Nachrichten rund um die Rechtschreibreform
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14.04.2005
Vom Winde gedreht
Das Börsenblatt und die Sprachwirklichkeit
Es ist noch erinnerlich, wie das Magazin der Buchbranche die damalige Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Doris Ahnen, zum »Kopf der Woche« kürte.
Grund war ihr als standhaft bezeichnetes Beharren auf der Rechtschreibreform in der damals gültigen Fassung. In der Ausgabe vom 14. April (Heft 15) besinnt sich das Zentralorgan der Kulturträger wieder auf das, was diese eigentlich als ihre »Kernkompetenz« begreifen sollten, auf:
Buchstabe und Geist
Rechtschreibreform: Die neue Regeln werden nochmals überarbeitet und vereinheitlicht. Dabei soll auch der tatsächliche Schreibgebrauch berücksichtigt werden.
Viel Zeit bleibt nicht mehr, um bis zum 1. August die gröbsten Unstimmigkeiten der Rechtschreibreform aus der Welt zu schaffen – denn dann soll nach dem Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) das Regelwerk verbindlich für Schulen in Kraft treten. Bis dahin wird der im Oktober 2004 installierte Rat für deutsche Rechtschreibung das schwierigste Kapitel der Rechtschreib-Odyssee bewältigt haben: die zum Teil erbittert bekämpften Regeln zur Getrennt- und Zusammenschreibung – kurz: GZS.
Für die Sitzung des Rats am vergangenen Freitag hatte die Arbeitsgruppe GZS eine Beschlussvorlage ausgearbeitet, die einige strittige Punkte klären soll. Dabei hat sich das Gremium in einigen Fällen dem »Schreibusus angenähert«, wie Ludwig Eichinger, Leiter des Instituts für Deutsche Sprache (IDS) in Mannheim, dem BÖRSENBLATT sagte. Beim IDS ist auch die Geschäftsstelle des Rechtschreibrats angesiedelt.
Erweitert wurde die Liste der zusammengesetzten Verben, denen ein Adverb vorangestellt wird: So darf es künftig etwa wieder – wie in der alten Schreibung - »abwärtsgehen« heißen statt »abwärts gehen«. Der Rat empfiehlt nun allgemein, so Weidinger [sic!], die Zusammenschreibung von Wörtern, die für sich allein genommen keine sinnvolle Bedeutung ergeben – etwa »entzwei«, das in der Liste der adverbialen Zusätze von Anfang an vorhanden war.
Zudem soll die Zusammenschreibung von Adjektiv und Verb wieder erlaubt werden – auch, um Bedeutungsunterschiede in der Sprache nicht zu verwischen. Künftig kann also wieder zwischen »frisch gebackenen« Brötchen und einem »frischgebackenen« Brautpaar unterschieden werden.
Noch ist nicht klar, welcher Änderungsbedarf sich primär für die Schulbuchverlage aus den nochmaligen Modifikationen ergeben wird. Weitere Änderungen werden noch Interpunktion, Silbentrennung und Fremdworteindeutschung betreffen – auch über den 1. August hinaus. Anfang Juni wird der Rat nochmals über die Regelungen zur GZS beraten, bevor die KMK im Juli endgültig darüber entscheidet.
Für Andreas Baer, Geschäftsführer des VdS Bildungsmedien, ist es noch zu früh, das Volumen der möglichen Änderungen zu beurteilen: »Derzeit handelt es sich um überschaubare Modifikationen. Für die Verlage ist es wichtig, dass die Änderungen sukzessive in neue Schulbuchauflagen einfließen können.« Von einer Rücknahme der Rechtschreibreform, wie dies in der Presse behauptet worden war, könne jedenfalls keine Rede sein, so Baer.
Michael Roesler-Graichen
Kasten: Überarbeitung der neuen Regeln
Getrennt- und Zusammenschreibung:
Die Arbeitsgruppe GZS schlägt Modifikationen bei zusammengesetzten Verben vor: So soll es künftig wieder »abwärtsgehen« heißen; doppelte Schreibweisen wie »kalt stellen« (das Eis) und »kaltstellen« (den Mitarbeiter) werden wieder zugelassen; statt »Leid tun« wird es künftig nur noch »leidtun« geben; Modifikationen werden auch »auseinandersetzen« und »kennenlernen« betreffen.
Interpunktion:
Der Regelgedanke der Klarheit bei der Zeichensetzung soll gestärkt werden – etwa bei der Kommasetzung vor erweitertem Infinitiv.
Fremdwort-Orthografie:
Einige Eindeutschungen sollen überprüft werden.
Bildunterschrift (Kinderfinger mit Füllfederhalter schreibt: Schiff – Fahrt):
Zurück zur Sprachwirklichkeit: Regelungen, die den bewährten Schreibgewohnheiten zuwiderlaufen, sollen auf Vorschlag des Rechtschreibrats teilweise rückgängig gemacht werden
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Kommentar von Fritz Koch, verfaßt am 14.04.2005 um 15.04 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=239#610
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Der "tatsächliche Schreibgebrauch" ist das Problem der Rechtschreibreform:
"Bei der Überarbeitung der Rechtschreibregeln soll jetzt auch der tatsächliche Schreibgebrauch berücksichtigt werden."
"In einigen strittigen Fällen hat sich das Gremium dem Schreibusus angenähert."
Das bedeutet nichts anderes, als daß sich der Schreibgebrauch in den neun Jahren seit der Einführung der neuen Rechtschreibung überhaupt nicht an die neuen Regeln angenähert hat: Die Rechtschreibreform wurde vom Volk nicht angenommen, und dabei bleibt es aller Voraussicht nach auch.
Hatte nicht das Bundesverfassungsgericht die Akzeptanz durch das Volk als die Voraussetzung für die Zulässigkeit der Reform genannt? Gemäß dem damaligen Urteil ist die Reform jetzt als verfassungswidrig zu beurteilen.
Für die Reformer gibt es nur zwei Lösungsmöglichkeiten:
Entweder wählen sie sich ein anderes Volk
oder sie berücksichtigen den Willen ihres Volkes.
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Kommentar von Reinhard Markner, verfaßt am 14.04.2005 um 17.55 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=239#611
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Ich kann keinerlei Besinnungs- und auch keinen Gesinnungswandel des Börsenblatts erkennen. Man gibt eben brav die Tagesparolen weiter. Daß Herr Eichinger binnen weniger Zeilen als Herr Weidinger wiederkehrt, zeigt deutlich, wie solche Berichte entstehen. Das Fähnchen dreht sich mit der Windeseile.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.04.2005 um 18.04 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=239#612
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Über Interpunktion und Fremdwortschreibung ist in München gar nicht gesprochen worden. Woher wissen die Leute das alles bloß?
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Kommentar von Michael Roesler-Graichen, verfaßt am 06.03.2006 um 12.58 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=239#3328
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