch vorgehen möchte.
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Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 28.09.2005 um 22.54 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1891
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Die Menschenwürde wird verletzt, wenn in den Schulen eine Rechtschreibung gelehrt wird, die der Kläger für falsch hält? Ich bitte herzlich darum, hierüber noch einmal intensiv nachzudenken.
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Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 28.09.2005 um 21.06 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1890
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Eine Verletzung verfassungsmäßig garantierter Menschenrechte (Würde des Menschen, allgemeiner Bildungsauftrag der Schule) könnte durchaus vorliegen. Insofern wäre eine Verfassungsbeschwerde vor dem Nds. Staatsgerichtshof oder auch dem Europäischen Gerichtshof nicht ganz aussichtslos. Man muß immer wieder darauf hinweisen, daß das BVG nur die Art und Weise der Einführung der Reform an den Schulen für rechtmäßig erklärt hat. Dies vor allem im Hinblick auf die Vernebelungstaktik interessierter Kreise ("Amtliche Rechtschreibung"). Mit der augenblicklichen Situation an den Schulen hat es sich bisher nicht befaßt. - Am erfolgversprechendsten dürfte aber doch eine Klage aufgrund des Nds. Schulgesetzes sein, wie sie ja auch die Kläger bereits angestrengt haben. Der Bezug zur geregelten Materie ist einfach enger und konkreter.
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Kommentar von Christoph Kukulies, verfaßt am 28.09.2005 um 17.36 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1889
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Hat schon mal jemand über weiteres juristisches Vorgehen im Zusammenhang mit der Einführung der sog. Rechtschreibreform an den Schulen nachgedacht? Ich denke dabei an eine Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Wäre es für die Kultusminister nicht außerordentlich peinlich, dort vorgeführt zu werden?
Meines Erachtens ist die Zeit reif für eine Klage. Ich weiß zwar noch nicht genau, wie man den Tatbestand fassen soll, aber es ist schon eine Art von staatlicher Umerziehung nach Art von diktatorischen Regimen, wenn Kinder an den Schulen mit einer Rechtschreibung - dazu noch erwiesenermaßen grammatikalisch falsch - indoktriniert werden, die dem Schreibgebrauch und dem allgemeinen Usus zuwiderläuft.
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Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 28.09.2005 um 17.23 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1888
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Glasreiniger: Ist denn alles getan, um die eindeutige Aussage zur Rechtslage, die die Begründung des Urteils enthält, bei wohlgesinnten Journalisten bekannt zu machen?
Mal ganz ernsthaft gefragt: Was nützt uns die eindeutige Aussage zur Rechtslage, wenn sie keine rechtlichen Konsequenzen hat?
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Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 28.09.2005 um 17.11 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1886
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Berufungsinstanz ist das OVG selbst. Wie schon früher dargelegt, ist es sog. zweite "Tatsacheninstanz", d.h. es prüft das erstinstanzliche Urteil in vollem Umfang. Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen vorgebracht werden.
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Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 28.09.2005 um 14.57 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1885
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Man sollte auch Verständnis für Obergerichte haben. Man hat seine Rechtsmeinung in ausreichender Deutlichkeit dargestellt, um erwarten zu können, daß der Antragsgegner ein Einsehen hat.
Damit hat das Gericht das aus seiner Sicht Weitestgehende geleistet. Die Erfahrung, daß auch eine klare Aussage in einem einzelnen Bundesland keine ausreichnde bundespolitische Wirkung hat, ist nun mal da. Jetzt können verschiedene Fälle eintreten:
1. Der Antragsgegner, d.h. das Land Niedersachsen, hat ein Einsehen; dann hat sich die Hauptsache erledigt. Leider genügt dafür schon ein zeitweiliger Aufschub wie in NRW, bis J. Ahrens die Schule abgeschlossen hat.
2. Der Antragsgegner hat kein Einsehen, aber mangels einstweiliger Verfügung tritt die Erledigung durch Zeitablauf trotzdem ein.
3. Der Rat kommt in der Zwischenzeit zu einem Ergebnis, das den Rechtschreibfrieden so weit wiederherstellt, daß die Akzeptanzprognose zwischenzeitlich dann doch als eingetreten angesehen werden kann.
4. Es entstehen neu anhängige Verfahren. Da kann das OVG Lüneburg nichts dafür, es braucht sie, falls in Niedersachsen, nicht vor dieser Sache zu entscheiden, außer es wird doch noch ein zwingender Grund für den Erlaß einer einstweiligen Verfügung gefunden. Verfahren vor anderen Gerichten bergen die Gefahr anderer Rechtsmeinungen oder anderer Rechtslage in anderen Bundesländern, so daß politisch die Gefahr besteht, daß der Tenor des Beschlusses entwertet wird.
Ist denn alles getan, um die eindeutige Aussage zur Rechtslage, die die Begründung des Urteils enthält, bei wohlgesinnten Journalisten bekannt zu machen?
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Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 28.09.2005 um 14.30 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1884
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W. Wrase: Mir kommt ihre Schlußfolgerung plausibel vor, daß der ganze Zauber damit als Plazebo entlarvt ist, weil man bereits jetzt beabsichtigt, das Urteil so lange wie irgend möglich aufzuschieben oder vielleicht auch nie zu fällen.
Das OVG Lüneburg hat die Berufung gegen das VG-Urteil zugelassen. Ich kenne mich mit dem formalen Prozedere nicht aus: Vor welchem Gericht muß nun das Berufungsverfahren geführt werden, und warum könnte sich das jahrelang hinziehen?
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Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 28.09.2005 um 13.29 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1883
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Herrn Prof. Jochems sei gedankt für die Zugänglichmachung der drei OVG-Urteile. - Das Gericht stellt in erfreulicher Deutlichkeit fest, daß Urteile des BVG und auch des BVerwG es nichts angehen. Wie schon gesagt: In der rechtlichen Würdigung eines Verwaltungsaktes des Landes Niedersachsen ist es völlig frei. Eine Verfassungsklage von niedersächsischen Eltern würde sowieso nicht vor das BVG, sondern vor den Nds. Staatsgerichtshof in Bückeburg gehören, der seinerseits auch frei entscheiden könnte. Es geht eben ausschließlich um Landesrecht. (Die Klage aus Schleswig-Holstein landete damals vor dem BVG einfach deswegen, weil Schleswig-Holstein kein eigenes Verfassungsgericht hat.) - Zwei Einzelheiten des Begründungstextes find ich noch besonders interessant:
1. Das Gericht bezweifelt, daß die Lehrer, die die reformierte Schreibung zur Grundlage ihrer Bewertung machen sollen, diese überhaupt ausreichend genau kennen.
2. Daß der amtliche Text nicht "amtlich" veröffentlicht wird, sondern auf das Internent bzw. im Handel zu erwerbende Wörterbücher verwiesen wird, ist höchst fragwürdig im Hinblick auf die Verbindlichkeit für die Lehrkräfte.
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Kommentar von H. J., verfaßt am 28.09.2005 um 09.37 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1882
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Zwei Stellen im Beschluß des OVG Lüneburg vom 13. 9. 2005 sind im Zusammenhang mit der Rolle des Bundesverfassungsgerichts interessant:
»Mit Urteil vom 9. Juni 2005 wies das Verwaltungsgericht die Klage mit der Begründung ab, dem Begehren der Antragstellerin stehe die Entscheidung BVerfGE 98, 218 entgegen. Das Bundesverfassungsgericht habe sich „umfassend und abschließend zu möglichen Grundrechtsverletzungen von … Schülern infolge der Einführung der Rechtschreibreform" geäußert, so dass gemäß § 31 BVerfGG davon auszugehen sei, dass die Erteilung von Rechtschreibunterricht nach den neuen Regeln Rechte von Schülern aus Art. 2 Abs. 1 GG nicht verletze. – Gegen dieses Urteil hat die Antragstellerin Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt (13 LA 209/05), über den der Senat mit Beschluss vom 7. September 2005 positiv entschieden hat.
[...] Demgegenüber hat der Senat zu Recht darauf abgestellt, ob mit reformierten Schreibweisen die allgemein übliche Schreibweise gelehrt werde. Daran ist festzuhalten. Eine dem entgegenstehende irgendwie geartete Bindung an die Urteile des Bundesverfassungs- und Bundesverwaltungsgerichts besteht insoweit nicht, zumal es dabei auch um die Auslegung von Landesrecht (NSchG) geht, wozu weder das Bundesverfassungs- noch das Bundesverwaltungsgericht befugt wäre.«
Der juristische Laie kann hier freilich nur staunen. Daß dem Verfasser des "Beschlusses" der Schalk im Nacken saß, zeigt diese Textstelle:
»Überdies gibt es nach wie vor erhebliche Teile im deutschen Volke, die die Reform ablehnen (es sollen immer noch 60% sein, so "Lüneburger Landeszeitung" vom 1.8.05), und werden auch in Presse (zunehmend) und Literatur die alten Regelungen weiterhin verwandt (zum Teil auch reformierte Regeln, die indessen – bezüglich der Getrenntschreibung - nicht dem derzeitigen Stand der Reform entsprechen).«
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Kommentar von Gabriele Ahrens, verfaßt am 28.09.2005 um 08.53 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1881
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Was das Ausüben von Druck angeht, bin ich wohl falsch verstanden worden. Ich meinte nicht auf das Gericht (um Gottes Willen!), sondern auf die Politik. Eine derartige Ohrfeige, wie sie das Gericht in seiner Beschlußbegründung den reformbefürwortenden Politikern austeilt, kann eigentlich nicht ignoriert werden.
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Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 27.09.2005 um 21.41 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1878
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Dem OVG sind durch die Karlsruher Entscheidung keineswegs "die Hände gebunden". Das BVG ist ja kein oberstes Revisionsgericht wie der BGH. Solange das OVG nicht verfassungsrechtlich argumentiert, ist es völlig frei in seiner Würdigung eines staatlichen Verwaltungsaktes, wie ihn die Einführung und Exekution der reformierten Rechtschreibung an den Schulen darstellt. Die Einführung per Verwaltungsakt ist erledigt. Nun hat das Gericht zu beurteilen, ob Sanktionen gegen herkömmlich schreibende Schüler rechtens sind. Selbst verfassungsrechtliche Bedenken könnte das OVG angesichts der nicht erfüllten Akzeptanzprognose des BVG erneut geltend machen, z.B. in Form einer Richtervorlage. - Von dem Versuch, öffentlich "Druck" auf das Gericht auszuüben, kann man nur abraten.
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Kommentar von Sigmar Salzburg, verfaßt am 27.09.2005 um 18.29 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1873
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Wenn man sich mit der Materie beschäftigt, wird einem erst klar, wie wenig einzelne Klagen bewirken können. Obwohl die Rechtschreibreform seit dem Volksentscheid heute vor sieben Jahren nachweisbar verfassungswidrig ist, marschieren die Länderregierungen ungerührt weiter. Wenn jetzt ein Gericht im angreifbarsten Punkt, den grammatisch falschen Schreibungen, einem Kläger recht geben würde, dann dürfte wohl der einzelne Schüler richtig schreiben, aber die Kultusminister würden sich wohl kaum gedrängt fühlen, in den Schulen das Richtige lehren zu lassen.
Im günstigsten Fall würde dann von der Reform-Administration ein Zustand herbeigeführt werden, wie ihn die Grüne Grietje Bettin in der Sitzung des Bundestages am 4.12.2004 beschrieben hat:
… Absurd waren allerdings manche Abwehrversuche der Reformgegner. Eltern klagten im Namen ihrer Kinder dagegen, dass ihre Sprösslinge die neue Rechtschreibung in der Schule erlernen - mit dem Ergebnis, dass diese für die Dauer des Deutschunterrichts die Klasse verlassen mussten, um in einem Extraraum ganz allein einen gesonderten Unterricht zu genießen.
(Jörg Tauss [SPD]: Das ist unglaublich!)
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Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 27.09.2005 um 00.35 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1867
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Nachdem wir uns über die Erklärungen des OVG Lüneburg gefreut hatten und Professor Jochems noch einmal die hohe Qualität der Argumentation aufgezeigt hat, möchte ich an den Zwischenruf von Frau Ahrens erinnern, der merkwürdigerweise keine Resonanz gefunden hat:
„Zwar wäre eine Eilbedürftigkeit durchaus gegeben, da in dem Berufungsverfahren 13 LB 303/05 kaum vor Ende der Schulzeit der Antragstellerin entschieden werden dürfte. Indessen meint der Senat, dass es der Antragstellerin durchaus zuzumuten sei, für den Rest ihrer Schulzeit die wegen der von ihr bevorzugten Schreibweise zu erwartenden Nachteile inkaufzunehmen.“
Das heißt, daß bis zum Ende von Josephines Schulzeit nicht mit einem Hauptsacheverfahren zu rechnen ist. Bis dahin sind es noch fast drei Jahre! Danach hat sich der Klagegegenstand von alleine erledigt. Eine so lange Verfahrenslaufzeit ist absolut ungewöhnlich, und ebenfalls, daß das Gericht diese jetzt schon prognostiziert ...
Mir kommt ihre Schlußfolgerung plausibel vor, daß der ganze Zauber damit als Plazebo entlarvt ist, weil man bereits jetzt beabsichtigt, das Urteil so lange wie irgend möglich aufzuschieben oder vielleicht auch nie zu fällen. Sehe ich das falsch? Oder wie soll der Druck auf die Justiz aussehen, den Frau Ahrens sich wünscht?
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Kommentar von Helmut Jochems, verfaßt am 26.09.2005 um 22.43 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1866
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Die Entscheidungen des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts in Lüneburg zur Rechtschreibreform bieten eine detaillierte und interessant kommentierte Geschichte dieses Phänomens. Auf der Netzseite des Gerichts sind folgende drei Texte nach Eingabe des Aktenzeichens auf der Suchseite "Entscheidungen" zugänglich:
13 M 4160/97 - Urteil vom 17. 10. 1997
13 L 2463/98 - Urteil vom 20. 06. 2001
13 MC 214/05 - Beschluß vom 13. 09. 2005
Dies ist zugleich die Geschichte der Bemühungen von Gabriele und Carsten Ahrens, für ihre Tochter Josefine die Befreiung von der Neuschreibung zu erwirken. Da in allen diesen Fällen Professor Gröschner aus Jena, der führende juristische Gegner der Rechtschreibreform, als Rechtsvertreter der Familie Ahrens tätig war, ist seine Sicht als Zitat in die Texte eingeflossen.
Festzuhalten ist vorweg, wie gradlinig die Lüneburger Richter bis auf den heutigen Tag die Rechtswidrigkeit der staatlichen Rechtschreibreform verurteilen. Zwar sind ihnen seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1998 die Hände gebunden, was sie aber nicht davon abhält, dem Hohen Gericht zu Karlsruhe Denkfehler und Fehleinschätzungen vorzuhalten. Aber auch das eigene Urteil von 2001 verwerfen sie jetzt als verfehlt. In der Sache hat das OVG Lüneburg nichts bewirken können. Es hat sich aber die Freiheit bewahrt, in leichtem Ton über das verfahrene Unternehmen zu berichten. Die Richter sind überzeugt, daß Josefine Ahrens in ihren letzten drei Schuljahren mit diesem Konflikt gut zurecht kommen wird: Nach Überzeugung des Senats dürfte die Antragstellerin aufgrund ihres Werdeganges, der fraglos auch durch die Gegnerschaft ihrer Eltern gegenüber der Rechtschreibreform bestimmt ist, "Manns genug" sein, die Kritik an ihrer (richtigen) Schreibweise durch Lehrer, die die geltende Rechtschreibung nicht mehr dulden dürfen, zu ertragen. [...] Zum anderen braucht die Antragstellerin, die eine besondere Rechtschreibnote nicht mehr zu erwarten hat, sich auch im Hinblick auf schulische Sanktionen nicht zu scheuen, die von ihr bevorzugte (richtige) Schreibweise zu verwenden. Denn auch insoweit hat sie gravierende Nachteile nicht zu befürchten. Eine obergerichtliche Aufforderung zum passiven Widerstand ist wohl nicht nur für Deutschland ein Novum. Ihr liegen Einsichten zugrunde, die sich besonders in zwei Leitsätzen niederschlagen: 1997: Es bestehen erhebliche Bedenken gegen eine staatliche Kompetenz zu durchgreifender hoheitlicher Änderung von Sprache und Rechtschreibung. UND 2005: Herkömmliche Schreibweisen dürfen im Schulunterricht solange nicht als "falsch" bezeichnet werden, wie sich reformierte Schreibweisen nicht allgemein durchgesetzt haben.
Es würde hier ermüden, auf alle in den Lüneburger Entscheidungen angeschnittenen Einzelfragen einzugehen. Zwei verdienen jedoch, besonders hervorgehoben zu werden. Ausgehend vom Bildungsauftrag der Schule werfen die Richter das Problem auf, ob Unterrichtsgegenstände mit Rücksicht auf unterbegabte Schüler vereinfacht werden dürfen, womit den begabteren die Möglichkeit genommen wird, in der Auseinandersetzung mit Schwierigkeiten ihre Leistungsfähigkeit zu beweisen. Hier fehlt freilich der Blick auf das nachschulische Erwachsenenleben, in dem es für die an der gemeinsamen Kultur Teilhabenden auch gemeinsame Kompetenzstände geben muß. Dieses Problem wird erhalten bleiben, auch oder gerade wenn die Rechtschreibreform irgendwann ausläuft. In einem anderen Argumentationsstrang fragen die Richter nach der Wirkung auf die kindliche Psyche, wenn die Schule als Autorität etwas als richtig Erkanntes als falsch bezeichnet und bewertet. Josefine Ahrens trauen sie es zu, mit diesem Problem fertigzuwerden. Gilt das aber für alle Kinder und Jugendliche? Hier ist wiederum zu bedenken, daß mit dem Ende der Rechtschreibreform solche Zwangslagen nicht verschwinden werden.
In einer wichtigen Passage ihres Beschlusses erweisen sich die Lüneburger Richter den für die Schulen eigentlichen zuständigen Kultusministern in ihrer Einschätzung der gegenwärtigen Situation der Rechtschreibreform als haushoch überlegen:
Ist die Rechtschreibreform danach weder allgemein akzeptiert, noch abgeschlossen, zudem ihr Inhalt nicht einmal allgemein geläufig, weil nicht publiziert – schon die Änderungen von 2004 selbst erfolgten von der Öffentlichkeit eher unbemerkt -, so ist ferner ausgeschlossen, dass die Antragstellerin nach der derzeit (teilweise) gültigen Reform unterrichtet worden ist. Denn ihr Rechtschreibunterricht war bereits mit dem Abgang von der Grundschule nach dem Schuljahr 1998/99 abgeschlossen. Es ist auch fraglos davon auszugehen, dass sie die - immerhin bisher tolerierten - herkömmlichen Schreibweisen beibehalten hat. Desgleichen dürfte sogar bezweifelt werden, dass die 2004 eingeführten Regeln und Schreibweisen jedenfalls den Lehrern geläufig sind. Insgesamt dürfte danach das Vorhaben, die von der Antragstellerin gebrauchten Schreibweisen, wenn sie in Widerspruch mit den vom Antragsgegner derzeit "favorisierten" stehen, als "falsch" zu werten, nicht nur deshalb unzulässig seien, weil damit "Richtiges" als "falsch" deklariert wird, sondern auch deshalb, weil weder die Antragstellerin noch ihre Lehrer insoweit ausreichend geschult sind. Der Antragstellerin wäre es auch keineswegs zuzumuten, sich von sich aus nach dem Stand der Reform bzw. ihren Inhalten aus dem "Internet" zu informieren, wie auch durchaus zweifelhaft ist, ob sie auf die aktuellen Wörterbücher verwiesen werden könnte. Denn insoweit dürfte zweifelhaft sein, ob diese die Reform tatsächlich richtig "deuten". Im (3.) Kommissionsbericht vom 15. Dezember 2001 ist dazu ausgeführt (S. 39), dass die Wörterbücher Unterschiede enthielten, die u.a. "auf unterschiedliche Auslegungen des amtlichen Regelwerkes zurückzuführen" seien; diese seien dann dadurch beseitigt worden, dass die Kommission "umstrittene Einzelfragen mit den Wörterbuchverlagen besprochen" habe, was "zur einvernehmlichen Interpretation der Regeln beigetragen" habe. Auch dieses ist von der Öffentlichkeit unbemerkt geschehen. Weil die abstrakten Regeln, die die (gelebte) Sprache in ein (starres) Korsett von Regeln zwingen, für die Reformer von entscheidender Bedeutung sind (aaO, S. 109), dürfte es danach keineswegs ausreichen, dass nach Anordnung des Antragsgegners auch weiterhin (wie bisher) "in Zweifelsfällen ... Wörterbücher zugrunde gelegt (werden sollen), die nach den Erklärungen des Verlages den aktuellen Stand der Regeln vollständig enthalten" (Nr. 5 des RdErl. MK vom 25.8.96, Nr. 3 des RdErl. MK vom 25.9.98, Nr. 3 des KMK-Beschlusses vom 2./3.6.05; Nr. 5 des RdErl. MK vom 21.7.05). Auch insoweit dürften damit Schwierigkeiten bestehen, die geänderten Schreibweisen als solche überhaupt zu erkennen.
Freilich sind Juristen keine Sprachwissenschaftler, und so überrascht es nicht, daß die Mängel in der landläufigen Beurteilung der Besonderheiten unserer Rechtschreibung sich auch in ihren Texten finden. Daß die Orthographie des Deutschen zwar strukturelle Gemeinsamkeiten mit der anderer Sprachen aufweist, darüber hinaus aber Sonderbereiche besitzt, die besonders problemträchtig sind, ist auch nach zehn Jahren Auseinandersetzung mit der Rechtschreibreform weitgehend unbekannt. Ähnliches gilt für das Verhältnis von Regel und Schreibung. Die Lüneburger Richter referieren zwar das resignierende Abschiedsurteil der Zwischenstaatlichen Kommission, in der Getrennt- und Zusammenschreibung sei jeder Versuch einer eindeutigen Regelung ein hoffnungloses Unterfangen, ziehen daraus aber nicht den Schluß, daß diese Binsenweiheit für die Rechtschreibung in toto gilt. Wie man "Esel" schreibt, hat man immer schon gewußt, dazu braucht man keine Kongresse, Konferenzen, Arbeitskreise, Kommissionen und Rechtschreibräte - und eben keine Regeln.
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Kommentar von Walter Lachenmann, verfaßt am 26.09.2005 um 18.09 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1864
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Das Börsenblatt nimmt und gibt zur Kenntnis:
Kommentar zum Aufreger der Woche
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Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 25.09.2005 um 17.51 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1861
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Sehr geehrter Herr Nemec, bitte nennen Sie ein Wörterbuch mit dem Eintrag "subsummieren" = "unter dem Strich zusammenzählen"
Außerdem bitte ich Sie um Beispiele für die weiterhin bestehende große Produktivität des Neulateinischen und Neugriechischen, wobei ich den Umweg über das Englische gern ausgeschlossen hätte.
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Kommentar von Pavel Nemec, verfaßt am 25.09.2005 um 14.50 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1860
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Neulatein ist weiterhin sehr produktiv: subsumieren: unterordnen (von sumere: nehmen); subsummieren: unter dem Strich zusammenzählen.
Auch Neugriechisch ist äußerst produktiv in neuen Wortbildungen.
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Kommentar von Tobias Bluhme, verfaßt am 25.09.2005 um 10.28 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1858
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Die Falschschreibung "Nummerus Clausus" in 10.200 Google-Treffern ist erschreckend, aber offenbar keine Reformerscheinung. Google findet nämlich einen "Abschlußbericht" zu einer "Untersuchung der Organisationsstrukturen der zentralen Verwaltungen der Universitäten in Baden- Württemberg" aus dem Jahr 1994, in dessen Abkürzungsverzeichnis angegeben wird: "NC Nummerus Clausus".
"Nummerus Clausus" findet sich auch in weiteren Google-Suchergebnissen, die ansonsten erkennbar klassisch geschrieben sind.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.09.2005 um 06.49 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1857
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Dudenredakteur Scholze-Stubenrecht hat sich in einem wissenschaftlichen Aufsatz (Sprachwissenschaft 2000) darüber beklagt, daß nicht klar ist, ob und wie die Reihe "Nummer - nummerieren" fortgesetzt werden soll. Das ist ja überall so mit den punktuellen Eindeutschungen und Etymologisierereien. Ans Englische angelehnt ist "enumerieren", das nun ebenfalls sehr oft mit mm vorkommt, ebenso wie der "Nummerus clausus" (bitte bei Google nachsehen!). Warum nicht "subsummieren" wg. "Summe"? Das wird doch schon oft so geschrieben.
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Kommentar von Martin Gerdes, verfaßt am 25.09.2005 um 01.39 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1856
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> Übrigens wurde abstrakt vorreformiert ab-strakt getrennt,
... auch schon in der Fraktur ...
> was - ausnahmsweise - schlechter ist als die Neuschreibung.
Ja.
> Ist bekannt, warum es dazu kam, daß abstrakt und abstrus
> mit langem s gesetzt wurden?
Vor einiger Zeit ist genau dieses Problem im Usenet aufgetaucht (de.etc.sprache.deutsch, recht viel Beteiligung und immer wieder interessant!). Dort hat keiner eine Lösung gewußt, obwohl dort einiger Sachverstand versammelt ist.
Ich habe daraufhin den "Bund für deutsche Sprache und Schrift" angeschrieben (www.bfds.de). Geantwortet hat mir die graue Eminenz des Bundes, der langjährige Vorsitzer Delbanco. Eine Erklärung hatte er auch nicht, er vermutete, die Schreibung dieser Wörter (abstrakt und abstrus) sei letztlich auf die Handhabung der Setzer zurückzuführen.
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Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 24.09.2005 um 23.41 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1855
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Ein bißchen mehr als die Kenntnis der Präfixe sollte es schon sein. Sonst kommt es zu so schönen Bildungen wie "Trialog", "triphibisch" u.a. (entnommen dem Fachsprachenbuch von Th. Ickler, "Die Disziplinierung der Sprache").
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Kommentar von Pavel Nemec, verfaßt am 24.09.2005 um 22.31 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1853
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Die lateinische Präposition lautet "a" oder "ab" oder "abs": von - her, von - an. Davon ab stammt das lateinische Präfix "ab-" oder "abs-": abs-tinere: ab-halten; abs-trahere: fort-schleppen; abs-trudere: weg-stoßen;
Bei der Entlehnung ins Deutsche als "abstinent", "abstrakt", "abstrus" hat man sich wohl an die angebliche Nichttrennbarkeit des deutschen "st" gehalten, und deswegen wurde in der Frakturschrift aus dem Schluß-s der lateinischen Vorsilbe "abs" das Lang-s des deutschen Silbenanfangs "st".
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Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 24.09.2005 um 21.14 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1852
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>Bei griechischen und lateinischen Wörtern genügt es völlig, sich die immer wiederkehrenden Vorsilben (Präfixe) zu merken, um richtig zu trennen.
Im Prinzip einfach. Aber: ant-agonist (i ist entfallen), sy-stem (n ist entfallen), abs-trakt (Fugen-s).
Übrigens wurde abstrakt vorreformiert ab-strakt getrennt, was - ausnahmsweise - schlechter ist als die Neuschreibung. Ist bekannt, warum es dazu kam, daß abstrakt und abstrus mit langem s gesetzt wurden?
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Kommentar von Pavel Nemec, verfaßt am 24.09.2005 um 20.39 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1851
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Bei griechischen und lateinischen Wörtern genügt es völlig, sich die immer wiederkehrenden Vorsilben (Präfixe) zu merken, um richtig zu trennen. Die zusammengesetzten Wörter muß man nicht alle lernen. Es ist das gleiche Baukastensystem wie bei deutschen Wörtern.
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Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 24.09.2005 um 19.16 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1850
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Da kann ich nur mit Herrn Wrase antworten: Man merkt sich einmal, wie ein Wort geschrieben wird, und damit hat sich´s. So auch bei "numerieren" und unzähligen anderen Fremdwörtern aus dem Lateinischen und Griechischen. Man braucht die alten Sprachen nicht zu beherrschen, um richtig zu schreiben. Es hilft allerdings bei der Trennung: Sym-ptom, Dia-gnose, Inter-esse usw. Die Reformer wollten die Fähigkeiten auf diesem Teilgebiet nicht mehr vom Bildungsgrad abhängig machen. Die Folge war eine ungeheure und gleichzeitig wurzelwidrige Vermehrung der Trennmöglichkeiten. Prof. Ickler hat zu Recht darauf hingewiesen, daß es viel lernökonomischer ist, sich ein Beispiel zu merken und dann daran anzuknüpfen.
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Kommentar von Pavel Nemec, verfaßt am 24.09.2005 um 17.45 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1849
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Ausgangspunkt war die Frage, ob jeder wissen muß, daß bisher "numerieren" von "Numerus" abgeleitet wurde, und daher das Wort "Numerus" kennen muß und daß neu "nummerieren" von "Nummer" abgeleitet werden soll. Man kann sich als Eselsbrücke höchstens merken, daß es keine neuen Bildungen von Verben aus rein deutschen Substantiven und dem Suffix "-ieren" mehr gibt. Aber Verbote gibt es bei der Wortbildung eigentlich nicht.
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Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 24.09.2005 um 09.58 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1848
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Deutsche Wortstämme und -ieren: Entscheidend ist nicht, ob und wieviele solcher Wörter es gibt, sondern ob dieses Wortbildungsmuster heute noch produktiv ist. Die Reformer sind hier wie in anderen Fällen mit ihrem Versuch einer Wiederbelebung eher rückschrittlich.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.09.2005 um 09.07 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1847
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Es gibt eine Handvoll Verben, die aus deutschen Stämmen und dem Fremdsuffix "-ieren" gebildet sind, ich habe sie selbst gesammelt. Bei "platzieren" ist triftiger, daß daraus die Neuschreibung "deplatziert" gebildet wird, denn das Präfix "de-" sträubt sich gegen deutsche Stämme viel entschiedener als das Suffix "-ieren". Interessant ist noch, daß es früher enorme Mengen solcher Verben auf "-ieren" gab, wie Emil Öhmann in seinen Suffixstudien gezeigt hat; sie sind aber fast alle wieder verschwunden.
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Kommentar von Pavel Nemec, verfaßt am 24.09.2005 um 08.49 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1846
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Von "rein deutschen" Substantiven mittels romanischer Endungen abgeleitete Verben: die Halbe: halbieren, das Haus: hausieren, der Hof: hofieren, der Gast: gastieren, das Glas: glasieren, der Grund: grundieren, der Schatten: schattieren, der Strich: strichlieren. Die Suche wird fortgesetzt.
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Kommentar von Norbert Schäbler, verfaßt am 23.09.2005 um 22.18 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1845
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"Alle Wege führen nach Rom"
Ich halte es für verfehlt, einen Königsweg für das Rechtschreiblernen anzupreisen, unabhängig davon, daß ich jedem Schreibenlernenden verstärktes Lesen empfehlen würde. Sinnentnahme verstärkt nämlich etwas, was man möglicherweise als die höchste aller Rechtschreibqualitäten bezeichnen kann: das Erinnern, Denken und Entscheiden.
Vielleicht laufen ja die letzten intuitiven Prozesse in einer Art Déjà-vu-Erlebnis ab.
Erklärtermaßen bin ich gegen eine Favorisierung des phonetischen Prinzips, weil es ganz einfach nicht der Ganzheitsmethode entspricht. Alle „Rechtschreibsinne" (vom Sehen bis zum Fühlen und Staunen) müssen geschult werden, damit später ein intuitives Schreiben ermöglicht wird, wobei sich jeder seinen Leitsinn selbst zurechtlegen kann.
Im übrigen sind Hören und Sprechen verlorengegangene Disziplinen.
Zum richtigen Hören gehören nämlich dreierlei: die Aufmerksamkeit des Hörwilligen, die Konzentration und Genauigkeit des Sprechenden sowie die Akzeptanz der potentiellen Störwilligen (sprich die Ruhe im Klassenzimmer).
Andererseits darf man sich fragen, warum in den Schulen heutzutage nicht mehr so viel Wert gelegt wird auf die Schulung der Sprechwerkzeuge: auf die Artikulierung eines hellen oder dunkel klingenden Vokals, auf Fühlproben, Gaumen-, Zungen- und Kehlkopfbewegung, Empfindungen im Hals-, Nasen- oder Ohren-Raum ...? Liegt es etwa an der Vorbildfunktion, am fehlenden Ganzkörpereinsatz des Lehrkörpers?
Das Unterrichten liegt im argen (oder besser im Argen). Die Gesamtschau und die Gleichberechtigung der verschiedenen Wege sind verlorengegangen, wofür nicht zuletzt wissenschaftlicher Futterneid und politische Inkompetenz verantwortlich sind.
Deshalb muß gerade die Phonetik aufhören mit ihren Teerarbeiten und dem mehrspurigen Ausbau des angeblich einzigen Zubringers zur ewigen Stadt, damit der Schreiber seinen eigenen Weg „nach Rom“ finden kann.
Ein Wort noch zum Kommentar von Prof. Jochems, der die Feinheiten spezieller Unterscheidungsschreibungen dem Volk nicht überstülpen will (Bsp.: „Im Trüben/trüben fischen.“). Als Lehrer geht es mir nicht um Begriffsbanalitäten, Rechthaberei, Normierung, Loyalität und Deutschtümelei, sondern ich möchte den Schülern meine Methoden erläutern, die mich dazu befähigten, die deutsche Sprache in Wort und Schrift zu erlernen.
Es wird mir doch niemand einen Strick daraus drehen dürfen, wenn ich die deutsche Sprache als majuskelreiche Sprache lehre? Das ist sie doch!
Den Strick jedoch haben die Kultusminister bereits gedreht, und es ist mir nicht mehr möglich, z.B. im Zusammenhang mit paarigen Begriffen, im Zusammenhang mit der Notation von Tageszeiten, im Zusammenhang mit der sog. Metaphorisierung, im Zusammenhang mit der Verwendung von Partizipien, im Zusammenhang mit Not, Leid, Acht und Schuld ... eine Lehrstunde mit besserem Deutsch zu erstellen.
Die Majuskel rächt sich mit Hilfe des langen Armes der Ministerialbürokratie an mir, und ich denke, daß ich das nicht verdient habe, weil ich sie – nebst anderen deutschsprachlichen Sonderheiten (sowie der ewigen Stadt) – liebe.
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Kommentar von Roger Herter (Schweiz), verfaßt am 23.09.2005 um 20.49 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1844
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Richtig. So findet sich etwa zur eben anhebenden Diskussion (Forum - Thema Schriftgeschichte) über das Stichwort "selbstständig" Erhellendes in Herrn Icklers Tagebucheintrag ("Putativgehorsam") vom 14.6.05.
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Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 23.09.2005 um 17.31 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1843
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Von deutschen Substantiven leiten sich, wie Prof. Ickler erläutert, in der Regel keine Verben auf -ieren ab. Ausnahme: grundieren. Das macht ja "platzieren" so fremdartig. Also: numerisch, numerieren beide von lat. numerus. - Überhaupt findet man zu vielem, was hier kontrovers diskutiert wird, in Icklers Schriften eine Antwort oder mindestens einen Hinweis. Als gründlicher Wissenschaftler hat er das meiste schon bedacht.
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Kommentar von Pavel Nemec, verfaßt am 23.09.2005 um 16.59 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1842
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Die polnische Rechtschreibung ist nicht rein phonetisch, man muß schon wissen, welche Wörter mit "rz" oder "z mit Punkt darüber" bzw mit "drz" oder mit "dz mit Punkt auf dem z" bzw mit "ch" oder mit"h" geschrieben werden. Diese Paare werden jeweils gleich ausgesprochen. Außerdem gilt es als korrekt, das "w" in Wörtern wie "krakowski" oder "pierwszy" und "pierwsi" nicht auszusprechen.
In anderen Ländern geht die Rechtschreibung viel stärker in die Muttersprachnote ein; z.B. besuchen viele tschechische Schüler Ferienkurse in Rechtschreibung, um ihre Tschechischnote zu verbessern.
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Kommentar von Pavel Nemec, verfaßt am 23.09.2005 um 15.27 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1841
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Eine Sekretärin hat es mir (vor 1996) mal so erklärt: "numerisch" kommt von lateinisch "numerus" und "nummeriern" von deutsch "Nummer". Egal wie man es ausspricht.
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Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 23.09.2005 um 13.02 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1840
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Von der richtigen Aussprache zum richtigen Schreiben? In der Schweiz spricht man bekanntlich Schweizerdeutsch, und die richtige Aussprache des "Schriftdeutschen" ist auch nur wenigen gegeben. Trotzdem sind die durchschnittlichen orthographischen Fähigkeiten der Eidgenossen bestimmt nicht geringer als im großen Nachbarkanton. Fazit: Das rechte Schreiben lernt man durch Lesen und Behalten des Richtigen. - Aber das hatten wir doch alles schon, das mit den Dialekten und Regionalfärbungen usw.
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Kommentar von R. M., verfaßt am 23.09.2005 um 12.48 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1839
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Die polnischen Schüler mußten also so viele Diktate schreiben, um ihre Aussprache zu schulen.
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Kommentar von Gabriele Ahrens, verfaßt am 23.09.2005 um 12.30 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1838
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Zum Fazit: Diese Prognose mag stimmen, die Konsequenz daraus nicht. Denn im Gegensatz zu den Parteien der Bundestagswahl haben wir uns freiwillig überhaupt keiner Wahl gestellt, weil keine Notwendigkeit dazu bestand. Deshalb müssen wir auch von keiner Palme hinabsteigen, die über ein Jahrhundert lang von den weitaus meisten Menschen noch nicht einmal als solche gesehen wurde.
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Kommentar von Helmut Jochems, verfaßt am 23.09.2005 um 12.18 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1837
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Stefan Stirnemann: "Wer Polnisch richtig ausspricht, schreibt auch richtig. So etwas könnte man sich für die deutsche Sprache nur wünschen." Das ist der Grundsatz der strengen "Phonetiker", die sich selber für logisch und folgerichtig halten.
Einer der schlimmsten Kollateralschäden im Lager der Kritiker der Rechtschreibreform ist der Verlust des genauen Lesens. Was helfen da die Differenzschreibungen, wenn die ganz schlichte Sinnentnahme nicht klappt. Also, zu meiner umstrittenen Äußerung: Die Grundlage des richtigen Schreibens ist die richtige Aussprache. Pavel Nemec stellt auf dieser Webseite gerade "numerisch" und "nummerieren" gegenüber - einmal langes, einmal kurzes "u". Wieder ein Fall für Friedrich Denk: "Man hört's doch!" Kleiner Schönheitsfehler: Pavel Nemec schreibt wie Gerhard Augst, beide denken sich etwas dabei.
Noch einmal: Die Grundlage des richtigen Schreibens ist die richtige Aussprache. Wenigstens darin sind sich Traditionalisten und Reformer einig. Im Polnischen benötigt man dazu ein besonders feines Gehör, denn alle Konsonanten kommen in zwei Versionen vor, "hart" (wie unsere) oder "weich" (extrem palatal). Die Schreibungen selbst haben die Jahrhunderte überdauert. Polygraphen wie "szcz", "trz" usw. stehen schon in den mittelalterlichen Texten. Die Einführung der diakritischen Zeichen in der tschechischen Reform von Jan Hus hat in Polen keinen Anklang gefunden. Dies alles klappt im Polnischen ohne Probleme.
Noch einmal: Wir machen es uns und unseren Mitschreibern unnötig schwer, wenn wir aus den Spielereien mit der Differenzschreibung in den Abteilungen GZS und GKS einen Kult machen. Warum ist "im trüben fischen" besonders leserfreundlich? Muß ein normaler deutscher Sprachteilhaber in dem Satz "Dieser Politiker liebt es, im trüben zu fischen" besonders darauf hingewiesen werden, daß es sich nicht um eine altertümliche Methode des Fischfangs handelt? In Wirklichkeit geht es hier um die schreckliche deutsche Pedanterie wie in "Schifffahrt" und "Brennnessel". In "Stillleben" benötigen die meisten Deutschen das dritte "l", da sie sich keinen Reim darauf machen können, wie das erste Kompositionsglied zu verstehen ist. Hier würde natürlich die richtige Aussprache helfen, aber ein Wort, das man nicht kennt, kann man nur mit Hilfe der Rechtschreibung richtig aussprechen.
Fazit: Der Rechtschreibstreit wird enden wie die unentschiedene Bundestagswahl: Alle müssen von ihren Palmen hinabsteigen.
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Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 23.09.2005 um 11.40 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1836
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> Hätten sich unsere Reformer diese Grundsätze zu eigen gemacht
Das wollte ich nicht bestreiten. Möglicherweise wäre die Lage bei unserem Thema in der BRD tatsächlich besser, wenn unser Gesetzgeber hätte Stellung nehmen müssen, können oder wollen.
Tatsächlich kann ich mir aber nicht vorstellen, daß ein Gesetz zum Schutz der Hochdeutschen Sprache eine gute Entwicklung wäre. Es müßte auch Bestimmungen zum Schutz der Minderheitensprachen Sorbisch und Nordfriesisch enthalten. Dann stellt sich die Frage, warum nicht auch das Saterfriesische etc.
Es wäre aber auch ein Schlag gegen die Volkssprachen Niederdeutsch (Platt) in seinen verschiedenen Ausprägungen (z.B. Ruhrpott-Deutsch, Westfälisch etc.), Bairisch und Alemannisch. Wie sieht es aus mit der Verantwortung für die Sprache in den nichtbundesdeutschen Ländern?
Übrigens, auch "das Elsässische verschwindt".
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Kommentar von Gabriele Ahrens, verfaßt am 23.09.2005 um 11.30 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1835
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Ich möchte noch hinzufügen, daß gegen den Beschluß des OVG Lüneburg, der den Eilantrag ablehnt, keine Revision zugelassen ist.
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Kommentar von Walter Lachenmann, verfaßt am 23.09.2005 um 11.18 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1834
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Aber Herr Glasreiniger! Hätten sich unsere Reformer diese Grundsätze zu eigen gemacht, hätten sie die Finger von der deutschen Rechtschreibung gelassen und sich ein anderes Betätigungsfeld gesucht. Ein Gesetz ist doch nichts grundsätzlich Schlechtes.
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Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 23.09.2005 um 10.36 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1833
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> Von so einem Sprachgesetz kann man in Deutschland nur träumen:
Albtraum?
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Kommentar von H. J., verfaßt am 23.09.2005 um 10.00 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1831
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Von so einem Sprachgesetz kann man in Deutschland nur träumen:
Das polnische Parlament beschließt:
- in Anbetracht dessen, daß die polnische Sprache ein Grundelement der nationalen Identität und ein Kulturgut ist,
- in Anbetracht der geschichtlichen Erfahrungen, als die Bekämpfung der Sprache durch Eroberer und Okkupanten ein Werkzeug der Entnationalisierung war,
- in Anerkennung der Notwendigkeit eines Schutzes der nationalen Identität im Globalisierungsprozeß,
- in Anerkennung, daß die polnische Kultur ein Bestandteil beim Bau des gemeinsamen kulturvielfältigen Europas ist und die Bewahrung dieser Kultur nur durch den Schutz der polnischen Sprache möglich ist,
- in Anerkennung dieses Schutzes als Pflicht für alle Organe und öffentliche Institutionen der Republik Polen und Schuldigkeit ihrer Bürger
dieses Gesetz.
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Kommentar von Gabriele Ahrens, verfaßt am 23.09.2005 um 09.13 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1830
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Vom Beschluß des OVG Lüneburg (genaugenommen sind es zwei; einer läßt die Berufung zu, der andere lehnt den Eilantrag ab) erfuhren wir telefonisch bzw. etwas später aus der Zeitung, und wir freuten uns und schöpften Hoffnung. Mittlerweile liegt uns der Text vor (er ist ja auch im Internet abrufbar), und alles scheint wieder offen. In der Begründung, mit der der Eilantrag abgelehnt wird, heißt es nämlich:
„Zwar wäre eine Eilbedürftigkeit durchaus gegeben, da in dem Berufungsverfahren 13 LB 303/05 kaum vor Ende der Schulzeit der Antragstellerin entschieden werden dürfte. Indessen meint der Senat, dass es der Antragstellerin durchaus zuzumuten sei, für den Rest ihrer Schulzeit die wegen der von ihr bevorzugten Schreibweise zu erwartenden Nachteile inkaufzunehmen.“
Das heißt, daß bis zum Ende von Josephines Schulzeit nicht mit einem Hauptsacheverfahren zu rechnen ist. Bis dahin sind es noch fast drei Jahre! Danach hat sich der Klagegegenstand von alleine erledigt. Eine so lange Verfahrenslaufzeit ist absolut ungewöhnlich, und ebenfalls, daß das Gericht diese jetzt schon prognostiziert. Wir müssen uns jetzt darüber Gedanken machen, wie wir in der Öffentlichkeit genügend Druck erzeugen können, um viel früher eine Entscheidung in der Hauptsache zu erwirken. So schön der Inhalt des Beschlusses auch in unseren Ohren klingen mag, bedeutet er faktisch gar nichts, weder für die Lehrer, noch für die Schüler, nicht einmal für Josephine, denn ihr ist es ja lt. Gericht zuzumuten, für den Rest ihrer Schulzeit Nachteile „inkaufzunehmen“. Der Beschluß besagt lediglich, daß die Richter wahrscheinlich auf unserer Seite wären, wenn sie denn entscheiden würden.
Und im Kultusministerium herrscht wieder eitel Sonnenschein.
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Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 23.09.2005 um 09.06 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1829
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Herr Prof. Jochems hat es langsam satt, das Thema Rechtschreibung und ihre Reform um- und umgewälzt zu sehen und möchte mit der schönen Unbekümmertheit des Alters (die ja Altersmilde nicht auszuschließen braucht) eine Radikallösung verwirklicht sehen. Doch die Verhältnisse - sie sind nicht so. Aber es ist trotzdem erfrischend, wenn mal einer auf den Tisch haut. Ich weiß nicht, ob die Spanier und Portugiesen weniger Rechtschreibfehler machen als die Deutschen. Von den Texten auch einfacher Franzosen und Schweizer Romands, die mir untergekommen sind, hatte ich immer den Eindruck großer Schreibsicherheit. Das liegt wohl am Pauken in der Schule. Und vielleicht auch an einem liebevolleren, respektvolleren Verhältnis zur Sprache, das man den Welschen nachsagt. - Ich finde, man sollte mal wieder das Augenmerk auf das Kapitel "Rechtschreibfehler, ihre Folgen und Möglichkeiten ihrer Vermeidung" richten. Denn die Reform hat doch hier angesetzt und war nicht in erster Linie an einer Verbesserung der deutschen Orthographie orientiert. Die sollte nur quasi als Zugabe abfallen.
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Kommentar von Stefan Stirnemann, verfaßt am 23.09.2005 um 08.01 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1828
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Rechtschreibfrieden
Herr Jochems bringt immer wieder überraschende Erkenntnisse vor. "Wer Polnisch richtig ausspricht, schreibt auch richtig. So etwas könnte man sich für die deutsche Sprache nur wünschen." Das ist der Grundsatz der strengen "Phonetiker", die sich selber für logisch und folgerichtig halten. Sie haben im 19. Jahrhundert Vereine gegründet, v und ph abschaffen und neue Zeichen einführen wollen, und die grosse Frage ist, warum sie bis heute in der Minderheit geblieben sind.
Der Rechtschreibfrieden wird einkehren, wenn die neuen Regeln weg sind. Das hat nichts mit progressiv oder konservativ oder weiteren gelehrten Fremdwörtern zu tun.
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Kommentar von R. M., verfaßt am 23.09.2005 um 03.54 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1827
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Zu den Fakten: Die polnische Orthographie ist nach Wiedererlangung der Staatlichkeit reformiert und amtlich festgeschrieben worden. Ihre Pflege obliegt einem Rat für polnische Sprache, der gemäß den Bestimmungen des Sprachgesetzes von 1999 einberufen worden ist. Man mag das freiheitlich und vorbildlich finden. ». . . zu meinen Zeiten (und vieler älterer Leser dieser Zeilen auch) war das Diktat die eigentliche Arbeit im Fach: polnische Sprache«, schreibt mit einem Hauch Nostalgie Miroslaw Nalezinski, der die Tätigkeit des Rates aufmerksam verfolgt. Näheres hier.
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Kommentar von Walter Lachenmann, verfaßt am 22.09.2005 um 23.52 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1826
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Börsenblatt Nr. 38/2005 vom 22. September 2005
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AUFREGER DER WOCHE
Verblüffend
Die Rechtschreibreform entwickelt sich zur Dauergroteske. Jüngster Streich der Reformgegner: Eine niedersächsische Schülerin will vor Gericht erstreiten, dass sie auch künftig die alte Orthografie verwenden darf. Bei der Vorinstanz unterlag sie, doch das Oberverwaltungsgericht Lüneburg ließ jetzt die Berufung zu – mit verblüffenden Argumenten: Den Schülern dürften nur Regeln beigebracht werden, die »der Schreibpraxis entsprächen«. Die »allgemeine Akzeptanz« der neuen, 2004 modifizierten Regeln sei aber zweifelhaft. Unzweifelhaft schütteln jetzt viele den Kopf.
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Kommentar:
Eine Schülerin kämpft um das Recht, keine Fehler angestrichen und Notenabzüge zu bekommen, wenn sie so schreibt, wie sie es in den Grundschuljahren gelernt hat. Sie möchte keine Regeln lernen, mit denen in der Öffentlichkeit widersprüchlich umgegangen wird, die also keine Akzeptanz haben, die unter Experten seit Jahren ohne absehbares Ende umstritten sind und in kurzen Zeitabständen immer wieder geändert werden. Wenn sie in der Orthographie schreibt, die sie in den Büchern ihrer Eltern oder ihren eigenen Jugendbüchern vorfindet, einer Orthographie, die Millionen deutscher Leser täglich als eine völlig unbestritten richtige in einem breiten Pressespektrum, von FAZ über WELT bis hin zum Massenblatt BILD, zu lesen bekommen, macht sie nach den Kriterien der Schule zahlreiche Rechtschreibfehler. Wenn sie Thomas Manns Buddenbrooks liest, begegnet sie dort nach den Maßgaben ihrer Schule über 8.000 Rechtschreibfehlern, entsprechend ist dies bei jeder Lektüre von Büchern der Fall, die älter als zehn Jahre sind. Und nicht anders ergeht es ihr auch heute noch bei zeitgenössischer Literatur aus den renommiertesten deutschen Literaturverlagen von Suhrkamp oder Klett/Cotta über Piper und Aufbau bis Diogenes, bei Autoren von Günter Grass oder Reiner Kunze, Uwe Timm, Sten Nadolny bis hin zu Nachwuchsschriftstellern wie Sven Regener oder Judith Herrmann.
Die Redaktion des »Börsenblatts« findet das Vorgehen der Schülerin nicht nur »verblüffend«, sondern stellt es in den Zusammenhang einer »Dauergroteske«, womit sie ja noch recht hätte, bezeichnet es aber als den »jüngsten Streich« der Reformgegner, gut für einen AUFREGER DER WOCHE, über den sie hofft, allgemeines zustimmendes Kopfschütteln ihrer Leser auslösen zu können. Hat dieselbe Redaktion doch noch vor einigen Monaten die Präsidentin der Kultusministerkonferenz Doris Ahnen zum KOPF DER WOCHE gekürt, weil diese – wie heroisch! – ihr Ministerkollegium, das ohnehin nichts anderes vorhatte, darauf einschwor, an der Rechtschreibreform, wie sie damals war, kein Jota zu ändern! Inzwischen hat sich gezeigt, daß daran weit mehr als ein Jota geändert werden muß, und nicht etwa wegen irgendwelcher gelungener Streiche ihrer Kritiker, sondern wegen ihrer eigenen Mangelhaftigkeit. Ein Ende der Reparaturen ist nicht abzusehen; die bundesweite Einführung jedenfalls ist nach zehn Jahren Probezeit immer noch nicht vollzogen, und die Ministerpräsidenten, die das für ihre Länder abgelehnt haben, sind nicht gerade für ihre Neigung zu Lausbubenstreichen bekannt. Toll Collect ist ein Bagatelldelikt gegen das, was hier seit Jahren passiert.
Daß das Thema Rechtschreibreform den meisten Menschen inzwischen so oder so zum Halse heraushängt, ist nur allzu verständlich. Nicht verständlich ist aber die Parteinahme der Redaktion des »Börsenblatts«, des Sprachrohrs der deutschen Verleger und Buchhändler, für die Rechtschreibreform und gegen deren Kritiker. Die Branche lebt von der Qualität der Werke ihrer besten Autoren. Diese haben in ihrer ganz überwiegenden Mehrheit, ebenso wie alle deutschen Akademien und zahlreiche Wissenschaftler, also die Bildungselite unseres Landes, gegen diese so offenkundig mißlungene Reform wiederholt protestiert und bleiben bei den herkömmlichen Schreibweisen, wofür ihnen jetzt jedes Schulmeisterlein Fehler anstreichen und schlechte Noten verpassen dürfte. Die Redaktion des »Börsenblatts« ergreift die Partei der Schulmeisterlein und derer Zulieferindustrie. Sie erlaubt sich den Luxus, sich öffentlich gegen die wohlbegründeten Interessen derer zu artikulieren, denen die von ihr repräsentierte Branche traditionsgemäß ihre wirtschaftliche Existenz verdankt: den besten Autoren in deutscher Sprache einerseits und den anspruchsvollsten Lesern andererseits.
Ein AUFREGER allerdings ist dieses peinliche Phänomen längst nicht mehr, ebensowenig reicht’s noch zum Kopfschütteln. Es ist halt so und paßt zur intellektuellen und kulturellen Gesamtsituation in unserem Lande.
(Leserbrief ans Börsenblatt, Abdruck ungewiß)
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Kommentar von Helmut Jochems, verfaßt am 22.09.2005 um 23.35 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1825
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Als in Polen in den achtziger Jahren der Notstand ausbrach, halfen viele Deutsche mit Lebensmittelpaketen und dergleichen. Ich habe damals zahlreiche Dankbriefe einfacher Polen für Freunde und Bekannte übersetzt und dabei eine verblüffende Feststellung gemacht: Orthographiefehler gab es so gut wie nicht, wohl war gelegentlich die Interpunktion abenteuerlich. Wer Polnisch richtig ausspricht, schreibt auch richtig. So etwas könnte man sich für die deutsche Sprache nur wünschen. In Spanien und in Portugal wird eine Rechtschreibung praktiziert, die die Nähe zur Ausgangssprache aufgegeben hat und ebenfalls kompromißlos phonetisch orientiert ist. Die französische und die englische Sprache operieren ausschließlich mit historischen Schreibungen, die den Lautstand des ausgehenden Mittelalters repräsentieren. Da man aber jedes Wort für sich lernt, bedeutet das keine wesentliche Erschwerung. Im Französischen gibt es zwar das Problem der Endkonsonanten und Endungen, die nicht ausgesprochen, aber geschrieben werden. Da hier jedoch - wie beim Heyseschen "ss" - viele Fälle von wenigen Regeln betroffen sind, geht das ebenfalls ohne Schwierigkeiten. Unser geist- wie klippenreiches Spiel oberhalb der Wortschreibungen, also differenzierendes Zusammen- oder Kleinschreiben, gibt es in keiner anderen mir geläufigen Sprache. Wenn ich in einer der genannten Sprachen etwas schreibe, benötige ich kein Rechtschreibwörterbuch; im Deutschen sieht das anders aus: "too much"/"too many", aber "zuviel"/"zu viele". Damit sollen unsere Schreibvirtuosen meinetwegen selig werden, nur dem Schreibvolk bleibe man damit vom Leibe. Die Spitzfindigkeiten in der GZS bzw. der GKS sind das Werk von Tüftlern. Menschen mit einer normalen Schulbildung und gebildeten Lektüregewohnheiten schreiben intuitiv richtig. Der Rechtschreibfriede kehrt in diesem Lande ein, wenn eines schönen Tages die ganze Sippschaft der ultraprogressiven wie ultrakonservativen Zwangsverwalter aufhört, sie daran zu hindern.
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Kommentar von Karl Eichholz, verfaßt am 22.09.2005 um 21.36 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1824
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Die offizielle Begründung zur Durchführung der Reform war ja,
sie solle den Schülern
1. das Lernen erleichtern
2. logischere Regeln vermitteln
3. die Fehlerqote senken
Daß
4. die Regeln nach Auffassung vieler Fachleute nicht vermittelbar sind
5. der Umfang der Regeln nicht ab- sondern zunahm (obwohl durch Umnumerierung weniger Regelpunkte anfallen)
6. die Fehler nach Auffassung vieler Fachleute, und auch dem bloßen Anschein nach, zu- statt abgenommen haben
7. zwingend notwendig die Kenntnis der Vor-Reformschreibung nötig ist, um die Reformschreibung zu beherrschen (ß-ss-Schreibung)
8. geschrieben wird, damit es jemand liest; daß also vorrangig der geschriebene Text leicht erfaßbar sein sollte
sollte nach einfachen wissenschaftlichen Maßstäben zu einem Abbruch des Experiments führen.
Wir leben nicht erst seit hundert Jahren in einem wissenschaftlichen Zeitalter.
Dennoch darf man sich darüber wundern, daß von offizieller Seite her nicht EIN Versuch unternommen wurde, das Experiment Rechtschreibreform zu messen: Ein Pflichtenheft zu erstellen, Maßstäbe anzulegen, nach ihnen zu vergleichen, Status vorher und nachher ins Verhältnis zu setzen, Erfolg oder Nichterfolg festzustellen.
Allein schon das Fehlen einer solchen Untersuchung bei einer Unternehmung, welche nach Schätzungen den Steuerzahler 50 Milliarden kostet, sollte dem Gericht ausreichender Grund sein, dem Begehren der Schülerin stattzugeben.
Es kommt ja schon unerwartet, daß das Gericht den einfachen und verblüffend vernünftigen Standpunkt vertritt, die Schule habe ihrem Bildungsauftrag gemäß die Pflicht, den Schüler auf das Leben vorzubereiten, und dürfe aus diesem Grunde nicht eine nur in der Schule gelehrte Schreibung, die aber in der übrigen Gesellschaft keine Akzeptanz findet, zum Maßstab machen und ausschließlich danach benoten.
Warum sollte das Gericht nicht auch fürderhin so vernünftig sein, daß es das Fehlen jeder wissenschaftlichen Untersuchung als alleinigen Tatbestand bemängelt und die Durchführung der Reform aus diesem Grunde untersagt?
Ich möchte der Familie Ahrens hiermit Mut machen, das Argument der Nichtwissenschaftlichkeit auch in die Waagschale zu werfen.
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Kommentar von R. M., verfaßt am 22.09.2005 um 21.35 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1823
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Von »einem demokratischen, befreiten Schreiben« haben die Nachbarvölker der Deutschen noch sehr wenig gehört. Vielleicht sollten sie mehr Jochems lesen.
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Kommentar von Helmut Jochems, verfaßt am 22.09.2005 um 20.45 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1822
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Soll der scheinreformierte Duden von 2005 das Wörterbuch fürs Volk sein, während Icklers "Normale Rechtschreibung" das Wörterbuch für die, wie auch immer definierte, "Elite" darstellt? Leeve Lück, laßt die Tassen im Schrank! Wie oft muß ich wiederholen, daß kratzbaums "Kernbestand des Richtigen" die Grundlage aller individuellen Rechtschreibkompetenzen ist, und daß dagegen die Randzonen der darüber ausgebreiteten urdeutschen Sonderbereiche (oder sollte ich lieber "Spielwiesen" sagen?) GZS und GKS dem geübten und dem professionellen Schreiber Möglichkeiten der Profilierung bieten, aber keineswegs dem deutschen Schreibvolk als verbindlich aufgebrummt werden dürfen.
Der Duden 2004 ist weder Fleisch noch Fisch. Alles in Schwarzdruck Erscheinende gehört zum "Kernbestand" des Richtigen", das meiste Rotgedruckte ist (zum Teil schon überholter) Reformerquatsch, einiges dagegen gehört ebenfalls zum Üblichen. Die Nagelprobe gelingt mit Professor Icklers "Normaler Rechtschreibung". Dies ist ein Wörterbuch, das den Ehrgeiz hat, sich überflüssig zu machen. Wer nämlich unter seiner Anleitung in Erfahrung bringt, was im Deutschen als üblich anzusehen ist, verliert die Angst, intuitives Schreiben führe ins Chaos. Die satirische Begründung des OVG-Beschlusses aus Lüneburg ist ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einem demokratischen, befreiten Schreiben, wie es bei unseren Nachbarvölkern seit eh und je üblich ist. Laßt uns doch vermeiden, daß wir so kurz vor dem Ziel in die schlimme Bevormundung von einst zurückfallen. Wir wollen endlich haben, was zivilisierte Völker ganz selbstverständlich ihr eigen nennen: eine vernünftige Rechtschreibung für jedermann.
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Kommentar von Pavel Nemec, verfaßt am 22.09.2005 um 19.16 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1821
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Gehörten vor 1996 die Sekretärinnen zur "Schreib-Elite"? Bevor es Rechtschreibprogramme gab, wußten sie besser als ihre Chefs (Abteilungsleiter und Direktoren) über die Rechtschreibregeln Bescheid. Sie konnten z.B. begründen und herleiten, warum es "numerisch", aber "nummerieren" hieß. Jeder Sachbearbeiter konnte sie um kompetenten Rechtschreibrat fragen.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.09.2005 um 17.54 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1820
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Naturgemäß stimmen Herr Jochems und ich vollkommen überein, wir heben nur mal dies und mal das ein bißchen hervor, weil sonst gerade nicht viel los ist.
Allen Bürgern etwas aufzudrücken ist sowieso umöglich, und für die Schulen, denen unser Herz gilt, findet sich von selbst die Auswahl, die noch zu bewältigen ist.
In der Beschlußvorlage zum vierten Bericht haben die Antschefs die geplante Ermächtigung der Kommission (Sie erinnern sich?) damit begründet, daß der Staat nur das formale Verfahren, aber nicht die Einzelheiten der Orthographie festlegen solle, denn das habe es zu Duden-Zeiten auch nicht gegegeben. Komischerweise war aber gerade dies: daß der Duden die Einzelheiten ausarbeitete, der Staat aber nur pauschal die Verbindlichkeit erklärte - der Stein des Anstoßes gewesen. Blüml und andere haben es immer wieder gesagt: nicht der Duden, sondern der Staat soll es machen. Und nun haben die paar Reformer und vor allem die Ministerialräte Krimm usw. die Reform gemacht, und siehe da, es war nicht gut. Und dann kam Anfang 2004 die Erleuchtung über die höheren Ministerialen, daß es vorher besser und beinahe vorbildlich gelaufen war und daß der Staat besser die Finger davon gelassen hätte. Besagte Finger wollte er nun zurückziehen, aber es hat nicht gleich geklappt, weil die Ermächtigung dieser Kommission dem Volk nicht zumutbar war. Und dann kam der unglückliche Einfall mit dem "Rat", der von seiner Zusammensetzung und Größe her niemals die Arbeit machen kann, die vorher die Dudenredaktion gemacht hat. Einige wenige im Rat arbeiten sich nun daran ab, manche wenigstens in ihrem Beruf, die anderen nebenbei, und werden es doch nicht so hinkriegen wie eine Wörterbuchredaktion. Und kosten soll es auch nichts, weil die Arbeitspferde ja selbst ein Interesse daran haben, daß ihre Muttersprache wieder in Ordnung kommt ...
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Kommentar von Karsten Bolz, verfaßt am 22.09.2005 um 17.45 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1819
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Lieber Herr Jochems, ich wußte doch, daß wir uns in der Sache einig sind: "Wir wollen endlich haben, was zivilisierte Völker ganz selbstverständlich ihr eigen nennen: eine vernünftige Rechtschreibung für jedermann."
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Kommentar von Karsten Bolz, verfaßt am 22.09.2005 um 17.35 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1818
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Lieber Herr Ickler: "Paradoxerweise muß man zur gelehrten Elite gehören, um die Reformschreibung zu beherrschen."
Unter dieser Prämisse unterschreibe ich den Satz "Die Kompetenz der Schreibelite darf nicht das Vorbild einer Rechtschreibung für alle sein." sofort! ;-)
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.09.2005 um 17.04 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1816
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Paradoxerweise muß man zur gelehrten Elite gehören, um die Reformschreibung zu beherrschen, während mein Wörterbuch die einfache, der Intuition und Gewohnheit entsprechende Allerweltsschreibweise dokumentiert. Wer kommt denn schon darauf, daß der Stengel mit der Stange verwandt ist? Wer kann auf Anhieb sagen, ob "zu Rande", "zu Liebe", "zu Leibe" usw. erlaubt sind? Oder "gutgelaunt"? Und dabei wollte doch auch die Neuregelung Vorbildfunktion für alle haben.
Veröffentlichte Texte werden immer zur höchsten Qualität hinstreben, das liegt in der Natur der Sache. Der Weg dahin wird für jeden ein bißchen anders aussehen, je nach Anteil der Übung, Leseerfahrung und des Nachschlagens.
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Kommentar von Norbert Schäbler, verfaßt am 22.09.2005 um 16.59 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1815
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"Kluftologie" - ":-)"
Wir wissen es ja schon lange, daß die Kluft zwischen „arm und reich“ immer größer wird, aber ob das auch für die Kluft zwischen „Arm und Reich“ gilt, wissen wir eben nicht. Die einen meinen „Ja“, die anderen sagen „Nein“, und das ist kluftverdächtig, wobei es sich um eine sog. Darstellungseinschätzungskluft handelt, die einen examinierten Grammatiker auf den Plan ruft.
Prüfmethoden eines Grammatikologen:
1. Die Artikelprobe: Bekannt ist in der lexikographischen Erfassung für den Begriff „Arm“ der maskuline Artikel „der“ (der Arm). Für den Begriff „Reich“ gilt die generelle Verwendung des sächlichen Begleiters: „das“ (das Reich).
2. Die Weglaßprobe: Bekannt ist, daß der Sprache ein ökonomisches Prinzip zueigen ist. Im vorliegenden Fall zeigt sich, daß konjugationsbedingt sogar der gleiche Artikel eingespart wird. Die der Weglaßprobe gegenläufige Wiedereinsetzprobe verdeutlicht diesen Sachverhalt: „Die Kluft zwischen dem Arm und dem Reich wird immer größer.“
3. Die Ersatzprobe: Bekannt ist, daß die deutsche Sprache (nebst Lehn- und Fremdwörtern) über eine genügende Anzahl von Begriffen verfügt, wobei es dem Schreiber obliegt, für Klarheit, Treffgenauig- und Sinnhaftigkeit zu sorgen. Nachfolgende im Satz eingebrachte Ersatzmöglichkeiten halten den oben formulierten Kriterien stand: „Die Kluft zwischen Armen und Reichen wird größer.“ „Die Längendifferenz von Arm und Bein ist nachmeßbar.“
4. Die Metaphorisierung: Bekannt ist, daß es einen Unterschied gibt zwischen Konkretem, Semikonkretem und Abstraktem. Das Gegenständliche (T. Ickler brachte den Terminus „Wovon die Rede ist“ ins Spiel) ist groß zu schreiben! Das Abstrahierte unterliegt folglich der Kleinschreibung. Fragen zum Satz: „Ist der Arm gemeint? Ist das Reich involviert?“
5. Die Unterscheidungsschreibung: Bekannt ist, daß sich die deutsche Sprache sehr gut eignet, Unterscheidungen durch unterschiedliche Darstellungen zu verdeutlichen. Sie erreicht dies durch Darstellungsdifferenzierung ähnlich klingender Laute (Lärche, Lerche), durch Verwendung von Versalien (liebe Genossen, Liebe genossen), durch Offenlassung von Dehnungs- und Schärfungskomponenten (Wal, Wahl, Wall/Küste, küßte) und durch Schematisierung (Maße, Masse). Differenzierungsmöglichkeiten sollten nicht durch neu zugelassene Varianten verwischt werden? Die Darstellungsform: „Die Kluft zwischen Arm und Reich wird größer“ entpuppt sich als eine den Anforderungen nicht gerecht werdende Darstellungsalternative.
Ein Wort noch zur „Kluftologie“:
Diese neu zu gründende Wissenschaft geht davon aus, daß es seit Menschengedenken Unterschiede und Klüfte gibt. Sie erkennt z.B. an, daß es Berge gibt, die nur deshalb als solche wirken, weil auf der anderen Seite Täler sind.
Niemals würde ein Kluftologe dazu beitragen, das Tal aufzufüllen, damit es Bergesniveau erreicht.
Andererseits bekämpft ein Kluftologe mit all seinem beruflichen Ethos jeden Talbewohner,
der vorgibt, geostrategisch 8888 Meter über NN (Normalnull) zu erreichen.
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Kommentar von Karsten Bolz, verfaßt am 22.09.2005 um 16.07 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1814
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"Die Kompetenz der Schreibelite darf nicht das Vorbild einer Rechtschreibung für alle sein."
Lieber Herr Jochems, diesen Ihren Satz kann ich nicht verstehen. Wen verstehen Sie unter dem Oberbegriff "Schreibelite", die nicht das Vorbild einer Rechtschreibung für alle sein darf. Ist nicht auch in der Rechtschreibung das Bessere der Feind des Guten? Egal ob ich Rechtschreibung lediglich als Handwerk auffasse, welches jemand schlechter oder besser oder eben gar meisterlich beherrschen kann, oder als eine Kunst - mir persönlich gefällt der Begriff Handwerk schon besser -, Maßstab muß doch die bestmögliche Beherrschung der Materie sein. Ziel kann es doch nicht sein, eine egalitäre Rechtschreibung für das niedere Volk (im Übrigen / Allgemeinen / Wesentlichen, morgen Mittag / Abend / Früh, das schwarze Brett usw., belämmerte Gämsen, es tut mir Leid, die Firma geht Pleite...) zu schaffen und nur einer "Schreibelite" eine "normale", d. h. Syntax, Semantik und Bedeutung berücksichtigende, Rechtschreibung zuzubilligen.
Soll der scheinreformierte Duden von 2005 das Wörterbuch fürs Volk sein, während Icklers "Normale Rechtschreibung" das Wörterbuch für die, wie auch immer definierte, "Elite" darstellt?
Wenn die Kenntnis der Fieseligkeiten des alten Duden, deren Existenz und Überflüssigkeit von den Reformgegnern niemals geleugnet wurde - Herr Ickler hat mit seinem Rechtschreibwörterbuch gezeigt, daß es auch ohne sie geht -, die "Kompetenz der Schreibelite" ausmachte, dann würde ich Ihren Satz auch unterschreiben. Allerdings bleibt er, so wie er dort steht, für mich nicht nachvollziehbar.
Nebenbei bemerkt bilde ich mir ein, weit entfernt von Hegel, Heidegger, Kant, Kestner usw., ein einigermaßen verständliches Schriftdeutsch produzieren zu können, und ich fühle mich dabei kein bißchen "elitär". Möglicherweise habe ich aber auch diesen Begriff "Schreibelite" anders aufgefaßt, als es Ihre Intention war, und wir sind uns in der Sache doch wieder recht nahe.
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Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 22.09.2005 um 15.26 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1813
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H. Jochems: Die Kompetenz der Schreibelite darf nicht das Vorbild einer Rechtschreibung für alle sein.
Warum denn nicht? Ein Vorbild kann sie doch sein, solange sie kein verpflichtender Maßstab ist.
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Kommentar von Helmut Jochems, verfaßt am 22.09.2005 um 14.09 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1812
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Professor Ickler: Man könnte überlegen, ob das richtige Schreiben eine Kunst ist. Dann wäre Virtuosentum möglich. Aber in weiten Bereichen scheint das unmöglich, denn richtiger als richtig kann man die Wörter nicht schreiben. Das führt zu unserer kürzlichen Diskussion zurück. Wie Einzelwörter im Deutschen geschrieben werden, liegt seit spätestens 1901 fest. Die Reformer haben nur in einigen wenigen Fällen gegen den Konsens verstoßen, wenn man akzeptiert, daß die Heysesche s-Regel eigentlich typographisch gemeint ist. Mit Fremdwörtern sind die Deutschen dagegen immer schon leichtfertig umgegangen. In Teil A der Neuregelung wäre die Normalität folglich sehr leicht wiederherzustellen. Problematisch waren und bleiben die Bereiche Getrennt- und Zusammenschreibung sowie Groß- und Kleinschreibung. Hier laufen weiterhin Entwicklungen ab, die dafür sorgen, daß Einheitlichkeit nur durch willkürliche Entscheidungen herstellbar ist, wobei die amtlichen Regulierer selbst vor kontraintuitiven Festlegungen nicht zurückschrecken (Duden: "jung und alt", "den Weg frei machen"; Reform: "im Übrigen", "fertig stellen"). Andererseits haben kreative Schreiber lediglich in den beiden unfesten Bereichen die Möglichkeit, ihre Aussageabsicht durch Abweichung von der vorherrschenden Schreibung zu präzisieren. Ohne die Anerkennung dieser hierarchischen Struktur der deutschen Rechtschreibung ist die Lösung des gegenwärtigen Dilemmas nicht zu erreichen. Die Kompetenz der Schreibelite darf nicht das Vorbild einer Rechtschreibung für alle sein.
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Kommentar von Pavel Nemec, verfaßt am 22.09.2005 um 13.33 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1811
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Wer die Rechtschreibung und die Grammatik richtig und in vollem Umfang beherrscht, den möchte ich mit einem Handwerksmeister vergleichen. Der muß alle technischen Möglichkeiten seines Fachgebietes kennen und fachgerecht anwenden. Stilistische Feinheiten und Variationen gehen dagegen schon in Richtung künstlerische Tätigkeit.
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Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 22.09.2005 um 10.39 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1810
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So ein kleines bißchen "potenzieller" Kunstfertigkeit möchte ich dem Rechtschreiber doch zubilligen. Sie zeigt sich in der Fähigkeit zur Wahl zwischen "gut" und "besser", womit eine Weiterentwicklung einhergehen kann, die schließlich wiederum zur Technik der anderen werden kann. Frau Pfeiffer-Stolz sieht es ja ähnlich. Vielleicht könnte man an das Phrasieren beim Klavierspiel denken, das zwar noch keine hinreichende, aber doch eine notwendige Bedingung des Virtuosentums ist.
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Kommentar von Karin Pfeiffer-Stolz, verfaßt am 22.09.2005 um 09.40 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1809
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Sehr gut, lieber Herr Ickler: Rechtschreibung ist ein Handwerk.
Das Handwerkliche wird heute in allen Bereichen der Pädagogik sträftlich vernachlässigt und völlig unterschätzt, während die Kreativität (oder was fälschlich dafür gehalten wird) als höchstes aller Lernziele gilt. Echte Kreativität aber ist nur auf der Basis von Handwerklichkeit möglich: das Neuzusammensetzen von bereits vorhandenen Mosaiksteinen, die der Kreative kennt.
Ein Mensch, der sich das erstemal ans Klavier setzt und klimpert, ist nicht kreativ. Ein Kind, das Sprache niederschreibt, wie es diese hört und sich nach seinem unverbildeten Verständnis zusammenreimt (Reichen-Lese- und Schreiblernmethode), ist nicht kreativ.
Kreativ ist der Schriftsteller, der virtuos mit der Sprache umgeht und "unterhört" falsch schreiben kann, wie zum Beispiel Ernst Jandl. Und das haben die Reformfreunde nicht begriffen: daß ein schriftkreativer Mensch die Grundlagen der allgemeinen Rechtschreibung zuerst beherrschen muß, ehe er in der Lage ist, diese Basis zu verlassen - scheinbar zu verlassen. Nur der Meister darf die Form zerschlagen.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.09.2005 um 05.31 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1808
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Man könnte überlegen, ob das richtige Schreiben eine Kunst ist. Dann wäre Virtuosentum möglich. Aber in weiten Bereichen scheint das unmöglich, denn richtiger als richtig kann man die Wörter nicht schreiben. Sogar bei der Zeichensetzung ist Virtuosentum nur sehr begrenzt denkbar. Schließlich muß der Leser sich etwas dabei denken können, und wenn der Schreiber gar zu originell interpungiert, dann geht das eben nicht mehr.
Also ist das Rechtschreiben im großen und ganzen eben doch keine Kunst, sondern eine Technik, die man irgendwann beherrscht, und damit basta. Normalerweise bleibt noch der Griff zum Wörterbuch oder zum Rechtschreibprogramm, aber das sieht man dem fertigen Text nicht an.
Anders gesagt: Die Rechtschreibung ist dem Menschen zumutbar.
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Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 22.09.2005 um 01.27 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1807
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P. Nemec: 1.) Herrn Wagner gebührt großer Dank dafür, daß er den ausführlichen Entscheidungstext im Internet zugänglich gemacht hat.
Vielen Dank, aber ich habe den Text lediglich über die Suchfunktion der OVG-Datenbank ausfindig gemacht und die entsprechende WWW-Adresse hier angegeben; dazu gehört nicht viel.
Selber habe ich nur wenige Dokumente ins Netz gestellt; siehe dazu unter www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=198#824 die "www.ifto.uni-jena.de"-Verweise. Hinzu kommen ein aus den "Sehstörungen" (alt [Frankfurter Buchmesse 2001]: www.vrs-ev.de/Sehstoe.pdf; neu [Frankfurter Buchmesse 2004]: www.oreos.de/pdf/Sehst04.pdf) elektronisch herauspräparierter Ausschnitt, der die Ergebnisse der ersten Marx-Studie zeigt (www.ifto.uni-jena.de/~jmartin/ausschnitt_marxstudie.png), PDF-Fassungen des (bereits in den Tiefen des Archives verschwundenen; siehe www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=141#53) von Herrn Ickler kommentierten SPIEGEL-Interviews mit Frau Ahnen ("Nein, das gebe ich nicht zu"; www.ifto.uni-jena.de/~jmartin/Spiegel_Ahnen_Ickler.pdf und www.ifto.uni-jena.de/~jmartin/Spiegel_Ahnen_Ickler-2auf1.pdf) sowie meine Verweiseseite www.ifto.uni-jena.de/~jmartin/rsr-webseiten.html (nicht ganz aktuell; der kommentierende Text am Ende der Seite ist auch schon älteren Datums).
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Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 21.09.2005 um 22.35 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1806
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Die dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zugrundeliegende Akzeptanzprognose ist strukturell totalitär. Das Grundmuster der Argumentation findet sich in der Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie von Marx (jedenfalls wenn man sich die Mühe sparen will, bei Hegel selbst nach der Matrix zu suchen). In den einschlägigen Texten oszilliert der Begriff der "Notwendigkeit". Wenn zum Beispiel der Kapitalismus eine zum Untergang verurteilte Gesellschaftsformation ist, legitimiert das den Adepten der entsprechenden Theorie dazu, dieses Urteil zu exekutieren. Es handelt sich hier um eine Legitimität des fait accomplit. Dergleichen erinnert immer wieder an den Witz von dem Mann, der eine alte Frau die Treppe hinunterwirft und ihr dann noch ein "Nicht so hastig, Oma!" nachruft.
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Kommentar von Pavel Nemec, verfaßt am 21.09.2005 um 19.27 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1805
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1.) Herrn Wagner gebührt großer Dank dafür, daß er den ausführlichen Entscheidungstext im Internet zugänglich gemacht hat.
2.) Das Gymnasium soll eigentlich die für die Aufnahme eines Universitätsstudiums benötigten Kenntnisse und Fertigkeiten vermitteln.
Es ist mir nicht bekannt, daß die Universitäten ihre Eingangsanforderungen herabgesetzt hätten, vielmehr sind immer wieder Klagen zu vernehmen, daß es den Abiturienten an der Studierfähigkeit mangele. Als es noch möglich war, in der Kollegstufe Mathematik abzuwählen, mußten an den Universitäten Vor- und Nachhilfekurse in Mathematik eingerichtet werden, damit die Studienanfänger dem Vorlesungsstoff folgen konnten. Eine Herabsetzung der gymnasialen Anforderungen würde Vorsemester nötig machen, die wiederum das Studium verlängern würden, jedenfalls für einen Teil der Studenten. Dadurch würde die jetzt erfolgte Verkürzung der Gymnasialjahre in der Praxis wieder aufgehoben. Eine Absenkung des gymnasialen Ausbildungsniveaus ist daher nicht sinnvoll.
3.) Herausragende Begabungen sollten nicht gebremst, sondern gefördert werden. Andernfalls wandern solche Schüler zu sogenannten "Eliteschulen" ab, wodurch das Niveau der "normalen" Schulen gemindert wird.
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Kommentar von Hans-Jürgen Martin, verfaßt am 21.09.2005 um 17.23 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1804
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Das Urteil zeigt die Absurdität der immer wieder zitierten "Prärogative" des Kultusministeriums auf, die Durchsetzung einer (nur für die Schulen verbindlichen) Schreibnorm zu prognostizieren, die in der außerschulischen Gesellschaft nur durch die zwangsreformierte Schulschreibung selbst überhaupt eine Chance hat: Ohne "Rechtschreibreform" an den Schulen würde bis heute vermutlich keine Zeitung "viel versprechende", "Tipps" und andere "Missstände" schreiben. Die Schulschreibung soll also an etwas angepaßt werden, was sie selbst erst erzeugen soll - also reflexiv an sich selbst. Das Urteil ist insofern eine späte Ehrenrettung der deutschen Justiz, die hoffentlich Wirkung zeigt.
Ein kleines Beispiel mit aktuellem Hintergrund verdeutlicht diese Absurdität politisch-bürokratischen Denkens: Man stelle sich vor, die Bundesregierung würde Wahlen zum vorgesehenen Termin absagen mit der Begründung, es gehe wahrscheinlich eh keiner hin. Am Abend des ursprünglichen Wahltermins kann die Regierung dann zufrieden feststellen, daß sie recht hatte: Es hat tatsächlich keiner gewählt ...
Die Durchsetzung der Schlechtschreibreform in der außerschulischen Öffentlichkeit ist zum Glück ungleich schwieriger ...
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Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 21.09.2005 um 16.53 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1803
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> Die Darstellung des OVG enthält eine problematische Argumentation (aus dem früheren Urteil). Ist es wirklich ein Recht der Begabteren, sich vor anderen auszeichnen zu können, und ist die Rechtschreibung der geeignete Gegenstand?
Problematisch ist es in der Tat. Gleichwohl gilt "pursuit of happiness" seit langem als Menschenrecht. Kann ein Mensch, der seine Begabung erkennt, glücklich werden, wenn diese planmäßig unterdrückt wird? Daß es ein Recht gibt, sich vor anderen auszuzeichnen, kann auch aus demokratietheoretischen Gründen nicht bestritten werden. Anderenfalls dürfte man keinesfalls Wahlen zulassen.
Im Prinzip ist die Rechtschreibung sicherlich nicht der dringendste Gegenstand des Selbstbewußtseins. Ein sprachlich begabter Mensch wird trotzdem den Zwang zu grammatikwidrigen Schreibweisen als widerlich empfinden.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.09.2005 um 16.16 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1802
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Die Darstellung des OVG enthält eine problematische Argumentation (aus dem früheren Urteil). Ist es wirklich ein Recht der Begabteren, sich vor anderen auszeichnen zu können, und ist die Rechtschreibung der geeignete Gegenstand? Diese Hervorhebung der Selektionsfunktion des Gymnasiums und besonders der Rechtschreibung paßt genau zu den ideologischen Argumenten, die 1973 gegen die Rechtschreibnorm und für die Reform angeführt wurden. Man fühlt sich an Thomas v. Aquin erinnert, der meinte, die Auserwählten müßten im Jenseits freien Ausblick auf die Verdammten in ihren Höllenqualen haben, damit ihnen auch wirklich nichts zur vollkommenen Seligkeit fehle. Den Begabten entgeht aber doch nichts, wenn ihnen der Genuß versagt wird, andere an der Rechtschreibnorm scheitern zu sehen.
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Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 21.09.2005 um 14.45 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1801
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Man muß zwischen Berufung und Revision unterscheiden. Das OVG ist als Berufungsinstanz gegen Urteile des VG zweite Tatsacheninstanz und prüft das erstinstanzliche Urteil in vollem Umfang. Revisionsgericht ist das BVerwG. Im Revisionsverfahren werden nur noch Rechtsfragen geprüft, nicht dagegen Tatsachenfragen. Die Revision kann nur auf die Verletzung von Bundesrecht oder einer dem Bundesrecht entsprechenden Vorschrift des landesrechtlichen Vewaltungsverfahrensgesetzes gestützt werden. Obwohl das Schulrecht also Ländersache ist, kann also durchaus auch das BVerwG zum Zuge kommen.
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Kommentar von Dr. Konrad Schultz, verfaßt am 21.09.2005 um 14.00 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1800
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an Pavel Nemec:
Das Bundesverwaltungsgericht müßte sich wohl für unzuständig erklären, weil die Sache Landesrecht betrifft.
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Kommentar von Pavel Nemec, verfaßt am 21.09.2005 um 13.16 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1799
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Angenommen, Kläger in anderen Bundesländern würden sich ermutigt fühlen, vor ihren Oberverwaltungsgerichten zu klagen und diese würden zu unterschiedlichen Urteilen kommen. Dann müßte das Bundesverwaltungsgericht angerufen werden.
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Kommentar von Sigmar Salzburg, verfaßt am 21.09.2005 um 12.19 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1798
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Das Niedersächsische OVG hat gründlich gelesen. In seiner Entscheidung wird der Logikfehler des Schleswig-Holsteinischen OVG, den das Bundesverfassungsgericht zustimmend zitiert hat, endlich deutlich als „denkgesetzlich unmöglich“ bezeichnet:
Auch das Bundesverfassungsgericht ist in seinem Rechtschreiburteil vom 14. Juli 1998 davon ausgegangen (BVerfGE 98, 218/255), wenngleich auf unzutreffender Grundlage (aaO S. 250/251), nämlich auf der Grundlage der Aussage des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts, mit der Unterweisung der Reformschreibung werde der Deutschunterricht einer „mit Wirkung für die Zukunft normierten Sprachänderung angepasst“ (was denkgesetzlich unmöglich ist, Roth, aaO, S. 260), und der Prognose, die reformierte Rechtschreibung werde sich künftig durchsetzen (Beschl. v. 13.8.97, 3 M 17/97, DVBl. 1997, S. 1193).
Der Text der Entscheidung selbst demonstriert die Schwierigkeit, mit der faktischen Regel der Reformschreibung „Großschreibung bei Verdacht auf Substantivierung“ zurechtzukommen: „– ein Problem, das im Hinblick auf Fremdsprachen ohnehin Gang und Gäbe sei.
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Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 21.09.2005 um 10.24 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1797
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An rrbth: Ich vermute, daß Sie beamteter Lehrer sind. Das Gerichtsurteil, wenn es denn kommen sollte, betrifft Sie nur mittelbar. Keinesfalls handeln Sie unrechtmäßig, wenn Sie reformierte Rechtschreibung unterrichten - weder vor noch nach einem Urteil. Und sich Ihrem Dienstherrn widersetzen dürfen Sie schon gar nicht. Dies könnte allenfalls anläßlich der Verpflichtung zu einer in Ihren Augen strafbaren Handlung geschehen. Bei allen anderen dienstlichen Anordnungen haben sie allerdings das Recht und sogar die Pflicht zur "Remonstration", d. h. sie müssen dem Dienstherrn Ihre rechtlichen Bedenken vortragen. Im Fall der Reformschreibung kann davon keine Rede sein, da hier ja kein Gesetz verletzt wird. Sie können also nur inhaltlich argumentieren und Ihre Auffassung aufgrund Ihrer pädagogischen Freiheit auch den Schülern deutlich machen. Möglicherweise setzen Sie sich damit einem Druck von oben aus. Ihr Lehrergewissen und Ihre Standhaftigkeit sind also gefragt.
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Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 21.09.2005 um 09.46 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1796
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> Meinetwegen, die Antragstellerin wird wenig beeinträchtigt. Und alle anderen?
So ist es bei Gericht. Es wird immer nur über die konkrete Klage entschieden. Für "alle anderen" ist die Gesetzgebung verantwortlich. Daß es immer noch nicht gelungen ist, die Gesetzgebung in die Pflicht zu nehmen, ist das Problem. Der Staat handelt in diesem Fall ohne gesetzliche Grundlage, indem er wahrheitswidrig behauptet, er handele ja gar nicht. Diese Fiktion ist dann die Grundlage dafür, daß die Rechtschreibung zum Gegenstand von Erlassen, aber nicht von Gesetzen werden konnte.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.09.2005 um 08.23 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1795
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Die Eindeutschung der Textilie bzw. des Pfannkuchens zu "Krepp" scheint etwas weltfremd zu sein. In keinem Wörterbuch habe ich bisher ausdrücklich "Krepp de Chine" bzw. "Krepp Suzette" gefunden. Zu letzterem hatte ich schon vor Jahren geschrieben, daß man dies wohl vermeide, weil der erste Teil zu sehr an Klopapier erinnert; erst der zweite klingt appetitlicher. Auch der neueste Wahrig hat hier eine auffällige Lücke.
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Kommentar von R. M., verfaßt am 21.09.2005 um 00.06 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1794
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Für die Begründung seiner Entscheidung in der Hauptsache sollte das OVG Lüneburg seine Beispielwörter noch einmal kritisch durchsehen (Crepp, Clipp sind keine reformgemäßen Schreibungen) und einen Blick in das Verlagsprogramm von G. Narr in Tübingen werfen (dort ist zwischenzeitlich das Werk Deutsche Rechtschreibung: Regeln und Wörterverzeichnis. Amtliche Regelung, hrsg. von der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung, erschienen).
Daß nach Anordnung des Antragsgegners, also des Niedersächsischen Kultusministeriums, »in Zweifelsfällen ... Wörterbücher zugrunde gelegt [werden sollen], die nach den Erklärungen des Verlages den aktuellen Stand der Regeln vollständig enthalten«, könnte als Schwachpunkt seiner Argumentation und Vorgehensweise noch stärker herausgestellt werden. Hier mangelt es offensichtlich an der Bereitschaft, die Schulen zur Einziehung der mittlerweile veralteten Wörterbücher aufzufordern und die jüngste Generation der Wörterbücher fachlich zu prüfen.
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Kommentar von rrbth, verfaßt am 20.09.2005 um 23.15 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1792
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Zum Aktenzeichen „13 MC 214/05“ gibt die Niedersächsische Rechtsprechungsdatenbank den ausführlichen Entscheidungstext her ...
Servus,
ich hab ja so meine Schwierigkeiten, das Juristische in juristischen Texten zu verstehen. Kann mir dabei jemand helfen?
Setze ich mich ins Unrecht, wenn ich als Lehrer Reformschreibung unterrichte, ohne darauf hinzuweisen, daß sie „unüblich“ und damit eigentlich (noch) falsch ist? Darf ich damit (eigentlich) überhaupt noch Reformrechtschreibung unterrichten?? Muß ich mich meinem Dienstherren widersetzen???
Hier steht also u.a.:
»[...] Das „Anpassen“ des Rechtschreibunterrichtes an (angebliche) künftige Schreibweisen bedeutet nichts anderes, als dass – allenfalls – künftig geübte Schreibweisen unterrichtet werden, also nicht aktuell übliche, womit – jedenfalls zunächst – (fälschlich) etwas „Unrichtiges“ unterrichtet wird, weil ein entsprechender Wandel definitionsgemäß erst noch erwartet wird. [...]
Zwingende Folge dieser rechtlichen Ausgangslage ist indessen, dass die Schule künstlich veränderte (unübliche) Rechtschreibungen nicht (als allein verbindlich) vermitteln darf, was auf der anderen Seite bedeutet, dass sie (weiterhin) übliche allgemeingebräuchliche Schreibweisen nicht ignorieren, geschweige denn, weil im Sinne einer Reform unerwünscht, als „falsch“ behandeln darf. Zwar dürften in der Schule – zusätzlich – auch solche Schreibweisen behandelt (unterrichtet) werden, die reformerischen Wünschen entsprechen. Diese dürfen jedoch solange nicht als „richtig“ deklariert werden, wie sie sich (noch) nicht im allgemeinen Schreibgebrauch durchgesetzt haben, d.h. allgemein akzeptiert worden sind. [...]
Nach Überzeugung des Senats dürfte die Antragstellerin aufgrund ihres Werdeganges, der fraglos auch durch die Gegnerschaft ihrer Eltern gegenüber der Rechtschreibreform bestimmt ist, „Manns genug“ sein, die Kritik an ihrer (richtigen) Schreibweise durch Lehrer, die die geltende Rechtschreibung nicht mehr dulden dürfen, zu ertragen. [...]
Insgesamt ist danach davon auszugehen, dass die Antragstellerin durch die von ihr bevorzugte (richtige) Schreibweise und Zeichensetzung so wenig beeinträchtigt wird, dass der dieses verhindernde Erlass einer einstweiligen Anordnung entbehrlich erscheint. Ihr diesbezüglicher Antrag ist deshalb abzulehnen.«
Und:
Meinetwegen, die Antragstellerin wird wenig beeinträchtigt. Und alle anderen?
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Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 20.09.2005 um 22.06 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1791
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Höchst bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, worauf Frau Ahrens an anderer Stelle hinwies: »Es wird derselbe Senat, der jetzt die Berufung zugelassen hat, auch in der Hauptsache entscheiden.«
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Kommentar von R. M., verfaßt am 20.09.2005 um 18.52 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1790
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Tatsächlich scheint es sich hier – im Hinblick auf den Argumentationsaufwand – um ein vorweggenommenes Urteil zu handeln.
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Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 20.09.2005 um 14.40 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1789
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Zum Aktenzeichen „13 MC 214/05“ gibt die Niedersächsische Rechtsprechungsdatenbank den ausführlichen Entscheidungstext her (»Leitsatz: Herkömmliche Schreibweisen dürfen im Schulunterricht solange nicht als "falsch" bezeichnet werden, wie sich reformierte Schreibweisen nicht allgemein durchgesetzt haben.« – Man beachte die Wortwahl: „herkömmliche“ vs. „reformierte“ Schreibweisen; diese möchte ich hiermit zum allgemeinen Gebrauch empfehlen), zu „13 LA 209/05“ ist dort nichts zu finden.
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Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 18.09.2005 um 13.59 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1784
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Herr Markner hat natürlich recht: Das OVG Lüneburg hat kein Urteil in der Sache gefällt, die ja gar nicht verhandelt wurde. Es hat seinem Beschluß aber inhaltliche Argumente zugrunde gelegt und insofern auch „geurteilt“ – dem Alltagsverstande nach. Dies berechtigt im Hinblick auf die anstehende Berufungsverhandlung zu einigem Optimismus.
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Kommentar von Karsten Bolz, verfaßt am 18.09.2005 um 13.21 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1782
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»Rechtschreibreform: Gericht stärkt Gegner
Lüneburg - Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg hat Gegner der Rechtschreibreform gestärkt. Das Gericht gab einer Schülerin aus Oldenburg teilweise Recht, die weiterhin alte Schreibweisen verwenden will, ohne sie in Klassenarbeiten als Fehler angestrichen zu bekommen. "Sie hat Anspruch darauf, daß in ihren Arbeiten die herkömmliche Rechtschreibung nicht beanstandet, das heißt als falsch gewertet wird", heißt es in einem am Freitag veröffentlichten Beschluß des Gerichtes.
Mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht Hannover war die Elftkläßlerin Josephine Ahrens aus Oldenburg im Juni gescheitert. Gegen dieses Urteil hat nun das OVG die Berufung zugelassen. Den Erlaß einer einstweiligen Anordnung zur sofortigen Durchsetzung der Interessen der Schülerin lehnte das Gericht aber ab.
Der Rechtstreit wird nun mit einer Verhandlung vor dem OVG fortgesetzt. Ein Termin dafür steht aber noch nicht fest. (AZ: 13 LA 209/05 und 13 MC 214/05).
Die Schülerin aus Oldenburg habe durch die verbindliche Einführung der Reform "keine gravierenden Nachteile" zu befürchten, urteilte der 13. Senat des OVG. Aus der Entscheidungsbegründung ergibt sich aber, daß die Lüneburger Richter eine Verlängerung der Übergangsfrist für richtig gehalten hätten.
Die neue Rechtschreibung sei in der Gesellschaft nicht akzeptiert. "Es ist tatsächlich nicht offen erkennbar, was derzeitiger Stand der Reform ist", heißt es in der Entscheidung. Es dürfe sogar bezweifelt werden, daß die 2004 eingeführten Regeln den Lehrern geläufig sind. Das Urteil hat für andere Schüler allerdings keinerlei Auswirkungen, erläuterte ein Gerichtssprecher die Entscheidung.
Die Rechtschreibreform hat bereits mehrfach Gerichte beschäftigt, überwiegend ergingen Urteile zu Gunsten der Reform. Josephine Ahrens hatte im Frühjahr 1998 vor dem Verwaltungsgericht Hannover für sich durchgesetzt, nach den alten Regeln unterrichtet zu werden. Diese Entscheidung hob das Oberverwaltungsgericht Lüneburg im Juni 2001 wieder auf.
dpa«
(Die Welt, 17.09.2005)
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Kommentar von Karsten Bolz, verfaßt am 18.09.2005 um 12.52 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1781
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F.A.Z. 17.09.05, Seite 1:
»Wer herkömmlich schreibt, macht keinen Fehler
LÜNEBURG, 16. September (dpa). Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg hat Gegner der Rechtschreibreform gestärkt. Das Gericht gab einer Schülerin aus Oldenburg teilweise recht, die weiter alte Schreibweisen verwenden will, ohne sie in Klassenarbeiten als Fehler angestrichen zu bekommen. "Sie hat Anspruch darauf, daß in ihren Arbeiten die herkömmliche Rechtschreibung nicht beanstandet, das heißt als falsch gewertet wird", heißt es in einem am Freitag veröffentlichten Beschluß. Mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht Hannover war die Schülerin Josephine Ahrens aus Oldenburg im Juni gescheitert.«
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Kommentar von Pavel Nemec, verfaßt am 18.09.2005 um 09.08 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1779
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Das Gericht hat nur die Fortführung der Klage mittels Berufung zugelassen. Bis zu einem Urteil wird der Klägerin weiterhin die in der Gesellschaft allgemein praktizierte Rechtschreibung als Fehler gewertet. Es ist daher unverständlich, wieso das Gericht behauptet, die Antragstellerin habe schwerwiegende Nachteile nicht zu befürchten, wenn ihre den herkömmlichen Rechtschreibregeln entsprechenden Schreibweisen im Schulunterricht beanstandet würden.
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Kommentar von R. M., verfaßt am 17.09.2005 um 23.58 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1777
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Es handelt sich nicht um ein Urteil, sondern um eine Gerichtsentscheidung, die es möglich macht, daß demnächst ein Urteil in zweiter Instanz ergehen wird.
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Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 17.09.2005 um 18.37 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1774
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Sollte es so sein, daß der niedersächsische MP dies ermöglichen wollte, als er seinen unverständlichen Rückzieher auf der MP-Konferenz machte, Hut ab!
Das wäre ein schönes Spiel über Bande, wenn auch nicht nötig. Einfach Rückgrat hätte es auch gebracht.
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Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 17.09.2005 um 17.54 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1773
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Das Urteil des OVG ist ein gar nicht zu überschätzendes Fanal für die Gegner, eine Menetekel für die Reformer und vor allem für eine von allen guten Geistern verlassene, wildgewordene Kultusbürokratie. — Das gleiche Gericht, das einst Wernstedt stoppte, später allerdings Familie Ahrens abwies, schreibt nun Reformgeschichte. Das Wichtigste an dem Urteil ist, daß das Gericht sich nicht auf formaljuristische Gründe allein stützt, sondern klar und deutlich das Scheitern der Reform feststellt. Schüler für ideologisch motivierte Experimente zu mißbrauchen und gegen die Erwachsenen in Stellung zu bringen, dürfte nun allmählich ein Ende finden. Wir sehen auch, daß die Reform unbedingt in Kraft treten mußte, damit sie gerichtlich gestoppt werden konnte. Stellte das BVerfG seinerzeit noch auf eine vage Aussicht auf Akzeptanz ab, so liegt heute das Scheitern der Reform klar zutage.
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Kommentar von Sigmar Salzburg, verfaßt am 17.09.2005 um 15.41 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1772
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Ein schönes Geschenk zum heutigen 6. Jahrestag der parlamentarischen Niederschlagung des Volksaufstands gegen die Rechtschreibreform im Schleswig-Holstein.
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Kommentar von Bild, verfaßt am 17.09.2005 um 13.29 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1771
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»Sieg für Rechtschreib-Rebellin Josephine Ahrens (16). Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg entschied: Die Schülerin darf in Klassenarbeiten auch weiter die klassische Schreibung verwenden, ohne Fehler angestrichen zu bekommen. Sie darf auch gegen ein Urteil in Berufung gehen, das sie zur Schlechtschreibung zwang.
BILD meint: Dafür gibt’s den BILD-Orden „Retter der deutschen Sprache“! «
( Bild, 17. September 2005 )
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Kommentar von Nordwest-Zeitung, 17. September 2005, verfaßt am 17.09.2005 um 11.18 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=339#1769
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Alte Schreibweise ist kein Fehler
OVG stärkt Gegner
OLDENBURG/LÜNEBURG/LNI - Das Oberverwaltungsgerichtes (OVG) Lüneburg hat Gegner der Rechtschreibreform gestärkt. Das Gericht gab einer Schülerin aus Bardenfleth (Landkreis Wesermarsch) teilweise Recht, die weiterhin alte Schreibweisen verwenden will, ohne sie in Klassenarbeiten als Fehler angestrichen zu bekommen. "Sie hat Anspruch darauf, dass in ihren Arbeiten die herkömmliche Rechtschreibung nicht beanstandet, das heißt als falsch gewertet wird", heißt es in einem gestern veröffentlichten Beschluss.
Mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht Hannover war die Elftklässlerin Josephine Aahrens im Juni gescheitert. Gegen dieses Urteil hat nun das OVG die Berufung zugelassen. Den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur sofortigen Durchsetzung der Interessen der Schülerin lehnte das Gericht ab. Der Rechtsstreit wird mit einer Verhandlung vor dem OVG fortgesetzt. Ein Termin steht noch nicht fest. (AZ: 13 LA 209/05 und 13 MC 214/05).
Die Schülerin habe durch die verbindliche Einführung der Reform "keine gravierenden Nachteile" zu befürchten, urteilte der 13. Senat des OVG. Aus der Entscheidungsbegründung ergibt sich aber, dass die Lüneburger Richter eine Verlängerung der Übergangsfrist für richtig gehalten hätten.
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